Auch in der Pandemie?
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-347-36340-3
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Autoren/Hrsg.
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3. Masken Die Vielzahl an Wahrheiten und Schriften ist so ausgeartet, dass wir sehr schnell Zuflucht zu Bruchstücken nehmen werden. François-Marie Arouet (Voltaire) 3.1. Maskentypen Alltagsmasken Alltagsmasken, auch Community-Masken genannt, werden aus handelsüblichen Stoffen in unterschiedlichsten Variationen hergestellt und privat oder von Firmen wie Textilherstellern produziert. Im weiteren Sinn zählen auch ein Tuch sowie ein Schal dazu, wenn diese vor Mund und Nase gehalten oder gebunden werden. Sie sind als mechanische Barriere bzw. Bremse für eine Übertragung von Tröpfchen oder Speichel gedacht, die beim Atmen, Sprechen, Husten oder Niesen aus dem Nase-Rachen-Mund-Raum entweichen können. Die minimale Filtrationsleistung ist nicht definiert. Medizinische Masken / OP-Masken Sie werden vor allem im medizinischen Bereich wie Arztpraxen, Kliniken oder in der Pflege eingesetzt und bestehen meist aus einem mindestens dreilagigen Vliesstoff, der die Verbreitung von Speichel oder Tröpfchen des Trägers verhindern kann. Sie dienen sowohl dem Schutz des Maskenträgers (Eigenschutz) als auch dem Schutz des Gegenübers, also in der Regel des Patienten oder Bewohners. OP-Masken zählen zu den Medizinprodukten und haben entsprechende gesetzliche und normative Vorschriften zu erfüllen. Für beide Maskentypen gibt es gültige Normen, so dass eine bestimmte bakterielle Filtrationsleistung für das Material der Maske garantiert wird. Sie beträgt mindestens 95 % für das Material medizinscher Masken bzw. mindestens 98 % für das Material von OP-Masken, die Gesamtleckage beim Tragen wird jedoch nicht gemessen. Anforderungen an die Filtrationsleistung von Viren sind für diese Maskenarten nicht definiert. FFP2-, FFP3- bzw. N95-Masken Es handelt sich hier um partikelfiltrierende Halbmasken (FFP: „filtering face piece“). Sie werden in erster Linie in Arbeitsbereichen verwendet, in denen sich Schwebstoffe in der Luft befinden, die beim Einatmen zu Gesundheitsschäden führen können. Diese Masken halten chemische und physikalische wie auch solche Schwebstoffe ab, die Viren und andere Krankheitserreger enthalten. Sie gelten als Gegenstand einer persönlichen Schutzausrüstung im Rahmen des Arbeitsschutzes. Es gibt Masken ohne und mit Ausatemventil. Dieses Ventil öffnet sich beim Ausatmen, beim Einatmen bleibt es hingegen verschlossen. Dadurch kann die ausgeatmete Luft ungehindert nach draußen entweichen, sodass das Ausatmen erleichtert wird und nur das Einatmen gegen einen Widerstand erfolgt. Masken ohne Ventil filtern sowohl die eingeatmete Luft als auch die Ausatemluft und bieten daher sowohl einen Eigenschutz als auch einen gewissen Fremdschutz, auch wenn sie nur zum Eigenschutz ausgelegt sind. Masken mit Ventil filtern nur die eingeatmete Luft und sind daher für den Fremdschutz auf jeden Fall ungeeignet. Es gibt FFP1-, FFP2- und FFP3-Masken. Diese werden gemäß der europäischen Norm (EN) 149 nach ihrer Filtrationsleistung spezifiziert. Dabei soll das Material der FFP1-Masken vor ungiftigen Stäuben schützen und mindestens 80 % der Schadstoffe aus der Luft herausfiltern. FFP2-Masken sollen vor festen und flüssigen gesundheitsschädlichen Stäuben, Rauch und Aerosolen sowie vor luftübertragenen Infektionserregern schützen. Sie filtern mindestens 94 % der Schadstoffe aus der Luft heraus, bevor diese eingeatmet werden können. Damit ähneln FFP2-Masken den sogenannten N95-Masken nach US-amerikanischer Norm (95 % Filtrationsleistung), zu denen es zahlreiche Studien gibt. FFP3-Masken sollen vor giftigen gesundheitsschädlichen Stäuben, Rauch und Aerosolen sowie vor luftübertragenen Infektionserregern schützen. Diese filtern mindestens 99 % der Schadstoffe aus der Luft. 3.2. Studienlage zur Effektivität 3.2.1. Filtrationsleistung (Laborstudien) Die Filtrationsleistung wurde in zahlreichen Laborstudien mit einer Kochsalzlösung (Tröpfchen), radioaktiven Tröpfchenpartikeln oder dem Bakteriophagen MS2 bestimmt (das ist ein Virus, das Bakterien infizieren kann) (75). Alltagsmasken Die Effektivität von Alltagsmasken variiert stark. Für Baumwollmasken liegt die Filtrationsleistung zwischen 5 % und 97 %, für Masken aus Polyester zwischen 18 % und 95 %, für Seidenmasken zwischen 5 % und 99 % und für gemischte Materialien zwischen 41 % und 89 % (75). Medizinische Masken / OP-Masken Nach EN 14683 muss eine medizinische Maske mindestens 95 % der Bakterien entfernen, eine OP-Maske sogar mindestens 98 %. Einzelne Studien mit Tröpfchen von einem Durchmesser zwischen 0,04 und 0,075 µm zeigen mit 19 % bis 97 % meist eine geringere Filtrationsleistung (47, 122, 133). Das muss jedoch kein Widerspruch sein. Denn der Durchmesser der Tröpfchen in diesen Studien ist deutlich kleiner als der von Bakterien wie Staphylococcus aureus mit etwa 0,5 bis 1,5 µm, mit dem nach EN 14683 die Filtrationsleitung von Bakterien bestimmt wird. FFP2-, FFP3- bzw. N95-Masken Die Mehrzahl der Laborstudien wurde mit N95-Masken durchgeführt, die vor allem in den USA genutzt werden. Die für N95-Masken geforderte Filtrationsleistung für Partikel wurde auch mit Tröpfchen in einer Größe zwischen 0,04 µm und 0,05 µm beschrieben (= 98 %) (47, 122). Beim Husten betrug ihre Filtrationsleistung von sehr kleinen Tröpfchen mit einem Durchmesser zwischen 0,01 µm und 0,2 µm nur 52 % und war auf feuchten Masken mit 46 % noch etwas geringer (101). In einer anderen Studie konnten N95-Masken den Durchlass von Tröpfchen beim Niesen und Husten vollständig verhindern (3). Für FFP2-Masken kann ein vergleichbarer Effekt erwartet werden. 3.2.2. Virale Atemweginfektionen Während Laboruntersuchungen zur Bestimmung der Filtrationsleistung relativ einfach sind, bedarf es eines sehr viel höheren methodischen Aufwands, um zu zeigen, wie effektiv Masken vor tatsächlichen Infektionen schützen. Infektionen sind komplexe biologische Vorgänge, die von vielen Faktoren beeinflusst werden. Laboruntersuchungen, die in der Regel nur einen oder wenige Messgrößen berücksichtigen (z. B. die Anzahl von Partikeln eines bestimmten Durchmessers) eignen sich daher kaum zur Bestimmung tatsächlicher Infektionsrisiken bzw. der tatsächlichen Effektivität von Infektionsschutz-Maßnahmen. Hierzu sind vielmehr Studien mit Menschen unter natürlichen Bedingungen in ihrer typischen Umgebung erforderlich, z. B. Studien mit Schulkindern oder stationären Krankenhauspatienten. Diese Studien sollten immer mindestens eine Interventionsgruppe enthalten, in der eine Schutzmaßnahme durchgeführt wird und eine Vergleichsgruppe, in der die Maßnahme nicht durchgeführt wird. Der Schutzeffekt ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen den Infektionsraten in der Interventions- und in der Kontrollgruppe. In Kapitel 2.1.3. finden sich weitere Erläuterungen zu den verschiedenen Arten des Studiendesigns. Beobachtungsstudien Eine hochrangige Übersichtsarbeit vom Forscherteam um Derek Chu im Lancet wurde immer wieder zur Argumentation verwendet, um einen Nutzen von Masken im öffentlichen Raum wissenschaftlich zu untermauern (46). In dieser Übersichtsarbeit wurden zahlreiche, meist retrospektive Fall-Kontroll-Studien zum Nutzen von Masken ausgewertet. Zur Bestimmung des Effekts von Schutzmasken im Gesundheitswesen konnten 26 Studien in die Metaanalyse aufgenommen werden, davon 15 Studien aus der Zeit der SARS-Pandemie in 2003, sieben Studien im Rahmen von Epidemien zwischen 2016 und 2019 mit dem MERS-Coronavirus („Middle East Respiratory Syndrome“) und vier Studien im Rahmen der COVID-19-Pandemie in 2020. Hier zeigte sich für Maskenträger im Gesundheitswesen ein relatives Risiko von 0,3 (95%-Konfidenzintervall: 0,22 bis 0,41), d. h. bei Maskenträgern betrug das Infektionsrisiko nur 30 % des Risikos von Nicht-Maskenträgern. Anders ausgedrückt: das relative Risiko sank bei Maskenträgern im Vergleich zu Nicht-Maskenträgern um 70 %, das Ergebnis war statistisch signifikant. Auf dieser Studienbasis ist ein Nutzen für Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu erwarten. Zur Bestimmung des Schutzeffekts von Masken außerhalb des Gesundheitswesens konnten nur drei Studien aus der Zeit der SARS-Pandemie 2003 mittels Metaanalyse ausgewertet werden. Für Maskenträger ergab sich dabei ein relatives Risiko von 0,56 (95%-Konfidenzintervall: 0,40 bis 0,79). Danach ist auch für Menschen außerhalb des Gesundheitswesens ein Nutzen zu erwarten, das Risiko einer Infektion sinkt bei Maskenträgern um durchschnittlich 44 % (46). Zwei dieser drei Studien waren Fall-Kontroll-Studien, während es sich bei der dritten Studie um eine vergleichende retrospektive Studie handelt. Deshalb gelten hier alle wissenschaftlichen Einschränkungen hinsichtlich der Kausalität für das beschriebene Gesamtergebnis. Es kann sein, dass die Masken tatsächlich diesen Nutzen hatten. Es kann aber auch sein, dass andere Faktoren zu diesem Nutzen geführt haben...