Klewer / Vogel / Elsner | Auf düsteren Wegen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 100 Seiten

Klewer / Vogel / Elsner Auf düsteren Wegen

Horrorgeschichten aus dem Mittelalter

E-Book, Deutsch, 100 Seiten

ISBN: 978-3-943531-79-4
Verlag: Burgenwelt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz



Das Mittelalter ... Kaum eine andere Epoche bringt so schauerliche Geschichten hervor! Eine Zeit, in der Aberglaube und Furcht vor Magie die Vorstellungskraft befeuerten, die Grenze zwischen Erklärbarem und Übernatürlichem im Nebel lag und grauenhafte Geschehnisse schweigsamere Zeugen fanden als heute.

Unaussprechliches lauert in den zwielichtigen Tavernen, den finsteren Burgen, den schummerigen Gassen, die allesamt Schauplätze der Geschichten in diesem Buch sind. Wir begegnen dämonischen Kindern, grausigen Wesen, sind Zeuge magischer Rituale – 16 Autorinnen und Autoren überschreiten die Grenze von Albtraum und Realität. Doch Achtung: Manchmal versteckt sich das Böse auch hinter einem menschlichen Antlitz!

Nach der erfolgreichen ersten Horror-Anthologie des Burgenwelt Verlages (»Auf finsteren Pfaden«) gibt es nun unter der Herausgeberschaft von Detlef Klewer eine erlesene Auswahl neuer schauriger Erzählungen, frisch zwischen zwei Buchdeckel gebannt.

Mit Geschichten von:
Anton Vogel | Anke Elsner | Christine Jurasek | Bernd Schmitt | Anna Eichenbach | Matthias Ernst | Tanja Brink | Alvar Borgan | Daniel Stögerer | Detlef Klewer | Philipp Bügel | Erik Huyoff | Olaf Stieglitz | Ute Zembsch | Nina Casement | Manfred Lafrentz
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Dämonenkind – Anton Vogel   Mehrere hundert Menschen drängten sich in der Kirche des Franziskanerklosters zusammen. In ängstlicher Erwartung, dass die Wolkenbrüche über Dornstadt endlich verebbten – die schlimmsten Sommerunwetter seit Menschengedenken. Dieses Jahr – die Geistlichkeit zählte es als das Jahr des Herrn 1342 – war wahrhaftig keine Gnadenzeit, sondern eine Strafe des Himmels mit unabsehbarem Ende. Seit Mitte des vorangegangenen Monats, des Brachmondes, brannte die Sonne erbarmungslos aus einem wolkenlosen Blau. Gelb und grau sank das Getreide auf die gesprungene Erde der Wölbäcker: dieses wenige Korn, das den ungewöhnlich kalten, nassen und zeitweilig sogar schneereichen Frühling zu überstehen vermochte. Mit den immer notwendigeren und zugleich immer selteneren Getreidefuhren kam das Gerücht, von Osten – aus Tartarien und dem Mongolenland – seien Heuschreckenschwärme in viele Gaue der Christen eingefallen. Wie bald würde diese Plage auch das Herrschaftsgebiet des Bischofs und der wenigen noch mit ihm streitenden Adelsfamilien verheeren? Das Weltende mehrte seine Vorzeichen. Scharen erstickter Fische trieben in Tümpeln und geschrumpften Flussrinnen des Mains. Gestank durchwehte die Stadt, Fliegengeschwader verdunkelten den Himmel. Bis über Fäulnis, Not und Siechtum der Himmel selbst sich zuzog, taubenblaue, gespensterweiße und schwefelgelbe Gewitterwolken in den Lüften dräuten und die Tage in unheilschwangeres Dunkel tauchten. Dann fiel der Regen. Bald strichelte er die Luft mit glasigen Wasserfäden, bald verdichtete er sich zu brausend prasselnden Kaskaden. Eine Weile knisterten Tropfen wie durchsichtiger Sand herab, um wenig später erneut in tosenden Güssen auf die Erde einzuschlagen und in einen Tanz von Hagelschloßen überzugehen. Doch waren es nicht die himmlischen Sturzfluten, die zu Dornstadt, im linksmainischen Viertel jenseits der Brücke, in Vorstädten und umliegenden Weilern Hab und Leben hinwegrissen, auch wenn der Fluss innerhalb weniger Tage bis zu den Uferkanten anschwoll. Es zeigte sich so bedrohlich wie um Ostern, als Regen und Schneeschmelze den Pegel schon bis nahe ans Tor steigen ließen. Doch die hartgebackenen Hügel der Äcker, die ausgetrocknete Krume der Weinberge, deren Reben ebenso dürr am Stock hingen wie das Getreide am Halm, die Anhöhen rund um die Stadt, sie alle konnten diese Regenmassen in so kurzer Zeit nicht aufnehmen. Wie bei Noahs Sintflut schien der Grund das Wasser aus all seinen Kammern zu speien. Durch Schluchten, die frühere Bodeneinstürze in die entwaldeten, von keinem Wurzelwerk mehr gefestigten Hügel gerissen hatten, wälzten sich Lawinen gelbbrauner Schlammbrühe zum Main. Sie vereinten sich mit dem aus weiter Entfernung anrauschenden Hochwasserschwall zu einem Strom, der alles niederdrückte, beiseite walzte, fortstrudelte, ertränkte und zermalmte, was sich ihm in den Weg stellte. Vergebens läuteten Glocken aller Kirchen gegen die tobenden Gewalten der Natur. Vergebens setzte sich der Bischof selbst an die Spitze einer Prozession, die dem Banne der Todeswasser galt. Gerade noch rechtzeitig gelang es dem geistlichen Herzog, sich in seine Sänfte zu retten und durch die panische Menschenmenge hinauf zu seinem Palast auf dem Marienberg fortgetragen zu werden, ehe die Flutwelle in die Gassen kroch und an den Hauswänden empor schwappte. In himmelhoch reichendem Nebel aus Sprüh und Staub stürzte die steinerne Brücke in den Main und staute noch zusätzlich das Wasser, das Kähne gegen die Stadtmauer schrammen ließ. Nicht lang, da brach auch die unterspülte Befestigung des Sandviertels mit Türmen, Zinnen, dem berstenden Gebälk der Wehrgänge und Anbauten aus ihren Fugen und erzeugte donnernde Gischtwolken in dem Inferno.   Der Schrei gellte durch das Kirchenschiff. Aus einem mädchenhaft hellen, kläglichen Stöhnen schraubte er sich zu schmerzenspraller Höhe. Der schrille Klang der Not durchfuhr Kunos dürren Körper, erzeugte unter den feucht-klammen Kleidern und der schmutzgrauen Haut ein Beben, das selbst zum Schrei werden wollte, aber nie wieder werden konnte. Stumm blinzelte der Knabe zu seiner Schwester hinüber, die auf dem hingestreuten Stroh lag. Mutter umfing sie in halber Hockstellung mit den Armen, ihr ausgezehrtes altes Gesicht neben dem zurückgeworfenen Kopf der Schreienden. Kuno blinzelte stärker, und seine Lippen öffneten sich, als sein Blick geradewegs auf Kathrins entblößte Scham fiel. Ihre strampelnden Beine hatten die Röcke bis zu den mürbweißen Oberschenkeln hochgeschoben. Eine Holzpantine war am gerissenen Lederriemen von ihrem Fuß gesackt, der sich krampfhaft drehte, als mühe er sich, wieder in den Schuh hineinzuschlüpfen oder ihn gänzlich fortzuschieben. Der Schrei riss etliche der anderen Notleidenden aus ihrer stumpfen Verlorenheit. Ein altes Weib, das unablässig vor sich hin betete, wiegte sich nun stärker über seinen gefalteten Knochenhänden. Von den Strohschütten und Betten, welche die Armenbrüder den vom Hochwasser Vertriebenen aufgestellt hatten, richteten sich Augen – müde, glasig, manche von hämischem Staunen umwölkt, manche mitleidig – auf den gewölbten Bauch und zwischen die Beine des Mädchens. Vater entgegnete diesen Blicken mit einem Ausdruck lauernder, mühsam verhaltener Wildheit. Die Ader über seiner seltsam starren Gesichtshälfte schwoll bläulich an. Im Zwielicht des Raumes, im Gestank nach Leibesausdünstungen, Urin und modriger Nässe, glaubte er zu sehen, wie sich zwei Augen voll Hass vor ihm öffneten. Kuno zog sich noch tiefer in die Höhle seiner Stummheit zurück. Suchte dort Zuflucht. Fand sich dort gefangen seit diesem frostigen Herbsttag. Als er Zeuge wurde, wie ein Dämon beim Hühnerverschlag über seine Schwester herfiel. Später begriff er, dass Kathrin sich davon in grausiger Erwartung befand. Und nun wollte es zur Welt kommen, das Dämonenkind. Allen Versuchen zum Trotz, es frühzeitig aus ihrem Bauch zu treiben. »So legt sie doch auf ein Bett!« Die Frau, die sich zwischen den am Boden Liegenden und Hockenden hindurch zwängte, erschien dem Jungen wie eine Gestalt aus einem farblosen Traum, der in keinerlei Bezug zum erlebten Geschehen stand. Kuno schob sich von der Ankommenden fort, drückte dabei rücklings gegen einen Widerstand, einen Körper, der ihm seine feuchte, verschwitzte Cotte an die Haut presste. Ein Hustenstich schwärte in seiner Brust. Wenigstens setzte er sich so den schweigenden Blicken des Vaters nicht mehr aus. Der starrte die Fremde an, die etwa im Alter der Mutter sein musste. Stützte sich dann mit einer Hand aus seinem Sitz empor. Seine blassen Lippen, nicht mehr als ein von Furunkeln übersäter, geschwungener Strich – an einem Ende herabhängend und ständig speichelnd –, gerieten in mahlendes Zittern. Gleich würden seine Hände das Weib packen, zurückstoßen oder würgen. Schon gegen die Franziskanerbrüder wollte er aufbegehren, als sie ihnen Grisa, ihre einzige Ziege, und deren Kitz abnahmen: Das Gottes­haus sei als Hospiz für Notleidende geöffnet worden, denen die Überschwemmung Häuser und Hütten raubte, aber durch Gottes Gnade ebenfalls gerettetes Vieh dürfe nicht dort bleiben, es werde in den Klosterstallungen versorgt. Kuno erwartete, dass die Faust des Vaters gegen die Frau vorschnellte, wie er sie bereits so oft vorschnellend erlebte. Gegen die Mutter, gegen Kathrin. Gegen ihn selbst. Jedes Mal stand ein Teil seines Wesens daneben und sah seinen Knabenkörper auf die Dielen schlagen, ins mistige Stroh, zwischen die auseinander stiebenden Hennen. Kuno, ein Knabe, der einstmals eine Stimme besaß. »Nichtsnutz, du! Balg, du!«, keuchte der Vater dann und trat seinen Sohn. »Schau, was du angerichtet hast! Los, hilf mit!« Und Kuno konnte nicht länger seinem schmerzenden, um Luft ringenden Leib entfliehen, als der Vater ihn auf die Beine riss und aus dem Stall schleuderte, denn er sollte die Hühner wieder einfangen … »Geht weg!«, hörte der Junge jetzt die heisere Stimme knurren. Die fremde Frau ließ sich nicht beirren. Beugte ihren von einer speckigen Leinenhaube umhüllten Kopf etwas weiter vor. »Bitte! Ihr könnt sie auf mein Bett legen. Agnes Greuterin vom …« »Halt dein Maul, Weib!« Der Vater rappelte sich auf die Beine. Im zornroten Gesicht stand jener unberechenbare, wahnhafte Hass, dessen Anblick Kuno einen tödlichen Schlag erwarten ließ. »Sie verbüßt die Strafe Gottes dafür, dass sie sich mit …« »Das arme Ding braucht ein richtiges Lager für die Geburt! Also lasst ab! Ist eine Wehmutter hier?« Die Herzschläge wallten durch Kunos Brust wie Wellenringe einschlagender Tropfen. Ohne Zweifel erwartete das Ende diese Frau, die sich dem Vater so dreist entgegenstellte. Er erwartete es sogar im Gefühl dunkler, würgender Vorfreude. Seine Finger schnappten unwillkürlich ineinander, juckten und kribbelten, zu gerne hätten sie jetzt etwas zum Zerrupfen gehabt. Mutter starrte mit der verständnislosen Gehetztheit eines bedrängten Tiers zum Vater empor und ein Bewusstsein ihrer Angst flackerte nun in Kathrins verzerrten, schweißüberströmten Zügen auf. Dann walkte ein neuer Schmerzschub ihren Leib. Ließ ihren Kopf hin und her schlagen, als wolle sie sich gegen den Schrei wehren, der dennoch mit aller Wucht aus ihr hervorbrach und ihren Unterleib sich aufbäumen ließ. »Es kommt! Es wird gleich kommen …!« Klebrige Nässe leckte über Kunos Finger, deren eingerissene Nägel die Haut aufkratzten. Er fetzte weiter an ihnen, während seine Blicke durch die Düsternis des Kirchenschiffes irrten. Mattes Tageslicht, das durch die hohen, blinden Glasfenster...


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