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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 136 Seiten

Reihe: Internationale Pädagogische Werktagung

Kalcher / Lauermann Kinderrechte

E-Book, Deutsch, Band 5, 136 Seiten

Reihe: Internationale Pädagogische Werktagung

ISBN: 978-3-7025-8041-4
Verlag: Verlag Anton Pustet Salzburg
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Alle Kinder haben Rechte!
Janusz Korczak (1878–1942), der polnisch-jüdische Kinderarzt und Pädagoge, forderte als erster nachhaltig Rechte für diejenigen, die über Jahrhunderte hinweg weitgehend rechtlos waren: die Kinder. 75 Jahre nach seiner Ermordung erhebt die 66. Internationale Pädagogische Werktagung Salzburg die Kinderrechte, wie sie von der UNO erstmals 1959 beschlossen und 1989 zur rechtsverbindlichen Kinderrechtskonvention erweitert wurden, zum Thema.
In diesem Buch von Anna Maria Kalcher und Karin Lauermann werden die Bedeutung und die Auswirkungen dieser UN-Kinderrechtskonvention reflektiert. Im Fokus stehen Konzepte der Demokratiepädagogik, der Entwicklung von Selbstständigkeit und Verantwortungsgefühl sowie Fragen nach Verbindlichkeiten, die wir von Kindern und Jugendlichen in erzieherischen Kontexten erwarten. Zudem werden die Ansätze Janusz Korczaks diskutiert und Emmi Piklers Engagement als Anwältin für Säuglinge und Kleinkinder beleuchtet.
Über diese pädagogischen Grundfragen sprechen namhafte Referentinnen und Referenten:
Univ.-Prof. Dr. Lothar Krappmann, Freie Universität Berlin
Mag. Dr. Andreas Paschon, Universität Salzburg
Univ.-Prof. Dr. Michael Winkler, Universität Jena
Univ.-Prof. Dr. Annedore Prengel, Universität Potsdam
Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt,
Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Hannelore Reicher, Universität Graz
MMag. DDr. Andrea Richter,
Schulpsychologie Bildungsberatung Niederösterreich
Anna Tardos, Pikler-Institut Budapest
Univ.-Prof. Dr. Dr. hc. mult. Fritz Oser, Universität Fribourg

66. Internationale Pädagogische Werktagung vom 10. bis 14. Juli 2017
Kalcher / Lauermann Kinderrechte jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Lothar Krappmann Die Menschenrechte auch für Kinder?
Zum Auftakt
Über die Menschenrechte der Kinder will ich sprechen, die in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen 1989 anerkannt wurden.1 Mit der Ratifikation der Konvention haben sich die Staaten auferlegt, die Rechte der Kinder in ihr Rechtssystem verbindlich aufzunehmen. Diese Rechte betreffen nicht nur den Schutz, sondern auch eine umfassende Förderung und wirksame Beteiligung der Kinder an der Ausrichtung des eigenen Lebens. Sind es wirklich Menschenrechte, die den Kindern zugesichert wurden? Nicht erst im Zusammenhang mit der Konvention, sondern schon viel früher haben Menschen, die sich für Kinder engagierten, Rechte der Kinder gefordert, die ihnen nicht genommen werden dürften. Unter ihnen ist Janusz Korczak, der polnische jüdische Arzt und Pädagoge, der bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlangt und praktiziert hat, Kinder als mitverantwortliche Partner der Erwachsenen in die Gestaltung ihres Lebens einzubeziehen. Auch Maria Montessori hat nachdrücklich für Kinderrechte gekämpft. Ich werde die große Bedeutung der Kinderrechtskonvention herausstellen; sie gibt dem Leben von Erwachsenen und Kindern ein notwendiges Fundament. Wer sich für gute Betreuung, Erziehung ohne Gewalt, Förderung benachteiligter Kinder einsetzt, ist durch die Annahme der Konvention keine Bittstellerin, kein Bittsteller mehr, sondern steht auf dem Boden zugesagter Rechte. Rechte müssen jedoch auch gelebt werden. Janusz Korczak, zu dessen Zeit es noch keine Kinderrechtskonvention gab, hilft uns heute auszuschöpfen, was die Konvention den Kindern verspricht. Menschen- und Kinderrechtsverletzungen überall
Es fällt zurzeit schwer, einen Vortrag über die Menschenrechte der Kinder zu halten, der erläutern will, wie sich unsere Vorstellungen von Kindern und den Rechten, die ihnen zustehen, entwickelt haben, welche Auseinandersetzungen es gab, bis es zu verbindlichen Texten kam, und welche Hoffnungen sich mit diesem großen Menschenrechtsprojekt verbinden. Lohnt es denn angesichts der vielen Rechtsverletzungen überhaupt noch, auf diese Bemühungen um menschliches Zusammenleben in Würde, Sicherheit und wechselseitigem Respekt Hoffnungen zu setzen? Zu viele schreckliche Nachrichten hören und lesen wir täglich, die all dem Hohn sprechen, was die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen erreichen will: Leib und Seele der Kinder schützen, sie mit dem versorgen, was sie für eine gute körperliche, geistige, seelische, soziale und moralische Entwicklung benötigen, und sie befähigen, ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung zu führen – alles Worte aus der Konvention. Stattdessen hungern unzählbar viele Kinder, werden ihre Schulen und Krankenhäuser zerbombt, arbeiten Millionen von ihnen, zum Teil unter schrecklichen Bedingungen, um zu überleben. Junge Mädchen werden unter Zwang verheiratet. Millionen von Kindern fliehen mit Eltern oder allein unter Lebensgefahr aus ihrem Land. Auch in Europa leiden nach wie vor viel zu viele Kinder unter Gewalt, Armut, Vernachlässigung und Missbrauch. Es war und ist ein Ziel der Kinderrechtskonvention, die Kinder – gemeint sind in den UN-Dokumenten junge Menschen bis zur Volljährigkeit im Alter von 18 Jahren – so weit wie möglich aus Elend, Verfolgung und Misshandlung herauszuholen und mit ihnen einen neuen und guten Anfang des Zusammenlebens aller Menschen einzuleiten. »Das Kind erzeugt nichts Geringeres als die Menschheit selbst«, schrieb einst Maria Montessori (1952, S. 290). Ist das alles gescheitert? Nein, es ist nicht alles gescheitert, es gibt gute Entwicklungen, an denen die Kinderrechtskonvention und ihr überwachender UN-Ausschuss ihren Anteil haben: zurückgehende Kindersterblichkeit, mehr Schulbildung, und zwar auch für Mädchen, Rückgang der besonders schädlichen Kinderarbeit, Gewaltverbote in vielen Staaten. Aber trotz mancher Lichtblicke: Die Frage danach, wie Kinder unterstützt werden können, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und an den großen Aufgaben eines gemeinsamen guten Lebens mitzuarbeiten, wird angesichts der Katastrophen und dunklen Aussichten nur noch dringlicher. Menschenrechte der Kinder, keine Sonderrechte
Die Kinderrechtskonvention soll den Weg der Kinder zu voller Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen unterstützen. Sie gibt Kindern eine Stimme in allen Angelegenheiten, die sie berühren, und verlangt, dass ihre Interessen, ihre Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten und vor allem ihre Teilhaberechte berücksichtigt werden, zusammengefasst: Das Wohl der Kinder solle bei allen Maßnahmen mit Vorrang bedacht werden. Das sind menschenrechtliche Garantien, die die Konvention allen Kindern ohne Diskriminierung zusichert. Kinder sind Subjekte und nicht erwachsenen Entscheidungen unterworfene Objekte. Sind das nicht vielleicht nur Sonderrechte, auf welche die Staaten sich verständigt haben, um Kindern den Weg in später erst auszuübende Rechte und Freiheiten der Erwachsenen zu sichern? Nein, die Kinderrechtskonvention bezieht sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und legt fest, wie diese für Kinder verstanden und verwirklicht werden müssen. Stehen also die Menschenrechte im vollen Sinn auch bereits den Kindern zu? Trotz deren Abhängigkeit, mangelnder Erfahrung, unzulänglichem Wissen und Können? Kinder sind Menschen, vollständig, aber unvollendet wie alle Menschen
Das Fragezeichen am Ende der Überschrift dieses Vortrags drückt die Zweifel aus, die manche Menschen teilen, welche Erfahrungen mit Kindern haben. Sie fragen sich, ob Kinder wirklich schon so weit sind, Rechte in Anspruch nehmen zu können und dürfen. Diesen Zweifeln widerspricht Janusz Korczak sehr energisch. Schon vor mehr als einem Jahrhundert sagte er: »Kinder werden nicht erst Menschen – sie sind schon welche!« (Korczak 1999a, S. 49, Fn. 1; zuerst 1899). Es war eine wegweisende Formulierung. Kinder sind »keine Puppen«, sagt Korczak (ebda.). Sie sind »vollständige Menschen«, meint ein Korczak nahestehender französischer Pädagoge, Philippe Meirieu: vollständig, jedoch nicht vollendet (vgl. Meirieu 2002, S. 12 f.). Vollständig, denn Kinder tragen alle Potentiale in sich, die uns Menschen auszeichnen: Affekte und Vernunft, Für-sich-Sein und Zugehörigkeit, Abneigung und Liebe. Jedoch nicht vollendet: Auch das gehört zum Menschsein, wie uns Philosophinnen und Philosophen, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Theologinnen und Theologen erklären. Wer nicht mehr fragt, keinen Zweifel kennt, wer nicht mehr neugierig, erstaunt oder erschüttert ist, wer nicht mehr sucht und sich sehnt, dem fehlt Wesentliches von dem, was unsere Menschlichkeit auszeichnet. Da ziemlich viele Erwachsene ihre feststehenden Meinungen haben und Ungewisses beiseiteschieben, fragt man sich gelegentlich, ob Kinder nicht dem Menschsein näher sind als manche in sich eingeschlossene Erwachsene. Nicht vollendet ist also kein Argument gegen Menschenrechte der Kinder, so Meirieu (2002). Aber es bleibt bestehen, dass Kinder infolge der allmählichen Entfaltung ihrer Fähigkeiten und noch fehlender Erfahrungen besonderer Unterstützung bedürfen, wenn sie beginnen – und dies geschieht sehr früh –, eigene Meinungen und Wünsche zu äußern und auf ihnen zu bestehen, also wenn sie anfangen – obgleich zunächst nicht mit diesen Worten –, Respekt und Berücksichtigung für sich einzufordern. Hat die Kinderrechtskonvention für diesen Konflikt zwischen voller Zusicherung der Menschenrechte auch den Kindern und dem offenkundigen Unterstützungsbedarf der Kinder, wenn sie ihnen zustehende Rechte selber ausüben wollen, eine Lösung bereit? Konventionen machen Menschenrechte verbindlich
Ich bin sicher, dass viele hier im Saal bereits etliches über die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen wissen, möchte aber mit einigen Sätzen erläutern, wie sich die Vorstellungen von Kinderrechten hin zu einer Kinderrechtskonvention herausgebildet haben. Arbeiten, die zu der nun vorliegenden Konvention führten, begannen bei der Vorbereitung des Internationalen Jahr des Kindes 1979. Das UN-Mitglied Polen schlug vor, eine frühere Erklärung der Vereinten Nationen zu den Rechten des Kindes, 1959 verabschiedet, in eine Konvention, in einen völkerrechtlichen Vertrag umzuwandeln. Konventionen wurzeln in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, die ein ehrwürdiges Dokument ist, aber nur ein Appell an die Staaten, Menschenrechte zu achten und zu sichern. Konventionen machen aus dieser Erklärung rechtlich verpflichtende Vereinbarungen. In der UN werden die Texte von Konventionen ausgearbeitet und schließlich von der...


Anna Maria Kalcher, Mag. Dr., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mozarteum Salzburg, Lehrende an der Abteilung für Musikpädagogik sowie Mitarbeit im Bereich Evaluierung; Planung und Organisation der Internationalen Pädagogischen Werktagung Salzburg.

Karin Lauermann, Prof. Mag. Dr., Direktorin des Bundesinstituts für Sozialpädagogik in Baden; Lehrbeauftragte an den Universitäten Klagenfurt, Graz und Wien; Chefredakteurin von "Sozialpädagogische Impulse" Baden; Vizepräsidentin der Internationalen Pädagogischen Werktagung Salzburg.


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