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E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Lipinsky Petri heil

Glauben ohne Kirche

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-451-82229-2
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Mitgliederschwund der Kirchen ist massiv. Christen fragen sich: Wie sollen wir ohne sie überleben? Ist das das Ende? Folgt dann das jüngste Gericht? Lutz von Rosenberg Lipinsky gibt den Ketzer und fragt: Kann das Ende der Institution nicht der Beginn einer neuen Bewegung sein!? Statt den Untergang des Abendmahls zu beweinen, erinnert der Kabarettist daran, wie viele Sorgen und Nöte die Kirchen ihrerseits bereitet haben. Wie oft man sich rechtfertigen musste, anstatt einzuladen zu können. Stellen wir uns vor: Wie man die richtigen Fragen stellt und sich nicht immer nur selbst infrage stellen lassen muss. Wie man sammelt, ohne Steuern abzubuchen. Wie man Menschen fischt – nicht nur im Netz. Das Kirchenschiff sinkt – wir machen den Freischwimmer! Ein Buch, das mit viel Humor neue Perspektiven aufzeigt und Stimmung in die Bude bringt!
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1

Ende Gelände Corona, ein Vorgeschmack
»Am Anfang war das Wort«. So lautet der Beginn des Johannes-Evangeliums nach der Lutherbibel. Grammatikalisch richtig wäre allerdings auch die Übersetzung: »Das Papier lag auf der Behörde«. Handelte es sich bei der Heiligen Schrift um ein originär deutsches Buch, wäre dies sicherlich auch die angemessenere Fassung. Wir wollen aber um der Einfachheit und der Sinnhaftigkeit halber hier der Luther-Version folgen, vor allem, weil sie als deutlich poetischer gelten darf. Auch dieses Buch, das Sie nunmehr in analoger oder digitaler Form in der Hand halten, beginnt nämlich erstens am Anfang und zweitens mit einem Wort, genau genommen mit dem »Am«. Das macht das »Am« zum Vorwort – was aber nichts Besonderes ist, denn bis auf das berühmte »letzte Wort« am Schluss des letzten Satzes im gesamten Werk ist ohnehin jeder Begriff genau genommen ein Vorwort. Erst danach kommt nichts mehr. Das erst wird das Ende sein – aber nur das der Ausdrücke. Das letzte Wort wird übrigens »Ewigkeit« sein. Ein positiver Gedanke. Als Nach-Wort. Nicht das erste und einzige, aber das letzte seiner Art. Perspektiven der Pandemie
Dieses erste Kapitel ist trotz seines eröffnenden Charakters allerdings eigen- und vollständig – und doch zugleich ein Vorgeschmack. Wie wir ihn ab März 2020 erleben durften – oder mussten. Geschlossene Kirchen, leere und ungenutzte Gemeindehäuser, Predigten per Stream (von »live« konnte selten die Rede sein) – die Lage mutete vielen dystopisch an. Es entstand der Eindruck, wir könnten in die Zukunft gesehen haben: in der Kirchen keine Rolle mehr spielen. Wenn es sie überhaupt noch geben wird. Die Jahre 2020 und 2021 wurden bekanntlich entscheidend geprägt von einer sogenannten »Pandemie«, einer weltweit grassierenden Schlacht um Gesundheit und Klickzahlen. Ein Massaker, allumfassend, pan, betreffend die gesamte Bevölkerung, das demos. Eine unvorstellbare Naturkatastrophe biblischen Ausmaßes, ähnlich einem Abstieg von Schalke 04 aus der Bundesliga, Vergleiche mit den sieben Plagen und anderen apokalyptischen oder dystopischen Visionen erscheinen keineswegs unangemessen. Zigtausende Tote weltweit, soziale Isolation durch Kontaktverbote, Wirtschaftskrisen, ganze Länder standen still, Verschwörungstheoretiker, Naturmystiker und Endzeitprediger dagegen traten auf. Und fanden im Internet als zeitweise einzig legitimem Kontaktmittel unerwartete Verbreitung. Zunächst wurde die öffentliche Diskussion bestimmt von Wissenschaftlern und Forschern, und das politische Handeln basierte auf deren Einschätzungen und Prognosen. Dann kippte die Stimmung. Je weniger man durfte, umso mehr traute man sich. Mehr und mehr kamen die Zweifler und Besserwisser aus den Löchern und stellten den vernünftigen Argumenten und der wissenschaftlichen Wahrscheinlichkeit ihre schlichte Meinung und ihre – oft interessengeleitete – eigene »Wahrheit« entgegen. Getarnt als »alternative Strategie«. Teilweise wurden Bewegungen sichtbar, virtuell und real, die die Existenz der Krankheit schlicht leugneten. Tausende von Menschen hielten internationale Verschwörungen für plausibler, in denen chinesische Telefonfirmen, amerikanische Milliardäre und die globale Pharmaindustrie organisiert zusammenarbeiten. Aufgedeckt wurden solche Zusammenhänge von veganen Köchen oder verwirrten Popstars, die allemal als zuverlässige Quelle gelten durften, auf einem Niveau mit medizinischen Fachleuten und erfahrenen Journalisten. Die Aufklärung war: futsch. Sichtbar wurden vielmehr schlicht mittelalterliche Verhaltensmuster, vom einfachen Aberglauben bis hin zu offener Denunziation und gewalttätigen Übergriffen gegen sogenannte »Andersgläubige«. Dabei verlief die Grenze nicht zwischen unterschiedlichen Formen des Glaubens, sondern – wie eigentlich gewohnt – zwischen Glauben und Denken. Zu Letzterem gehört bekanntermaßen die Anerkennung von Fakten, wie auch deren ständige Überprüfung und Infragestellung bei sich ändernder Lage. Aber die Komplexität der Virologie, die Fehlbarkeit und Flexibilität von Wissenschaft an sich, die Unerfahrenheit mit diesem Virus im Speziellen, zudem dessen ständige Mutation, die stete Änderung der Faktenlage und die Vielzahl der Interpretationsmöglichkeiten überforderte viele und ließ sie ratlos zurück. Zudem wirkt die Politik oftmals panisch oder zumindest hektisch. Es entstand ein Vakuum. Der Raum für klassische Religiosität jeder Art. Letztlich aber folgten die meisten Menschen hierzulande deshalb dann doch sicherheitshalber lieber der Regierung, die dazu aufforderte: »Glauben Sie keinen Gerüchten, sondern nur den offiziellen Mitteilungen.« Aber allen gemeinsam war klar: Es muss geglaubt werden. So mag das sein. Glaube ersetzt ja oft den Zweifel und die Unwissenheit. Und gibt auch Hoffnung. Eigentlich sollte der Glaube auch befreien – so wie das Lachen. Dieses sollte uns nie und nimmer vergehen, wird die entscheidende Schlacht doch immer noch geschlagen im Angesicht von Krankheit und Tod. Erst wer wirklich bedroht ist und um sein Leben fürchten muss, kann zeigen, wie frei er ist. Und zwar nicht dadurch, dass er keine Maske trägt. Sondern dadurch, dass er der Letzte ist, der lacht. Die Kirche glänzt – durch Abwesenheit
In dieser Situation stellte sich eine wesentliche Frage: Wo ist die Kirche? Religiöse Fragen, Existenznöte, Sorgen um geistiges und körperliches Wohlbefinden, Vereinsamung, Verwahrlosung – alle brauchten Hilfe. Unterstützung. Trost – alles Bestandteile unseres Glaubens. Aber wo war die Kirche? Natürlich ihrerseits zunächst auch hart getroffen vom Kontakt- und Veranstaltungsverbot. Die Geistlichen zogen sich zurück ins Gotteshaus und es wurde dort noch einsamer, als man es ohnehin schon gewohnt ist. Und das aus Sicherheitsgründen. Die kirchlichen Funktionsträger waren schlicht rücksichtsvoll und wollten niemanden in Gefahr bringen. Als ob man das nicht ohnehin gewesen wäre. Und woanders vielleicht sogar mehr. Besonders gefährdete Menschen aber waren die Alten. Gewissermaßen entsprach die angestammte Zielgruppe der Kirche der des Virus – genannt: Risikogruppe. Also wurde Vorsicht das neue Leitmotiv. Angesichts gesundheitlicher Risiken mieden die meisten Menschen einander. Die gesamte Welt schien erkrankt und entmutigt. Dass Schulen zeitweise geschlossen wurden, ­haben viele verschmerzt, insbesondere die Betroffenen: Die Jugend blieb einfach im Bett und die Lehrkräfte nutzten die Zeit, um sich auf ihrem Atari 1450XLD eine von diesen neuartigen E-Mail-­Adressen einzurichten. Geselligkeit war jetzt verpönt, Feiern und Veranstaltungen jeder Art wurden als gefährlich eingestuft. Insbesondere, wenn Alkohol im Spiel ist, also auch Gottesdienste mit Abendmahl. Wie der Gesundheitsminister dann erklärte, macht Alkohol nämlich unaufmerksam. Seien wir ehrlich: Dessen waren wir uns immer bewusst. Genau genommen ist diese sedierende Wirkung einer der Gründe, warum man überhaupt trinkt. Aber klar: Der Covid-19-Virus war und ist geradezu diabolisch. Die Menschen insbesondere dort anzugreifen, wo sie sich treffen, sprechen, vortragen, singen? Das klingt, als hätte man eine Krankheit erfunden, die sich speziell gegen jede Form von Kultur richtet. Quasi eine RTL-ZWEI-Infektion. Theater und Kirchen wurden geschlossen. Ob in dieser Situation der Einschluss die Lösung sein kann? Um nicht auch noch andere zu gefährden? Verständlich, ja. Aber richtig? War es überhaupt ein Ein- oder nicht doch eher ein Ausschluss? Nämlich derjenigen, die Beistand womöglich am nötigsten gehabt hätten, sich aber jetzt vor verschlossenen Türen befanden? Seelsorge ja, aber mit Abstand?! Mit dem brandneuen Medium »Telefon«? Oder dieser brandheißen Sache aus dem Internet: »Spazierengehen«? Ketzerisch gefragt: Was ist denn die christliche Antwort auf die Gefährdung menschlichen Lebens? »Schließt Euch ein und bleibt unter Euch!«? Der vormalige evangelische Pfarrer Jürgen Fliege beendete jahrelang seine gleichnamige Fernweh-Talkshow mit ähnlichen Worten: »Passen Sie auf sich auf!« Das klang wie eine Drohung, wie: »Wir sind für Sie nicht mehr zuständig.« Der Mensch wird sich selbst überlassen und damit preisgegeben. Angesichts einer weltweiten unsichtbaren Bedrohung wäre es vielleicht auch möglich gewesen, anders zu reagieren. Eine geistliche und vielleicht auch geistige Antwort zu finden auf die Angst der Menschen. Natürlich ohne ihre Gesundheit zu gefährden. Stattdessen aber kirchlicherseits: Stille. Verschlossene Kirchen und geschlossene Gemeindehäuser. Verschobene Konfirmationen und gemeindelose Taufen im eigenen Garten, abgesagte Hochzeiten – und Beerdigungen ohne Trauergemeinde. Der Tod war in dieser Zeit ein einsamer Geselle. Wandern im tiefen Digi-Tal
Es gab natürlich Ausnahmen. Totale Stille entspricht bekanntlich nicht wirklich dem christlichen Sendungsbewusstsein, der Empfänger muss versorgt werden. Mancherorts folgte daher eine hektische Digitalisierung. Größer als die Verzweiflung der christlichen Gemeinden war nur die etlicher Kulturschaffender, mussten diese doch auch noch mit ihrem digitalen Auftreten Umsätze generieren – ein im Internet quasi aussichtsloses Vorhaben. Das hielt aber viele Künstlerinnen und Künstler dennoch nicht davon ab, ihre Musik oder ihre Sprache oder ihr Gesicht kostenlos im WWW zu positionieren. Angeblich, um die Beschränktheit häuslichen Aufenthalts durch ihr Schaffen zu bereichern. Und die Menschen zu trösten,...


Lutz von Rosenberg-Lipinsky, geb. 1965, studierte Deutsche Sprache und Literatur sowie Ev. Theologie. Heute ist er Kabarettist, Schauspieler (u.a. Deutsches Schauspielhaus, Hamburg), Regisseur und Moderator (u.a. "Nightwash"). Bühnenprogramme wie "Brüder im Geiste. Kabarett zwischen Kreuz und Koran" sowie seine zahlreichen Funk und Fernsehauftritte (u.a. Pro 7 "Quatsch Comedy Club", RTL "Samstag Nacht", BR "Schlachthof") machten ihn deutschlandweit bekannt. Er lebt in Hamburg. www.von-rosenberg-lipinsky.de
Marcus Leitschuh, geb. 1972, verheiratet. Rektor an einer Gesamtschule. Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK). Er war Berater der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Autor zahlreicher Publikationen. Bisher sind über 70 Bücher entstanden. Besonders bei Kirchen- und Katholikentagen ist er Moderator und Veranstaltungsplaner. Er ist kulturpolitischer Sprecher der Kasseler CDU-Fraktion und Mitglied im Aufsichtsrat der "documenta".


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