Klinger | Die Schwäne der stillen Gewalt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 1119 Seiten

Klinger Die Schwäne der stillen Gewalt

Über die Psychologie der Mobber

E-Book, Deutsch, 1119 Seiten

ISBN: 978-3-7575-6975-4
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



In diesem umfangreichen Werk wird an der humanistischen Philosophie und Psychologie das Thema des Mobbing kontrastiert und besonders die Täter des Mobbing vielfältig betrachtet. Ein Referenzwerk für Betroffene, Angehörige und Interessierte, die dieses unsägliche Geschehen aus einer menschlichen Perspektive einzuordnen suchen. Dass die Menschheit schon lange an dem Problem der Gewalt haftet, ist keine moderne Erscheinung. Doch dass sie zukünftig nicht Geisel bleiben muss, wird in diesem Buch deutlich.
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1 Das alltägliche Bild
des Mobbing
»Offenbar müssen wir also über eine gewisse Fähigkeit und Fertigkeit verfügen, damit wir kein Unrecht tun.«
(Sokrates, Gorgias) Das Unrecht ist, laut Platons Sokrates, einem Unvermögen zuzuschreiben, einer Unfähigkeit, milde gesagt: einem Mangel an Fähigkeit und Fertigkeit. Das Unrecht des Mobbing und dessen Alltag der Gewalt, der offenen und direkten, der geheimen und indirekten, weisen hier auf dieses sokratisch diagnostizierte Unvermögen hin. Wir können alle schon Menschen begegnet sein, die diesem Unvermögen anhaften, denen noch nicht diese Fertigkeit Recht zu tun und Recht zu sprechen vollumfänglich zugewachsen ist, sie sind noch unentwickelt, noch unreif. Und wir selbst gehören in gewissem Sinne manchmal auch dazu; aber die meisten von uns lassen sich nicht zu Tätern und Akteuren des Mobbing hinreißen und verführen, weil die meisten von uns jene Reife wahrscheinlich bereits besitzen, die nicht zu strategischer und unnachgiebiger Gewalt greift, wie im Mobbing. Die Frage der Reife, Unreife oder Heranreifung ist zunächst noch nicht das Problem, denn ein Kind ist im Vergleich zum Erwachsenen unreif und noch nicht erwachsen, damit muss es aber noch nicht falsch sein oder krank; es ist seine Natur so zu sein und sein Recht so sein zu dürfen. Ein Obstbaum wird seine Früchte auch nicht unmittelbar nach der Blüte reif am Baum hängen haben. Hier ist das Bild der Unreife, weniger das der Krankheit. Krankheit wäre es dann, wenn der Baum für seine reifen Früchte Schädlinge entwickeln würde, die sie zu zerstören suchten. Ob dies als alltäglich, durch die Jahreszeiten als natürlich, angesehen werden kann, ist die Frage, die entschieden werden muss: Wollen wir reifen durch gesundes Gedeihen und Wachsen? Oder wollen wir die Fäulnis akzeptieren und die (reifen) Früchte (und den Baum) Schaden nehmen lassen? Was ist gesund? Was ist natürlich? Was muss oder kann akzeptiert werden? Und was nicht? Hier müssen wir nachdenken, nachsinnen, nachforschen und gemeinsam uns diese Fragen betrachten. Die Reife jedenfalls, die nicht zur unnachgiebigen, sich wiederholenden, kompromisslosen und erbarmungslosen Gewalt greift, sondern in Frieden und Verzeihung bleibt, ist relativ gesehen reifer und fruchtbarer als jene Gewalt des Mobbing, die dies tut. Wir müssen, entgegen gewaltbereiten Zirkeln und Ideologien, Schädlinge nicht blind vernichten, wir müssen vielmehr schauen, wie sie entstehen und ihr ungesundes Wachstum schwächen, indem wir die Bedingungen so gestalten, dass sie gar nicht erst entstehen und gesund gedeihen können. Hier vorschnell zu behaupten, dass Gutes auch das Böse bedarf, um sich in Abgrenzung davon als Gutes überhaupt positionieren und identifizieren zu können, leidet, wie ich glaube, an einem verfrühten Denkabbruch, der letztlich Kampf und Krieg, Leid und Gewalt, akzeptiert hat und damit deren Macht und Kurzsichtigkeit gehorsam ist. Dieser Gehorsam aber, der ein Gehorsam gegenüber der Zerstörung ist, ist abzulegen und der darin enthaltene Irrtum zu entdecken und zu beleuchten. Denn dieser Irrtum ist das Böse, das wir anschauen müssen und das immer wieder neu entlarvt werden muss. Nur so kann Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe sein. Und Aufrichtigkeit, Vernunft und Weisheit führen uns dort hin. Und ich möchte hier erneut Epikur zu Wort kommen lassen, weil er doch präzisiert, was eben gerade anklang und was eine Wiedergabe eines Missbrauchs des folgenden Epikureischen Gedankens darstellte. Epikur sagt: „Du siehst also, dass wir die Weisheit vor allem wegen des Bösen benötigen. Wenn dieses nicht vorhanden wäre, wären wir keine vernünftigen Lebewesen.“39 Und er führt einen Beweis, dass Gott sich im Grunde um nichts kümmert, auch nicht um den Menschen, und dass Gott im Grunde auch nicht in diesem helfenden Sinne existiert, wie das manche Menschen sich einfach vorstellen. Wir sind daher aufgefordert, mit unserer eigenen Vernunft und Weisheit, das Böse zu erkennen, um ein friedliches und respektvolles Leben miteinander leben zu können, eben weil wir ohne die Kenntnis dessen, was uns schadet oder Schaden anrichtet, auch nicht wissen und nicht derart handeln können, dass uns der Schaden erspart bliebe oder vermieden wird. Und im Mobbing sind ja das Böse die sich absichtlich wiederholenden Handlungen der Täter, die einem anderen schaden sollen. Epikur gibt hier die Vorlage für den Hinweis zur Aufforderung: Schauen wir uns das Böse an, es ist nun mal da und wir wollen es nicht, wir sollten es aber vermeiden, reden wir also darüber, erkennen wir also und gestehen uns ein, in gesunder Weise, dass Schaden und Gewalt weniger gut sind als Freude und Glück, Wohlergehen und Frieden, und gestehen dies auch anderen zu – dann müssen wir vernünftig werden, dann werden wir vernünftig, dann sind wir vernünftig, und ist unsere Vernunft ein Ausdruck unserer Fähigkeit weder Schaden anrichten zu wollen noch Gewalt auszuüben. Dies ist also auch ein Ausdruck unsere Gesinnung das Übel und das Böse nicht vernichten zu wollen, sondern mit unserer Vernunft Bedingungen und Verhältnisse zu schaffen, in denen dieses Unglück immer mehr reduziert wird und unsere Fähigkeit es zu meiden gestärkt wird. – Offenbar aber fehlt im Alltag des Mobbing, den Tätern hier diese Vernunft und die Einsicht, dass, weil auch sie keinen Schaden erleiden wollen, sie dies auch anderen zugestehen und sie somit eigentlich vernünftig genug sein müssten, von ihrem morbiden Verhalten abzulassen und darauf zu verzichten. Es gibt in meinem Leben kaum einen Menschen, der mir begegnet ist, der nicht eigene Geschichten kennt, in denen Verhaltensweisen anderer beschrieben werden, die Mobbing genannt werden können, die zum Ausdruck bringen, dass ein erster Stein geworfen wurde –, immer wieder und immer wieder, lange. Da ist es eine junge Frau, die mir davon berichtete, wie der Hund der Familie, von Unbekannten, durch ausgestreute, präparierte Nahrung vergiftet wurde. Sie beschrieb mir die Todesqualen des armen Tieres anschaulich, die Hilflosigkeit und Verzweiflung ihrer Mutter und ihres Vaters und die schwelende Drohung damit durch diese Unbekannten, und den Schmerz der jungen Frau konnte ich spüren. Denn auch ein nachfolgend angeschaffter Hund wurde nach einiger Zeit auf diese Weise beseitigt. Das Kernmerkmal des Mobbing ist die Wiederholung und die Zielgerichtetheit auf ein bestimmtes Opfer hin. Oder da ist es die gute Bekannte, die von ihrer Freundin berichtet, wie sie in einer für religiös gehaltenen Einrichtung mit verhohlenen Worten klein gemacht wird, indem an ihrem Selbstwertgefühl gerüttelt wird, wohl dosiert und regelmäßig, und wie Unstimmigkeiten nicht konstruktiv gelöst werden unter Gleichrangigen, sondern der Versuch zur Konstruktivität durch unsachliche Angriffe im Keime erstickt werden. Auch hier ist ein Kernmerkmal des Mobbing zu finden: Konstruktivität und Kooperation werden unmöglich gemacht, torpediert, verlacht, und eine Offenheit und Zugewandtheit durch demütigende Angriffe verletzt und misstrauisch, wiederholt ignoriert. Ich werde weitere Beispiele nennen, doch die gegenwärtige Literatur zu diesem Thema und die Fallbeispiele sind auch zahlreich und nachlesbar.40 Wer Mobbing aber am eigenen Leib und Leben erfahren hat, bedarf vielleicht zunächst keiner weiteren Beispiele, er kennt das Spiel, das dabei gespielt wird, morbide und niederträchtig. Geschichten, die anderswo spielten, können auch aufwühlen, es ist Vorsicht geboten. Doch die Fallbeispiele können den einen oder anderen zunächst auch trösten, weil Betroffene sich dann nicht so einsam und verlassen fühlen und sie sehen, dass sie in ihrem Leid nicht allein betroffen sind, ein erster Hinweis, dass es auch anderswo Täter – und Betroffene – gibt und damit, bei gesundem Verständnis, Gegenwehr und Solidarität möglich sind. Der isolierte Einzelfall schockiert mehr, als wenn erfahren wird, dass es sich um ein allgemeines Problem handelt und daher gemeinsam an Lösungen und Verhinderungen gearbeitet werden sollte und werden kann, dass andere bereits schon Erfahrung damit haben, Wissen erworben, Kenntnis von den Tätern, Kenntnis von Möglichkeiten zur Bewältigung. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund, und ich glaube, er irrt in den Dingen des Leides hier nicht; die Geschichte hatte ihm reichlich davon. Fallgeschichten können also trösten und auch Möglichkeiten schenken, Gemeinsamkeiten zu entdecken und damit Verstehen zu generieren. Verstehen ist wichtig, genauso wie aufrichtige Anteilnahme des Umfeldes, das hier dem Klagenden, dem Opfer entgegen geht, mit ihm bespricht oder einfach auch nur zeitweise, mit echter Anteilnahme, zuhört. – Somit hier weitere, kurze Fallbeschreibungen: Da ist es der Suizid Jugendlicher, die von bekannten Mitschülern über das anonyme Internet, regelmäßig gedemütigt wurden und die...


Klinger, Thomas
Die in der Kindheit und Jugend erscheinenden Fragen führten zur Entwicklung eines Roten Fadens, der sich in der philosophischen Suche nach Sinn, Erkenntnis und Verstehen zeigte. Doch nicht nur Philosophie, auch Psychologie, Religion und die humanistischen Autoren der zahlreichen Jahrhunderte, seit der griechischen Antike, waren und sind eine Quelle der Beachtung und Inspiration. Das eigene Schreiben, zu Zwecken der Reflexion und Seelenhygiene, begann mit Mitte 20, Gedichte mit Mitte 40. - "Die Freiheit ist ein hohes Gut, doch wir mäandern zumeist zu unserer Erfüllung und suchen den Roten Faden zu entwickeln. Manchmal verheddern wir, aber, wenn wir den Anfang und das Ende im Blick haben, können wir beides geordnet zusammen bringen." - Wer die feinen Fragen beachtet, wird verstehen können.

Die in der Kindheit und Jugend erscheinenden Fragen führten zur Entwicklung eines Roten Fadens, der sich in der philosophischen Suche nach Sinn, Erkenntnis und Verstehen zeigte. Doch nicht nur Philosophie, auch Psychologie, Religion und die humanistischen Autoren der zahlreichen Jahrhunderte, seit der griechischen Antike, waren und sind eine Quelle der Beachtung und Inspiration. Das eigene Schreiben, zu Zwecken der Reflexion und Seelenhygiene, begann mit Mitte 20, Gedichte mit Mitte 40. - "Die Freiheit ist ein hohes Gut, doch wir mäandern zumeist zu unserer Erfüllung und suchen den Roten Faden zu entwickeln. Manchmal verheddern wir, aber, wenn wir den Anfang und das Ende im Blick haben, können wir beides geordnet zusammen bringen." - Wer die feinen Fragen beachtet, wird verstehen können.


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