Kolland / Brünner / Müllegger | Bildung in der nachberuflichen Lebensphase | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 297 Seiten

Kolland / Brünner / Müllegger Bildung in der nachberuflichen Lebensphase

Ein Handbuch

E-Book, Deutsch, 297 Seiten

ISBN: 978-3-17-040774-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Bildung im Alter stellt eine wichtige Grundlage für die Gestaltung der nachberuflichen Lebensphase dar. Sie ist eine Voraussetzung für aktives und erfolgreiches Altern, soziale Teilhabe und Selbstbestimmung im Alter. In den letzten Jahrzehnten hat sich zu diesem Themenfeld ein vielfältiges und dynamisches Praxis- und Forschungsgebiet entwickelt. Dieses Handbuch stellt die unterschiedlichen Forschungsstränge und Praxiskonzepte zur Bildung im Alter im Zusammenhang dar und präsentiert sich dadurch als systematisches Nachschlagewerk für die theoretische und praktische Beschäftigung mit Fragen der Bildung im Alter.
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2 Soziale Teilhabe und Bildung in der nachberuflichen Lebensphase
Anton Amann Zusammenfassung ? Was befähigt den Menschen, am Leben teilzuhaben? Welche individuellen und strukturellen Gegebenheiten lassen die Teilhabe gestalten oder misslingen? Und nach welchen Vorstellungen wird sie bewertet? Diese drei Fragen bergen die bedeutsamsten Ansatzpunkte für sehr unterschiedliche mögliche Antworten und es ist unbestritten, dass Teilhabe weder fraglos gegeben ist noch im Selbstlauf zustande kommt. Von frühester Kindheit an bereitet sie sich vor, bildet sich heran, gestaltet sich aus. Ihre Ziele, Inhalte und Gestaltungsweisen sind vielfältig und ändern sich in der Geschichte und im individuellen Lebensverlauf aus den verschiedensten Gründen, wobei Teilhabe im Alter – oder spezifischer: Teilhabe in der nachberuflichen Lebensphase – eine eigene Spezifikation der Bedingungen bedeutet, die in den eben genannten drei Fragen enthalten sind. An der Gesellschaft teilhaben zu können, gehört zur Grundverfassung der menschlichen Daseinsform, die Möglichkeit, an ihr teilhaben zu können, eben deshalb zur Grundverfassung der Gesellschaft. Die Suche nach Determinanten der Teilhabe hat in jüngerer Zeit als einen der wichtigsten Faktoren die Bildung aufgewiesen. Allerdings hängt diese ihrerseits mit einem Komplex anderer Faktoren systematisch zusammen, die wiederum Einfluss auf das Teilhabeverhalten haben können. Zu beachten ist: Ältere Menschen wollen lernen und sie können lernen, aber sie lernen anders als jüngere, selbstbestimmter und ihren aktuellen Interessen entsprechend. Bildung und Lernen in der nachberuflichen Phase haben komplexe Voraussetzungen. Sowohl der Versuch einer gründlichen Konzeptualisierung als auch dichtes empirisches Material sollen diese Überlegungen stützen. 2.1 Einleitung
Einer zur Gewohnheit gewordenen Vorstellung folgend wird soziale Teilhabe im Alter weithin aufgefasst als die Gesamtheit bestimmter Verhaltensweisen oder Tätigkeitsformen, die in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen durch ältere Menschen geübt werden. Dieselbe Gewohnheit will es, dass diese gesellschaftlichen Bereiche (Subsysteme) als wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle bezeichnet werden – eine Unterteilung, die unter pragmatischen Gesichtspunkten als eine Art des »cognitive mapping« weithin gepflogen wird. Der »Madrid International Plan of Action on Ageing« der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2002 spiegelt diese Logik mehr oder weniger ebenso (vgl. Amann 2003) wie nationale oder internationale Berichte und Pläne bzw. Umsetzungsstrategien. Mit der internationalen Entwicklung der hier zu besprechenden Thematik stehen die österreichischen Bemühungen um die Themen Teilhabe und Bildung in der nachberuflichen Lebensphase seit vielen Jahren in enger Verbindung. Der wissenschaftliche Status und die Aktualität und politische sowie praktische Bedeutung vieler Ergebnisse aus Forschung und Praxisinitiativen sind unbestritten. Das veranschaulichen einige ausgewählte Beispiele: Im Jahr 1999 wurde unter der Vorgabe der Vereinten Nationen im Rahmen des »Internationalen Jahres der älteren Menschen« in sieben Arbeitskreisen ein »Weg zu einer neuen Seniorenpolitik« diskutiert (Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen 2001); 2000 erschien ein umfassender SeniorInnenbericht (Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen 2000), in dem in dreizehn Kapiteln und einer Synthese über die Lebenssituation älterer Menschen berichtet wurde; im zwölften Kapitel, das eine Dokumentation zur Altersforschung in Österreich bietet, lassen sich die Bemühungen um die Bildungsthematik bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen. 2009 wurde eine Bestandsaufnahme zur Situation Hochaltriger vorgelegt (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2009); 2010 folgte eine umfassende Expertise zu einem Bundesplan für Seniorinnen und Senioren (Wiener Institut für Sozialwissenschaftliche Dokumentation und Methodik 2010) und 2012 wurde der erste »Bundesplan für Seniorinnen und Senioren« im Parlament vorgelegt und angenommen (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2012). Ergänzend sind die sogenannten Freiwilligenberichte zu nennen, deren dritter 2019 erschien (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2019). Halten wir fest: Gegenwärtig wird Teilhabe zumeist als ein Handeln verstanden, das bestimmten »Handlungslogiken« folgt, wodurch es den genannten vier verschiedenen Bereichen zugeordnet werden kann, und als Ergebnis mehr oder weniger gelungene Integration in die Umgebungsgesellschaft zeitigt. Die drei bedeutsamsten Fragen zu den Voraussetzungen der Teilhabe wurden bereits genannt. Die Ziele, Inhalte und Ausgestaltung der Teilhabe variieren in ungemein vielfältiger Weise, sie sind in ihren institutionellen Ausprägungen einem beachtlichen historischen Wandel unterworfen und sie ändern sich auch im individuellen Lebensverlauf. Die erwähnte Spezifikation ist ein empirischer Sachverhalt und gestaltet sich sowohl nach externen gesellschaftlichen Bedingungen als auch nach individuellen Ressourcen und Kompetenzen aus. Die Suche nach Determinanten der Teilhabe im Alter hat in jüngerer Zeit als einen der wichtigsten Faktoren die Bildung wiederholt bestätigt. Allerdings ist diese ihrerseits systematisch im Kontext anderer Variablen zu sehen, die wiederum Einfluss auf das Teilhabeverhalten nehmen. Die Einsicht hat sich inzwischen durchgesetzt, dass diese Zusammenhänge am besten mit komplexen statistischen Analysemethoden untersucht werden. Die vielfältigen Verflechtungen zwischen Bildung und Teilhabe werden später anhand empirischer Ergebnisse beleuchtet, aus konzeptologischer Sicht ist hier festzuhalten: Teilhabe ist die auf Handlungskompetenz, Denken und Sprache beruhende, unterschiedlich gut gelingende Einbindung in die soziale Mitwelt. Bildung stellt, in einem sehr weiten Sinn gefasst, das Medium dar, in dem dieser Prozess sich ausgestaltet. Als Generalhypothese könnte formuliert werden: Je geringer das Ausmaß und die Qualität erworbener Bildung sich darstellen, desto geringer sind die Chancen der sozialen Integration allgemein; je weniger in der nachberuflichen Phase in Bildung investiert wird, desto schneller sinken die Teilhabemöglichkeiten im Alter. Angesichts dieses Sachverhalts wollen viele der üblichen bei empirischen Erhebungen eingesetzten Konzeptualisierungen eher unbefriedigend erscheinen. Es soll daher der Versuch unternommen werden, ein breiter angelegtes Konzept der sozialen Teilhabe im Alter kurz zu skizzieren, obwohl die verfügbaren empirischen Befunde nur einzelne Aspekte erfassen können1. 2.2 Zum Verständnis sozialer Teilhabe
Teilhabe ist unausweichliche Bedingung des Lebens in der Gesellschaft. Geboren ist diese Unausweichlichkeit aus der anthropologischen Konstellation des Menschen (Dux 2017, S. 63), die ein gegenseitiges Aufeinander-verwiesen-Sein zur Voraussetzung sozialen Lebens überhaupt macht. Menschen sind, anders als Tiere, von der direkten Instinktgeleitetheit abgekoppelt und müssen sich Handlungssysteme als kulturelle Organisation aufbauen. Jeder Mensch muss in seiner Ontogenese (der Werdegang der individuellen Entwicklung) jene Handlungskompetenz, Sprache und jenes Denken erwerben, welche die Gesellschaft ermöglicht und erwartet. Erst dieser Erwerb erlaubt Teilhabe. Der Mensch kann gar nicht anders, als die Befriedigung seiner Bedürfnisse im Handeln mit anderen zu Interessen auszuformulieren und über kontrollierte Handlungsformen zu erreichen versuchen. Deshalb werden Bedürfnisse, deren Befriedigung unter Konkurrenz erfolgt und vom Handeln anderer abhängig wird, als Interessen bezeichnet. Menschliche Gesellschaft baut sich über Handlungen auf. Sie ist ein Organisationsgefüge von Handlungen und nicht einfach ein Ensemble von Subjekten. In den Handlungsabläufen werden mit dem Handeln die Lebensinteressen der beteiligten Subjekte konkret und sie werden intentional verfolgt. Der letzte Zweck des Handelns ist immer die/der Handelnde selbst. Jede Interessenverfolgung bringt aber auch Machtpotenziale ins Spiel. Macht ist ein sozialer Tatbestand und kein Naturtrieb. Sie entsteht als kulturelle Form des Handelns und jedes Machtpotenzial formt sich unter jenen der anderen aus. Was ein Mensch an Macht prozessiert, ist durch dessen Einbindung in die soziale Organisation und deren Verteilung und Chancenzuweisung bestimmt. Selbstsorge, die sich im Wege über die Verfolgung der Befriedigung von Bedürfnissen im Kontakt und in Konkurrenz mit anderen in Interessen transformiert, muss als der Angelpunkt gesehen werden, aus dem sich Handeln kristallisiert und an dem Teilhabe verankert ist. Teilhabe am Leben kann daher, so eine erste Annäherung, als eine mehr oder weniger gelingende Einbindung und Entbindung2 im Prozess des Interessenkampfes in der Gesellschaft gelten, der ubiquitär ist. Diese Einbindung/Entbindung ist immer eine zu leistende Balancearbeit zwischen Eingebunden-Werden und Sich-Einbinden bzw. Entbunden-Werden und Sich-Entbinden. Beide sind lebenswichtig, sodass auch von vitaler Einbindung und vitaler Entbindung gesprochen werden könnte. In beiden Fällen...


Franz Kolland ist Leiter des Kompetenzzentrums Gerontologie und Gesundheitsforschung an der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems. Anita Brünner ist freiberufliche Erwachsenenbildnerin und Bildungsforscherin. Julia Müllegger ist Bildungsforscherin und Bildungsmanagerin. Vera Gallistl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin (Post-Doc) am Kompetenzzentrum Gerontologie und Gesundheitsforschung an der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems.

Mit Beiträgen von Anton Amann, Danielle Bidasio, Reinhard Ehgartner, Elke Gruber, Solveig Haring, Marcus Ludescher, Martin Oberbauer, Viktoria Parisot, Katrin Reiter, Rebekka Rohner, Gertrud Simon, Edith Simöl, Claudia Stöckl, Anna Teufel und Andrea Waxenegger.


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