Kunze / Vogel | Das Ende des Imperiums | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 328 Seiten

Reihe: Politik & Zeitgeschichte

Kunze / Vogel Das Ende des Imperiums

Was aus den Staaten der Sowjetunion wurde

E-Book, Deutsch, 328 Seiten

Reihe: Politik & Zeitgeschichte

ISBN: 978-3-86284-320-6
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Für die Neuauflage des erstmals 2011 erschienenen Buches haben sich der Historiker Thomas Kunze und der Journalist Thomas Vogel erneut auf die Reise durch die 15 ehemaligen Sowjetrepubliken begeben. In ihrer Beschreibung der dramatischen Veränderungen der vergangenen 25 Jahre berücksichtigen sie somit auch die jüngsten Ereignisse und Konflikte, wie z. B. die Auseinandersetzungen in der Ukraine. Das Buch ist eine Verbindung aus zeitgeschichtlicher Analyse und lebendigem Reisebericht.
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Ein Koloss am Ende
Der Zusammenbruch der Sowjetunion
Mit Gorbatschow in München Im Juli 2009 trafen wir Michail Gorbatschow, den früheren Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, zu einem Fernsehinterview in München. Es war eines der seltenen Interviews, die der letzte Präsident der Sowjetunion überhaupt noch gibt. Die ungebremste Popularität, der er sich nach wie vor in Deutschland erfreuen kann, macht ihn zufrieden, aber auch müde. In München tagte gerade der »Petersburger Dialog«, ein deutsch-russisches Forum unter Schirmherrschaft des russischen Präsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin. Bis 2008 war Gorbatschow gemeinsam mit dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, Vorsitzender dieses Gremiums, dann wurde er durch den früheren russischen Ministerpräsidenten Wiktor Subkow abgelöst. Gorbatschow kam gemeinsam mit seinem langjährigen Mitarbeiter und Vertrauten Karen Karagesian zum vereinbarten Ort, einem für das Interview vorbereiteten Zimmer im Hotel »Bayerischer Hof«. Er hatte Rückenprobleme, das Gehen machte ihm an diesem Tag Schwierigkeiten. Im bequemen Sessel wollte Gorbatschow nicht sitzen, sondern bat um einen einfachen Stuhl. So könne er sich besser konzentrieren. Uns interessierte 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer Gorbatschows rückblickende Bewertung dieses Ereignisses, denn im Verlauf der darauffolgenden Monate veränderte sich nicht nur Europa, sondern die Sowjetunion verschwand von der politischen Landkarte, und es entstand eine neue Weltordnung. Bei der Frage, was er am Tag des Mauerfalls gefühlt habe und vor allem, ob es an diesem Tag noch möglich gewesen wäre, den Lauf der Geschichte zu ändern, und ob er auch nur einmal daran gedacht habe, Panzer rollen zu lassen, wollte Gorbatschow das Gespräch beinahe abbrechen. Nur wenn auf seinem Posten ein Abenteurer gesessen hätte, erwiderte er erregt, wäre der Mauerfall und all das, was ihm folgte, noch zu verhindern gewesen, sonst nicht. Energisch setzte er hinzu: »Man muß Verantwortungsbewußtsein haben für sein Land und die Welt. Sonst ist man fehl am Platz.«1 Gemeinsam mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl wurde Michail Gorbatschow zu einem der Architekten der deutschen Wiedervereinigung. Doch beide Politiker hatten eine darüber hinausgehende Vision: Sie träumten von einem vereinten Europa, das Russland umfassend und vom Atlantik bis nach Wladiwostok reichen würde. Die Autoren Thomas Vogel und Thomas Kunze mit Michail Gorbatschow und Karen Karagesian (v. r. n. l.) Mit Gorbatschow in Moskau Fünf Jahre später, im November 2014: ein Wiedersehen mit Gorbatschow auf einer Tagung der Gorbatschow-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau. Der Friedensnobelpreisträger hat gerade einen Krankenhausaufenthalt hinter sich gebracht. Er läuft langsam, doch er ist froh, wieder unter Menschen zu sein. Das Thema der Tagung lautet »25 Jahre Mauerfall«, es gerät jedoch schnell in den Hintergrund. Eine der ehemaligen Sowjetrepubliken, die Ukraine, steckt in einer Staatskrise. Die Frage einer engeren Anbindung des Landes an die Europäische Union auf der einen oder an Russland auf der anderen Seite spaltet das Land. In Kiew war es zu Massenprotesten gekommen, der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch ist nach Russland geflohen. Die zur Ukraine gehörige Schwarzmeerhalbinsel Krim hat Russland sich nach einem umstrittenen Referendum einverleibt. Ein Bürgerkrieg im Osten der Ukraine, von brüchigen Waffenstillstandsabkommen unterbrochen, hat bereits Tausende Tote gefordert. Als wäre der Kalte Krieg niemals zu Ende gegangen, stehen hinter den Konfliktpartnern in der Ukraine Russland und der Westen. 25 Jahre, die seit dem Fall des Eisernen Vorhanges verflossen sind, haben nicht ausgereicht, um ideologische Vorurteile aus der Zeit, zu der sich Ost und West feindlich gegenüberstanden, zu überwinden. Die Vision des gemeinsamen Europäischen Hauses, zu dem auch Russland gehört, ist von der Wirklichkeit weiter entfernt als zu ihrer Geburt. Für Gorbatschow hat der Westen seine Zusagen nach dem Wendejahr 1989 nicht eingehalten. Dieser habe sich zum Sieger im Kalten Krieg erklärt und Vorteile aus Russlands Schwäche gezogen. Das Vertrauen, das 1989 bestand, sei gebrochen worden. »Die Osterweiterung der NATO, der Jugoslawien-Krieg und die Abspaltung des Kosovo von Serbien, die NATO-Raketenabwehrpläne in Osteuropa, die Kriege im Irak, in Libyen und in Syrien«, nennt Gorbatschow als Beispiele. »Und wer leidet am meisten unter der Entwicklung?«, fragt er. »Es ist Europa, unser gemeinsames Haus.« Gorbatschow sorgt sich um die Zukunft Europas und warnt vor einem neuen Kalten Krieg, der sogar das Potenzial eines noch schlimmeren »heißen« Konfliktes in sich tragen könnte. Seine Worte wiegen schwer. Gorbatschow ist kein politischer Abenteurer. Er hatte in den Umbruchjahren 1989 – 1991 Verantwortungsbewusstsein gezeigt, nur in zwei tragischen Momenten erlag er dem Druck konservativer Hardliner im Politbüro des Zentralkomitees der KPdSU: Im April 1989 gingen Truppen des sowjetischen Innenministeriums (OMON) gegen Demonstranten in der georgischen Hauptstadt Tiflis vor, wobei 19 Menschen starben, und im Januar 1991 segnete Gorbatschow einen Militäreinsatz in den baltischen Staaten ab, der in Litauen 14 und in Lettland vier Todesopfer forderte. Der Zerfall der Sowjetunion war damit aber nicht mehr aufzuhalten. Eines der Nachbeben dieses Zerfalls hält uns heute in der Ukraine in Atem: Es geht um das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer. Aus westlicher Sicht eine Selbstverständlichkeit. Die Russen hingegen haben andere Maßstäbe, die Kommunikation mit dem Westen ist gestört. Während dieser die Ukraine enger an die EU und die NATO anbinden möchte, pochen die Russen auf den Status quo des Machtgefüges. Beide Seiten reden aneinander vorbei. Gorbatschow mahnt neue Grundlagen für eine Partnerschaft zwischen Russland und dem Westen an. Aber der Westen winkt ab. Die Angliederung der Krim an Russland hält er für eine Annexion. Mit Wirtschaftssanktionen sollen die Russen zur Räson gebracht werden. Breschnew – Andropow – Tschernenko – Gorbatschow – Perestroika Michail Gorbatschow, der 1931 in einem Dorf in der Nähe von Stawropol (Nordkaukasus), der Hauptstadt des gleichnamigen Gebietes, geboren wurde, gelangte durch Juri Andropow nach Moskau. Andropow, der gleichfalls aus Stawropol stammte und der von November 1982 bis zu seinem Tod im Februar 1984 Generalsekretär des ZK der KPdSU war, unterstützte den jungen Gorbatschow nach Kräften. Wie später Michail Gorbatschow unternahm auch er schon erste Versuche, den verkrusteten Sozialismus der Breschnew-Ära zu reformieren. Andropow starb aber nach wenigen Monaten im Amt. Ihm folgte der schon altersschwache Reformfeind Konstantin Tschernenko, der nach 13 Monaten Amtszeit verstarb. Breschnew (gestorben am 10. November 1982), Andropow (gestorben am 9. Februar 1984) und Tschernenko (gestorben am 10. März 1985) – Staats- und Regierungschefs aus aller Welt trafen im Jahresrhythmus in Moskau zu Trauerfeierlichkeiten zusammen. Ein Witz über einen angeblichen Ansager der Nachrichtensendung »Wremja« machte in der Sowjetunion die Runde. Der Nachrichtensprecher erscheint auf dem Bildschirm: »Liebe Genossen! Sie werden lachen, aber ich habe Ihnen wieder eine traurige Nachricht zu überbringen …« Die im März 1985 erfolgte Berufung von Michail Gorbatschow zum neuen KP-Chef der Sowjetunion markierte den Anfang vom Ende des sozialistischen Lagers. Nach dem Tod von Tschernenko hatten sich in Moskau die Kräfte durchgesetzt, die durch eine entschlossene Reform einen Ausweg aus der Erstarrung des Sowjetsystems suchen wollten. Die Lähmung des Regimes war seit Beginn der achtziger Jahre unübersehbar. Das innenpolitische Klima in der UdSSR hatte sich durch die Unterdrückung von Kritikern verhärtet, Reformversuche waren steckengeblieben, außenpolitisch stemmte sich die Großmacht gegen jegliche Veränderung, und ökonomisch lag sie am Boden. Der Rüstungswettlauf mit den USA bedeutete für die gesamte sowjetische Volkswirtschaft eine Anstrengung, der sie nicht mehr gewachsen war. Im März 1986 fand in Moskau der XXVII. Parteitag der KPdSU statt. Michail Gorbatschow stellte seine Thesen vor, die unter den Schlagworten »Perestroika« und »Glasnost« in die Geschichte eingegangen sind. Die verdutzten Delegierten und die erstaunte Weltöffentlichkeit vernahmen aus dem Munde des KPdSU-Generalsekretärs Forderungen, die geradezu revolutionär anmuteten. »Jahrelang«, so Gorbatschow in seinem Referat, »blieben praktische Handlungen der Partei- und Staatsorgane (…) hinter den Erfordernissen der Zeit zurück. Die Probleme bei der Entwicklung des Landes wuchsen rascher an, als sie gelöst wurden. Trägheit, verknöcherte Leitungsformen und -methoden, verminderte Dynamik bei der Arbeit, der zunehmende Bürokratismus – all das schadete unserer Sache beträchtlich.«2 Doch trotz wohlklingender Worte handelte es sich bei dem Umbau (Perestroika) – und so ist es auch in das kollektive Gedächtnis vieler ehemaliger Sowjetbürger eingegangen – zunächst um eine Antialkoholkampagne, verbunden mit Aufrufen an die Bevölkerung, endlich mehr zu arbeiten. Wodka wurde in der Sowjetunion zur Mangelware. Und auch von Glasnost (»Durchsichtigkeit, Transparenz«) war bei der Katastrophe im Kernkraftwerk von Tschernobyl im März 1986 zunächst wenig zu verspüren. Die Berichterstattung glich altbekannten sowjetischen Mustern, was angesichts des Ausmaßes des Reaktorunfalls besonders gravierend war. Während sich die radioaktive Wolke immer weiter ausbreitete, war der Kreml vor allem damit beschäftigt, durch die...


Kunze, Thomas

Jahrgang 1963, Studium der Geschichte, Germanistik und Pädagogik in Jena und Leipzig, Promotion, Honorarprofessor an der Al-Chorezm-Universität und der Präsidialakademie Taschkent (Usbekistan), seit 2002 Tätigkeit für die Konrad-Adenauer-Stiftung, seit 2010 Repräsentant der Stiftung in Zentralasien mit Sitz in Taschkent, Autor zahlreicher Bücher, darunter Biographien über Nicolae Ceausescu und Erich Honecker sowie über die Staaten der früheren Sowjetunion.

Vogel, Thomas

Jahrgang 1959, aufgewachsen in der Schweiz, Studium der Germanistik, Politologie und Publizistik in Berlin, 2003-2009 Deutschlandkorrespondent des Schweizer Fernsehens in Berlin, 2009-2012 Redakteur der Nachrichtensendung »Zehn vor Zehn«, seit 2012 Redaktur des Politmagazins »Rundschau« des Schweizer Fernsehens, Buchautor sowie Autor zahlreicher Filmberichte und Reportagen zur deutschen Zeitgeschichte und internationalen Politik.

Jahrgang 1963, Studium der Geschichte, Germanistik und Pädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Karl-Marx-Universität Leipzig, Dr. phil., Hon. Professor an der Al-Chorezm-Universität und der Präsidialakademie Taschkent (Usbekistan); seit 2002 Tätigkeit für die Konrad-Adenauer-Stiftung, u.a. als deren Repräsentant in Moskau sowie Chef der Europa/Nordamerika-Abteilung in der Stiftungszentrale in Berlin; seit 2010 Vertreter der Stiftung in Mittelasien (Sitz: Taschkent).
Autor zahlreicher Bücher, darunter Biographien über Nicolae Ceausescu und Erich Honecker sowie über die Entwicklung in den Staaten der früheren Sowjetunion.

Jahrgang 1959, aufgewachsen in der Schweiz; Studium der Germanistik, Politologie und Publizistik in Berlin; 2003-2009 Deutschlandkorrespondent des Schweizer Fernsehens in Berlin; 2009-2012 Redakteur der Nachrichtensendung "Zehn vor Zehn", seit 2012 Redaktur des Politmagazins "Rundschau" des Schweizer Fernsehens, Buchautor sowie Autor zahlreicher Filmberichte und Reportagen zur deutschen Zeitgeschichte und internationalen Politik.


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