Hill | After the Fire - Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Reihe: Reihe Hanser

Hill After the Fire - Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021

Roman

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Reihe: Reihe Hanser

ISBN: 978-3-423-43804-9
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der einzige Weg aus der Dunkelheit ist, ein Feuer zu entzünden
Schwer verletzt liegt die 17-jährige Moonbeam im Krankenhaus und sieht sich einem Psychologen und einem FBI-Agenten gegenüber. Sie, die zu den wenigen Überlebenden nach der schrecklichen Brandkatastrophe gehört, soll erzählen, wie das Leben war auf der Farm der Gotteslegionäre. Wie ist es zu dem schrecklichen Feuer gekommen, wie zu der Schießerei zwischen den Gotteslegionären und der Polizei? So viele sind gestorben. Zögerlich öffnet sich Moonbeam, glaubt, dass man ihr helfen will, und fängt an zu erzählen, wie das Leben vor dem Feuer war und wie das Leben sich danach anfühlt. Eine Sache aber kann sie nicht erzählen. Doch sie muss aussprechen, was sie getan hat, will sie nicht daran zerbrechen.
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DANACH
Man hat mich auf ein dunkelrotes Sofa gesetzt und meine Beine wollen nicht aufhören zu zittern und meine Hand tut richtig weh und ich versuche, keine Angst zu haben, aber es geht nicht, weil ich nicht weiß, was die mit mir vorhaben. Ich weiß nicht mal, wo ich bin. Das Zimmer, in dem ich sitze, ist größer als mein Zimmer in der Basis, aber trotzdem noch ziemlich klein. Es hat hellgraue Wände und einen dunkelgrauen Teppichboden, und in ihm stehen das dunkelrote Sofa und ein breiter Tisch mit zwei Stühlen, unter die von mir entfernte Seite des Tisches geschoben. Alles ist makellos sauber und auf dem Tisch steht ein Apparat und über der Tür hängt eine Kamera. Die Frau in der weißen Tracht mit dem freundlichen Gesicht – Schwester Harrow, flüstert die Stimme in meinem Kopf, sie hat gesagt, sie sei Schwester Harrow – hat mich vor fünf Minuten hergebracht, und als sie die Tür aufdrückte, habe ich gesehen, dass darauf GESPRÄCHSRAUM 1 stand. Bevor sie ging, hat sie mich noch gefragt, ob ich etwas bräuchte. Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf sagen sollte. Ich höre, wie sich ein Schloss dreht, und halte die Luft an, als die Tür aufgeht und ein Mann das Zimmer betritt. Der Mann ist klein und hat einen dichten Bart und schütteres Haar und zwei freundlich blickende, von tiefen Falten gesäumte Augen. Er trägt ein weißes Hemd und eine Krawatte und über seiner Schulter hängt eine lederne Tasche. Jetzt zieht er einen Stuhl heraus, setzt sich, holt einen Stapel von Notizbüchern und Stiften aus seiner Tasche und breitet sie sorgfältig vor sich auf dem Tisch aus. Als alles so angeordnet ist, wie er es will, drückt er auf einen Knopf an dem Apparat und wartet, bis ein grünes Lämpchen aufleuchtet. Dann lächelt er mich an. »Hallo«, sagt er. Ich sage nichts. Ich weiß, dass ich dem Mann im Anzug damals, als ich noch im Bett lag und nicht richtig bei Bewusstsein war, eine Frage gestellt habe. Aber jetzt ist mein Bewusstsein zurückgekehrt, und manche Dinge sind so tief in mir verwurzelt, dass ich mich nicht an eine Zeit erinnern kann, in der es sie nicht gegeben hätte, und deshalb komme ich auch jetzt, nach allem, was passiert ist, nicht gegen sie an. Man spricht nicht mit Leuten von draußen. Niemals. »Ich bin Doktor Robert Hernandez«, fährt der Mann fort, »Leiter der Kinderpsychiatrie an der Universitätsklinik von Texas in Austin. Weißt du, was das bedeutet?« Ich schweige. »Es bedeutet, dass ich auf das Wohl von Kindern spezialisiert bin«, sagt er. »Besonders von Kindern, die traumatische Erlebnisse gehabt haben. Ich höre ihnen zu und versuche ihnen zu helfen.« In meinem Kopf schreit Father John, dass Leute von draußen mir nur wehtun wollen, dass sie mich foltern und töten wollen. »Mir ist klar, dass diese Situation dir große Angst macht«, sagt Doktor Hernandez. »Du hast Schreckliches durchgemacht, und ich weiß, dass du starke Schmerzen hast. Aber ich bin nicht dein Feind, egal was man dir vielleicht gesagt hat, und ich versichere dir, dass ich dir nichts Böses tun will. Ich will dir helfen. Aber damit ich das kann, musst du mir vertrauen. Am Anfang zumindest ein wenig. Meinst du, dass du das kannst?« Ich starre ihn an. Der erwartungsvolle Blick seiner Augen verrät mir, dass er nicht die geringste Ahnung hat, um was er mich da bittet. »Wie wär’s, wenn wir mit etwas Einfachem anfangen?«, sagt er. »Sag mir doch, wie du heißt.« Ich antworte nicht, sondern blicke ihn nur unverwandt an. »Gut«, sagt er, »überhaupt kein Problem. Wie wär’s dann damit? Ich stelle dir eine Frage und du nickst nur oder schüttelst den Kopf. Du brauchst nichts zu sagen.« Ich rühre mich nicht und unterdrücke sogar ein Augenzwinkern. Doktor Hernandez’ Lächeln lässt ein wenig nach. »Nein?«, sagt er. »Du willst es nicht versuchen?« Ich zwinkere genau ein Mal, weil meine Augen anfangen wehzutun, mehr nicht. Er nickt und schreibt etwas in eins seiner Notizbücher. Ich höre, wie der Stift über das Papier kratzt, und will wissen, was er über mich schreibt, kann aber nicht fragen. »Gut«, sagt er und legt den Stift weg. »Ich will dich auf keinen Fall in irgendeiner Weise unter Druck setzen. Ich kann mir nur vorstellen, wie überwältigend das alles für dich ist, deshalb halte ich es zu diesem Zeitpunkt für das Beste, wenn du in dein Zimmer zurückkehrst und wir morgen einen neuen Versuch machen. Du musst nicht mit mir reden, und ich verspreche dir, dass niemand dich dazu zwingen wird, am allerwenigsten ich. Aber wenn ich nicht überzeugt wäre, dass es dir helfen würde, wäre ich nicht hier.« Ich widerstehe dem Drang zu nicken, weil Father John in meinem Kopf tobt, mich als Ketzerin beschimpft und schreit, er hätte immer gewusst, dass ich einem Irrglauben anhänge. Doktor Hernandez nickt noch einmal, lächelt breit und verstaut seine Notizbücher und Stifte in der ledernen Tasche. »So weit, so gut«, sagt er. »Ruh dich aus. Wir sehen uns morgen wieder.« Schwester Harrow begleitet mich in mein Zimmer. Auf dem Weg durch die grauen Flure sage ich nichts, aber sie lächelt mich trotzdem an, bevor sie die Tür schließt und absperrt. Ich sehe mich in dem Zimmer um, das offenbar mein neues Zuhause ist. Es ist keineswegs groß, aber auch nicht wirklich klein. In der Basis gab es viele kleinere Zimmer, und das hier hat immerhin ein Waschbecken, eine Toilette, einen Tisch und einen Stuhl. Man kann es auch von außen absperren, darin sind die Zimmer sich gleich. Auf dem Tisch lag ein Stapel Kleider, als Schwester Harrow mich gestern Abend herbrachte, und daneben ein dicker Stapel Papier und eine Schachtel mit Bleistiften, Kulis und Buntstiften. Graue Hosen, Unterwäsche und Socken, T-Shirts, Pullis und Schuhe. Das meiste davon noch in Plastik eingewickelt und alles noch mit Preisschild. Einiges davon trage ich jetzt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es die ersten neuen Kleider sind, die ich je getragen habe. An der Wand über der Tür hängt eine Digitaluhr. Laut den Leuchtziffern ist es 10?:17 Uhr. Schwester Harrow hat gesagt, sie würde mir immer um neun das Frühstück und um halb eins das Mittagessen bringen, aber ich habe keine Ahnung, was ich mit der Zeit dazwischen anfangen soll. Ich lege mich auf das Bett und starre eine Weile an die Decke, dann stehe ich auf und gehe hin und her, bis die Muskeln in meinen Beinen anfangen wehzutun und die Hand unter dem Verband zu brennen beginnt und ich mich an den Tisch setze. Abgesehen von der Bibel waren in der Basis nach der Säuberung keine Bücher mehr erlaubt und auch Papier oder Stifte gab es kaum noch, aber ich hatte einen einfachen Skizzenblock, den Father Patrick mir geschenkt hat, als ich noch klein war. Obwohl die Zenturios davon gewusst haben müssen, weil ich ihn nie versteckt habe, haben sie ihn mir nicht weggenommen. Ich habe auf jede Seite Dutzende Male gezeichnet, bis das Papier von dem Bleistift, den ich immer wieder ausradiert habe, mit tiefen Rillen übersät war. Der Block befand sich bei Ausbruch des Feuers in meinem Zimmer, er ist also vermutlich verbrannt. Ich nehme ein Blatt vom Stapel und streiche mit den Fingern über die Oberfläche. Sie ist glatt, weil sie noch nie verwendet wurde. Das Papier ist ganz neu. Es hat keine Geschichte. Ich starre auf die weiße Wand vor mir, bis mein Kopf leer ist, dann nehme ich einen Bleistift aus dem Plastikbehälter und beginne zu zeichnen. Seit Langem scheine ich keinen Einfluss mehr darauf zu haben, was auf dem Blatt entsteht. Ich will etwa einen Hund zeichnen oder ein Raumschiff oder eine einsame Insel, aber am Ende kommt immer dasselbe heraus. Es ist, als würde der Stift in meinen Fingern zum Leben erwachen, als würde er meine eigentliche Absicht besser kennen als ich selbst. Ich weiß von damals, als wir noch fernsehen und Bücher lesen durften, noch in etwa, was ein Psychiater ist, auch wenn ich nichts gesagt habe, als Doktor Hernandez mich danach fragte, und er würde bestimmt sagen, die Zeichnungen seien Ausdruck meines Unterbewusstseins. Wahrscheinlich hätte er auch recht, aber da ich sie ihm nicht zeigen werde, ist es im Grunde egal. Ich zeichne die ersten Linien und fast sofort nimmt das vertraute Bild aus meinem Kopf auf dem Papier Gestalt an. Anschließend nehme ich Buntstifte und überlasse mich den eintönigen Bewegungen des Ausmalens, bei denen meine Hände wie von selbst arbeiten, während mir bruchstückhafte Erinnerungen durch den Kopf gehen … … an meinen Vater, obwohl ich weiß, dass nicht wirklich er es ist, sondern eine Version, die meine Fantasie aus einem alten Foto erschaffen hat. Er lächelt mich an, und ich überlege, ob er wirklich so ausgesehen hat, wenn er gelächelt hat. Die Menschen sehen so anders aus, wenn sie sich bewegen und nicht zu einem Bild erstarrt sind … … an das Feuer, das durch die Fenster der Kapelle schlägt und sich rasend schnell über den Wüstenboden ausbreitet wie ein wildes Tier auf der Jagd, knisternd vor wilder Freude … … an Honeys Gesicht, als sie Father John widersprach, als sie ihn trotzig ansah und absichtlich ketzerische Dinge sagte … … an meine Mutter, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, hinten im roten Pick-up, die Plastiktüte mit ihrer gesamten Habe an sich gedrückt und den Blick unverwandt auf mich gerichtet …. … an Nate, wie er sich im Dunkeln über mich beugt, die Augen groß, die Stimme besorgt und die Hände voller verbotener Dinge … … an die abgesperrte Tür im Keller des Großen Hauses … … an Father John, nachdem seine Prophezeiungen sich endlich erfüllt...


Hill, Will
Will Hill wuchs im Nordosten Englands auf und hat als Barkeeper, Buchhändler und im Verlagswesen gearbeitet, bevor er Vollzeitschriftsteller wurde. Sein Roman 'After the Fire' wurde von der Kritik und den Lesern begeistert aufgenommen und mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Young Adult Book Prize 2018, und stand auf der Shortlist für die Carnegie Medal. Will Hill lebt mit seiner Familie in London.

Ströle, Wolfram
Wolfram Ströle, geboren 1957, studierte Anglistik und Geschichte in Erlangen, Aberdeen/Großbritannien und Tübingen. Für seine Übersetzungen aus dem Englischen wurde er u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

Will Hill wuchs im Nordosten Englands auf und hat als Barkeeper, Buchhändler und im Verlagswesen gearbeitet, bevor er Vollzeitschriftsteller wurde. Sein Roman ›After the Fire‹ wurde von der Kritik und den Lesern begeistert aufgenommen und mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Young Adult Book Prize 2018, und stand auf der Shortlist für die Carnegie Medal. In Deutschland wurde der Roman mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Will Hill lebt mit seiner Familie in London.


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