Hoffmann / Schröder / Scherer | Der „Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann. Erzählstrukturen des Wahnsinns und des Unheimlichen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 177 Seiten

Hoffmann / Schröder / Scherer Der „Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann. Erzählstrukturen des Wahnsinns und des Unheimlichen

E-Book, Deutsch, 177 Seiten

ISBN: 978-3-656-46453-2
Verlag: Science Factory
Format: PDF
Kopierschutz: Kein



Was ist Realität, wo beginnt Wahnsinn? Und was hat den jungen Nataniel um seinen Verstand gebracht? Seit ihrer Veröffentlichung im Jahr 1816 gehört die Novelle „Der Sandmann“ zu E.T.A. Hoffmanns bekanntesten Werken. Bis heute lässt dieser Text zahlreiche Fragen offen und beschäftigt Leser wie Interpreten gleichermaßen. Eine der berühmtesten Deutungen bildet die Lektüre von Sigmund Freud, der am Beispiel „Sandmann“ seinen Begriff des ‚Unheimlichen‘ illustrierte.

Dieser Sammelband enthält den Originaltext von E.T.A. Hoffmanns „Sandmann“ sowie vier Forschungsarbeiten, welche die zentral aufgeworfene Frage nach Wahnsinn und Realität in ihren Fokus stellen.

Aus dem Inhalt: Entschlüsselung von Erzählstrukturen und Motiven
(Augenmotiv); Erläuterung erzählerischer Mittel; Erzähltechniken des Phantastischen, Irrealen und Unheimlichen bei Hoffmann; Zur Kunstauffassung E.T.A. Hoffmans; Die psychoanalytische Deutung; Zur Lesart Sigmund Freuds
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HAUPTTEIL: Allgemeine formale Analyse: E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann
Inhalt und Aufbau
Kurzvorstellung des Inhalts Der Sandmann erzählt vom tragischen Schicksal des jungen Studenten Nathanael, der seinen Seelenfrieden und sein Liebesglück durch den Einfluss eines wiedererwachenden Kindheitstraumas gefährdet sieht. In diesem spielt die Schreckfigur des bösen Sandmannes eine zentrale Rolle, welche Nathanael damals in der Gestalt des verhassten Advokaten Coppelius personifiziert sah und nun in dem italienischen Optiker Giuseppe Coppola wieder zu erkennen glaubt. Mit der „Infizierung“ Nathanaels durch das Trauma geht zugleich eine Veränderung und Verschiebung (vor allem der optischen) Wahrnehmung bei diesem einher: Er wendet sich von seiner verständigen Verlobten Klara ab, die nicht an die bedrohliche Macht des Sandmannes glauben mag und der Maschinenfrau Olimpia zu, die er für lebendig hält und in welcher er das Ziel all seiner Sehnsüchte und eine wahre Seelenverwandte gefunden zu haben glaubt, obwohl – oder gerade weil? – diese sich ihrer Puppennatur gemäß vollkommen passiv verhalten muss. Als er in Olimpia jedoch schließlich den Automaten erkennen muss, den ihm lediglich der Blick durch ein Taschenperspektiv Coppolas begehrenswert gemacht hat und ihm wiederum später durch eben jenes unheilvolle Perspektivglas seine Verlobte schrecklich verzerrt erscheint, treibt ihn dies zunächst vorübergehend in den Wahnsinn und schließlich auf dem örtlichen Rathausturm. Hier vollzieht sich eine dramatische Eskalation des Geschehens, in der Klara nur knapp davor gerettet werden kann, vom rasenden Nathanael in die Tiefe geschleudert zu werden, mit in seinen Selbstmord. Aufbau der Erzählung Der Textkörper kann in zwei Teile gegliedert werden, welche sich wiederum in verschiedene inhaltliche Sequenzen oder auch Stationen unterteilen lassen: Der erste Teil umfasst die drei vorangestellten Briefe (Nathanael an Lothar [bzw. indirekt an Klara], Klara an Nathanael, Nathanael an Lothar), den Beginn der Erzählerrede mit dessen die Literaturproduktion thematisierendem Exkurs und die darauf folgende Schilderung des Geschehens durch den Erzähler bis nach dem verhinderten Duell Nathanaels mit Lothar. Der zweite Teil beginnt damit, dass Nathanael in seinem Studienort G. ein neues Zimmer gegenüber dem Hause des Professor Spalanzani bezieht und enthält die folgenden zentralen Handlungs- bzw. Erzähleinheiten: den Kauf des Taschenperspektivs von Coppola, die zunehmenden Leidenschaft für Spalanzanis „Tochter“ Olimpia, den Streit Spalanzanis und Coppolas um den Automaten, wodurch Nathanaels erster Anfall von Wahnsinn ausgelöst wird, den gesellschaftskritisch-ironischen Erzählereinschub und schließlich Nathanaels Tod. Hierbei lassen sich im Vergleich der beiden Teile sowohl formale als auch motivische Parallelanordnungen erkennen, die letztlich jene Zweiteilung weniger als die bewusste Trennung zweier autonomer inhaltlicher Komplexe charakterisieren. Vielmehr scheint es sich um die Gegenüberstellung zweier zwar unterschiedlicher, jedoch im Bereich des Inhaltlichen und des Bildlichen korrespondierender, in wechselwirkender Verbindung stehender Einheiten zu handeln. Das Verweisverhältnis zwischen beiden Teilen zeigt sich besonders deutlich zum einen in Nathanals heimlicher Beobachtung des Vaters und Coppolas beim alchemistischen Experimentieren (S.15, 16) und zum anderen in jener Szene, in der Nathanael Zeuge des Streites zwischen Spalanzani und Coppola um deren Schöpfung Olimpia wird (S.42-44). In beiden Fällen hat Nathanael zunächst die Position des unbemerkten Beobachters inne, der Ungeheuerliches mit ansehen muss und der dadurch, dass er sich schließlich in das Geschehen einschaltet, eine Eskalation bewirkt, welche ihm zunächst die Sinne und auf lange Sicht letztlich den Verstand raubt. Ebenfalls in beiden Fällen zentral ist das (im übrigen den ganzen Text maßgeblich bestimmende) Augen-Motiv: So ist es der Schrecken vor Menschengesichter[n] […] ohne Augen- [mit] scheußliche[n], tiefschwarze[n] Höhlen statt ihrer (S.15)[2] und die Angst, der eigenen Augen beraubt zu werden, wodurch letztlich Nathanaels Kindheitstrauma vom bösen Sandmann gefestigt wird, und so ist es später der Blick in Olimpias toderbleichtes Wachsgesicht, das keine Augen, statt ihrer schwarze Höhlen hat (S.43), der Nathanaels Wahnsinn besiegelt. Auch kleinere Motive wie u. a. das „teuflische“ (vgl. S.14) Lachen Coppelius’, welches später im häßlichen Lachen (S.33) Coppolas ein Äquivalent findet oder das Bild des Feuerkreis[es] (S.29), welches Nathanael in seinem Gedicht entwirft und welches später zum Zeichen seiner ver-rückten Wahrnehmung und damit letztlich seines Wahnsinns wird, erscheinen in beiden Teilen, wenn auch in leicht veränderten Kontexten. Ihr wiederholtes Auftauchen im Text kann letztlich als entscheidend für den darin erweckten Eindruck einer schicksalhaften Determinierung der Ereignisse um Nathanael gekennzeichnet werden und verleiht der Erzählung auf symbolisch-bildlicher Ebene ihre außerordentliche Dichte und Konsistenz. Figuren und Erzähler
Figuren und Figurenkonstellation Innerhalb der Erzählung Der Sandmann erscheinen die folgenden Figuren und Figurenkonstellationen: Die zweifellos zentrale Rolle kommt der Figur des jungen, musisch-träumerisch veranlagten Studenten Nathanael aus bürgerlichem Hause zu. Nathanael ist Verfasser des einleitenden ersten Briefes zu Beginn der Erzählung, in welchem folgenden Personen allein aus seinem subjektiv-begrenzten Blickwinkel heraus beschrieben werden: die Eltern, die im Rahmen der Alchemie-Problematik präsentiert werden und der Advokat Coppelius als der Urheber eben dieser Problematik und „Drahtzieher“ der geschilderten schrecklichen Kindheitserlebnisse Nathanaels. Auch der Optiker Coppola, dessen Erscheinen für Nathanael zum Auslöser für das Erwachen alter Erinnerungen und düstre[r] Träumereien (S.27) wird und die Kinderfrau, die mit ihrem Schauermärchen zur Einführung des „Sandmannes“ als Schreckinstanz und regelrechte „Inkarnation des Bösen“ in Nathanaels kindliche Phantasie beiträgt, werden kurz erwähnt. Im zweiten Brief kommt die Figur Klara zu Wort: Nathanaels Adoptivschwester und Verlobte erweist sich in ihrer nüchternen und heiter- unverzagten Einschätzung des von Nathanael Geschilderten ganz als das gemütvolle, verständige, kindliche Mädchen (S.27) mit dem hellen, scharf sichtenden Verstand (S.26), wie sie später durch den Erzähler beschrieben wird. In ihrer Charakterzeichnung wird jedoch auch bereits ein Konfliktpotential in Bezug auf Nathanael angedeutet: Nebler und Schwebler hatten bei ihr böses Spiel (S.26), ihnen begegnet das Mädchen mit stiller Ironie. Und dass sich Nathanael unter dem Einfluss seines durch Coppolas Erscheinen geweckten Kindheitstraumas letztlich zu einem solchen in Klaras Augen wenig ernstzunehmenden Phantasten entwickelt, dass er zu ihrem Missvergnügen zunehmend dunkle[n] Ahnungen nachhängt und sich in langweilige[r] Mystik (S.29) ergeht, scheint schließlich die vorher so innige Beziehung der beiden erstmals in Frage zu stellen. Letztlich ist es eine Opposition des Phantastischen, Träumerischen zum Bodenständig-Realen, welche durch die Figuren Nathanael und Klara illustriert wird – und dies nicht ohne eine gewisse textimmanente Ironisierung beider Positionen: So kann zwar zunächst vor allem Nathanael in seiner zunehmend zwang- bzw. krankhaft anmutenden Beschäftigung mit dem Unheilvollen und Dubiosen[3], seiner offenbar irregeleiteten Wahrnehmung und seiner narzisstischen Maschinenliebe frag- und kritikwürdig erscheinen und möglicherweise als satirisches Bild des musischen Phantasten, der nahezu pathologisch selbstbezogenen Künstlernatur fungieren. Es finden sich jedoch auch in der Figurenzeichnung Klaras mit ihrer gutbürgerlichen Vernunft, die scheinbar nichts Unerklärliches gelten lassen mag und stattdessen allem eine unerschütterliche Heiterkeit[4] entgegensetzt, möglicherweise ironische Untertöne, die auf eine leise Kritik an spießbürgerlicher Beschränktheit und Philistertum hindeuten könnten – auch wenn der Erzähler zunächst offenbar voller Bewunderung und Wohlwollen von Klara spricht.[5] Eine weitere Figur, die zunächst indirekt als Adressat von Nathanaels erstem und zweiten Brief erscheint, in Klaras Brief jedoch – im Übrigen das erste und einzige Mal innerhalb der Erzählung – direkt zu Wort kommt (S.21), ist Lothar. Er ist Nathanaels Adoptiv- und Klaras leiblicher Bruder und scheint Nathanael im Grunde freundschaftlich zugetan. Als dieser jedoch Klara beschimpft, da sie auf sein unheilschwangeres Gedicht abwehrend reagiert hat (S.31), fühlt sich Lothar verpflichtet, sich auf die Seite der Schwester zu stellen und Nathanael zum Duell zu fordern – hatte er doch auch schon länger einen gewissen Unmut wider den träumerischen Nathanael […] im Herzen getragen. (S.31)[6] Dank Klaras beherzter Intervention lassen die beiden jedoch letztlich voneinander ab und versöhnen sich. Lothar tritt jedoch noch ein weiteres Mal als Klaras Beschützer, ja in diesem Falle als ihr Lebensretter auf: Er...


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