Hoerster | Der gütige Gott und das Übel | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 6270, 128 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Hoerster Der gütige Gott und das Übel

Ein philosophisches Problem

E-Book, Deutsch, Band 6270, 128 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-70568-7
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wie kann man den Schöpfer einer Welt, die für uns Menschen oft voller Leid und Schmerzen ist, mit gutem Grund als gütig seinen Geschöpfen gegenüber betrachten? Norbert Hoerster prüft in leicht verständlicher Sprache die besonders von Theologen vorgeschlagenen Lösungen dieses sogenannten Theodizeeproblems.
Es geht in diesem Buch nicht um die Frage, ob ein allmächtiger und allwissender Gott existiert, sondern um den Anspruch der Theologen, eine rationale Begründung für den Glauben an einen allgütigen Gott zu geben – trotz all der Naturkatastrophen und schweren Krankheiten sowie der von Menschen begangenen grausamen Verbrechen. In einem kritischen Gang durch die verschiedenen Begründungen, die sämtlich seiner Prüfung nicht standhalten, geht der Philosoph mit dem Wunschdenken der Theologen ins Gericht.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;2
4;Über den Autor;2
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Vorbemerkung;7
8;I. Zur Einführung;9
8.1;1. Der Inhalt des Problems;10
8.2;2. Das Wesen des Übels;15
8.3;3. Die lebenspraktische Bedeutung des Problems;19
9;II. Misslungene Lösungen des Problems;27
9.1;1. Die Ausweichmanöver von Küng und Ratzinger;28
9.2;2. Die Spekulationen von Leibniz;31
9.3;3. Das Übel als Ursache des Guten;37
10;III. Das natürliche Übel und seine Notwendigkeit;43
10.1;1. Die Evolution des Menschen;44
10.2;2. Das Leben ohne natürliches Übel;53
10.3;3. Die Bewertung des natürlichen Übels;56
11;IV. Das moralische Übel und die Willensfreiheit;61
11.1;1. Der besondere Wert der Willensfreiheit;62
11.2;2. Die Relevanz der Willensfreiheit für die Moral;66
11.3;3. Moralisches Handeln ohne Versuchung zum Bösen;80
12;V. Weitere wichtige Fragen;95
12.1;1. Gottes Eingriffsmöglichkeit durch Wunder;96
12.2;2. Der Teufel als Urheber des natürlichen Übels;102
12.3;3. Die Frage der Beweispflicht;109
13;Schlusswort;119
14;Literaturhinweise;125


II. Misslungene Lösungen des Problems
Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Versuche, das Problem des Übels zu lösen. Sowohl Theologen als auch Philosophen haben immer wieder solche Versuche unternommen. Nach meiner Überzeugung gibt es unter diesen Versuchen sowohl solche, die sich relativ einfach widerlegen lassen, als auch solche, zu denen man ohne eine ernsthafte und sorgfältige Analyse und Prüfung nicht wirklich Stellung nehmen kann. Drei Versuche der ersten Art werde ich im vorliegenden Kapitel behandeln. Sie haben eines gemeinsam: Sie nehmen in Wahrheit das Theodizee-Problem als echtes Problem überhaupt nicht ernst. Sie präsentieren einem skeptischen Leser keine auch nur ansatzweise nachvollziehbaren Argumente für den Glauben an einen allgütigen Gott, sondern setzen die Existenz eines allgütigen Gottes einfach als völlig selbstverständlich voraus, um von diesem Standpunkt aus dann jegliche Kritik an der Allgüte Gottes an sich abprallen zu lassen. Die konkreten Strategien, mit denen die drei Versuche ihr Ziel verfolgen, sind allerdings durchaus unterschiedlich. Es lohnt sich deshalb, sie im Folgenden der Reihe nach zu kritisieren. 1. Die Ausweichmanöver von Küng und Ratzinger
Hans Küng und Joseph Ratzinger sind zweifellos die beiden im deutschsprachigen Raum berühmtesten und einflussreichsten katholischen Theologen der letzten fünfzig Jahre. Aber auch andere renommierte katholische wie evangelische Theologen gehen im Prinzip genauso mit dem Theodizeeproblem um wie Küng und Ratzinger. Auch einige dieser Theologen werde ich im Folgenden deshalb zitieren. Es ist erstaunlich, auf welche Weise es unseren führenden Theologen immer wieder gelingt, in ihrem Umgang mit dem Problem des Übels ihre Gläubigen, wie mir scheint, im Grunde hinters Licht zu führen. Schon bei Karl Rahner liest man den merkwürdigen Satz «Die Unbegreiflichkeit des Leides ist ein Stück der Unbegreiflichkeit Gottes» (Rahner, S. 463). Mit diesem Satz will Rahner anscheinend Folgendes sagen: Dass es auf der Erde Leid und damit Übel gibt, ist für uns ganz einfach deshalb unbegreiflich, weil Gott, der für das Übel ja verantwortlich ist, für uns unbegreiflich ist. Mit anderen Worten: Es ist die Unbegreiflichkeit Gottes, die das Problem des Übels für uns unlösbar macht. Uns fehlt somit von vornherein jede Möglichkeit zu erkennen, auf welche Weise das Übel in der Welt mit unserem Verständnis von der Allgüte Gottes vereinbar sein könnte. Noch deutlicher äußert sich der evangelische Theologe Heinz Zahrnt, wenn er im Kontext seiner Lutherdeutung schreibt: «Wenn Gott Gott ist, dann muß er für uns unbegreiflich sein – oder er ist eben nicht Gott … Gott ist auch dann gerecht, wenn er uns ungerecht erscheint» (Zahrnt, S. 199). Die moralische Vollkommenheit, die Güte und Gerechtigkeit Gottes beruht, so gesehen, also auf einer Vorstellung von Moral, die unserer menschlichen Vorstellung von Moral geradezu widerspricht. Es gibt natürlich die moralische Vollkommenheit Gottes, doch für uns Menschen ist sie unbegreiflich. Gott ist zwar gütig, ja allgütig – aber in einem Sinn des Wortes, der mit dem uns vertrauten Sinn von «Güte» nicht das Geringste zu tun hat. Auch der ehemalige Papst Joseph Ratzinger sieht die Sache nicht anders. Er schreibt, das Theodizeeproblem mache sichtbar, «wie wenig wir Gott definieren, gar durchschauen können». Dabei verurteilt Ratzinger «unseren Wahn, über alles urteilen und abschließend sprechen zu können», und ermahnt uns, stattdessen dem «Geheimnis Gottes in seiner Unbegreiflichkeit zu trauen» (Ratzinger, S. 23). Hans Küng wiederum kommt bei seiner Behandlung unseres Problems zu dem sehr deutlichen Schluss: «Eine theoretische Antwort auf das Theodizee-Problem, scheint mir, gibt es nicht!» Denn «sinnloses Leid läßt sich … nicht theoretisch verstehen, sondern nur praktisch bestehen». Theoretisch bleibt Küng nur die Feststellung übrig: «Gott ist und bleibt für den Menschen letztlich unbegreiflich». Trotzdem aber «ist dem Menschen die Möglichkeit geschenkt, diesem unbegreiflichen Gott statt Resignation oder Verzweiflung ein unerschütterliches, unbedingtes Vertrauen entgegenzubringen» (Küng I, S. 121 und S. 124). «Der Glaube ist es», so Küng, der «die Kraft findet zum wagemutigen Risiko … gegen alle entgegenstehenden Vernunftgründe zur vollen vertrauensvollen Hingabe an Gott» (Küng II, S. 42). Mit Gottes Unbegreiflichkeit hat dieser Glaube anscheinend kein Problem. Wie leicht sich offenbar der Durchschnittsgläubige von dieser Sichtweise beeindrucken lässt, mögen die folgenden Sätze zeigen, mit denen der katholische Mönch und Bestseller-Autor Anselm Grün gegen Ende seines Theodizee-Buches auf das Naturphänomen der «Macht von Blitz und Donner, von Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Flutwellen» wie folgt eingeht: «Wie sollen wir Gott verstehen, der eine so gefährdete und gefährliche Schöpfung geschaffen hat? … Wir sollten uns hüten, Gott mit unseren menschlichen Begriffen zu beschreiben. Es bleibt bei allen Versuchen, Gott zu verstehen, unser Eingeständnis, dass Gott ganz anders ist und dass er sich nicht nach unserer Theologie richtet, sondern vielmehr so ist und handelt, wie es seinem Wesen entspricht. In der Unbegreiflichkeit des Leids, das durch Naturkatastrophen verursacht wird, gilt es, sich immer mehr dem unbegreiflichen Gott zu überlassen.» (Grün, S. 151f.) In Wahrheit bedienen sich alle diese Verweisungen des Problems des Übels auf die Schiene der «Unbegreiflichkeit» jener Strategie, die wir schon oben in der Position Kuschels kennengelernt haben (siehe S. 14f.). Meine Antwort auf diese vielbeschworene sogenannte Unbegreiflichkeit Gottes lautet wie folgt: Wenn Gott für uns Menschen tatsächlich unbegreiflich ist (was ich durchaus nachvollziehen kann), dann wird das Problem des Übels damit nicht etwa, wie man auf den ersten Blick vielleicht meinen könnte, theoretisch unlösbar. Richtig ist vielmehr: Das Problem – das Problem nämlich der Allgüte Gottes angesichts der Übel dieser Welt – entsteht erst gar nicht! Denn wir haben dann von vornherein doch nicht den geringsten Grund, diesen Gott, den wir in keiner Weise begreifen können, überhaupt für allgütig zu halten. Es ist schwer nachvollziehbar, dass die oben zitierten Theologen in ihrer verkündeten Glaubenslehre genau diesen Schluss nicht ziehen, sondern bei passender Gelegenheit immer wieder von einem allgütigen Gott – mit allen damit verbundenen Konsequenzen – reden und ausgehen. Wie kann man aber vernünftigerweise einem Gott, über dessen moralische Eigenschaften wie seine mögliche Allgüte man gar keine Vorstellung haben kann, trotzdem, wie Küng ausdrücklich fordert, ein «unbedingtes Vertrauen» entgegenbringen? Und wie kann man zu einem solchen Gott beten? Vielleicht fühlt er sich durch unsere Gebete ja nur belästigt und reagiert verärgert oder bestraft uns gar. Kann es denn etwa generell rational oder vernünftig sein, sein praktisches Verhalten auf eine Hypothese zu stützen, für deren theoretische Annahme man keinen guten Grund erkennen kann? Sollten wir denn in unserem praktischen Leben zum Beispiel auch dann den Ratschlägen der Astrologen vertrauen, wenn deren Voraussagen uns theoretisch ganz unbegründet erscheinen? 2. Die Spekulationen von Leibniz
Eine ausgesprochen dogmatische, für einen vorurteilsfreien Menschen kaum nachvollziehbare Verteidigung der göttlichen Allgüte präsentiert der berühmte Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz in seiner umfangreichen Theodizeeschrift. Ich beschränke mich bei meiner folgenden kritischen Erörterung seiner Position auf ihre zentralen Thesen und Argumente. Der Gott, von dessen Existenz Leibniz überzeugt ist, ist von vornherein schon definiert als jenes übernatürliche Wesen, über das hinaus kein größeres, kein in jeder Hinsicht vollkommeneres Wesen auch nur gedacht werden kann. Für Leibniz besteht kein Zweifel, «daß es unendlich viel mögliche Welten gibt», von denen Gott, dessen Güte «unbedingt vollkommen» ist, «mit Notwendigkeit die beste erwählt hat, da er nichts ohne höchste Vernunft tut» (Leibniz I, § 7f.). Leibniz legt hier bereits in den Begriff Gottes einfach alle jene Eigenschaften hinein, für deren Vorhandensein bei Gott er in Wahrheit jeweils gesondert argumentieren müsste. Speziell die moralische...


Norbert Hoerster, geb. 1937, lehrte von 1974 bis 1998 als Professor Rechts- und Sozialphilosophie an der Universität Mainz.


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