Kitze / Bieker | Burnout | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Kitze / Bieker Burnout

Grundlagen und Handlungswissen für soziale Berufe

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-17-037645-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Burnout ist unter Fachkräften der Sozialen Arbeit und allen anderen sozialen Berufen weit verbreitet - das zeigen die Statistiken der Krankenversicherungen deutlich. Wie mit diesem Problem umgegangen und Burnout im besten Fall verhindert werden kann, das erörtert dieses Buch. Ausgehend vom Basiswissen über Burnout und dem aktuellen Stand der Forschung wird der Bogen zur Praxis geschlagen: Hilfen für die Gesprächsführung und für den Umgang mit Betroffenen werden ebenso präsentiert wie die Möglichkeiten der Prävention und Intervention. Außerdem vermittelt das Buch Grund- und Anwendungswissen zur "Selbststärkung" in sozialen Berufen und leitet zur Auseinandersetzung mit der subjektiven und objektiven Überbeanspruchung an.
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2          Das Phänomen Burnout
      Was Sie in diesem Kapitel lernen können
Ihr Interesse an diesem Buch über Burnout wird vermutlich irgendwo zwischen eigener Betroffenheit, fachlichem Wissensdurst und gespannter Neugier liegen. Aber wovon reden wir hier eigentlich? Der Begriff Burnout wird von den meisten Menschen für die Beschreibung aller möglichen negativen Zustände benutzt. Dabei bezeichnet er einen sehr spezifischen chronischen Stresszustand, der eindeutige Merkmale aufweist. In diesem Kapitel erfahren Sie, •  was Burnout ist und wie es innerlich und äußerlich aussieht, •  womit Burnout fälschlicherweise häufig verwechselt wird und wie es davon abgrenzbar ist, •  wie Burnout verläuft und •  welche Auswirkungen und Folgen ein länger bestehender Burnout-Zustand für die Betroffenen und die Umgebung haben kann. Eine Fallgeschichte zu Burnout
Eines Tages kam eine Ratsuchende in meine Beratungsstelle. Sie lächelte mir zur Begrüßung zu, setzte sich sehr aufrecht hin und begann aktiv zu erzählen. Sie sei vom Hausarzt für zwei Wochen krankgeschrieben worden, weil es auf Arbeit gar nicht mehr ging. Seit sie zu Hause sei, würde sie sich allerdings blendend und überhaupt nicht krank fühlen. Deshalb sähe sie auch gar nicht ein, die empfohlene psychotherapeutische Behandlung anzufangen. Andererseits wisse sie genau, dass der Wiedereinstieg in die Arbeit so anstrengend wird, dass alles wieder von vorn anfangen würde. Die Ratsuchende wollte von mir erfahren, ob sie wirklich krank sei und was sie gegen den Widerwillen der Arbeitsaufnahme machen könne. Im weiteren Gespräch zeigte sich mir folgendes Bild: Die Ratsuchende war alleinstehend und von Beruf Lehrerin. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie gern sie früher unterrichtet hatte. Alle Unterrichtsstunden hatte sie zu Hause sorgfältig vorbereitet und durchgesprochen, danach aufgearbeitet und korrigiert. Die Schüler*innen waren immer aufmerksam bei ihr, da sie viele praktische Beispiele und vor allem ihren Enthusiasmus in den Unterricht brachte. Wenn eine Schülerin Schwierigkeiten beim Lernen oder auch in der Familie hatte, dann kümmerte sie sich gern darum. Sie betreute diese Schülerin besonders intensiv, führte Gespräche mit den Eltern, vermittelte Unterstützungsangebote. Auch der Schuldirektor schätzte ihren Fleiß und übertrug ihr die Organisation der Schulfeste. Ihr gelang es, alles ins Detail durchzuplanen, den Ablauf zu kontrollieren, Fehler der Beteiligten auszugleichen und dabei immer freundlich zu bleiben. Allerdings ging es in den darauffolgenden Lehrerkonferenzen meist um das, was dem Direktor oder den Kolleg*innen nicht gefallen hatte und die Probleme, welche die Eltern auf den Festen ansprachen. Das wirkte auf die Ratsuchende, als wären die Feste schlecht gelaufen. Auf die Frage, was die Ratsuchende an sich selbst für Veränderungen wahrgenommen habe, dachte sie länger nach. Sie habe gemerkt, dass sie in letzter Zeit auf falsche Antworten der Schüler*innen oft ironisch, manchmal auch sarkastisch reagierte. Probleme der Schützlinge würde sie gar nicht mehr wahrnehmen. Die Freude am Organisieren der Schulfeste sei komplett verloren gegangen und eigentlich auch die Lust irgendetwas für die Schule zu tun. Sie sei zu erschöpft. Den Kolleg*innen und dem Direktor würde sie nun eher gleichgültig gegenüberstehen und neue Aufgaben abwehren. Das Bemühen sei ›eh für die Katz‹, denn sie habe das Gefühl, die gewünschten Leistungen nicht erbringen zu können. Sie habe sich dann in ihrer Freizeit mit Sport ausgepowert und mehr ferngesehen, um schöne Dinge zu erleben. Das habe gut funktioniert. Letztens gab es in der Schule jedoch neue Regelungen für die Belehrung der Schüler*innen. Als sie die Klassenlehrerstunde vorbereiten wollte, seien ihr dann aber diese Regelungen nicht mehr eingefallen. Da habe sie weinend am Schreibtisch gesessen und sei am nächsten Tag zum Hausarzt gegangen. Eines war recht schnell deutlich: Die Ratsuchende hatte keine Depression, wie es die Verdachtsdiagnose auf dem Krankenschein angab. Allerdings wiesen alle beschriebenen Denk- und Verhaltensweisen auf Burnout hin. Was dieses Phänomen tatsächlich ist und welche Unterschiede unter anderem zu einer Depression existieren, das soll in diesem Kapitel aufgezeigt werden. 2.1       Alltags- und Wissenschaftsbegriff
Burnout ist zunächst einmal ein Alltagsbegriff. Jeder versteht intuitiv, was mit Burnout gemeint ist und dass dieses Phänomen von persönlicher Bedeutung ist. Schließlich hat es mit Unwohlsein, Unzufriedenheit und Defiziten zu tun. Burnout wird im Allgemeinen als negativer Zustand eingeordnet. Dass dieses innere Bild von Burnout in den Menschen existiert, ist eindeutig ein Vorteil, da hierdurch die Verständigung zwischen Wissenschaftler*innen, Professionellen und Bürger*innen – der sogenannte Wissenschafts-Praxis-Transfer – erleichtert wird. Allerdings wird der Begriff von Laien auch oft falsch genutzt und eher als Synonym für Müdigkeit nach Anstrengung, Ärger mit Arbeitskolleg*innen oder depressive Verstimmung eingesetzt. Im Alltag verwenden manche dann das Wort Burnout, um die Situation bedeutsamer erscheinen zu lassen. Klingt doch ›Ich habe ein Burnout‹ irgendwie fachlicher und stärker als ›Die Arbeit frustet mich‹ oder ›Ich bin so schlapp‹. Schließlich ist der Begriff seit Jahren in den Medien zu finden und wird dort vielfach als ein durch die Arbeit und Gesellschaft verursachtes Phänomen angesehen, wofür die einzelnen Personen nicht wirklich etwas können. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit ( Kap. 3 »Wie Burnout entsteht«). Umso wichtiger ist es, am Anfang dieses Buches den Begriff Burnout genauer zu untersuchen. Gerade im professionellen Kontext sollte hier sauber gearbeitet werden. Fachlich gut fundierte Arbeit kann erst entstehen, wenn die theoretischen Hintergründe und Forschungserkenntnisse genutzt und methodisch integriert werden. Die reine Übersetzung von Burnout aus dem Englischen bedeutet »Ausbrennen«. In der innerlichen Vorstellung bezeichnet der Begriff etwas, das sehr beschädigt ist, daher kaum wiedererkannt wird und wohl nicht mehr funktioniert. So verliert ein Baum durch beispielsweise einen Waldbrand viele seiner Lebensfunktionen. Er kann nicht mehr atmen, weil seine Blätter verkohlt sind. Die Rinde, seine Schutzhülle, hält nicht mehr dicht. Damit besteht die Gefahr, dass Regen oder Pilze eindringen und die restlichen Lebensfunktionen beeinträchtigen. Positiv gedacht haben die Wurzeln vielleicht noch Kraft und könnten den Baum wieder sprießen lassen. Dazu müssen jedoch die Umweltbedingungen stimmen. Abb. 3: Burnout eines Baumes (eigene Fotografie) Das ist ein sehr starkes Bild, was wohl eher einer extremen Form von dem nahekommt, was unter Burnout letztendlich verstanden wird. Im Gegensatz zu dem ausgebrannten Baum auf dem Foto ( Abb. 3) hat Burnout beim Menschen wesentlich weniger einschneidende Auswirkungen auf die Lebensfunktionen. In jedem Fall ist den meisten Burnout-Betroffenen ihr Dilemma nicht äußerlich anzusehen. Das gedankliche Bild, welches der Begriff Burnout abgibt, ist also durchaus übertrieben. Es liefert dennoch wichtige Hinweise auf die Merkmale, die auch von Burnout betroffene Personen aufweisen. Soviel also schon vorweg: Menschen, die ein Burnout erleiden, funktionieren noch. Atmen, Essen, Trinken oder Schlafen sind grundsätzlich möglich. Auch höhere Funktionen wie Denken, Entscheiden, Sprechen oder Fühlen können Burnout-Betroffene ausführen. All dies war der ratsuchenden Lehrerin aus dem Fallbeispiel vollständig möglich. Und doch waren einige ihrer psychischen Funktionen verändert oder eingeschränkt. Sie konnte keine Freude mehr empfinden, wenn sie an die Arbeit dachte, weinte gar bei einer beruflichen Herausforderung. Die Aufmerksamkeit bei den schulischen Aufgaben hatte arg gelitten und die Motivation, den Lehrbetrieb durchzuführen, ja überhaupt zur Schule zu gehen, ließ stark nach. Menschen mit Burnout zeigen sich demnach funktionsfähig. Dennoch sind sie in ihrem Energiehaushalt und ihrer Motivation beschädigt, erleben ihre Umwelt anders, haben ihr Verhalten verändert und zeigen eine verminderte Leistung. In der Wissenschaft wurde der Begriff Burnout durch eine Veröffentlichung von Herbert Freudenberger 1974 eingeführt. Der niedergelassene Psychiater und Psychotherapeut arbeitete in eigener Praxis zehn Stunden am Tag und betreute danach noch ehrenamtlich jugendliche, drogensüchtige und oft sich prostituierende Aussteiger*innen. Er...


Prof. Dr. Katharina Kitze lehrt an der Hochschule Magdeburg-Stendal mit den Schwerpunkten Psychosoziale Gesundheit und psychosoziale Versorgung im Lebenslauf.


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