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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Jaraba Salafismus

Die Wurzeln des islamistischen Extremismus am Beispiel der Freitagspredigten in einer salafistischen Moschee in Deutschland

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-8463-5440-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Nach einem Überblick über die historische Entwicklung, Definition und Charakteristika des islamistischen Extremismus zeichnet der Autor die Etablierung des Salafisten-Netzwerkes in Bayern nach, das er 2016 und 2017 wissenschaftlich erforscht hat. Gezeigt wird, dass das radikale religiöse Narrativ, indem es Passagen aus den heiligen Texten des Islams (Koran und Sunna) missbraucht, sowohl Feindbilder innerhalb des Islams als auch Angriffe auf Christen und Juden generiert. Freilich ist es nicht Ziel des Buches, den Islam und Muslime zu verteufeln und sie allesamt des Terrorismus zu beschuldigen. Es gilt jedoch zu verstehen, in welcher Weise Salafisten ihre Ideologie mit religiöser Legitimität versehen, um nicht zuletzt da oder dort Präventions- oder Gegenmaßnahmen zu setzen.
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Inhalt
Kapitel 1
Extremismus und Metanarrativ 11
1.1 Einleitung 11
1.2 Extremismus: Defi nition und Ursachen 14
1.3 Das salafi stische Metanarrativ 18
1.4 Die Debatte um die Freitagspredigten 24
1.5 Ziele des Buches 26
1.6 Argumentation und Methoden 27
1.7 Warum Freitagspredigten? 32
1.8 Inhalt des Buches 33
Kapitel 2
Salafi smus: Geschichte, Defi nition, Charakteristika 35
2.1 Einleitung 35
2.2 Historische Perspektive 36
2.3 Die sunnitischen Traditionalisten 37
2.4 Muhammad ibn Abd al-Wahhab 39
2.5 Wer sind die Salafi sten? ‚Die errettete Gruppe‘ 42
2.6 Der missionarische, der politische und der dschihadistische Salafi smus 50
2.6.1 Der ideologische Salafi smus 52
2.6.2 Der dschihadistische Salafi smus 55
2.7 Grauzonen zwischen ideologischem und dschihadistischem Salafi smus 56
2.8 Das gemeinsam Trennende 58
2.9 Die Umsetzung des islamischen Normensystems 61
Kapitel 3
Das Salafi sten-Netzwerk in Bayern 65
3.1 Einleitung 65
3.2 Zeitliche Entwicklung 66
3.3 Die salafi stischen Aktivisten 76
3.4 Weitere Anhänger 80
3.5 Merkmale der Salafi sten in Bayern 82
3.6 Die Konstruktion des ‚Anderen‘ 99
Kapitel 4
Der Gottesstaat der Salafi sten 101
4.1 Einleitung 101
4.2 Loyalität und Lossagung 102
4.3 Gottes auserwählte Gemeinschaft 105
4.4 „Das Fleisch der Gelehrten ist vergiftet“ 110
4.5 Die Mission 120
Kapitel 5
Die Feinde der Muslime: Schia, Sufi sten, ,Heuchler‘, Säkulare 127
5.1 Einleitung 127
5.2 Die Schia: „Ihre Religion ist nicht der Islam“ 128
5.4 Die ‚Heuchler‘ 142
5.5 Die Säkularen 149
Kapitel 6
Die Vorherrschaft der Religion auf Erden 159
6.1 Einleitung 159
6.2 Die Kontrolle über die Regierungsgewalt 160
6.3 „Ihr seid die treffl ichste Gemeinschaft, die jemals für die Menschen geschaffen wurde“ 172
6.3.1 Das Christentum 174
Kapitel 7
Analytische Betrachtung 193
7.1 Einleitung 193
7.2 Salafi stische Narrative auf dem Sinai und in Bayern 196
7.3 Mobilisierung der Religion 204
7.4 Isolation und Identitätskrisen 206
7.5 Schlusswort . 209
Anhang
Freitagspredigten 213
Politisch orientierte Predigten 213 • Soziale und pädagogisch orientierte Predigten 217
Glossar 221
ad-da wa, ‚Mission‘ • ahl al- ad , ‚Anhänger des Hadith‘ • ahl al-kit b, ‚die
Leute des Buches‘ • ahl as-sunna wa-l- am a, ‚die Leute der Sunna und
der Gemeinschaft‘ • al-wal wa-l-bar , ‚Loyalität und Lossagung‘ • an r,
‚die Helfer‘ • aq da, ‚Glaubensgrundsätze‘ • ar-r fi a, ‚die Ablehnenden/die
Verweigerer‘ • aš-šah da oder Schahada, ‚islamisches Glaubensbekenntnis‘ •
a - ir , ‚Weg/Pfad‘ • at-taw d, ‚Monotheismus‘ • bid a, ‚Neuerung‘ • bi na,
‚Gefolgschaft‘ • D biq • f siq, ‚Frevler‘ • fatw , ‚religiöses Rechtsgutachten‘ •
fi qh, ‚islamische Rechtswissenschaft‘ • fi tna, ‚Verführung/Unruhe/Zwietracht/
Bürgerkrieg‘ • ih d oder Dschihad, ‚Heiliger Krieg‘ • kim ya, ‚die Herrschaft
Gottes‘ • il fa, ‚Kalifat‘ • ud d, ‚Grenzen‘ • usain ya, ‚schiitisches
Gotteshaus‘ • i tih d oder Idschtihad, ‚Anstrengung‘ • manha as-salaf ,
‚salafi stische Methode/Weg‘ • mun fi q n, ‚Heuchler‘ • Mu tazil • a ba, ‚die
Altvorderen/Prophetengefährten‘ • šar a oder Scharia, ‚islamisches Recht‘ •
Š a oder Schia • širk, ‚Götzendienerei‘ • f ya, ‚Sufi s‘ • t, ,Götzen‘ • takf r,
‚Ausschluss aus dem Islam‘ • tamk n, ‚Ermächtigung‘ • umma oder Umma, ‚die
Gemeinschaft der Gläubigen‘ • zak t, ‚die islamische Almosensteuer‘
Literatur 229


[35] Kapitel 2 Salafismus: Geschichte, Definition und Charakteristika
2.1 Einleitung
Die Narrative des modernen, rückwärtsgewandten Salafismus (Salafiya)7 sind keine Neuerfindung des postkolonialistischen Zeitalters, welche die arabischen und die islamischen Gesellschaften im Allgemeinen gewissermaßen aus dem Nichts infiltriert hat, sondern sie wurzeln in einer historischen, sunnitisch-islamischen Denktradition. Davon zeugt eine Fülle von Schriften, fatwas (Fatwas)8 und religiösen Diskursen, die sich über viele Jahrhunderte kontinuierlich angesammelt hat und einen eigenständigen ideologischen, normativen und dogmatischen Ansatz widerspiegelt. Die Bewegung des Neo-Salafismus ist hingegen ein typisches Kind der Moderne. Ihre Triebe sprießen aus den Sehnsüchten der arabischen Bevölkerung und haben tiefgreifende politische, soziale und kulturelle Konsequenzen zur Folge (Abu Rumman 2014: 27). [36]Im vorliegenden Kapitel werde ich zunächst einen groben Abriss zur Begriffsgeschichte des Terminus Salafismus geben und demonstrieren, warum dieser Schritt für unser Vorhaben relevant ist. Daran anschließend werde ich die Schwierigkeiten aufzeigen, welche mit der Definition dieses Begriffs einhergehen. Im dritten Schritt werde ich mich darauf fokussieren, wie sich Salafisten in Deutschland selbst definieren. Auf der Basis dieser Begriffsannäherung werde ich dafür argumentieren, dass die in Forschungskreisen weit verbreitete dreiteilige Klassifizierung des Salafismus nach ihrer vorrangig entweder missionarischen, dschihadistischen oder politischen Ausrichtung im Kontext westlicher Lebensrealitäten (in diesem Fall in Deutschland) wenig hilfreich erscheint. Stattdessen schlage ich eine alternative Einteilung vor, welche die mentalen Konzepte des Salafismus im westlichen Kontext realistischer abbildet. 2.2 Historische Perspektive
Im Folgenden fragen wir: Aus welchen Narrativen wurde der historische Salafismus konstruiert? Wie konnten sich diese Narrative durch die gesamte islamische Ideengeschichte hindurch bis ins 21. Jahrhundert behaupten? In welchen historischen Epochen konnte sich der Salafismus in besonderer Weise entfalten? Die Herkunft des Begriffs Salafismus wird unter Islam- und Religionswissenschaftlern kontrovers diskutiert (über weitere Streitigkeiten bezüglich des Begriffs unter Gelehrten siehe Nafi 2014 auf Arabisch und Lauzière 2010 auf Englisch). Freilich liegt es mir im Rahmen dieser praktisch orientierten Studie fern, eine theoretisch fundierte historische Kontinuität dieses Begriffes zu postulieren und nachzuweisen. Ziel meiner Darstellung ist es vielmehr, einige besonders prägende historische Konzepte und Vordenker dieser Denkschule zu charakterisieren, welchen ich während meiner Feldforschung immer wieder in Befragungen und Freitagspredigen begegnete und die also im gelebten Alltag des Salafismus in Deutschland präsent sind. Mir geht es in erster Linie darum, dem interessierten Laien einen stringenten Überblick über ideengeschichtlich einflussreiche Terminologien und Persönlichkeiten zu geben, welche in bestimmten Epochen zu beobachten sind und einen wichtigen Referenzrahmen für die Narrative des modernen Salafismus bilden. Diese wiederum wirken sich unmittelbar auf weltanschauliche Haltungen, religiöse Einstellungen und den Lebensalltag ihrer Anhänger und deren Umfeld aus. [37] 2.3 Die sunnitischen Traditionalisten
Das Derivat Salafiya ist von der Wortwurzel salaf abgeleitet. Laut Basheer Nafi, einem der renommiertesten arabischen Historiker im Bereich der islamischen Geistesgeschichte und ihrer prägenden Bewegungen, entstand die Verklärung der salaf (als salaf werden im sunnitischen Islam die ersten drei Generationen des Islam bezeichnet, siehe Abschnitt 2.5) im Zuge eines heftigen theologischen Richtungsstreits in der Formierungsphase des Islam zwischen der sogenannten Mu?tazila, einer zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert n. Chr. einflussreichen, an einem rationalen Verständnis der religiösen Texte orientierten geistigen Bewegung, und den ahl al-?adi?, den auf die Sunna des Propheten (die Hadithe/Prophetenüberlieferungen) fokussierten Traditionalisten, welche sich vehement gegen die aus ihrer Perspektive drohende Vergeistigung der islamischen Lehre zur Wehr setzten (Nafi 2014: 15). Stark vereinfacht gesagt interpretierten die Anhänger der Mu?tazila den Wortlaut der Offenbarungstexte mittels rationaler Messinstrumente und Methoden (Imara 1994: 11). Demgegenüber räumten die ahl al-?adi? dem Wortlaut der Offenbarungsquellen – dem Koran und den Hadithen – eindeutige Priorität gegenüber anderen Texten bzw. rationalen Erwägungen ein (Imara 1994: 21). Im 9. Jahrhundert n. Chr. war Ahmad Ibn Hanbal (gest. 855 n. Chr., zum Leben und Wirken Ibn Hanbals siehe Schneiders 2014) der vielleicht herausragendste Verfechter dieser minimalistischen Textdeutung, welche sich im Wesentlichen auf die tradierten Aussagen der salaf stützt (Imara 1994: 12; Nafi 2014). In den Reihen der Traditionalisten genießt Ahmad Ibn Hanbal einen märtyrerhaften Heldenstatus, da er die durch die abbasidische Herrschaft9 protegierten Spekulationen der Mu?tazila über die Erschaffenheit des Koran und ihre Negierung der göttlichen Attribute trotz massiver Einschüchterungsversuche ablehnte und sich dabei auf die Auslegung des Koran und der Sunna des Propheten durch die salaf berief und umgekehrt jede Form des Zuwiderhandelns und Denkens gegen das Islamverständnis der salaf als gefährliche häretische Neuerung (bid?a) brandmarkte. In dem Theologiestreit, aus dem letztlich das traditionsorientierte Sunnitentum als Sieger hervorging, profilierten sich die ahl al-?adi? mit ihrer textbezogenen, puristischen und asketischen Haltung als die Bewahrer der unverfälschten Lehre der salaf, während sie die Anhänger der Mu?tazila als ahl al-bida?, also als von [38]diesem Weg in gefährlicher Weise abgewichene „Sekte“, abwerteten (Nafi 2014: 16). Indes muss angemerkt werden, dass manche Forscher die inhaltliche Verbindung zwischen Taqi ad-Din Ahmad Ibn Taimiya10 und dem Gedankengut des Neo-Salafismus als fraglich betrachten und Ibn Taimiya als eher progressiven Denker beurteilen, den die auf Simplizität gründende Lehre des modernen Salafismus selektiv und verzerrt darstellt. Dazu gehört Muhammad Imara, ein profilierter zeitgenössischer muslimischer Intellektueller, der besonders die Tendenz des modernen Salafismus zum takfir, d. h. der Aberkennung des islamischen Glaubens aufgrund bestimmter abweichender Glaubensüberzeugungen, als Fehlverständnis von Ibn Taimiyas Schriften betrachtet. In Wahrheit habe Ibn Taimiya sogar vor unüberlegtem takfir gewarnt. Er habe Meinungsverschiedenheiten in weiterführenden Angelegenheiten theologischer und juristischer Natur als das Resultat von rationalen Erwägungen der Gelehrten gesehen. Die Berechtigung zum Aussprechen des takfir erfordere dagegen zwingend einen unzweideutigen Textbeweis auf Basis des religiösen Rechts, der Scharia. Ein solcher Textbeweis existiere aus Ibn Taimiyas Perspektive jedoch schlicht und ergreifend nicht, weshalb er explizit die Aberkennung des Glaubens jeder Person ablehnt, welche die Schahada (aš-šahada) ausgesprochen hat. Die unter den Gelehrten umstrittenen Fragen drehten sich nicht um die elementaren Glaubensgrundsätze oder die Säulen der Glaubenspraxis, welche in den Offenbarungsschriften unzweideutig und verbindlich (qa??iya ad-dalala) festgelegt seien. Die Zuweisung des Unglaubens (kufr) sei ein schwerwiegendes rechtliches Urteil (?ukm šar?i) und könne nur durch einen unzweideutigen Beweis aus den Offenbarungstexten oder durch eine eng am Text orientierte Schlussfolgerung aus einem solchen Text getroffen werden. Persönliche Erwägungen (igtihad) religiöser Autoritäten seien in dieser Frage irrelevant. Aus dieser Argumentation lasse sich wiederum indirekt ablesen, dass Ibn Taimiya das Urteil des takfir sowohl in Bezug auf Individuen als auch auf islamische Gruppierungen ablehnt, solange deren Unglaube nicht auf der Hand liegt oder nicht von den Beschuldigten selbst bezeugt wird. Hinsichtlich der Spannung zwischen polemischer Schärfe und abmildernder Relativierung bewegt sich Ibn Taimiyas Argumentation [39]hier absolut im Rahmen der zeitgenössischen ideologischen Debatten innerhalb des Sunnitentums. Interessanterweise erfuhren Ibn Taimiya und sein wissenschaftliches Erbe nach Ansicht mancher Experten vor dem Ausbruch des Ibn Taimiya-Booms in der Moderne, der auch durch den Neo-Salafismus mitausgelöst wurde, in den ersten Jahrzehnten nach seinem Tod ein eher verhaltenes Echo. Nafi begründet das wohl zu Recht damit, dass Ibn Taimiyas Visionen an der Dominanz der scholastischen Rechtsschulen und der Sufi-Bruderschaften im 14. Jahrhundert abprallten und somit in den ersten drei Jahrhunderten nach seinem Tod auf keine nennenswerte Resonanz stießen oder gar als exotische Außenseiterposition belächelt wurden. Zwar gab es immer wieder Versuche der Wiederbelebung seiner Thesen, allerdings handelte es sich dabei stets um das Engagement Einzelner, das sich nicht zu einer einflussreichen Denkschule auswachsen konnte (Nafi 2014: 20). 2.4 Muhammad Ibn Abd al-Wahhab
Im 18. und 19. Jahrhundert traten im Zuge gewaltiger zeitgeschichtlicher Umwälzungen in der islamischen Welt bedeutende religiöse...


Jaraba, Mahmoud
Mahmoud Jaraba war Postdoctoral Research Fellow am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung. Davor arbeitete er am Projekt "Muslime in Bayern" des EZIRE und der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Aktuell an der Universität Erlangen-Nürnberg im EZIRE als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Mahmoud Jaraba war Postdoctoral Research Fellow am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung. Davor arbeitete er am Projekt "Muslime in Bayern" des EZIRE und der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Aktuell an der Universität Erlangen-Nürnberg im EZIRE als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.


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