Kadefors | Billie - Alle zusammen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 176 Seiten, GB

Reihe: Billie

Kadefors Billie - Alle zusammen

E-Book, Deutsch, Band 3, 176 Seiten, GB

Reihe: Billie

ISBN: 978-3-8251-6193-4
Verlag: Urachhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Billie ist fröhlich wie eh und je. Und sie ist verliebt! Aber zu viel Nähe macht ihr Angst. Wie kann sie mit jemandem zusammen und zugleich unabhängig sein? Ihre Pflegeeltern sind derzeit ein schlechtes Beispiel. Nach außen hin das perfekte Paar, nach innen mit starken Prinzipien und klaren Regeln – und dann steht plötzlich das Thema Scheidung im Raum. Das gefährdet Billies Aufenthalt bei den Perssons in Bokarp …
Fragen und Zweifel wirft auch Billies erster Wochenend-Besuch bei der kranken Mutter und den alten Freunden in Stockholm auf. Was ist von ihrem alten Leben übrig? Und wohin gehört sie nun eigentlich? Nach Stockholm, nach Bokarp? Oder muss sie weiterziehen?

Hellhörig und authentisch schildert Sara Kadefors das Alltagsleben der Jugendlichen mit einem besonderen Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen. Billies starker und fröhlicher Charakter sowie ihr Nonkonformismus machen sie zu einer Heldin mit außergewöhnlicher Strahlkraft für Jugendliche von heute.
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Kapitel 1-22 Die Autorin

Kapitel 1-22
Die Autorin


1
Ich denke daran, wie es früher war. Damals wusste ich nicht, dass es ein braunes Haus in einem Ort namens Bokarp gibt, einen Jungen namens Alvar, der Tonklumpen in Kunst verwandeln kann, und ein Mädchen namens Tea, das Schminkvideos hinter verschlossener Tür dreht. Ich hatte noch nie etwas von ihrer Mutter gehört, einer Pfarrerin namens Petra, die man mag und auch wieder nicht, oder von ihrem Vater Mange, der mit fröhlicher Stimme spricht, selbst wenn er gar nicht froh ist. Ich wusste auch nicht, dass sie früher einmal einen kleinen Jungen hatten, der auf die Straße rannte und starb. Und ich wusste nichts davon, wie still es danach in dem braunen Haus wurde. Nichts wusste ich. Ich bin da einfach hereingeplatzt, und plötzlich war das alles mein Leben. Die Straßen waren meine Straßen. Das hässliche Haus war mein Zuhause, die komische Familie war meine Familie. – Da gewöhn ich mich nie dran. Aber es funktioniert trotzdem. Ich singe, so laut es nur geht, ohne darüber nachzudenken, dass die anderen ganz leise reden. Ich renne die Treppe hinunter, obwohl man stolpern und sich verletzen kann. Ich mische mich in Gespräche, obwohl man warten soll, bis man an der Reihe ist, nehme mir Nachschlag, ohne um Erlaubnis zu bitten, mache Flecken auf das hellgelbe Handtuch, kleckere Marmelade auf das Tischtuch, kaufe Süßigkeiten an einem ganz normalen Dienstag, tanze, bis die Wohnzimmerlampe von der Decke fällt, widerspreche, protestiere, hinterfrage, will über Abtreibung, Pädophilie oder Terrorismus diskutieren. Ich mache ihnen das Leben schwer. Aber sobald sie mich sehen, erhellen sich ihre Gesichter. Wenn ich mein Zimmer verlasse, geht sofort irgendwo eine Tür auf, und es kommt jemand angerannt. Sie fragen, ob ich dieses oder jenes mit ihnen unternehmen möchte. Sie wollen mir Sachen zeigen, Geheimnisse anvertrauen oder mich irgendwohin mitnehmen. Ausflüge mit dem Auto gehören zu jenen Dingen, die in meinen ersten zwölf Lebensjahren nicht stattfanden. Mama hatte nie ein Auto und ist am liebsten zu Hause. Im Leben der Familie Persson sind mindestens zwei Ausflüge monatlich angesagt. Heute fährt die ganze Familie in die Stadt, um »zwei Fliegen mit einer Klappe« zu schlagen, nämlich mir eine Jacke zu kaufen und dann ins Café zu gehen. Seit ich meine alte Winterjacke aus einem Stockholmer Secondhandladen aus dem Schrank geholt habe, betrachtet mich Petra mit besorgtem Blick. Ich habe ihr schon tausend Mal erklärt, dass die Jacke warm ist und jetzt perfekt passt, weil sie letztes Jahr zu groß war, aber es ist zwecklos. Also spiele ich mit und setze eine fröhliche Miene auf. Mir ist es weniger wichtig, gegen eine neue Jacke zu sein, als ihnen, für eine solche zu sein. Im Auto herrscht gedrückte Stimmung. Alle schauen missmutig zum Fenster hinaus. Als wären sie nur dabei, weil sie müssten. Um das Schweigen zu brechen, schlage ich vor, ein Lied zu singen, das wir grade im Chor einüben. Petra findet die Idee gut. Ich versuche mit möglichst viel Gefühl zu singen. »Soon and very soon we are going to see the King, soon and very soon we are going to see the King …« Tea weist darauf hin, dass ich meinen Ton nicht halte – nicht, um gemein zu sein, sondern nur zur Information. »Vielleicht macht es ja Billie traurig, wenn du das so sagst«, meint Petra. »Ich bin nicht traurig«, erwidere ich. »Bevor ich im Chor angefangen habe, habe ich noch nie Gotteslieder gesungen, also wäre es komisch, wenn ich das jetzt schon so gut könnte.« Die »Stadt« besteht aus einer Fußgängerzone mit quadratischen Pflastersteinen. Die wenigen Läden, die dort sind, gibt es zu Hause in Stockholm millionenfach. Es ist zwar erst November, aber ein eisiger Wind fährt uns unter die Kleider. Die Erwachsenen hatten recht, eigentlich bräuchte ich Handschuhe. Aber kann ich was dafür, dass ich mich wie in einem Käfig fühle, wenn ich Mütze und Handschuhe trage? Wir bewegen uns als lockerer Trupp vorwärts. Alvar und Tea wollen entweder voraus- oder hinterhergehen, als wäre es ihnen unangenehm, mit den Eltern zusammen gesehen zu werden. Also springe ich ein und gehe neben Petra und Mange, damit sie sich nicht wie komplette Versager fühlen. Glücklicherweise gibt es nur zwei Kleiderläden für Leute in meinem Alter. Sobald ich etwas anprobiere, wollen alle ihre Meinung sagen. Mange findet, dass ich die bequemste Jacke nehmen soll, Petra sagt, je länger die Jacke, desto besser, Alvar meint, dass mir Rot steht, und Tea findet die hüftkurze am coolsten. Ich merke, dass jetzt richtig miese Stimmung aufkommt – und alles nur, weil ich eine Jacke kaufen soll, die ich nicht brauche. »Warum ist es so wichtig, wie ich aussehe?«, frage ich. »Es ist nicht wichtig«, sagt Petra und klappt meine dicke Kapuze hoch. »Aber dann kann ich doch die alte tragen.« »Wir wollen doch bloß, dass du dir gefällst«, antwortet sie. »Aber ich gefalle mir ja«, erwidere ich. »Gefalle ich euch nicht?« »Doch«, sagt Mange. »Natürlich gefällst du uns.« »Aber dann brauche ich doch keine neue Jacke.« »Wir wollen euch nicht ungleich behandeln«, sagt Petra. »Du sollst genauso hübsche Sachen haben wie Alvar und Tea.« »Ihr wollt einfach nicht, dass ich wie ein armes Pflegekind aussehe. Ist das der Grund?« Petra sieht sich nervös um. »Jetzt kaufen wir eine Jacke, ob du willst oder nicht.« Da kapiere ich’s endlich. Es geht gar nicht um mich, sondern darum, was andere über sie denken. Damit bloß niemand glaubt, dass sie ihre eigenen Kinder verwöhnt und mich vernachlässigt. Das würde ja bedeuten, dass sie ein schlechter Mensch wäre, und nichts läge ihr ferner. »Okay, dann nehme ich die teuerste.« Petra geht mit der Daunenjacke unter dem Arm lächelnd zur Kasse. Ich folge ihr. »Und ich musste von meinem Ersparten dazulegen, als ich eine teure Jacke wollte«, murmelt Tea. »Moment mal …« Ich bleibe stehen. »Soll ich auch noch bessere Sachen als Tea und Alvar haben? Außerdem will ich echt nicht wie ein verzogenes Gör vom Stureplan aussehen.« »Stureplan?«, fragt Tea. »Was machst du da drüben?« Petra winkt Mange zu, der in einiger Entfernung auf seinem Handy rumtippt. »Merkst du gar nicht, dass hier totales Chaos herrscht?« »Nein«, sagt er. Um die Stimmung zu heben, erzähle ich, wie das »totale Chaos« in meiner Welt aussieht. Als meine Mutter beispielsweise im Blumenladen in eine Glasvitrine fiel. Dabei warf sie alle Blumenvasen um und zerschmetterte das Glas, sodass die Scherben wie ein Glitzerregen auf die Blumen rieselten. Der Blumenhändler rief die Polizei, und ich musste immer wieder von Neuem erklären, dass Mama nicht blau war, sondern ihren Körper wegen ihrer Krankheit nicht so ganz im Griff hat. Als dann schließlich die Polizei auftauchte, lag Mama kichernd auf dem Boden, während der Blumenhändler und ich die Scherben aufsammelten. Ich lache beim Erzählen, aber die Familie Persson steht wie festgewurzelt da und starrt mich an. Sie haben wirklich keinen Humor. »Triffst du deine Mutter bald mal wieder?«, erkundigt sich Tea vorsichtig. »An Weihnachten«, antworte ich. Alvar wirft Petra einen beunruhigten Blick zu. Und dann mir. »Ja, feierst du denn nicht mit uns?« »Nein, an Weihnachten bin ich bei Mama. Jetzt aber weg hier. Sonst sterbe ich vor Langeweile.« Einige Zeit später betrete ich die alte Konditorei – ohne eine neue Winterjacke, aber mit ein paar neuen, festeren Sneakers in einer Tüte. Sie sind verdammt schick, aber nicht so warm wie diese Gore-Tex-Stiefel, die mir Petra und Mange gerne gekauft hätten. Tea hat mir »Hass auf Gore-Tex« ins Ohr gezischt. Ich habe ihr einen High Five gegeben. Wir dürfen nehmen, was wir wollen, nur nicht Torte. Alvar kann sich nicht entscheiden, wählt zuerst ein Marzipanteilchen und wenige Sekunden später stattdessen einen Kopenhagener. Ich nehme so ein Plundergebäck mit gelber Creme in der Mitte, das meine Mutter »Omas Husten« nennt, was ich den Perssons natürlich nicht erzähle, weil sie das vermutlich eklig fänden. Wir setzen uns an einen Tisch am Fenster. Alles wirkt ziemlich altmodisch, vielleicht weil auf unserem Tisch eine Vase mit einer rosa Plastikblume steht. Mange schwafelt darüber, welche Limosorten ihm als Kind am besten geschmeckt haben. Petra scheint mit ihren Gedanken woanders zu sein. Als sie nach ihrem Marzipanteilchen greift, streift sie Manges Hand. Mir kommt es vor, als wäre sie zusammengezuckt, aber ich...


Kadefors, Sara
Sara Kadefors, geboren 1965 in Göteborg, ist eine schwedische Schriftstellerin und Journalistin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Stockholm. Ihr Jugendbuch »Sandor Slash Ida« (2001) wurde mit dem August-Preis ausgezeichnet und ist bis heute das meistverkaufte Jugendbuch Schwedens. Seither hat die Autorin mehrere Romane fu¨r Erwachsene und Jugendliche verfasst.

Rüegger, Lotta
Lotta Rüegger

Sara Kadefors, geboren 1965 in Göteborg, ist Journalistin und Schriftstellerin. Ihr Jugendbuch "Sandor Slash Ida" wurde mit dem August-Preis ausgezeichnet und ist bis heute das meistverkaufte Jugendbuch Schwedens. Seither hat die Autorin mehrere Romane für Erwachsene und Jugendliche verfasst. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Stockholm.

Sara Kadefors, geboren 1965 in Göteborg, ist Journalistin und Schriftstellerin. Ihr Jugendbuch "Sandor Slash Ida" wurde mit dem August-Preis ausgezeichnet und ist bis heute das meistverkaufte Jugendbuch Schwedens. Seither hat die Autorin mehrere Romane für Erwachsene und Jugendliche verfasst. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Stockholm.


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