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E-Book, Deutsch, Band 2, 504 Seiten

Reihe: Marbacher Wissenschaftsgeschichte

König Hofmannsthal

Ein moderner Dichter unter den Philologen

E-Book, Deutsch, Band 2, 504 Seiten

Reihe: Marbacher Wissenschaftsgeschichte

ISBN: 978-3-8353-2035-2
Verlag: Wallstein
Format: PDF
Kopierschutz: Kein



König bestimmt Hofmannsthal als Kulturdichter der Moderne, indem er Interpretation und Wissenschaftsgeschichte verbindet.

Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) wollte der Repräsentant einer neuen Kultur sein, die er gegen die bestehenden, eklektisch zerfallenden Werte und Traditionen des Historismus konstruiert. Die Einheit dieser Kultur, für die er Goethe zum Vorbild nimmt, kann er in seinen Werken nicht mehr artistisch schaffen. Er suggeriert sie und muß sein Publikum sowie, in einem weiteren Sinn, die Forschung bezaubern. Hofmannsthal steuert die eigene Rezeption, indem er das Wissen und die Begriffe der Gelehrten seiner Zeit aufgreift. Er knüpft an eine alte Tradition der Verbindung von Dichtung und Wissenschaft an, die er für seine Moderne aktualisiert. Diesen Prozeß, in welchem Hofmannsthal sowohl als Dichter als auch als Philologe agiert - als Medium zwischen seiner Kunst, der Wissenschaft und seinen Lesern - deckt König auf und interpretiert zum ersten Mal kritisch Hofmannsthals »Autophilologie«, ihre Rolle im ästhetisch-kulturellen System seiner Werke und - darauf bezogen - die Hauptlinien der Hofmannsthal-Forschung.
Behandelt werden: Hofmannsthals Habilitationsschrift über Victor Hugo; Goethes Rolle in Hofmannsthals Kultur; der Kreis von Gelehrten, den er um sich bildet (Rudolf Borchardt, Konrad Burdach, Walther Brecht, Josef Nadler, Walter Benjamin, Carl Jacob Burckhardt); die Anfänge der Forschung. Im Mittelpunkt steht das dramatische Werk Hofmannsthals: »Elektra«, »Ödipus und die Sphinx«, Dramenfragmente zwischen 1914 und 1927, »Der Turm« und das Opernlibretto »Die Ägyptische Helena«. Zahlreiche unveröffentlichte Quellen werden erstmals publiziert.

Link: Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik im Deutschen Literaturarchiv Marbach
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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Einleitung;10
3;I. Philologie und Poesie;22
3.1;1. Die Aporie von Entwicklung;25
3.2;2. Auf dem Weg zur Artistenphilologie;28
3.3;3. »… der eigene Beruf als Philologe und die Kritik davon«: Romanist in Wien;44
3.4;4. Die Poetologie – ausgestellt in einer Habilitationsschrift;56
4;II. Die Klugheit der Gattungen;70
4.1;1. Der Sehepunkt zum höheren Augenblick: ›Ein Brief‹;75
4.2;2. Der doppelsinnige ›Triumph der Zeit‹ ;79
4.3;3. Negative Symbolik in ›Das Leben ein Traum‹;85
4.4;4. Ohne auf ’s Ganze zu gehen:;93
5;III. Goethe in Hofmannsthals Kultur;96
5.1;1. Das Publikum in der Moderne;101
5.2;2. Alte ›Cultur‹ – Vortrag vor dem Wiener Goethe-Verein;111
5.3;3. Krisis – Kunst-Geschichte in aristokratischer Gesellschaft;131
5.4;4. Altes und Neues: »Goethe!« – Eine Feier für Gebildete;139
5.5;5. Wissenschaftliche Ansprüche und ihr Ende;152
6;IV. Eine Wissenschaft für die Kunst;173
6.1;1. Der Universitätsrhetor: Rudolf Borchardt;175
6.2;2. Der gespaltene Philologe: Konrad Burdach;199
6.3;3. Die Individualität des Dichters: Walther Brecht;213
6.4;4. Das Literaturgeschichte gewordene »Zeiturteil«: Josef Nadler;243
7;V. Kulturdichtung;270
7.1;1. Katastrophismus statt Intellektualität: ›Elektra‹ gegen Sophokles;276
7.2;2. Traditionen für das Theaterpublikum: ›Ödipus und die Sphinx‹;296
7.3;3. Lyrische Nuklei: Dramenfragmente zwischen 1914 und 1927;318
7.4;4. Schaffensprozesse in Zeiten der Krise: ›Der Turm‹;324
7.5;5. Leichte Mythen: ›Die Ägyptische Helena‹;351
7.6;6. Regie und Deutung: Zur Bühnenfassung des ›Turm‹;369
8;VI. Anfänge der Forschung;385
9;Siglenverzeichnis;418
10;Bibliographie;421
11;Dank;487
12;Personenregister;488


IV. Eine Wissenschaft für die Kunst (S. 172-173)

Hofmannsthal steht in der Tradition der Dichter, die die Wissenschaften mitbegründeten und ernst nahmen. Nutzt er ihre Theorien und ihr Wissen, so stellt er naturgemäß Ansprüche nach Maßgabe seiner Poetologie. Goethes Formel lautete: Die Wissenschaft benötigt die Kunst, um Geschichte abzuwehren und das Ganze zu sichern. Nietzsche hatte eine historistisch expandierende Wissenschaft vor Augen, die mit ihrem Erfolg die eigenen Grundlagen gefährdete.

Sie störe, so Nietzsche, durch ihr Wissen das Leben, aber sie kläre das Leben auch auf und könne in solchem kritischen Lebensbezug eine Vorbedingung von Kunst sein. Mehr noch: Die Kunst könne, artistisch und als strenges Artefakt, die Wissenschaft erneuern. Goethes und Nietzsches Konzepte zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft sind Hofmannsthal geläufig. Er modernisiert die Konzepte und hat dabei Angst. Der artistische Weg, auf dem die Gedanken streng aufeinander folgen, ist der Weg, den der Mensch meistern kann. Allerdings führt er nie zum Ganzen, sondern erobert in kleinen Schritten eine kleine Welt. Das gibt Hofmannsthal zuwenig Sicherheit. Daher bricht er regelmäßig ab und greift zum totalen Sinn.

Nicht mehr der Mensch und seine Natur wie bei Goethe gewährleisten ihm den Erfolg der Totalisierung, sondern das Übermenschliche. Das stellt ihn, in der poetologischen Begründung, vor die unlösbare Aufgabe, mit kleinen gedanklichen Mitteln das Ganze zu fassen. Daher trifft er eine Unterscheidung zwischen Wissenstheorie und Glaubenspraxis. Einerseits rekonstruiert er ›theoretisch‹, was nötig wäre, um Kultur, das Ziel seiner Totalisierung, zu schaffen, andererseits evoziert er nicht mehr als eine Ahnung von ihrem Gelingen.

Den Weg von der Konstruktion zur Epiphanie kann er nicht rational angeben. Nach der Trennung von Konstruktion und Evokation verteilen sich auch die Aufgaben von Wissenschaft und Kunst. In der Wissenschaft skizziert er das Modell als Kulturformel (etwa in seiner Habilitationsschrift über Victor Hugo), und das Wissen wird zu Elementen im Kulturprozeß – doch das Prinzip, als gelungenes und das hieße als lebendiges, bleibt der Wissenschaft unzugänglich.

Die Kunst zeigt darauf, ohne jedoch davon sprechen zu können. Um die im Zeigen behauptete Universalität (»Tiefe« sagt Hofmannsthal) nicht einbüßen zu müssen, darf die in diesem Sinn ästhetisch begründete ›Kultur‹ keine Attribute haben, weder historische noch philosophische oder mythologische.

Solche Attribute können allenfalls Behelfe vorläufiger Verständigung sein. Er fragt: Wozu soll seine Zeitschrift ›Neue Deutsche Beiträge‹, die er von 1922 bis 1927 herausgibt, beitragen? Und antwortet: »Zum geistigen Besitz der Nation, demnach zur Sprache? denn wo wäre, als in der Sprache, der geistige Besitz der Nation lebendig zu finden? Immerhin. Die Sprache, ja, sie ist Alles; aber darüber hinaus, dahinter ist noch etwas: die Wahrheit und das Geheimnis. Und, wenn man dies nicht vergisst, darf man sagen: die Sprache ist Alles.«1 Begriffe wie eben den der ›Sprache‹ toleriert er nur mit dieser Vorläufigkeitsklausel.


König, Christoph
Christoph König, geb. 1956, Professor für deutsche Literatur an der Universität Osnabrück, 2008 /9 Fellow im Wissenschaftskolleg zu Berlin, 2011 /12 Fellow im Forscherkolleg »Fate, Freedom and Prognostication« der Universität Erlangen-Nürnberg, 2019 Professeur invité an der École normale supérieure, Paris. Mitglied des internationalen PEN.
Veröffentlichungen u. a.: Lektüre und Geltung (Mithg. 2020); Jean Bollack. The Art of Reading (Mithg., 2017); L`intelligence du texte. Rilke - Celan - Wittgenstein (2016); »O komm und geh«. Skeptische Lektüren der »Sonette an Orpheus« von Rilke (2014).

Christoph König, geboren 1956, lehrt an der Universität Osnabrück deutsche Literatur und Wissenschaftsgeschichte; Veröffentlichungen u.a.: "Internationale Germanistenlexikon 1800-1950" (Hg., 2003), die Studie "Engführungen - Peter Szondi und die Literatur" (Deutsches Literaturarchiv, 2004) und der Briefwechsel zwischen Paul Celan und Peter Szondi (2005).


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