Keller | 22 Lila Märchen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Keller 22 Lila Märchen

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-7543-8960-7
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Im Blues stecken geblieben? Gestresst? Eigenwillige Königshäuser, Slapear, der coachende
Hase, diverse Zwerge, Mac Holle, Rapunzel auf Abwegen im Altersheim, ein Crêpes liebender
Wolf und viele mehr leisten hier Abhilfe. LILA steht für Überraschung und amüsante
Revolte, für Entspannung und Entertainment. Ein modernes Märchenbuch und ideales
Mitbringsel für Erwachsene und Kinder.
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Vom König der nicht Tango
Tanzen und von der Königin,
die nicht in Möbelhäuser
gehen wolle
Die Königin hatte sich ins Turmzimmer zurückgezogen und starrte stundenlang abwechselnd auf den Bildschirm ihres Laptops und übers Land. Der König hingegen hatte sein Nachtlager möglichst weit davon entfernt in einem kleinen Salon neben der Schlossküche aufgeschlagen. Das kam nicht von ungefähr: Seit Langem bewegten sie zwei Streitpunkte, in denen sich beide standhaft weigerten, dem Partner auch nur im Geringsten entgegenzukommen. Der König hatte beschlossen, das Schloss innenarchitektonisch aufzumöbeln. Doch die Königin weigerte sich, ihn in die entsprechenden Möbelhäuser zu begleiten. Sie blieb stur in ihrem Turm, dem Ort mit dem besten Internetempfang, und bestellte lieber alles im Versandhandel. Bereits standen unzählige Thronmodelle herum, alle gleich unbequem, fand der König. Er war es auch müde, die monströsen Kleiderschränke und Vitrinen zusammenzustecken, zu schrauben und zu dübeln, alles Mobiliar, das die Königin nach kurzem Blick und Klick im Onlinekatalog bestellt hatte. Umgekehrt weigerte sich der König, den sehnlichsten Wunsch der Königin zu erfüllen. Sie war eine leidenschaftliche Tänzerin und hätte sich gerne für einen Tangokurs angemeldet. Natürlich wollte sie ihn zusammen mit dem König besuchen. Doch dieser, leicht füllig, empfand sich eher als Hindernis in der Tanzszene und verwies außerdem auf sein fehlendes Taktgefühl in Kombination mit einer generellen Unmusikalität. Beide bedrängten sich unentwegt. Nach einiger Zeit lösten sie das gemeinsame Schlafzimmer auf, verlangten nach mehr Freiraum und bezogen die zwei besagten Räume. Obwohl das Schloss von monströser Größe war, schafften sie es nicht immer, sich aus dem Weg zu gehen. Ihre Begegnungen tönten dann folgendermaßen: König (zynisch): »Ihre Majestät haben wohl einen Computerausfall, dass Sie Ihren Elfenbeinturm zu verlassen belieben?« Königin (schnippisch): »Und Ihre Hoheit haben wohl wieder Sardinen gegessen, man riecht es von Weitem!« König (beleidigt): »Dem kann man leicht abhelfen, Ihr Parfümschrank könnte das ganze Volk für mehrere Jahre beduften!« Königin (erregt):»Eine gepflegte Königin ist das Aushängeschild ihres Landes!« Und so weiter und so fort. König und Königin siezten sich streitenderweise bewusst, obwohl sie doch zu Beginn ihrer Beziehung diese alte Form der Anrede abgeschafft hatten. Manchmal stritten sie sich nach solchen Begegnungen bis zur Abenddämmerung und wichen sich danach tagelang wieder aus. Kein Wunder, hatte beinahe das gesamte Dienstpersonal des Schlosses gekündigt. Nur noch Minna und Peter, ein altes königstreues Paar, hielten die Stellung und machte sich Sorgen um die Zukunft ihres Landes. Diese beiden guten alten Leutchen rätselten oft bei einem Darjeelingtee in ihrer Dienstwohnung über das Auseinanderleben und die heftigen Dispute ihrer königlichen Herrschaften. Das würde kein gutes Ende nehmen! Sosehr sie aber rätselten, ihnen kam keine Abhilfe in den Sinn. Eine Ehetherapie, die sie vorschlugen, verweigerten König und Königin kategorisch. In diesem Punkt waren sie sich seltsamerweise einig. Sie behaupteten, sie seien volljährig und bei Sinnen und ließen sich von einem dahergelaufenen Psychofreak, der selbst den Buckel voll Probleme habe, nichts vorschreiben. Unterdessen war die Stimmung im Schloss so schlimm geworden, dass das Königspaar Stundenpläne machte, um sich auf keinen Fall zu begegnen. Bestenfalls einmal in der Woche sahen sie sich bei den Reitställen oder in der Schlossküche, wenn sie sich nach schlaflosem Umherirren eine heiße Mitternachtsschokolade zubereiten wollten. Doch eines konnten sie nicht verhindern: Hie und da mussten sie ihren Staatsinteressen nachkommen und Besuche bei andern Regenten abstatten. Eben stand wieder einmal eine Festivität beim angrenzenden Herzogtum an. Um den Schein zu wahren, mussten sie sogar dieselbe Kutsche benutzen, die von Peter mit Schwung vor die Einfahrt der lieben Nachbarn gefahren wurde. Und dieser Bankettabend sollte eine bleibende Erinnerung hinterlassen … Es begann damit, dass der Herzog als Gastgeber Knusprigkeit und Füllung der aufgetragenen Pastete bemängelte. Worauf die Herzogin weit bis in die Anfänge des Herzogtums ausholte und die Pastete verteidigte, als ob es sich um sie selbst handeln würde. Die Dienerschaft stand versteinert im Raum herum und sowohl König als auch Königin rafften sich als Ehrengäste auf, den Schaden zu minimalisieren. »Ihr Collier ist wieder einmal exquisit der Garderobe angepasst«, versuchte die Königin mit falschem Lächeln der Herzogin zu schmeicheln. Doch da schien sie schon wieder in ein Wespennest gestochen zu haben. »Nicht der Rede wert«, erwiderte an ihrer Stelle der Herzog giftig, »da meine Gemahlin kaufsüchtig ist, behängen wir sie nur mit billigen Imitaten.« Die Königin selbst war beim Stichwort ›kaufsüchtig‹ kurz zusammengezuckt, fing sich aber gleich wieder. Um abzulenken, versuchte sie es beim Herzog direkt: »Diese wundervoll gemästete Gans stammt sicher aus Ihrem Gutsbetrieb? Köstlich, muss ich sagen!« Diesmal antwortete übers Kreuz die Herzogin: »Ihre Hoheit, fragen Sie meinen Mann nicht nach Gänsen. Erstens umgibt er sich mit menschlichen Ausgaben dieser schnatternden und hirnlosen Wesen und zweitens scheint er immer wieder zu vergessen, dass wir den Gutsbetrieb gegen eine Beteiligung an einer Supermarktkette eingetauscht haben.« »Ha, genau! Darum dieser zähe und gleichzeitig geschmacklose Supermarktbraten!«, der Herzog spuckte bei dieser Bemerkung einen Bissen Gans aus und ließ ihn von einem herbeieilenden Diener entsorgen. Zum ersten Mal seit langer Zeit warfen sich Königin und König einen vielsagenden Blick zu, der absolute Einigkeit verhieß. Die Königin versuchte nun listig ein unverfängliches Thema anzu-schneiden und wandte sich erneut und besonders leutselig an die Herzogin: »Ihre Kinder haben aber ausgesprochen gute Tischmanieren!« Die Königin dachte in ihrer Einfalt, dass dieses Lob das herzogliche Paar in eine milde Stimmung versetze würde. Aber nun brach der Sturm erst recht los. »Deine Kinder«, kreischte die Herzogin, »die du in die Ehe gebracht hast, verstanden gar nichts von Hofetikette. Alles haben sie von mir gelernt, wie auch du nur ein eingeheirateter Herzog bist!« Die Herzogin fügte noch einen Satz hinzu, der das Wort ›Parvenu‹ enthielt und einen Stapel von Gegenangriffen und Beschuldigungen des Herzogs zur Folge hatte. Mit der Zeit wurden König und Königin zu stummen Zuhörern des herzoglichen Gezänks und sie konnten sich erstmals und gemeinsam in die unerfreuliche Aufgabe eines Ehetherapeuten hineinversetzen. Auf dem Heimweg schwiegen die beiden erschöpft, nur Peter pfiff auf dem Kutschbock leise vor sich hin. »Wie wäre es«, fragte der König die Königin zu Hause angekommen, »wenn wir uns zusammen noch eine heiße Schokolade brauen würden? Man kann dann besser einschlafen nach all der Aufregung.« Die Königin nickte zustimmend und während sie sich durch all die zum Teil falsch zusammengebauten Möbel hindurchschlängelten, geschah etwas Seltsames: Die Königin begann zu lachen und konnte nicht mehr damit aufhören. Ein Anfall schüttelte sie und ließ sie wanken wie ein junges Bäumchen. Der König wollte sich zuerst beschweren. Doch dann, angesichts seines ziemlich hervorstehendes Bauches, den ihm die vielen goldumrahmten Spiegel in allen Perspektiven vorführten, wurde er vom Lachen der Königin angesteckt. Er stellte sich nämlich vor, wie er trotz dieses Schönheitsfehlers einen Tango tanzen würde. Rasch zog er den Bauch ein und befand, dass er – mit Hilfe einer kaschierenden Schärpe – doch noch einen passablen Tänzer abgeben würde. Die Königin schien seine Gedanken zu lesen und meinte immer noch leise kichernd: »Du würdest dich prächtig machen in diesem Kurs, den ich mir schon lange vorgemerkt habe. Es sind alles absolute Anfänger dort, ich inklusive.« Dieses letzte kleine Geständnis erfreute den König, und er maß in der Schlossküche voll Liebe zwei gehäufte Löffel voll Schokoladenpulver ab, um sie in die heisse Milch zu rühren. Ohne zu merken, hatte er erstmals in seinem Leben für zwei Personen Kakao zubereitet … »Morgen ist im Möbelhaus ›Mahagony‹ Ausverkauf«, warf die Königin wie nebensächlich in den Raum. »Und auf dem Rückweg könnten wir gleich mal bei der Tanzschule vorbeischauen«, schmatzte der König und strahlte die Königin an. Von diesem Tag an änderte sich ihre Ehe. König und Königin...


Keller, Christine
Christine Keller (*1959) wuchs in Zürich auf, ist Mutter eines Sohnes und lebt heute mit ihrem Mann in der deutschsprachigen Schweiz. Nach langjährigen pädagogischen und beratenden Tätigkeiten wandte sie sich vermehrt der Kunst zu. Sie realisierte zahlreiche Bilderausstellungen und forschte intensiv über Farben. Neben dieser Neuedition ihrer Farbenlehre erobert sie seit 2010 als experimentierfreudige Autorin immer neue Genres. Egal ob Lyrik, Kurzgeschichten oder Romane: In ihren Büchern verbinden sich Spannung und Humor mit einer Prise Philosophie.

Facebook: Christine Keller: Bilder & Texte


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