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E-Book, Deutsch, 127 Seiten

Kaiser Literarische Romantik

E-Book, Deutsch, 127 Seiten

ISBN: 978-3-8463-3315-0
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Band informiert kompakt und auf der Basis der aktuellen Forschungslage über die verschiedenen literarischen Phasen der Romantik in allen Gattungen. Anhand der repräsentativen Vertreter und ihrer wichtigsten Texte stellt Gerhard Kaiser (Göttingen) das geistige und soziale Profil der Epoche fachlich fundiert im Überblick vor.

Besondere Schwerpunkte liegen auf Tieck, Schlegel, Novalis, Bonaventura, Brentano, Eichendorff und Hoffmann. Zeittafel und Kurzbiographien ergänzen die Darstellung.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung 7
Romantik im Profil 9
1 Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders oder:
Was »romantisch« meint und wie man es sich merken kann 9
2 »Die Welt muß romantisiert werden« – Frühromantische
Gruppenbildung, Literaturpolitik und Programmatik 16
3 Wahnsinn, Witz und Waldeinsamkeit:
Romantisches Kunstmärchen und romantisches Drama
am Beispiel Ludwig Tiecks 28
4 Fragmente und Experimente: Der Roman der Romantik 44
5 » Schläft ein Lied in allen Dingen«:
Die Lyrik der mittleren und späten Romantik 74
6 Wahnsinn mit Methode – Die spätromantische Erzählkunst
E.T.A. Hoffmanns 98
7 »Do not go gentle into that good night« –
ine kurze, unwissenschaftliche Nachbemerkung
zur Romantikrezeption 116
Serviceteil
Zeittafel 119
Siglen 121
Literatur 123
Namenregister 125


2 »Die Welt muß romantisiert werden« – Frühromantische Gruppenbildung, Literaturpolitik und Programmatik
Die Phase der Frühromantik ist vergleichsweise kurz, reduziert sie sich doch – sieht man einmal von den üblichen Inkubationszeiten solcher Strömungen ab – auf die zweite Hälfte der 1790er Jahre. In diese ca. 5 bis 6 Jahre fallen die Freundschaft zwischen Wackenroder und Tieck (die mit dem frühen Tod des Ersteren 1798 endet), zwischen Tieck und Novalis (die mit dem ebenso frühen Tod Novalis’ 1801 endet) sowie zwischen Friedrich Schlegel (1772 – 1829) und Novalis. Ebenfalls hier verortet ist die Zusammenarbeit der Gebrüder Schlegel, die zwischen 1798 und 1800 gemeinsam das erste romantische Publikationsorgan, das Athenäum, herausgeben, die als skandalös geltende Beziehung zwischen Friedrich und der damals noch verheirateten Bankiersgattin Dorothea Veit (1763 – 1839), die Beziehung zwischen August Wilhelm Schlegel (1767 – 1845) und seiner Frau Caroline (1763 – 1809), die dann wenig später Schlegel für den Philosophen Schelling (1775 – 1854) sitzen lässt.
Wechselnde Gruppenbildungen und Jena als wichtiges Zentrum Die kurzzeitigen Zentren der instabilen und ständig im Fluss begriffenen, romantischen Geselligkeiten sind Jena, Berlin und dann wieder Jena. Im August 1796 ziehen die Schlegels auf Einladung Schillers, mit dem sie sich später heillos überwerfen, nach Jena und knüpfen dort auch Kontakte mit Fichte. Im Juli 1797, nach dem Zerwürfnis mit Schiller, zieht Friedrich Schlegel wieder nach Berlin, verkehrt dort in den literarischen Salons der Rahel Levin und Henriette Herz und beginnt eine Liebesaffäre mit Dorothea Veit. Hier lernt er auch den Philosophen Friedrich Schleiermacher (1768-1834) und den Dichter und Übersetzer |16? ?17| Ludwig Tieck kennen. Diese Berliner Periode dauert bis in den Spätsommer 1799. Das dritte größere Zusammentreffen, September 1799 bis etwa April 1800, ist das wichtigste – zumindest hat es als Konstitution der sogenannten »Jenaer Romantik« am meisten von sich reden gemacht. Hier treffen August Wilhelm und seine Frau Caroline mit Friedrich und Dorothea, Ludwig Tieck und seiner Frau sowie Novalis zusammen. Auf »Symphilosophie« und »Sympoesie«, also auf eine neue Form gemeinschaftlicher Kulturproduktion unter Wahrung der größtmöglichen Freiheit der beteiligten Individuen zielen Friedrich Schlegel zufolge alle diese vorübergehenden Romantiker-Bünde und die neuen Formen der Geselligkeit in der Frühphase. Das ist groß gedacht und geht natürlich – im Großen und Ganzen gesehen – am Ende schief. Der jugendbewegte Elan des schönen Chaos – die meisten der beteiligten Akteure befinden sich noch in ihren 20ern – verebbt, die Projekte scheitern, die hochfliegenden Pläne, das Experiment einer Gemeinschaftlichkeit ohne Zwang und feste Regeln – sie geraten in den Sog der Fliehkräfte des Allzumenschlichen. Um 1801/02 kommt es zum Zerfall der ohnehin nur lose gefügten Gruppe. Friedrich Schlegel beginnt – auf der Suche nach ordnungsstiftenden ideellen Bezugssystemen – seine Neigung für das Religiöse zu entdecken (die schließlich in seiner Konversion zum Katholizismus 1808 mündet), Novalis stirbt, Tieck – ohnehin eher in der Rolle des etablierten Außenseiters – verlässt Jena zu Beginn des Jahres 1801, Friedrich Schlegel und Schleiermacher überwerfen sich über dem Projekt einer Platon-Ausgabe und die sehr selbstbewusste Caroline Schlegel wird zur Lebensgefährtin Schellings. Literaturpolitik und Programmatik I: August Wilhelm Schlegels »Kritik an der Aufklärung« Als August Wilhelm Schlegel zwischen 1801 und 1804 in Berlin seine Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst hält, ist die Konstitutionsphase der deutschen Romantik, die sogenannte Frühromantik, also in gewisser Weise bereits zu Ende. Und doch sind es erst die Vorlesungen des Berliner Privatgelehrten, die im Sinne einer eigenständigeren denkerischen Leistung zwar nicht sonderlich originell sind, die aber dennoch die einzelnen Ideen des frühromantischen Kreises zum ersten Mal in pointierten Formulierungen zusammenfassen. Damit erst wird die Romantik als ein klar abgrenzbarer Diskurs einem breiteren Publikum vermittelt. |17? ?18| Nicht weniger nimmt er sich vor, als eine »Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der Europäischen Bildung« (AWS, 537) überhaupt zu liefern. In diesem Zusammenhang widmet er seine fünfte und sechste Vorlesungsstunde einer grundlegenden »Kritik der Aufklärung«. Schlegel tritt hier, dies gilt es zu berücksichtigen, nicht oder doch zumindest nicht vorrangig als unbeteiligter Kunstwissenschaftler auf, dem es darum ginge, seinen Zuhörern einen möglichst objektiven Überblick über kulturelle und literarische Tendenzen der vergangenen Jahrzehnte zu geben. Schlegel ist als wichtiges Mitglied der frühromantischen Interessengemeinschaft ein beteiligter Akteur im Spiel um machtvolle Positionen innerhalb des literarischen Feldes und er betreibt Literaturpolitik. Was heißt das? Innerhalb des literarischen Feldes geht es immer auch darum, die Definitionsmacht darüber zu erlangen, was überhaupt als »Literatur« gelten soll und wer überhaupt ermächtigt ist, sich als Schriftsteller zu bezeichnen. Insofern entpuppt sich das literarische Feld, darauf verweist der französische Soziologe Pierre Bourdieu, als ein »Kampfplatz« mit eigenen Regeln, auf dem zuallererst und permanent von konkurrierenden Akteuren und Gruppen darum gestritten wird, was Literatur überhaupt ist (Bourdieu 2001, 379-445). Wer sich hier die Deutungsmacht erstreiten kann, erwirbt zugleich die Möglichkeit, gewichtige Positionen innerhalb des literarischen Feldes zu besetzen. Insofern wird man Schlegels Kritik an der Aufklärung auch als interessegeleiteten Versuch verstehen müssen, der Programmatik der eigenen Gruppe ein Profil zu geben und sie ins Gespräch zu bringen. Solche Positionierungsversuche haben eine bestimmte, strukturelle Logik. Sie leben von der Unterscheidung und von einem Überbietungsgestus, der mit ganz bestimmten Versprechungen einhergeht. Anders formuliert: Um Aufmerksamkeit wecken zu können, muss man deutlich machen, inwiefern sich das eigene Programm von konkurrierenden unterscheidet und inwiefern man bereits existierende Programme übertrifft. Das literarische Feld in Deutschland gegen Ende des 18. Jahrhunderts verstärkt diesen Kampf um Aufmerksamkeit und erhöht mit der Konstitution eines literarischen Marktes den Inszenierungsdruck auf die Schriftsteller, ist doch für diesen Zeitraum eine immense »Verdichtung der Kommunikation« (Detlef Kremer) zu beobachten. Diese Verdichtung wird ermöglicht durch den Übergang des Buchhandels zu frühkapitalistischen Produktionsweisen, wodurch der Markt für Druckerzeugnisse enorm anwächst: Für den Zeitraum zwischen 1770 und 1800 geht man mittlerweile von einer Verzehnfachung der Buchproduktion und von einer Verdreifachung der Zahl der Buchhandlungen aus, die Zahl der neu erscheinenden Zeitschriften erreicht |18? ?19| 1790 in Deutschland mit 1225 Titeln einen Höchststand. Damit steigt aber auch die Zahl der Schriftsteller, die um ein zunehmend lesefähiges Publikum konkurrieren, in diesem Zeitraum enorm an. Was bei August Wilhelm Schlegel unter dem Begriff »Aufklärung« firmiert, ist also selbst bereits eine interessegeleitete Reduktion und Selektion. Hauptgegner seiner Ausführungen ist mit Friedrich Nicolai ein Berliner Repräsentant der spätaufklärerischen deutschen Popularphilosophie, deren Kritik am frühromantischen Denken auch ausführlich mit Polemik bedacht wird:
Mehrere meiner Freunde und ich selbst haben den Anfang einer neuen Zeit auf mancherley Art, in Gedichten und in Prosa, im Ernst und im Scherz verkündigt […]. Das entsetzliche, gar nicht aufhörende Geschrey dawider von allen Seiten scheint doch zu verrathen, daß die Gegner unsre Behauptung nicht für so ungereimt halten als sie vorgeben, daß sie doch vielleicht heimlich fürchten, im ruhigen Besitz der Nichtigkeit durch jene verhaßten Anmuthungen gestört zu werden. (AWS I, 538)
Soviel zur polemischen Seite der Unterscheidung. Wer sich unterscheidbar machen will, muss aber auch zeigen können, was an dem, von dem er sich unterscheiden will und das er überbieten zu können vorgibt, falsch bzw. unzulänglich ist. Und er muss zumindest in groben Zügen das Profil des eigenen Programms umreißen. Was ist also nach A.W. Schlegel so falsch an der Aufklärung und was setzt er dagegen? Betrachtet man konkreter die Steine des Schlegel’schen Anstoßes, so zeigt seine Aufklärungskritik, die ganz in der Tradition von Schillers Kulturkritik steht, eine dreifache Stoßrichtung: Erstens kritisiert er ein auf bloße Nützlichkeit abzweckendes Denken, das er als Ausdruck eines defizitären Menschenbildes brandmarkt. Die aufklärerische Popularphilosophie ziele in ihrem Wahrheitsstreben lediglich auf »Brauchbarkeit und Anwendbarkeit«. Diese »ganze verkehrte Denkart«, der das »ökonomische Prinzip« zugrunde liege, ziele darauf, »das menschliche Dasein und die Welt rein wie ein Rechen-Exempel aufgehen« zu lassen. Die sich dergestalt aufgeklärt Dünkenden verfolgten »dabei als Unaufgeklärtheit die ursprüngliche Irrationalität, die ihnen überall im Wege ist«. (AWS I, 523f.) Was das aufklärerische Denken in Schlegels Augen also falsch macht, ist, dass es ausgehend von einem verkürzten Verstandesbegriff wesentliche Aspekte des menschlichen Daseins gar nicht erst in den Blick bekommt. Ein rein am Nutzenkalkül orientiertes Denken führt, so der Vorwurf, letztlich...


Kaiser, Gerhard
Dr. Gerhard Kaiser lehrte an der Universität Göttingen.

Dr. Gerhard Kaiser lehrte an der Universität Göttingen.


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