Hüther / Burdy | Wir informieren uns zu Tode | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Hüther / Burdy Wir informieren uns zu Tode

Ein Befreiungsversuch für verwickelte Gehirne

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-451-82800-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Unsere globalisierte und digitalisierte Welt mit ihren trüben Zukunftsaussichten verunsichert viele. Entsprechend übermächtig ist das Bedürfnis nach wegweisenden Informationen. Doch das Informationszeitalter für alle hat sich in ein Zeitalter der allgemeinen Verwirrung verwandelt. Der Wettbewerb der Ideen, den alle freiheitlichen Demokratien für ihre Weiterentwicklung brauchen, ist zum Marktplatz für die Verbreiter von Angst, Wut und Empörung geworden. Unsere Gehirne sind mit einer konstruktiven Verarbeitung der täglichen Flut von Botschaften völlig überfordert. Wir haben die Orientierung verloren.
Der Hirnforscher Gerald Hüther und der Publizist Robert Burdy beschreiben die konkreten Erscheinungsformen, Ursachen und Auswirkungen dieser Überflutung. Sie belegen, wie wir durch emotional aufgeladene Botschaften manipuliert werden und welche Gefahren daraus für uns und unser Zusammenleben erwachsen.  Ihr radikaler Lösungsvorschlag lautet: konsequente Rückbesinnung auf das, was wir für ein friedvolles und glückliches Leben brauchen und wie wir unser künftiges Zusammenleben gemeinsam gestalten wollen. Wer diesem inneren Kompass folgt, kann sich im Dschungel der ständig hereinprasselnden Informationen nicht mehr verirren.
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Teil 2: Reset
Was uns in einer Flut von Informationen hilft, die Orientierung nicht zu verlieren: Rückbesinnung heißt das Zauberwort, um im Fall einer Verwirrung wieder zur Vernunft zu kommen 2.1 Rückbesinnung auf das, was Infor­mationen wirklich sind und was wir daraus gemacht haben
Mit unseren nicht von einem genetischen »Bauplan« vorkonstruierten, sondern sich durch Erfahrungen strukturierenden und zeitlebens lernfähigen Gehirnen sind wir Menschen Suchende. Immer wird es Einzelne und bisweilen auch sehr viele Mitglieder ganzer Gemeinschaften oder Gesellschaften geben, die genau zu wissen glauben, worauf es im Leben und im Zusammenleben mit anderen ankomme. Manche dieser Vorstellungen erweisen sich als brauchbar und werden dann auch umgesetzt. Viele sind nur kurzfristig geeignet, um ein bestimmtes Problem zu lösen, und führen langfristig zu immer größer werdenden Problemen. Erst dann werden sie allmählich als Irrweg erkannt. So tasten wir uns wie Amöben immer wieder versuchend und irrend durch die Welt. Was wir dabei lernen, geben wir an andere als Informationen weiter. So können unsere Nachkommen auf die von uns bereits gemachten Erfahrungen zurückgreifen. Sie brauchen dann nicht in jeder Generation wieder auf die gleichen Irrwege zu geraten wie wir. Um die Ausbreitung solcher Informationen zu verbessern, haben wir von Generation zu Generation auch zunehmend effizientere Informationstechnologien entwickelt. So führte die Erfindung des Buchdrucks zur Herausbildung unserer heutigen Printmedien. Und die Buschtrommel wurde zum Telegrafen, zum Telefon, zum Radio- und Fernsehgerät bis hin zu den heute allgegenwärtigen digitalen Informationsmedien. Wenn jede und jeder in die Lage versetzt wird, all das, was sie oder er an Erfahrung und Wissen anhäuft, an alle anderen Menschen zu verbreiten, werden zwangsläufig auch sehr viele Botschaften weitergegeben, die nichts mehr mit dem zu tun haben, wozu nicht nur wir Menschen, sondern alle Lebewesen die Fähigkeit zum Austausch von Informationen herausgebildet haben: um voneinander zu lernen, worauf es im Leben ankommt. Lange Zeit ging es dabei nur um das nackte Überleben und die Reproduktion. Dazu dient der Informationsaustausch bei Pflanzen und Tieren noch heute. Bei uns Menschen ist noch das hinzugekommen, was wir mit unserem zeitlebens umbaufähigen Gehirn zusätzlich noch brauchen, um unser Leben und unser Zusammenleben so zu gestalten, dass wir uns nicht immer wieder allzu sehr und allzu lange verirren: Orientierung! Weshalb ist die Evolution des Lebendigen eine Evolution der Informationsverarbeitung?
Eine Bettwanze braucht nur zwei Informationen aus der sie umgebenden Welt, um das sein zu können, was sie ist, und das zu tun, was sie am Leben erhält. Deshalb suchen alle Bettwanzen nach einer Wärmequelle mit einer Kerntemperatur von 37°, die nach Buttersäure riecht. Was sie dann finden, wenn sie nicht durch die listigen Experimente eines Bettwanzenforschers in die Irre geführt werden, ist ein Säugetier mit pulsierenden Blutgefäßen unter der Haut, die sie anzapfen können. Ihre hochsensitiven Messfühler zur Wahrnehmung dieser beiden Informationen und die neuronalen Netzwerke zu deren Verarbeitung bringt jede Bettwanze schon bei ihrem Schlupf mit auf die Welt. Es sind angeborene Fähigkeiten, deren Herausbildung genetisch verankert ist. Ihr Genom und dessen Abschreibungsmechanismen haben sich im Lauf der Bettwanzenevolution so lange immer wieder verändert, bis dabei genau die genetischen Anlagen entstanden waren, die unsere Bettwanzen zu solch geschickten und lästigen Blutsaugern gemacht haben, die sie heute noch sind. Da es so viele unterschiedliche Lebensräume gab, die von Lebewesen im Verlauf der Evolution besiedelt worden sind, unterscheiden sich auch deren jeweiligen angeborenen und genetisch verankerten Merkmale und Fähigkeiten beträchtlich von Art zu Art. Manchen gelang es, einen Lebensraum zu besiedeln, der ihnen alles bot, was sie brauchten, und in dem sich über sehr lange Zeiträume nichts so tief greifend veränderte, dass sie darauf reagieren mussten. Wie die Bettwanzen konnten sie dort gut überleben, ohne allzu viel von der Welt mitzukriegen. Den Vertretern einiger Tierarten ging es dort, wo sie gelandet waren, so gut, dass sie sogar ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung von Informationen über die Beschaffenheit ihres »Schlaraffenlandes« allmählich verloren, einschließlich des zu deren Verarbeitung erforderlichen Gehirns. Ein besonders bemerkenswertes Beispiel dafür sind die heutigen Bandwürmer. Dort, wo sie sich besonders wohlfühlten, war es immer warm, es gab immer Nahrung im Überfluss, schließlich sind sie auch noch sich selbst befruchtende Zwitter geworden und brauchten sich noch nicht einmal mehr um die Partnersuche zu kümmern. Wichtiger als ein informationsverarbeitendes Gehirn war für ihr Überleben ein gut funktionierender, zum Festhalten geeigneter Hakenkranz außen an ihrem hohl gewordenen Kopf. Ermutigender verlief die Herausbildung von Mechanismen zur Wahrnehmung von Informationen aus der äußeren Welt und deren Verarbeitung und Integration in ihre eigene Beschaffenheit bei all jenen Tieren, denen es nicht gelungen war, eine ihr Überleben und ihre Reproduktion sichernde, möglichst gemütliche ökologische Nische zu finden. Die hatten es schwerer. All jene Lebensräume, die sich über lange Zeiträume nicht veränderten und in denen es keine Notwendigkeit gab, die einmal entstandenen Erbanlagen noch weiter zu modifizieren, waren ja schon von anderen Arten besetzt. Der Leitsatz »wer zu spät kommt, den bestraft das Leben« galt hier allerdings nicht. Denn die Neuankömmlinge machten aus diesem Problem, dass es keinen Platz mehr für sie gab, ein eigenes Erfolgsrezept. Und das heißt bis heute: »Wer zu spät kommt, kann nur bestehen, wenn er kreativer ist, also lernfähiger und anpassungsfähiger als die Alteingesessenen.« Es ging also darum, die alten, genetisch determinierten Lebensformen »zu überholen, ohne sie einzuholen«, wie das ein Politiker auch schon einmal als Parole verbreitet hat, ohne sie verstanden, geschweige denn selbst beherzigt zu haben. Es dauerte zwar lange, denn es war ein schwieriger und riskanter Prozess, aber einigen dieser gemächlicher vorangekommenen und deshalb später hinzugekommenen Lebensformen gelang es, ihre starren genetischen Programme und die von ihnen gesteuerte Herausbildung genetisch bedingter Verhaltensweisen allmählich zu öffnen. So entstanden die ersten lernfähigen Tiere. Sie waren in der Lage, ihr Verhalten an die jeweils vorgefundenen Lebensbedingungen zunächst nur während der juvenilen Phase, also der Kindheit, anzupassen und zu erlernen, worauf es für ihr Überleben in einem sich durch ihre eigenen wie auch durch die Aktivitäten anderer Lebewesen ständig verändernden Lebensraum ankam. Schwierig und riskant war dieser Prozess der Herausbildung lernfähiger und schließlich sogar zeitlebens lernfähiger Gehirne deshalb, weil dabei die ursprünglich entstandenen, das Überleben und die Reproduktion sichernde genetisch verankerten Verhaltensweisen nicht oder nur sehr langsam geöffnet und durch erlernte Verhaltensweisen ersetzt werden konnten. Deshalb verfügen wir Menschen im Stammhirn noch immer über die schon bei den Reptilien entstandenen, genetisch verankerten »archaischen Notfallprogramme«. Wenn es wirklich gefährlich wird, werden die aktiviert, und ohne weiteres Nachdenken und meist auch ohne Einbeziehung inzwischen erlernter Verhaltensweisen zur Abwehr von Gefahren greifen deshalb auch Menschen noch an wie die Krokodile, hauen ab wie die Hasen oder fallen in ohnmächtige Erstarrung wie plötzlich auf den Rücken gelegte Hühner. Wenn aber etwas auf uns zukommt, das nicht gleich lebensgefährlich ist, bedienen wir Menschen uns nicht dieser genetisch angelegten, sondern der durch eigene Erfahrungen im Gehirn herausgebildeten neuronalen Verschaltungsmuster. Eigene Erfahrungen zur erfolgreichen Gefahrenabwehr, zur Lösung von Problemen oder zum Meistern von Herausforderungen hat jeder Mensch von Kindesbeinen in aller Regel genug gemacht. Diese Lösungen werden im Gehirn in Form gekoppelter emotionaler und kognitiver Vernetzungen fest verankert. Im Fall traumatischer Erfahrungen kann das konkrete eigene Erleben unmittelbar und isoliert abgespeichert werden. Aber normalerweise werden die bei der Lösung eines bestimmten Problems gemachten Erfahrungen mit all den anderen in ähnlichen Situationen gemachten Erfahrungen verknüpft und im Gehirn zu einer »Metaerfahrung« integriert. Die bezeichnen wir in unserer Alltagssprache als »feste Vorstellung« oder »innere Überzeugung«, als »Einstellung« oder »Haltung«, die sich eine Person im Lauf ihres bisherigen Lebens über das »worauf es im Leben ankommt« angeeignet hat, auch »wie Probleme gelöst werden müssen« und »wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat«. Bei den nicht lernfähigen Tieren wird durch bestimmte Trigger (Wahrnehmungen, Schlüsselreize, aber auch innere Impulse und Bedürfnisse) ein angeborenes, genetisch determiniertes Verhaltensprogramm zur Lösung des aufgetretenen Problems aktiviert. Zeitlebens bleiben sie in diesen genetisch gesteuerten, festgefügten Verhaltensprogrammen gefangen. Die nur während ihrer frühen Entwicklungsphase lernfähigen Tiere greifen in solchen Situationen auf die während ihrer »Kindheit« erworbenen und fest eingeprägten Verhaltensweisen zurück. Sie bleiben zeitlebens an diese frühen Prägungen gebunden. Wir Menschen müssen in Ermangelung dafür geeigneter genetisch festgelegter Verhaltensprogramme erst lernen, wie das Leben geht. Mit unserem zeitlebens lernfähigen Gehirn nutzen wir die im Lauf unseres gesamten...


Gerald Hüther, Dr. rer. nat., Dr. med. habil., ist Neurobiologe und Verfasser zahlreicher Bücher. Wissenschaftlich beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit dem Einfluss früher Erfahrungen auf die Hirnentwicklung, mit den Auswirkungen von Angst und Stress sowie der Bedeutung emotionaler Reaktionen. Er ist Gründer der »Akademie für Potentialentfaltung« und lebt in der Nähe von Göttingen.
Mehr Information: www.gerald-huether.de
Robert Burdy ist Journalist. Als ARD-Korrespondent berichtete er in Tagesschau, Tagesthemen, Weltspiegel aus Afghanistan, Pakistan, Indien. Seit 2001 moderiert er die Nachrichtensendung mdr AKTUELL. Er ist als Executive Coach, Rhetorik- und Medientrainer tätig. www.robertburdy.com


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