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E-Book

E-Book, Deutsch, 420 Seiten

Keller Limmat Love

E-Book, Deutsch, 420 Seiten

ISBN: 978-3-7562-8394-1
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Regula Nimmerlein, eine Frau auf der Flucht, Philipp Büchi, ein leicht überforderter Onkel von quirligen Zwillingen und das Hotel "Limmattal" mit illustren Gästen: Wir befinden uns im Jahr 2043 und die unheimliche Weltordnung des FARADAY PROMISE Konzerns beginnt zu wanken. Während sich Regula und Fips, der Hotelier, näherkommen, trudelt die seltsame Familie Stern im Hotel ein und in Zürich geschehen Zeichen und Wunder. Dies ist die Fortsetzung des Romans "Fünf Sterne für den Weihnachtsmann", welche auch für sich allein gelesen werden kann.

Christine Keller (*1959) wuchs in Zürich auf, ist Mutter eines Sohnes und lebt heute mit ihrem Mann in der deutschsprachigen Schweiz. Nach langjährigen pädagogischen und beratenden Tätigkeiten wandte sie sich vermehrt der Kunst zu. Sie realisierte zahlreiche Bilderausstellungen und forschte intensiv über Farben. Neben dieser Neuedition ihrer Farbenlehre erobert sie seit 2010 als experimentierfreudige Autorin immer neue Genres. Egal ob Lyrik, Kurzgeschichten oder Romane: In ihren Büchern verbinden sich Spannung und Humor mit einer Prise Philosophie. Facebook: Christine Keller: Bilder & Texte
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1. Welle
Regula
Weg! Alles hinter mir lassen. Vor allem Björn. Ich war am Ende meiner Nerven und verdrängte total, dass ich am nächsten Tag in Küsnacht einen neuen Studentenjob anzutreten hatte. Im Kalender stand, dass wir uns im Wonnemonat Mai befanden. Kein idealer Monat, um wegzulaufen. Zürich gab seinen romantischen Auftritt und überall roch es nach Lindenblüten. Doch dieser 8. Mai, ein Freitag, war definitiv mit extremen Wassermassen verbunden. Es kam mir vor, als würde ich durch eine riesige Regenwand stapfen. Ich hatte keinen Plan, aber ich musste endlich auf mein unerfreuliches Schicksal reagieren! Ich sei panaroid. Wie ich es hasste, wenn Björn Wörter verdrehte! Ich war weder eine Panade für sein Hähnchensteak, an welches er wahrscheinlich in diesem Moment dachte, noch tatsächlich paranoid. Aber jetzt war ich auf der Flucht. Unter anderem vor Björn, wenn nicht sogar vor meinem ganzen Leben. Eine meiner Recherchen hatte ergeben, dass ich nach chinesischer Astrologie in der Stunde des Pferdes geboren wurde, und in der Natur gab es nur zwei Überlebensstrategien: Flucht oder Kampf. Bis jetzt waren meine Fluchtwege im Nichts geendet, ich hatte all die Versuche davonzulaufen abgebrochen. Irgendwann war ich immer wieder in mein Desaster zurückgekehrt. Doch genau dies sollte sich nun ändern. Pure Verzweiflung hatte mich am 8. Mai 2043 erfasst: ich stürzte mich vom Grossmünster sprang ins Wehr neben dem Landesmuseum griff nach der Fahrleitung am Hauptbahnhof Natürlich rein gedanklich, das alles. In Realität folgte ich der Limmat, die nur vorwärts floss, nie zurückschaute. Die mir den Weg zeigte, weit weg von den drei zerstrittenen Altstadtzimmern. Ströme eines atlantischen Tiefs ergossen sich über mich vielleicht löste ich mich auf? nichts leichter als das ... Begrabe deine Vergangenheit – sagte jeder psychologische Ratgeber. Nicht so ganz meins, das Begraben. Lieber stellte ich mir die Zukunft wie ein Bettlaken vor, welches ich an einem Zipfel ergreifen und mich darunter verkriechen konnte. Ich war eine Meisterin der Unentschlossenheit. Nie hatte ich Björn definitiv verlassen, war zum Bumerang mutiert. Dachte ständig darüber nach, wie es weitergehen könnte ohne ihn, ob ich es aushalten würde ohne ihn. Könnte. Würde. Seit vor acht Jahren die Björn-Ära begonnen hatte, war mir ein Leben im Konjunktiv bestimmt. Heute Mittag hatte ich in einem diffus unglücklichen Zustand in der Wohnung herumgehangen. Eigentlich wollte ich »chillen«, dann hatte mich aber innerlich so gefroren, dass ich am liebsten die Heizung aufgedreht hätte. Dazu hatte mich die Digitaluhr auf dem Kaminsims, als personalisierter Kunststoff-Avatar von Björn gestaltet, spöttisch angegrinst. Er schien so zu ticken: Es ist der 8. Mai, 15:30 Uhr, liebe Frau, Zeit, bereits an das Abendessen für deinen Banker zu denken, denn weder eine Uniarbeit noch irgendein Nebenjob rufen dich zur Pflicht ... Solche Sätze hörte ich innerlich immer wieder und sie erfüllten mich oft mit rasender Wut. Ohne Wut konnte ich meine Unsicherheit nicht überwinden. Und diesmal hatte es die doofe Uhr geschafft. Ich hatte nur noch einen prüfenden Blick aus dem Wohnzimmerfenster hinüber zum Fraumünster geworfen und mir mein limmatblaues Regencape übergezogen. Wobei sich die Limmat heute nicht blau, sondern grau und ungestüm unter den Brücken hindurchzwängte. Die Limmat war eben jeden Tag eine andere – wie ich. Dann war ich in meine unverwüstlichen Gesundheits-Gummistiefel geschlüpft und hatte mich nicht mal eine Sekunde über das hübsch aufgedruckte Hyazinthenmuster gefreut. Dann hatte ich die Wohnungstür hinter mir zugeschlagen. Mit diesem bekannt dumpfen Knall, der wie ein scharf geschlagener Tennisball klang. Noch hatte ich nicht gewusst, ob ich jemals an diesen Ort zurückkehren würde. »Mach bitte die Tür zu!« Das war Björns schneidende Stimme in mir gewesen. Vielleicht war ich doch ein wenig paranoid geworden in dieser Beziehung ... Dann war ich wie immer, statt den engen Lift zu nehmen, die Stufen im düsteren Treppenhaus hinuntergedonnert. Etwas in mir hatte an diesem Tag beschlossen, eine andere zu werden. Nur die 46 Stufen waren immer noch dieselben gewesen. 46 Mal hatte es unter mir geknarrt. Zahlen übten auf mich schon immer eine seltsame Magie aus. Draußen hatte sich das Cape sofort aufgebläht und ich war Richtung Tramhaltestelle gesegelt. Es hatte nicht nur in Bindfäden gegossen, wie wir hier in Zürich sagen, es hatte auch gestürmt, sodass mir schwallweise Wasser ins Gesicht und sogar unter die Kapuze gepeitscht wurde. Der 8. Mai, bekannterweise das Ende des 2. Weltkriegs, dieser Tag war perfekt, um alles hinter mir zu lassen. Vor allem meinen persönlichen Beziehungskrieg. Der Regen verbarg nicht nur meine Tränen, er nahm mir das Weinen sogar ab. Es war, als hätte sich Zürichs Himmel in einen Fluss verwandelt, welcher kontinuierlich das Gemisch aus Abgasen und Lindenblütenduft umwälzte. Gerade bei Regen war es erstaunlich, wie sich Zürich noch im Jahr 2043 in seinem historischen Zustand befand. Zürich, ein Kulturerbe unserer weltweiten Wirtschaftsordnung durch den FARADAY PROMISE Konzern. FARADAY PROMISE. Ja, Mensch, wie lange war das her, seit dieser Machtübernahme? Hm, ich war noch so eine Chick, als das geschah ... in den Virus-Zwanzigerjahren unseres verdammten 21. Jahrhunderts! Tram Nummer 4 schloss eben die Türen. Im letzten Moment drückte ich auf den Halteknopf und drängte mich ins Innere. Dieses hastige Ausstrecken des Zeigefingers war eine typische Handbewegung für Zürich. Ein Spiel zwischen den Gemütszuständen von Tramfahrer und potenziellen Fahrgästen. Immerhin war es ein gutes Omen, dass ich mitgenommen wurde und nun eingeklemmt zwischen Aktenkoffern und Mänteln vor mich hin dampfte. Dann erspähte ich einen Sitzplatz und zwängte mich durch den überfüllten Tramwagen. Es stank wie immer nach Desinfektionsmitteln. Ich bekam keine Luft mehr und stieg an der nächsten Station gleich wieder aus. Das Limmatquai hat an jeder Brücke eine Haltestelle. Grossmünster und Wasserkirche lagen jetzt hinter mir. Nicht nur die Wasserkirche hatte mit historisch heiligem Wasser zu prahlen – in Zürich war alles Wasser heilig, seit Römerzeiten. Mit einer Hand, die ich aus dem Cape streckte, zupfte ich eine rote Pfefferschote von einem Strauch. Das ganze Limmatquai war mit Urban Gardening zugekleistert. Ich steckte die rote Schote wie eine Pille in meinen Mund und wartete auf die Geschmacksexplosion, die doch gar nicht zu diesem Regentag passte. Gleich mit dem ersten Biss schien ich mich daran zu verbrennen – das bekannte Gefühl – und doch: Diese hier war schärfer als gewohnt, wahrscheinlich zu lange gereift. Im Schnitt stiegen die Temperaturen immer noch in Europa, und Zürich war bereits im Frühsommer manchmal auf dem Niveau von Süditalien im 20. Jahrhundert. Ich öffnete meinen Mund und der strömende Regen löschte den Schmerz im Nu. Den Rest der Peperoncini warf ich in die Limmat. Ein paar Möwen schnappten danach. Ich liebte es, Dinge ins Wasser zu werfen. Eines meiner geheimen Laster, denn Litteringstrafen waren sehr unangenehm und im Wiederholungsfall mit sozialtherapeutischen Auflagen verbunden. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet, sogar die Sternwarte, zu welcher ich immer gerne hinübergeschaut hatte, lag im Dunst. Ich musste feststellen, dass mein Cape nicht richtig wasserfest war, obwohl es sicher alle Sicherheitstests eines textilen Sport- und Schutzgerätes bestanden hatte. Wasser von oben Wasser von unten Tränen dazwischen Es gab einmal eine Zeit, in der ich Björn bedingungslos geliebt hatte. Oder sagen wir: bedingungslos minus zehn Prozent, wenn ich gerade meine autarken zehn Minuten hatte. Ich war verrückt nach seinem Geruch, seinen gepflegten, starken Händen, nach der neckischen Art, wie er mich ansah, wenn er sich durchsetzte. Er konnte einfach alles so drehen, wie es ihm passte. Auch seine Stimme – sie war das Spiegelbild seiner Stimmungen. Mal samtweich, dann wieder mit Nachdruck. Im Laufe unserer Beziehung zunehmend knallhart. Stoßweise schlug mir der Wind Böen ins Gesicht. Es war mir gerade recht. Würde doch alles durch mich hindurchwehen wie durch einen Flur. Ich hatte schon immer eine Hassliebe zu Korridoren, sie erinnerten mich an Spitäler, meine Kindheit und an all die kafkaesken Situationen, in welchen ich in Ämtern auf irgendwelche Dokumente wartete, weil ich noch immer ungechipt war. Aus medizinischen Gründen in meinem Fall, da könnte mein Psychiater Herr Oldmann eine Menge dazu sagen. Trotz Regenkälte durchlief es mich kurz siedend heiß: Ein Rückruf für ein Date bei Oldmann war schon lange fällig. Jetzt erst fiel mir ein, dass ich die Tür zwar zugeknallt aber nicht abgeschlossen hatte, etwas, das Björn schon...


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