Kelly | Das Böse, das im Herzen schläft | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Kelly Das Böse, das im Herzen schläft

Thriller

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-641-10446-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wie weit würdest DU gehen, um das zu schützen, was du liebst ...
Die Familie MacBride versammelt sich jeden November auf ihrer abgelegenen Farm in Devon. Doch dieses Mal ist alles anders. Nicht nur der Tod der Mutter, auch Eheprobleme und andere Krisen belasten die Geschwister Sophie, Tara und Felix. Ausgerechnet dieses Jahr hat Felix eine neue Freundin mitgebracht: Kerry scheint ein wenig seltsam, auch wenn sie sich größte Mühe gibt, von allen gemocht zu werden. Als man sie für einige Stunden mit Sophies kleiner Tochter im Haus alleinlässt, verschwinden die beiden spurlos. Noch ahnen die MacBrides nicht, wen sie da in ihrer Mitte aufgenommen haben - und dass ein tödlicher Racheplan seinen Lauf nimmt, dessen Ursprung viele Jahre zurückliegt ...

Erin Kelly wurde 1976 in London geboren und ist in Essex aufgewachsen. Sie studierte englische Literaturwissenschaft an der Warwick University und arbeitet seit 1998 als Journalistin. Sie schrieb unter anderem für die Sunday Times, den Sunday Telegraph, die Daily Mail und für Zeitschriften wie Psychologies, Marie Claire, Elle und Cosmopolitan. Bereits mit ihrem Debütroman »Das Gift des Sommers« eroberte sie Kritik und Leser im Sturm. Erin Kelly lebt mit ihrem Mann und ihren Töchtern in London.
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ZWEI 29. Januar 2013 Es heißt, man vergesse den Schmerz, und das Überleben der Art hänge davon ab. Am Morgen redete Sophie sich immer noch ein, es sei kein Schmerz, sondern ein Gefühl. Alles eine Frage der Wahrnehmung. Man musste es als intensives Gefühl umdeuten, als notwendigen Bestandteil des Prozesses, und dann würde es nicht wehtun. Vor dem Eingang der Klinik blieb sie stehen, atmete ein, atmete aus und ließ sich das Gefühl erleben, das ohnehin nur ein falscher Alarm war, Übungswehen vor dem Beginn des Eigentlichen, völlig normal. Einatmen, ausatmen, aufrichten, weitermachen. Saxby Wellhouse Hospital war im Stil der viktorianischen Hochgotik erbaut: Wenig natürliches Licht gelangte durch die Spitzbogenfenster in das Atrium, das riesig war wie eine Kathedrale. Der Fliesenboden war abgenutzt von schlurfenden Füßen, deren Besitzer, Patienten und Verwandte, die Lippen bewegten wie im stillen Gebet. Eine junge Schwester in OP-Kleidung legte ihr die Hand auf den Arm und fragte: »Ist alles in Ordnung, meine Liebe? Suchen Sie die Entbindungsstation?« Sophie schaute hinüber zu dem schimmernden weißen Korridor, der in den modernen Anbau mit den Kreißsälen führte. »Nein danke.« Mit bleischwerem Herzen ging sie unbeirrt weiter hinein in die dunkle Architektur, die das Gegenteil der Geburt beherbergte. Vor dem Aufzug standen Leute Schlange, aber sie traute sich auch gar nicht zu, in dieser Enge still zu stehen, nicht einmal für diese kurze Fahrt in den zweiten Stock. Die Treppenstufen waren flach, und ihre Hebamme hatte sie dazu ermuntert, aktiv zu bleiben. Sie war froh über diesen Vorwand, zu gehen, zu zappeln, die unablässige Bewegung aufrechtzuerhalten, die, wie sie manchmal glaubte, das Einzige war, das sie daran hinderte, laut zu schreien. Mit der linken Hand zog Sophie sich hinauf, die rechte lag auf ihrem Bauch. Das Geländer war alt und glatt von langer Abnutzung; nur manchmal stießen ihre Finger gegen eine Messingschraube, die irgendein Spielverderber aus dem 19. Jahrhundert in das Holz gedreht hatte, damit man nicht darauf hinunterrutschen konnte. Auf halbem Wege blieb sie stehen, um wieder zu Atem zu kommen, und beruhigt fühlte sie die harten Tritte, mit denen das Baby protestierte. Wenn die Wehen wirklich im Gange waren, wurden sie langsamer. In der Zeitspanne eines Lidschlags zwischen ihrem Kollaps und dem Abgleiten in diesen lebenden Tod hatte Lydia geschworen, sie werde am Leben bleiben, bis das Baby zur Welt kam. Sophie hatte es so verstanden, dass die Ankunft des Babys ihr erlauben werde zu sterben, und sie würde mit Vergnügen für alle Zeit im neunten Monat schwanger bleiben, wenn das nötig wäre, um ihre Mutter am Leben zu erhalten. Sie ging über die blanke Terracotta-Strecke der allgemeinen Onkologie-Station hinweg und geradewegs zu dem kleinen Privatzimmer am Ende des Korridors. Rowan und die anderen waren schon da. Die Körpermaße der Verwandten stimmten nicht, sie erschienen grotesk: Lydia war in der Nacht noch weiter geschrumpft. Ihre Gestalt war ein knochiges Z unter einer Art Zellstoffdecke, wie man sie benutzen würde, um ein Baby in seinem Bettchen zuzudecken. Auch Rowan wirkte irgendwie verkleinert; sein Kopf war zu klein für den Körper, der wie gefaltet in einem Sessel saß. Tara erschien noch stattlicher als sonst und sah aus wie Felix’ Mutter, nicht, als sei sie nur ein Jahr älter als er. Die Aussicht auf Mutterlosigkeit hatte sich auf die beiden unterschiedlich ausgewirkt. Sie war um ein Jahrzehnt gealtert, und die Verwerfungen der mittleren Jahre hatten sich um Augen und Mund eingegraben. Felix dagegen war wieder zu dem nagelkauenden Teenager mit den großen Augen geworden, der er gewesen war. Sophie, rund wie ein Ei, aus dem bald das Leben platzen würde, ließ sich auf den harten Stuhl neben ihrer Mutter sinken. Angestrengt beugte sie sich vor und streifte Lydias Wange mit den Lippen. Der violette Bluterguss rund um die Infusionsnadel an Lydias Hand schien seit gestern noch größer geworden zu sein. »Wie geht’s ihr, Dad?«, fragte Sophie. »Warst du die ganze Nacht hier?« Rowan nickte. »Weiß sie, dass wir hier sind?« Sophie spürte die Panik wie Sodbrennen in der Brust. Was wäre, wenn Lydia nicht mehr fähig wäre, richtig zu kommunizieren? Würde das bedeuten, dass sie sich schon voneinander verabschiedet hatten? »Das wissen wir nicht«, sagte Tara. »Sie ist immer nur fünf Minuten an einem Stück wach, und dann ist sie nicht klar. Manches von dem, was sie dann von sich gibt, ist zum Piepen.« »Es ist überhaupt nicht lustig«, fauchte Felix. »Sie war wirklich unglücklich. Und sie hat solche Schmerzen. Fast wünschte ich …« »Sag es nicht, Fee«, unterbrach Sophie ihn. Sie hielt die Hand ihrer Mutter, wie sie es als Kind getan hatte, an ihrem Hochzeitstag, bei der Geburt ihrer Söhne, und sie drückte sie sanft. Zwar hatte sie keine Reaktion erwartet, aber sie war doch enttäuscht, als keine kam. Alle vier blieben den ganzen Tag da, und abwechselnd eilten sie in die Cafeteria am anderen Ende des Gebäudes und holten Kaffee und Sandwiches, die Rowan ignorierte, Felix auseinanderpflückte, Sophie herunterwürgte und Tara restlos verputzte. Die anderen wollten nicht zulassen, dass Sophie auch ging; sie solle ihre Kräfte sparen, erklärten sie hartnäckig und hörten nicht zu, wenn Sophie ihnen zu erklären versuchte, sie habe überschüssige Kräfte, die sie anscheinend überhaupt nicht aufbrauchen könne. Bei ihren häufigen Ausflügen zur Toilette tätigte sie verbotene Anrufe bei Will, dessen Stimme wie Balsam war. Auch er war auf vernichtende Nachrichten gefasst, aber er war nicht blutsverwandt mit Lydia, und anders als der Rest ihres engsten Familienkreises hatte er in seinem brechenden Herzen noch Platz für sie, um ihr dort eine Stütze zu geben. Nach dem Auflegen machte sie ihrem Schmerz mit knappem, gemessenem Schluchzen Luft, mit Einheiten der Trauer, die jeweils gerade groß genug waren, um bis zur nächsten zu halten. Als sie wieder am Krankenbett war, ordnete Sophie die sonnenuntergangsfarbenen Tulpen auf dem Nachttisch neu und hoffte, die leuchtenden Farbkleckse würden den Blick ihrer Mutter auf sich ziehen können, wenn sie sich das nächste Mal rührte. Als es Zeit wurde, die Jungen abzuholen, war Lydia immer noch nicht richtig aufgewacht, aber ihre Atmung hatte sich verändert und war schneller und flacher geworden. Sophie hatte ein großes Verlangen danach, sich auf das erbarmungswürdig geräumige Bett zu legen und ihren Bauch an Lydias Rücken zu schmiegen, aber sie hatte Angst, irgendeinen lebenswichtigen Schlauch oder Draht abzureißen. Stattdessen begnügte sie sich damit, den Kopf auf das Kissen zu legen und zu flüstern: »Ich liebe dich.« Die Kraft der Gefühle eines ganzen Lebens stand hinter diesen Worten, und doch wirkten sie ohnmächtig. Auf dem Gang begegnete sie einer Schwester. »Ist es heute so weit? Was meinen Sie?«, fragte Sophie. »Sie keucht, als ob sie einen Berg hinaufsteigen würde. Ist das ein Anzeichen?« »Sie wissen doch, dass ich das nicht sagen kann«, antwortete die Schwester freundlich. »Manchmal steht es auf Messers Schneide, und dann geht es wieder gut. Aber etwas scheint sie heute aufgeregt zu haben, und sie werden oft so, kurz bevor sie versterben. Als ob sie es wüssten. In den letzten Stunden kommt dann oft eine Art Frieden. Es klingt sonderbar, aber auf seine Art kann es sehr schön sein.« Sie legte den Kopf schräg. »Aber wie geht es Ihnen?« »Meinen Sie mich oder das Baby?« »Beide.« Die Schwester lächelte. »Wissen Sie schon, was es wird?« »Ein Mädchen«, sagte Sophie. »O wie schön. Eine Tochter«, sagte die Schwester. Tochter. Das Wort hörte sich an wie etwas, das sie selbst war, nicht etwas, das sie bekommen würde. »Im Ernst … Geben Sie acht auf sich?« »Oh, machen Sie sich keine Sorgen um mich«, sagte Sophie. »Ich komme zurecht.« Sie war froh, dass keiner ihrer Verwandten dabei war, um sie zu korrigieren. Im Auto zog wieder ein Krampf fächerförmig über Kreuz und Bauch. Zehn Minuten später raubte ihr sein Echo noch einmal den Atem, aber sie holte Toby und Leo aus der Vorschule und dann Charlie aus dem benachbarten Kindergarten, als wäre nichts weiter. Zu Hause lag die Post in der Diele verstreut. Mit einem wackligen Plié bückte sie sich, um sie aufzuheben. Sie legte Rechnungen und Bankauszüge auf das Sideboard und blieb stehen, um den letzten Brief zu betrachten. Der Umschlag war dick und steif wie bei einer Grußkarte. Von wem mochte er sein? Es war noch zu früh, sowohl für Glückwünsche als auch für Beleidsbekundungen. Der Lärm von drei kleinen Jungen, die einander prügelten, übertönte den Fernseher und ihre Gedanken. Sie legte den Brief beiseite, krempelte die Ärmel hoch und schickte sich an, den Schiedsrichter zu spielen. Jungen, Abendbrot, Bett. Ehemann, Essen, Sofa. Als es zehn Uhr geworden war, konnte Sophie nicht länger so tun, als sei dies ein Probelauf. Es waren Wehen, und es ging damit viel schneller voran als bei ihren früheren Geburten. Zu Will sagte sie nichts. Er fläzte sich vor dem Fernseher und sah Newsnight, einen Brandy in der Hand, die langen Beine, immer noch in Nadelstreifen, von sich gestreckt. Müde sah er aus. Er hatte sich am Morgen rasiert, aber auf seinen Wangen lag ein...


Kelly, Erin
Erin Kelly wurde 1976 in London geboren und ist in Essex aufgewachsen. Sie studierte englische Literaturwissenschaft an der Warwick University und arbeitet seit 1998 als Journalistin. Sie schrieb unter anderem für die Sunday Times, den Sunday Telegraph, die Daily Mail und für Zeitschriften wie Psychologies, Marie Claire, Elle und Cosmopolitan. Bereits mit ihrem Debütroman »Das Gift des Sommers« eroberte sie Kritik und Leser im Sturm. Erin Kelly lebt mit ihrem Mann und ihren Töchtern in London.


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