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E-Book, Deutsch, 233 Seiten, eBook

Koch Verselbständigungsprozesse internationaler Organisationen

E-Book, Deutsch, 233 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-91063-5
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Martin Koch ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und Geschäftsführer des Instituts für Weltgesellschaft.
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1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Abkürzungsverzeichnis;8
3;Tabellen- und Abbildungsverzeichnis;10
4;1 Einleitung;11
5;2 Internationale Organisationen: Von Instrumenten zu Akteuren;24
5.1;2.1 Internationale Organisationen als Forschungsgegenstand;25
5.2;2.2 Internationale Organisationen – Instrumente, Arenen, Akteure und Bürokratien;34
5.3;2.3 Kritische Würdigung;69
6;3 Das Organisationsverständnis internationaler Organisationen;74
6.1;3.1 Zum Organisationsverständnis der Soziologie;75
6.2;3.2 Organisationstheoretische Konzepte in den Internationalen Beziehungen;82
6.3;3.3 Der Beitrag eines offenen Organisationsverständnisses;96
6.4;3.4 Zwischenfazit;109
7;4 Organisationstheoretische Konzeptualisierungen von Selbständigkeit;111
7.1;4.1 Selbständigkeit durch Entkopplung;112
7.2;4.2 Selbständigkeit als operative Geschlossenheit;139
7.3;4.3 Zwischenfazit;166
8;5 Verselbständigungsprozesse am Beispiel der WTO und der ZKR;171
8.1;5.1 Verselbständigungsprozesse der ZKR;173
8.2;5.2 Verselbständigungsprozesse in der WTO durch das Streitbeilegungsverfahren;186
8.3;5.3 Auswertung und theoretische Reflexion;212
9;6 Zusammenfassung und Ausblick;217
10;7 Literatur;225

Internationale Organisationen: Von Instrumenten zu Akteuren.- Das Organisationsverständnis internationaler Organisationen.- Organisationstheoretische Konzeptualisierungen von Selbständigkeit.- Verselbständigungsprozesse am Beispiel der WTO und der ZKR.- Zusammenfassung und Ausblick.- Literatur.


4 Organisationstheoretische Konzeptualisierungen von Selbständigkeit (S. 115-116)

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Vorzüge eines offenen Organisationsverständnisses vorgestellt und zentrale Begriffe eingeführt wurden, werden in diesem Kapitel zwei organisationstheoretische Ansätze eines offenen Systemverständnisses beschrieben, die sich für die Untersuchung von Verselbständigungsprozessen internationaler Organisationen besonders eignen: der soziologische Neo-Institutionalismus (4.1.) und die Systemtheorie (4.2.).

Durch den soziologischen Neo-Institutionalismus kann gezeigt werden, wie es internationalen Organisationen gelingt, institutionalisierten Anforderungen der Umwelt symbolisch zu genügen, ohne dabei ihre Arbeitsoperationen dem Veränderungsdruck zu unterwerfen. Dagegen können internationale Organisationen nach einem systemtheoretischen Organisationsverständnis als eigenständige Systeme begriffen werden, die sich und ihre Grenzen durch Produktion von Entscheidungen herstellen. Zum Abschluss werden beide Ansätze kurz gegenübergestellt, ihre Kernaspekte sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in einem Zwischenfazit zusammengefasst, durch die die Argumentationslinien geschärft und das weitere Vorgehen angeleitet wird (4.3.).

Zentrales Argument für die Festlegung auf diese beiden Ansätze ist, dass beide einen prozessbetonten Mechanismus identifizieren, durch den Veränderungen von (internationalen) Organisationen erklärt werden können. Gleichzeitig liefern sie eine Erklärung dafür, wie sich internationale Organisationen als eigenständige Akteure behaupten können, wie sie sich durch Selbstbezug und Selbstverweis operativ schließen können (autopoietische Schließung) bzw. sich von Einflüssen ihrer Umwelt abkoppeln können (de-coupling). Auf diese Weise gelingt es Organisationen, sich nicht reflexartig auf Veränderungen in der Umwelt einstellen zu müssen, sondern durch die Produktion von Entscheidungen zu kontrollieren, inwiefern auf Irritationen aus der Umwelt reagiert wird (Luhmann 1997a: 833) oder die Organisationen gegen Einflüsse von außen abzuschotten bzw. abzupuffern (Meyer/ Rowan 1977: 341).

Damit zeichnen sich beide Ansätze gegenüber anderen organisationssoziologischen Ansätzen148 aus, die häufig auf behavioristische oder kybernetische Modelle rekurrieren, wonach Organisationen auf einen Stimulus mit Response reagieren. Hier halten beide Ansätze dagegen, indem sie einen Mechanismus an der Schnittstelle zwischen Organisation und Umwelt einbauen, der es ihnen erlaubt, sich auf die eigene Produktion und Reproduktion zu konzentrieren. Das schließt weder Interaktionen mit der Umwelt aus noch schränkt es das offene Organisationsverständnis ein. Für beide Ansätze ist eine Abgrenzung bzw. Abkopplung der Organisation von der Umwelt vielmehr eine notwendige Bedingung für die Offenheit der Organisation.

Beide Ansätze gehen über ein reines organisationstheoretisches Konzept hinaus und betten Organisationen in einen gesellschaftstheoretischen – genauer: weltgesellschaftstheoretischen – Kontext ein. Auf diese Weise können internationale Organisationen nicht nur als zwischenstaatliche Organisationen begriffen werden, sie sind vielmehr Weltorganisationen. Sie verselbständigen sich zu Akteuren auf globaler Ebene und adressieren Regelungen, Verordnungen und Empfehlungen nicht nur an Staaten, sondern (zumindest indirekt) an ihre Umwelt, die neben Staaten auch andere staatliche und nicht-staatliche Akteure umfasst (siehe dazu auch Kapitel 3.3.).

Warum beide Ansätze (und nicht nur einer von beiden) für die Analyse genutzt werden sollen, obwohl doch beide die Abgeschlossenheit der Organisation gegenüber der Umwelt bzw. Abkopplung von Umwelteinflüssen erklären können, hängt mit der Perspektive beider Ansätze zusammen. Während der neo-institutionalistische Ansatz vor allem auf das Verhältnis zwischen Organisation und Umwelt abstellt und infolgedessen der Mechanismus der Entkopplung dazu dient, Anforderungen aus der Umwelt nicht ständig Folge leisten zu müssen, spricht die Systemtheorie von der Selbstherstellung der Organisation auf Basis von Entscheidungen, die per definitionem nur in der Organisation getroffen werden und diese damit gegenüber ihrer Umwelt abschließen. Verkürzt gesagt, der Neo-Institutionalismus nimmt eher eine Außenperspektive ein, während die Luhmann’sche Systemtheorie eher aus einer Binnenperspektive argumentiert (Albert/Hilkermeier 2004: 188ff). Hier soll weder ein Vergleich vorgenommen (Hasse 2005, Hasse/Krücken 2005a) noch der Versuch unternommen werden, beide Ansätze miteinander zu verknüpfen. Das würde allein aus theorieimmanenten Gründen und aufgrund unterschiedlicher Prämissen der theoretischen Ansätze nicht gelingen.


Martin Koch ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und Geschäftsführer des Instituts für Weltgesellschaft.


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