Körtner | Luthers Provokation für die Gegenwart | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 176 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 210 mm

Körtner Luthers Provokation für die Gegenwart

Christsein – Bibel – Politik

E-Book, Deutsch, 176 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 210 mm

ISBN: 978-3-374-05771-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Bedeutung der reformatorischen Theologie für die Gegenwart

Die Reformation ist mehr als Luther, aber ohne Martin Luther hätte es keine Reformation gegeben. Er war ein radikaler, nach dem biblischen Grund des Glaubens fragender Theologe. Die Sprengkraft seiner Theologie sollte gerade heute neu bewusst gemacht werden. In einer Zeit der religiösen Indifferenz und eines trivialisierten Christentums brauchen wir mehr denn je eine neue Form von radikaler Theologie, die leidenschaftlich nach Gott fragt und auf das Evangelium hört. Der Gott Martin Luthers ist und bleibt eine Provokation.
Die Provokation Luthers steht im Zentrum des Buches von Ulrich H. J. Körtner über Luthers Verständnis christlicher Freiheit, seine Schriftauslegung, seine Auffassungen von Arbeit und Beruf sowie seine Theologie des Politischen. Der renommierte Wiener Systematiker schließt damit theologisch an sein streitbares, 2017 erschienenes Buch 'Für die Vernunft. Wider Moralisierung und Emotionalisierung in Politik und Kirche' an.

[Luther’s Provocation for the Present Day. Bible – Christian Existence – Politics]
The Reformation is more than Luther, but without Luther there would have been no Reformation. He was a radical theologian who inquired after the biblical foundation of the faith. Today in particular, the explosive force of his theology should be brought to awareness. In a time of religious indifference, and of a trivialized Christendom, we need more than ever a new form of radical theology, that asks passionately after God and heeds the word of the Gospel. Martin Luther’s God is and remains a provocation. That provocation is at the center of this book about Luther’s understanding of Christian freedom, his interpretation of Scripture, his conception of work and vocation, and his theology of the political. In this project, the internationally renowned systematic theologian from the University of Vienna follows up his confrontational book from 2017, 'Für die Vernunft. Wider Moralisierung und Emotionalisierung in Politik und Kirche'.
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Autoren/Hrsg.


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I
LUTHER HEUTE
Die Reformation ist mehr als Luther, aber ohne Martin Luther hätte es keine Reformation gegeben. Sie war ein europäisches Ereignis, keineswegs nur ein deutsches. Neben Wittenberg, wo Luther seit 1512 als Theologieprofessor wirkte, gab es noch weitere bedeutende Zentren der Reformation: Zürich, Basel, Bern und Genf, Nürnberg und Straßburg, Marburg an der Lahn oder auch das ungarische Debrecen, um nur die wichtigsten zu nennen. Anlässlich des Reformationsjubiläums wurde 100 Städten in 17 europäischen Ländern der Titel „Reformationsstadt Europas“ verliehen.1 Das heutige Österreich war zeitweilig ganz überwiegend protestantisch, bis schließlich die Gegenreformation einsetzte und den evangelischen Glauben unterdrückte. Luthers Schriften fanden in ganz Europa Verbreitung, aber neben ihm dürfen Huldrych Zwingli in Zürich, Johannes Oecolampad in Basel, Luthers Weggefährte Philipp Melanchthon in Wittenberg, der Nürnberger Reformator Andreas Osiander, Johannes Calvin in Genf, Martin Bucer in Straßburg oder der Schottische Reformator John Knox nicht vergessen werden. In Wien war es Paul Speratus, der am 12. Jänner 1522 im Stephansdom die erste reformatorische Predigt hielt, Ablass, Zölibat und Mönchsgelübde angriff und das allgemeine Priestertum aller Gläubigen verkündigte. Aufs Ganze gesehen wäre falsch, die Reformation auf Luther und seine Theologie zu reduzieren. Theologie und reformatorischer Geist der übrigen Reformatoren sind nicht einfach danach zu beurteilen, wie weit sie mit Luther übereinstimmten oder von ihm abwichen. In Sachen Reformation und reformatorischer Theologie ist Luther nicht das Maß aller Dinge. Dennoch kann seine historische und theologische Bedeutung kaum überschätzt werden. Kein Reformator – überhaupt kein Autor seiner Zeit – erzielte derart hohe Auflagen wie Luther, der seit seinen Ablassthesen vom 31. Oktober 1517 eine Schrift nach der anderen veröffentlichte, seinen Konflikt mit Papst und Kurie zu einem Medienereignis ersten Ranges machte. Konsequent nutze er die neue Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern. Seiner Medienpräsenz, die ihm die Deutungshoheit über die theologischen und kirchenpolitischen Debatten verschaffte, wusste die römische Kirche nichts entgegenzusetzen. Bestritt Luther anfangs nur die Möglichkeit des Papstes, Strafen im Fegfeuer zu erlassen, so verwarf Luther schon bald überhaupt die Lehre vom Fegfeuer und dem Schatz der guten Werke der Heiligen. Folgerichtig eskalierte der Ablassstreit zu einem die ganze abendländische Christenheit erfassenden Konflikt um die Wahrheit des Glaubens und die wahre Kirche, in welchem sich Luther die führende Rolle als von Gott berufener Gegenspieler des Papstes Leo X. zuschrieb, den er schließlich zum Antichristen erklärte. Seine Anhänger sahen in ihm eine apostel- und prophetengleiche Gestalt, und tatsächlich nahm Luther für sich in Anspruch, das unverfälschte Evangelium, wie es die Bibel bezeugt, zu verkündigen. Seine Bibelübersetzung ist in ihrer Sprachmächtigkeit bis heute unübertroffen. Luther hat sich freilich nie auf irgendeine persönliche Offenbarung berufen. Allein die Schrift galt ihm als Quelle und Norm aller kirchlichen Lehre, wobei der Wittenberger Professor für Bibelexegese der festen Überzeugung war, dass sich der Sinn der biblischen Texte eindeutig erkennen lasse und es dazu keines kirchlichen Lehramtes bedürfte, weil die Schrift ihr eigener Ausleger sei. Die heutige Forschung richtet den kritischen Blick freilich auch auf die dunklen Seiten Luthers. Dazu gehört seine Judenfeindschaft, die für seine Zeit nicht untypisch war, sich jedoch in Luthers späten Lebensjahren steigerte und von den evangelischen Kirchen heute einhellig verurteilt wird.2 Auch mit seinen Gegnern ging der Reformator nicht gerade zimperlich um, ob es nun „Altgläubige“ waren, Täufer und „Schwärmer“ oder die Bauern, die sich durch seine Freiheitsparolen ermutigt fühlten, gegen ihre bedrückenden Lebensverhältnisse und ihre Obrigkeiten gewaltsam zu rebellieren. In all diesen Fällen scheute Luther, der in Glaubensdingen auf Gewissensfreiheit und die alleinige Macht des Wortes pochte, nicht davor zurück, zur Ausübung von Gewalt aufzurufen. Dass die Obrigkeit von Gott eingesetzt sei, das Schwert zu führen und jeder Anarchie zu wehren, stand für ihn zeitlebens außer Zweifel. Wer war dieser Martin Luther? Geboren wurde er am 10. November 1483 in Eisleben als Martin Luder. Sein Vater Hans war im Erzbergbau tätig und bestimmte seinen Sohn zum Jurastudium. Nach einem Bekehrungserlebnis trat Luther jedoch in den Orden der Augustiner-Eremiten ein. Sein Weg führte ihn in das Kloster Erfurt, wo er Theologie studierte. 1511 wurde er in den Wittenberger Konvent versetzt. Er verließ den Orden und heiratete 1525 die ehemalige Nonne Katharina von Bora. 1546 starb er auf einer Reise in seiner Geburtsstadt Eisleben. Unter dem Eindruck seiner Lektüre des Römerbriefes und seiner reformatorischen Entdeckung, dass der Mensch allein aus Glauben ohne Werke des Gesetzes vor Gott und durch ihn gerechtfertigt wird, änderte er seinen Nachnamen in „Luther“.3 Diese Schreibweise spielt auf das griechische Wort „eleutheros“ = frei an. Luther, der Freie. Dass wir durch Christus, wie Paulus im Galaterbrief schreibt, zur Freiheit befreit sind, wurde zum Cantus firmus der Theologie Luthers. Der Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Er ist zugleich ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan: Diese Doppelthese steht am Beginn der bahnbrechenden Schrift Luthers „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, die 1520 erschien. Im Zuge des Reformationsjubiläums 2017 ist eine Reihe von Lutherbiographien erschienen, die den Reformator und seine Zeit in einem neuen Licht erscheinen lassen.4 Im Unterschied zu vergangenen Luther- und Reformationsjubiläen, deren Geschichte Dorothea Wendebourg nachgezeichnet hat,5 wird heute der historische Abstand zum Reformator und seiner Zeit,6 um nicht zu sagen die Fremdheit Luthers betont. Überhaupt war das Reformationsjubiläum 2017 auf wissenschaftlichem Gebiet die Domäne der Historiker, welche gegen jede vorschnelle Aktualisierung von Luthers Denken und den Impulsen der Reformation Protest anmeldeten. Die Systematische Theologie geriet ins Hintertreffen, ganz im Unterschied zum Lutherjubiläum 1983, als die Lutherinterpretation noch von Gerhard Ebeling bestimmt wurde, der Luthers Werk als gegenwartsbestimmendes Sprachereignis interpretierte und Luthers Denken in Form einer existentialen Interpretation in die Gegenwart hinein sprechen ließ.7 Die von Ebeling und Karin Bornkamm besorgte Insel-Ausgabe von Schriften Luthers,8 die neben kurzen Einführungen in die in modernisiertem Deutsch präsentierten Texte auch ein Beiheft enthält, das Anregungen für Pfarrer, Lehrer und Gemeindehelfer bietet, wie man Menschen in Schule und Gemeinde mit Gestalt und Theologie des Reformators bekanntmachen kann, ist bis heute unübertroffen. Immerhin sind einige neuere Werke zu erwähnen: 2015 hat Reinhard Schwarz eine Gesamtdarstellung der Theologie Luthers vorgelegt.9 Oswald Bayers Darstellung der Theologie Luthers, die sich im Untertitel ausdrücklich als Vergegenwärtigung seines Denkens bezeichnet, erschien 2016 in vierter Auflage.10 Ihr ist Joachim Ringlebens Darstellung der Theologie Luthers von der Sprache her zur Seite zu stellen, die Luther als herausragenden Sprachdenker würdigt.11 Ein von Reinhold Rieger verfasstes Lehrbuch gibt eine Einführung in theologische Grundbegriffe Luthers,12 und ein von Ulrich Heckel, Jürgen Kampmann, Volker Leppin und Christoph Schwöbel herausgegebenes Studienbuch, das aus einer Ringvorlesung entstanden ist, stellt schon im Titel die Frage nach „Luther heute“,13 weist also die Frage nach seiner bleibenden Aktualität und Bedeutung nicht als unhistorisch und daher illegitim ab. Ergänzt wird die Reihe neuer Publikationen zu Luthers Theologie durch Traugott Jähnichens und Wolfgang Maasers Darstellung seiner Ethik.14 Gegen Troeltschs konsequente Einordnung Luthers in das Spätmittelalter hat Gerhard Ebeling die These aufgestellt, Luther stehe gewissermaßen quer sowohl zum Mittelalter als auch zur Moderne.15 Seine Theologie lasse sich als Kritik an der spätmittelalterlichen Kirche und Theologie wie auch als antizipierte Kritik an der Moderne lesen. Seine Theologie des Wortes sei der Neuzeit sowohl sprachphilosophisch als auch theologisch voraus und müsse von ihr erst eingeholt werden. Mag man auch gegenüber dem Einfluss der Dialektischen Theologie bzw. der Wort-Gottes-Theologie auf Ebelings Thesen und ihre Weiterentwicklung bei Oswald Bayer Vorbehalte äußern, scheint mir doch bei Ebeling ein Punkt getroffen zu sein, der bedenkenswert bleibt. Ebeling weiß freilich auch: „Eine einfache Repristination und Wiederholung reformatorischer Theologie ist ebenso wie ein Überspringen der dazwischen liegenden Geschichte und der darin veränderten und neu aufgebrochenen Problemstellungen ein Ding der Unmöglichkeit.“16 Nach meinem Dafürhalten lässt sich die Frage nach dem Verhältnis von reformatorischer Theologie und Moderne nicht mit einem einfachen Entweder-oder beantworten, ist doch die Moderne selbst viel zu komplex und mehrdeutig. Ihren unbestreitbaren Erfolgen und Befreiungsschüben stehen verhängnisvolle Folgen des Fortschritts gegenüber. Die Alternative von Modernismus und...


Körtner, Ulrich H. J.
Ulrich H. J. Körtner, Dr. theol., Dres. h.c., Jahrgang 1957, ist seit 1992 Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und seit 2001 auch Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien. Körtner ist u. a. Mitherausgeber der 'Zeitschrift für Evangelische Ethik', der 'Theologischen Rundschau' sowie der Schriftenreihen 'Arbeiten zur Systematischen Theologie' (Leipzig), 'Ethik und Recht in der Medizin' (Wien) und 'Edition Ethik' (Göttingen). Er bekam 2016 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse der Republik Österreich verliehen und ebenfalls 2016 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften den Wilhelm-Hartel-Preis für sein Gesamtwerk.

Ulrich H. J. Körtner, Dr. theol., Dres. h.c., Jahrgang 1957, ist seit 1992 Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und seit 2001 auch Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien. Körtner ist u. a. Mitherausgeber der "Zeitschrift für Evangelische Ethik", der "Theologischen Rundschau" sowie der Schriftenreihen "Arbeiten zur Systematischen Theologie" (Leipzig), "Ethik und Recht in der Medizin" (Wien) und "Edition Ethik" (Göttingen). Er bekam 2016 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse der Republik Österreich verliehen und ebenfalls 2016 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften den Wilhelm-Hartel-Preis für sein Gesamtwerk.


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