Izquierdo | Das Glücksbüro | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Izquierdo Das Glücksbüro

Roman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-8321-8712-5
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Albert Glück ist ein seltsamer Kauz. Er ist knapp über fünfzig, ein wenig trocken, penibel, und er arbeitet im Amt für Verwaltungsangelegenheiten. Formulare, Stempel, Dienstvorschriften sind seine Welt, in der er sich gut eingerichtet hat. Ganz wörtlich, denn Albert arbeitet nicht nur in dem Amt, er wohnt auch dort. Von allen unbemerkt hat er im Keller einen kleinen Raum bezogen und verbringt zufrieden seine Tage im immer gleichen Rhythmus. Doch eines Tages wird Alberts sorgsam eingehaltene Ordnung durcheinandergebracht. Auf seinem Schreibtisch landet ein Antrag, den es eigentlich gar nicht geben dürfte, denn er beantragt – nichts! Albert tut alles, um diesen unseligen Antrag loszuwerden, doch vergeblich: Immer wieder kehrt er auf seinen Schreibtisch zurück. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zum Antragsteller zu machen. So trifft Albert auf Anna Sugus, eine ziemlich wilde Künstlerin, die Alberts Welt ganz schön auf den Kopf stellt …
Izquierdo Das Glücksbüro jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


IM AMT 1. Neuerdings hatte Albert seine besten Ideen, wenn er nachts ganz alleine, beim Schein einer Kerze, in der riesigen Kantine zu Abend aß und die Schatten der Tische und Stühle aussahen, als würden sie im Geflacker auf spindeldürren Beinen herumtanzen. Dann war es ganz still im Haus, und bei einem Glas Kochwein plante er den nächsten Tag, der immer mit einem Geburtstag anfing, mit Mayonnaise, einem Gläschen Sekt und vielen guten Wünschen. Er hatte in der gewaltigen Küche einen der Bräter geöffnet, in dem man sonst fünfzig oder sechzig Schnitzel auf einmal brutzeln konnte und in dem jetzt zwei Eier auf ein wenig heißem Öl zuckten. Mit einem viel zu großen Schaber hob er die gelben Glupschaugen aus dem Bräter und legte sie vorsichtig auf zwei Brotscheiben, die bereits mit Schinken und Käse bedeckt waren, als ihn sein kleiner Einfall lächeln ließ. Nichts Besonderes, eine Kobolterie, im Grunde genommen eines Mannes wie Albert völlig unwürdig, aber auch ein kleiner Stein, den man in ein stilles Gewässer warf, konnte große Kreise ziehen. Und das Amt war ein stilles Gewässer. So still, dass ein Außenstehender ein Leben lang darin angeln konnte, ohne je etwas zu fangen, obwohl es Tausende von Fischen darin gab. Man blickte auf den See und sah: nichts. Er war tief und voller Geheimnisse, ja sogar Magie, aber es nützte nichts, wenn man nicht den richtigen Köder hatte, um ihm all seine Reichtümer zu entlocken. An jenem Abend also hatte er diese kleine Idee, aß mit diebischer Freude und großem Appetit den Strammen Max und blickte munter kauend um sich: Eine leere Kantine hatte für gewöhnlich etwas Deprimierendes an sich, so wie ein leerer Swimmingpool. Albert jedoch war ganz und gar kein gewöhnlicher Mensch, auch wenn dies nur wenige vermutet hätten, denn die, die ihn kannten, beschrieben ihn meist als irgendwie … grau. Was weniger an seinem dichten Haar lag, sondern eher an seiner gesamten Erscheinung: Er sah immer ein wenig blass aus, sein Anzug war auch irgendwie grau, obwohl das nicht ganz stimmte, denn eigentlich hatte er gar keine bestimmbare Farbe. Nur die Schuhe waren schwarz und immer blank poliert. Die einzige wirkliche Farbe, die an ihm selbst auszumachen war, war das Dunkelbraun seiner Augen, das so ganz im Widerspruch zu seiner äußeren Erscheinung stand. Darin schimmerten eine Tiefe und eine Warmherzigkeit, mit denen man nicht gerechnet hätte. Um diese Uhrzeit war nur noch selten jemand im Amt, da es nur selten jemanden gab, der Überstunden machte. Es gab auch keinen Grund für Überstunden, denn im Amt für Verwaltungsangelegenheiten waren alle Dienstvorschriften, Verordnungen, Beihilfeangelegenheiten und Apostillen nur während der Dienstzeiten wirksam, sie gingen schlafen, wenn die vielen Beamten das Haus verließen, und erwachten, wenn sie morgens zurückkehrten. Man konnte sagen, dass das Amt für Verwaltungsangelegenheiten so etwas wie die ›Mutter aller Verwaltungen‹ war. Ein gewaltiger, höchst autarker Komplex, der völlig losgelöst von der übrigen Menschheit wie der Mond um die Erde kreiste und ähnlich häufig Besuch bekam. Und trat dann mal ein Fremder ein, so konnte dieser sich schnell verirren, denn die vielen Stockwerke, Flure und Gänge, Treppen und Türen, hinter denen rätselhafte Referate und Zuständigkeiten lauerten, die sich mit noch rätselhafteren Kürzeln tarnten, sahen alle gleich aus, und nicht wenige landeten nach stundenlanger Suche wieder dort, wo sie mal angefangen hatten. Ein Irrgarten, der die Wichtigkeit des Amtes noch einmal unterstrich, denn etwas, das so kompliziert war, musste … na ja, enorm wichtig sein. Für Albert war es das Paradies. Das Amt war wie eine Familie, nur ohne störende Verwandtschaft. Eine Burg, wehrhaft besetzt von Tausenden, in der man ganz geschützt ganz alleine sein konnte. Während die Welt draußen immer größer, komplizierter und chaotischer geworden war, war sie hier drinnen immer noch überschaubar, ordentlich und sehr gemütlich. Ein Ort der Geborgenheit, den Albert sehr schätzte, weil er im Umgang mit Menschen zuweilen ziemlich ratlos war. Denn sie neigten dazu, einander das Leben zur Hölle zu machen, dabei war es eigentlich ganz leicht, das zu vermeiden! Der Trick war, sein eigenes Spielfeld nicht zu groß zu machen. Sich mit seinem Raum zu bescheiden. Verglich man es mit Fußball, waren für Albert nicht die Spieler das Wichtigste, nicht der Ball, der Schiedsrichter, die Trikots oder die Zuschauer. Es waren die Linien. Schöne, gerade Linien, die einem anzeigten, ob man noch im Spiel oder schon draußen war, ob man ein Tor geschossen hatte oder nicht. Ohne Linien kein Spiel. Und je kleiner das Spielfeld, desto weniger Mitspieler gab es. Ordnung regierte, nicht Chaos. Albert beendete sein Mahl, räumte ab, spülte Besteck, Teller und Glas in der Küche sorgfältig ab und verstaute alles wieder in Schränken und Schubladen. Als er die Kerze löschte, war alles wieder an seinem Platz. Als ob er nie da gewesen wäre. Später passierte er das Foyer, in das von draußen fahles Mondlicht fiel, sah zu dem Nachtportier in der Einfahrt rüber, der, wie üblich, eingeschlafen war, stieg Treppen hinauf und bog im dritten Stock in einen Flur. Von hier aus zweigten im rechten Winkel weitere Flure ab, alle schnurgerade und flankiert von einer Allee identisch grauer Türen, seitlich daneben auf Sichthöhe fein säuberlich die Namen und Referate in geheimnisvoll auf- oder absteigenden römischen und arabischen Zahlen. Zwei Gänge weiter bog er nach rechts in einen der längsten Gänge des Amtes und war am Ziel: Elisabeth Seel / Mike Schulze, VII.8. Albert kramte einen gewaltigen Bund aus seiner Hosentasche, suchte nach dem passenden Schlüssel, fand ihn und betrat in aller Ruhe das Büro. Eine kleine Taschenlampe flammte auf, und der Lichtkegel fiel zunächst auf den Schreibtisch von Frau Seel, der sehr ordentlich war, dann auf den Schreibtisch von Herrn Schulze, der wie ein Kriegsgebiet wirkte. Albert wählte Schulzes Schreibtisch und stellte zufrieden fest, dass der mal wieder seine Schubladen nicht abgeschlossen hatte, der Schlüssel steckte noch. Das übernahm jetzt Albert; er verschloss den Schreibtisch und steckte den Schlüssel ein. Das war schon alles, sein ganzer kleiner Plan. Aber ohne es zu ahnen, hatte Albert damit gerade sein Spielfeld vergrößert. 2. Ein neuer Morgen ließ die Drehtür im Foyer rotieren, und es sah aus, als ob die draußen wartende Beamtenschlange von einem Propeller in der Mitte in kleine Beamtenstückchen gehackt wurde, die, sobald die Tür sie drinnen ausgespuckt hatte, hurtig nach allen Seiten ausschwärmten und laut MOGGGÄÄÄN! riefen. Am Ende des Foyers warteten die Aufzüge, die die kleinen, herumstreunenden Schnipsel aufnahmen, bis sie voll waren. Dann schloss sich die Klappe und sie wurden hinaufbefördert. Einige nahmen die Treppen, in der Regel die aus dem ersten Stock oder die, denen der Arzt mehr Bewegung verordnet hatte, aber viele waren es nicht. Im Büro Elisabeth Seel / Mike Schulze, VII.8 bereiteten sich die beiden Beamten auf den Tag vor, was in Elisabeths Fall traditionell das Aufbrühen von Kaffee bedeutete, bei Mike hingegen hieß, dass er sich auf seinem Schreibtischstuhl fläzte, die Füße auf dem Tisch und die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte. Dabei starrte er unentwegt auf die Uhr oberhalb der Eingangstür, die in wenigen Sekunden auf 7.30 Uhr springen würde. Mike zählte: »5, 4, 3, 2, 1 … Action!« Die Tür öffnete sich. Albert trat ein, unter dem Arm zwei Hängeordner mit Anträgen und Briefverkehr. Mike nahm seine Hände hinter dem Kopf hervor und zielte mit den Zeigefingern auf Albert: »Sie täuschen mich nicht!« Einen Moment lang sah Albert ihn ausdruckslos an und fragte sich, ob Mike Schulze einen Verdacht hegte, dann aber entnahm er seinem Gesichtsausdruck, dass einzig und allein das morgendliche Ritual anstand. Daher wandte er sich Elisabeth zu: »Guten Morgen, Elisabeth.« »Morgen, Albert.« Mike zielte immer noch auf Albert und rief: »Sie sind Stempel-Man!« »Mike!«, mahnte Elisabeth. Der schüttelte unbeirrt den Kopf: »Er versucht, uns zu täuschen, Lizzy. Merkst du das nicht? Unter dem unscheinbaren Äußeren lauert eine Kampfmaschine! Ein Akten-Ninja! Ein Mann …«, er ließ sich etwas Zeit für eine dramatische Pause, »… mit dunklen Geheimnissen.« »Er macht nur Quatsch, Albert«, beschwichtigte Elisabeth. »Ich weiß.« Alberts Miene blieb unbewegt, denn Mike Schulze demonstrierte jeden Morgen sein ungeheuer komisches Talent, über das nur Elisabeth lachen konnte. Was nicht verwunderlich war, denn die Art und Weise, wie sie Mike ansah, verriet Albert, dass sie gerne über seine Scherze lachte, denn offensichtlich mochte sie ihn sehr. Albert hingegen lachte nie. Elisabeth deutete auf seinen Mundwinkel: »Sie haben da übrigens was …« Albert suchte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche heraus und wischte sich damit über den Mund: Mayonnaise. Schon wieder. Mike nahm die Füße vom Tisch, erhob sich, legte wie Hercule Poirot die Arme auf den Rücken und sagte: »Diesmal bin ich mir sicher. Okay, kann sein, dass ich mit meiner Einschätzung gestern danebenlag, aber du musst zugeben, Elisabeth, da könnte auch ein Formationstänzer in ihm sein. Dieser Gang, dieser Swing …« Sie grinste, wurde aber gleich wieder ernst, als Albert zu ihr rübersah. »Aber jetzt bin ich mir sicher: Sie, Albert,...


Izquierdo, Andreas
ANDREAS IZQUIERDO ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, unter anderem ›Das Glücksbüro‹ (2013), den SPIEGEL-Bestseller ›Der Club der Traumtänzer‹ (2014) und ›Fräulein Hedy träumt vom Fliegen‹ (2018). Zuletzt erschienen ›Schatten der Welt‹ (2020), ausgezeichnet mit dem bronzenen Homer, und ›Revolution der Träume‹ (2021). ›Labyrinth der Freiheit‹ setzt die darin begonnene Geschichte der drei Freunde Carl, Artur und Isi fort. Im September erscheint im HC-Program


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.