Jürgens / Krzywdzinski | Die neue Ost-West-Arbeitsteilung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 9, 258 Seiten

Reihe: Arbeit - Interessen - Partizipation

Jürgens / Krzywdzinski Die neue Ost-West-Arbeitsteilung

Arbeitsmodelle und industrielle Beziehungen in der europäischen Automobilindustrie

E-Book, Deutsch, Band 9, 258 Seiten

Reihe: Arbeit - Interessen - Partizipation

ISBN: 978-3-593-40987-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Am Beispiel der Automobilindustrie beleuchten die Autoren die Verlagerung von Arbeitsplätzen von West- nach Mittelosteuropa sowie die damit verbundenen Risiken für das "europäische Sozialmodell". Wie zukünftig die Arbeitsmodelle und die industriellen Beziehungen aussehen werden, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Transfer von Institutionen und Modellen der Arbeitsregulierung von West nach Ost gelingt.
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1;Inhalt;6
2;Dank;10
3;1. Einleitung;12
4;2. Ost-West-Arbeitsteilung in der Forschungsdiskussion;19
4.1;2.1 Beschäftigungseffekte der Verlagerung;19
4.2;2.2 Race to the bottom?;21
5;3. Niedriglohnländer in Prozessketten der Automobilindustrie;29
5.1;3.1 Automobilproduktion in den Niedriglohnländern;29
5.2;3.2 Restrukturierung der Zulieferer;34
5.3;3.3 Schlussfolgerungen;43
6;4. Verlagerung aus West- nach Mittelosteuropa;45
6.1;4.1 Ausländische Direktinvestitionen in Mittelosteuropa;45
6.2;4.2 Ost-West-Arbeitsteilung bei Automobilherstellern;53
6.3;4.3 Asiatische Automobilhersteller und Zulieferer;73
6.4;4.4 Verlagerung der Komponentenfertigung;83
6.5;4.5 Bessere Qualifikationen: Schutz vor Verlagerung?;106
6.6;4.6 Schlussfolgerungen;112
7;5. Industrielles Upgrading in Mittelosteuropa;115
7.1;5.1 Mittelosteuropa in der internationalen Arbeitsteilung – Forschungsstand und Kontroversen;115
7.2;5.2 Struktur der mittelosteuropäischen Automobilindustrie;119
7.3;5.3 Entwicklung einheimischer mittelosteuropäischer Zulieferer;124
7.4;5.4 Abhängigkeit Mittelosteuropas von Komponentenimporten;137
7.5;5.5 Forschung und Entwicklung in Mittelosteuropa;141
7.6;5.6 Anlagen- und Vorrichtungsbauer in Mittelosteuropa;151
7.7;5.7 Zieht die Verlagerungskarawane weiter?;158
7.8;5.8 Ukraine: Die nächste Station der Verlagerungskarawane?;164
7.9;5.9 Schlussfolgerungen;169
8;6. Arbeitsmodelle in Mittelosteuropa;172
8.1;6.1 Kollektive Verhandlungssysteme und Lohnentwicklung;173
8.2;6.2 Beschäftigungssicherheit und Flexibilität;183
8.3;6.3 Qualifizierung;193
8.4;6.4 Betriebliche Interessenvertretung;197
8.5;6.5 Schlussfolgerungen;208
9;7. Rückwirkungen auf die Arbeitsmodellein Deutschland;212
9.1;7.1 Das Damoklesschwert der Verlagerung;212
9.2;7.2 Beschäftigungssicherungsvereinbarungen;216
9.3;7.3 Koordination auf der europäischen Ebene;227
9.4;7.4 Schlussfolgerungen;228
10;8. Fazit;230
11;Abbildungen und Tabellen;235
11.1;Abbildungen;235
11.2;Tabellen;237
12;Zitierte Interviews;239
13;Literatur;241


2. Ost-West-Arbeitsteilung in der Forschungsdiskussion (S. 19-20)

2.1 Beschäftigungseffekte der Verlagerung

Sowohl in Westeuropa als auch in den USA hat der seit den 1990er Jahren rasant steigende Fluss von Direktinvestitionen aus den Triade-Staaten in die Niedriglohnländer Verunsicherung ausgelöst. Suzanne Berger (2005: 16f) beschreibt die Diskussion in den USA:

»Today we are once again experiencing a time of great uncertainty and public anxiety about the fate of American workers faced with foreign competition and about the challenges to our economic preeminence in the global economy. Once again, we see the threats to our prosperity as located abroad, only now we are focusing not on Japan and Germany but on the rising capabilities of countries like China and India« (Berger 2005: 16ff; vergleiche Friedman 2005). In der Forschung bleiben allerdings der Umfang von Verlagerungen und ihre Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung umstritten. In der USamerikanischen Debatte führen Bronfenbrenner und Luce (2004) sowie das Consulting-Unternehmen Forrester (2004) den Verlust von jährlich mehreren 100.000 Arbeitsplätzen auf Verlagerung zurück, während die USamerikanische Regierung und ihre Berater zwar verlagerungsbedingte Arbeitsplatzverluste zugeben, aber argumentieren, dass diese durch die positiven Effekte des freien Handels auf die Beschäftigungsentwicklung des Inlands mehr als ausgeglichen werden. Der Jahresbericht 2004 des Council of Economic Advisors des US-Präsidenten argumentiert: »Manufacturing employment likely has fallen in response to the transfer of manufacturing jobs abroad. The jobs affected have generally been those involved in the production of goods requiring relatively low skills. […] This specialization is a natural outcome of the opening of economies all over the world to trade. As a result of such specialization, world efficiency increases and world output goes up« (Mankiw et al. 2004: 71f; vergleiche Lazear et al. 2007, Harrison/Macmillan 2007, Borga 2005, Slaughter 2003).

Eine vergleichbare Spannbreite der Positionen und Befunde gibt es in Europa. Studien, die zum Ergebnis von keinen oder von sehr geringen Beschäftigungsverlusten durch Verlagerungen kommen1, stehen Studien gegenüber, die größere Beschäftigungsverluste durch Verlagerung feststellen.

Die Bandbreite der Befunde ist groß, die diagnostizierten Beschäftigungsverluste durch Verlagerung schwanken zwischen 0,1 bis 0,3 Prozent und 1 bis 2 Prozent der Beschäftigung jährlich. Rechnet man die Ergebnisse der Studien mit den höchsten festgestellten Beschäftigungsverlusten (Kinkel et al. 2004; BCG 2004, Bronfenbrenner/Luce 2004) hoch, können innerhalb einer Dekade 10 bis 20 Prozent der Beschäftigung verlagert werden – in anderen Szenarien bleiben die Verlagerungsverluste marginal. Die Ergebnisse einer Reihe von Studie legen jedoch nahe, dass nicht die gesamten Beschäftigungseffekte der Verlagerung ein soziales Problem darstellen, sondern vor allem der Verlust von Arbeitsplätzen für gering qualifizierte Arbeitskräfte (McKinsey 2003; Strauss-Kahn 2003; Hijzen et al. 2004; Fontaigné/Lorenzi 2005; Statistisches Bundesamt 2008). Das deutsche Statistische Bundesamt stellte fest, dass 69 Prozent der von Verlagerung ins Ausland betroffenen Arbeitsplätze von gering qualifizierten Arbeitskräften besetzt waren, während nur 49 Prozent der durch Wachstum neu generierten Industriearbeitsplätze geringe Qualifikationsanforderungen aufwiesen.

Ein weiterer Effekt sind Lohnverluste, vor allem bei gering qualifizierten Beschäftigten. McKinsey (2003: 15) zeigte, dass ein großer Teil der durch Verlagerung freigesetzten Arbeiter in den USA an ihren neuen Arbeitsplätzen Lohnverluste von 15 bis 30 Prozent hinnehmen musste. Das bedeutet, dass weniger die Beschäftigungsbilanz der Verlagerung als vielmehr die Zunahme der Ungleichheit der Erwerbschancen und Einkommen zwischen gering- und hochqualifizierten Arbeitskräften in Hochlohnländern eine wichtige Folge des Wandels der internationalen Arbeitsteilung ist.


Prof. Dr. Ulrich Jürgens ist Leiter, Dr. Martin Krzywdzinski wiss. Mitarbeiter der Forschungsgruppe "Wissen, Produktionssysteme und Arbeit" am WZB.


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