Maier | Waldenserblut. Historischer Kriminalroman | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Maier Waldenserblut. Historischer Kriminalroman

Eine packende, lebendig geschriebene Kombination aus Fakten und Fiktion zum Thema religiöse Minderheiten und Migration

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-8425-1846-9
Verlag: Silberburg
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die spannende und bis heute nachwirkende Geschichte der Waldenser in Baden-Württemberg wird in in diesem historischen Kriminalroman lebendig. Auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war das Leben für die Angehörigen von religiösen Minderheiten und für Migranten nicht einfach. Aberglaube und Gier standen fortschrittlichen Tendenzen im Wege, darunter hatten vor allem Außenseiter und Minderheiten zu leiden, woran sich bis heute nicht allzu viel geändert hat.
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DER HEXER
HEUCHELBERGWALD BEI SCHLUCHTERN
Mitten in einem dichten Wald am Nordrand des Heuchelbergs, nahe der Grenze zum Herzogtum Württemberg und zur Reichsstadt Heilbronn, lebte vor über dreihundert Jahren ein Mann, den die Leute den Hexer nannten, wenn sie unter sich über ihn lästerten; wenn sie aber seiner Hilfe bedurften, nannten sie ihn den weisen Samuel. Ein Großteil des Waldes gehörte als kleine Exklave zum Ritterstift Odenheim, das nahe Schluchtern dagegen unterstand dem kurpfälzischen Amt Mosbach. Das pfälzische Dorf mit seiner kleinen Gemarkung lag eingezwängt zwischen dem Herrschaftsbereich des Freiherrn von Neipperg und dem Herzogtum Württemberg, ein bis zwei Wegstunden entfernt von dem selbstständigen Gebiet der ehrwürdigen Reichsstadt Heilbronn. Der Hexer hatte sich seinen Wohnsitz zwischen all diesen Ländergrenzen nicht zufällig ausgesucht. Drüben im Württembergischen durfte er sich nicht sehen lassen, wegen schwerer Anschuldigungen, die man dort gegen ihn erhob: Giftmischerei, Hexerei, Mord und Kindesentführung warfen ihm die Behörden vor. Die Stiftsherren von Odenheim kümmerten sich wenig um ihren Wald, weit weg von ihrem Stammsitz, den sie seit Langem in die Residenz Bruchsal des Bistums Speyer verlegt hatten, und für den kurpfälzischen Amtmann in Mosbach lag das kleine Schluchtern noch weiter entfernt. Aber der Freiherr von Neipperg im nahen Schwaigern hielt schützend seine Hand über ihn. Sicher vor Verfolgung war er freilich auch in dem abgelegenen Grenzgebiet nördlich des Heuchelbergs nicht. Dass er sich in diesem versteckten Winkel nahe der seit Jahrhunderten tief im Boden des Waldes versunkenen Harchenburg niedergelassen hatte, dafür gab es einen weiteren Grund. Denn gleich jenseits des Heuchelbergs hatten sich seine Landsleute aus dem Pragelatal angesiedelt. Sie kamen vom nordwestlichsten Zipfel der Dauphiné in die Kolonie, die der Herzog von Württemberg den geflüchteten Waldensern auf den Gemarkungen Nordheim und Hausen zugewiesen hatte. Wie er selbst waren sie als Angehörige der französisch-reformierten Kirche vor einigen Jahren aus ihrer Heimat vertrieben worden, weil sie sich standhaft geweigert hatten, zum katholischen Glauben zurückzukehren. In einem kleinen Seitental des Wolfsbrunnenbachs hatte sich der Hexer auf einer Waldlichtung in einem alten Gemäuer eingerichtet, das wohl vor dem Dreißigjährigen Krieg als Forsthaus gedient hatte. Das verfallene Häuschen durfte er mit Genehmigung des kurpfälzischen Hofes auf eigene Kosten wieder instand setzen, denn mittellos war er nicht. Bei ihm lebte ein Junge von damals vierzehn Jahren, aus der Kolonie, ein Waisenkind, das dort niemand haben wollte, denn man munkelte, es sei von bösem Blut. Im Herd flackerte ein kleines Feuer und ließ die Schatten gespenstisch über die Wände tanzen. Der Alte saß in seinem Lehnstuhl an einem schweren Eichentisch und las beim Licht der dicken Kerze in einer alten Schrift. »Bring mir den Grand Albert aus dem Bücherschrank«, herrschte er den Jungen an, der sich gleich auf den Weg machte und den schweren Wälzer anschleppte. »Und jetzt nimm den Korb und hol Holz«, brummte er, nachdem er das Buch mit beiden Händen in Empfang genommen. Beiläufig und kaum verständlich murmelte er so etwas wie einen Dank. »Nimm das Beil mit, wir brauchen auch Späne zum Anfeuern!«, rief er Pierre hinterher. Kaum hatte der Junge mit dem Holzhacken auf dem schweren Eichenklotz vor dem Schuppen begonnen, da hörte er Pferdehufe und knackende Zweige. Ein Reiter näherte sich auf dem schmalen Weg vom Wolfsbrunnenbach ihrem Haus. Er trug einen weiten, ärmellosen Mantel aus schwarzem Tuch und auf dem Kopf ein federgeschmücktes Barett. An einem langen Riemen über der Schulter hing eine Tasche aus glänzend schwarzem Leder. Pierre erkannte schnell, dass er einen Vertreter des gelehrten oder gar geistlichen Standes vor sich hatte, denn Besuch bekam der Alte nicht selten, und er hatte gelernt, die Leute, die zu ihm kamen, nach ihrer Kleidung und ihrem Auftreten zu taxieren. »Führ mich zu Meister Samuel«, forderte der fremde Reiter den Jungen beim Absitzen auf. Als dieser ihm abwartend dabei zusah, wie er aus dem Steigbügel auf den Boden sprang, runzelte der Fremde die Stirn und wiederholte seinen Auftrag auf Französisch. Während er den Zügelriemen seines Pferdes um einen großen bronzenen Ring schlug, der in die Mauer eingelassen war, und ihm auffordernd in die Augen sah, nickte der Junge zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und wies auf die Haustür, die sich in eben diesem Augenblick öffnete. Der Alte trat unter die Tür und blinzelte dem Reiter im hellen Licht der Abendsonne entgegen, die durch das Laub der Buchenzweige gleißend auf seine Augen fiel und ihn blendete. Als er den Gast endlich erkannt hatte, bat er ihn nach einem kurzen Gruß herein. Den Jungen schickte er in den Stall zu den Ziegen und trug ihm auf, dort auszumisten und neu einzustreuen, aber dem Pferd des Gastes zuvor einen Eimer Wasser aus dem nahen Bach zu holen und es zu versorgen. Kaum waren die beiden im Haus verschwunden, holte der Junge einen Holzkübel aus dem Stall, lief zum Bach und schleppte den schweren Wassereimer zurück. Mit Freude machte er sich daran, das Pferd zu tränken, und tätschelte dabei seinen Hals, während er ihm leise zusprach und beim Saufen zusah. Wie gerne hätte er das schöne Tier losgemacht und wäre fortgeritten – durch den Wald, über die Felder, ins weite Land hinein! Dann ging er mit dem leeren Eimer in den Stall zu den Ziegen. Doch bevor er sich an die aufgetragene Arbeit machte, löste er ein Holzstück aus einem Astloch in der Holzwand zum angrenzenden Haus, das so den Blick hinüber zur großen Stube freigab, und begann hindurchzuspähen. Von seinem Versteck aus konnte er den ganzen Raum überblicken: Neben dem Herd das große Regal mit den Glasflaschen, Tiegeln, Mörsern, kupfernen Töpfen und kleinen Pfannen, die der Alte für die Herstellung seiner Wundermittel verwendete, daneben die Wand, wo die Kräuterbüschel zum Trocknen aufgehängt waren, auf der anderen Seite der schmale, hohe Schrank, immer verschlossen, mit den seltenen Kostbarkeiten. Der Alte und der Besucher unterhielten sich auf Deutsch, das er inzwischen gut verstand. Der junge Mann mit dem schwarzen Umhang saß auf dem gedrechselten Holzstuhl des Meisters mit den breiten ledergepolsterten Armlehnen und redete auf den Alten ein. Der hatte auf einem Schemel ihm gegenüber Platz genommen. Er wollte eine Arznei, so viel hatte der Junge mitbekommen, nicht für sich selbst, sondern für den Kapitular der Odenheimer Stiftsritter in Bruchsal, einem speyrischen Domherrn. Während der Mann noch sprach, stand der Meister von seinem Schemel auf und legte ein paar dürre Äste ins Herdfeuer. Sie loderten hell auf und verbreiteten ein unruhig flackerndes Licht. Er hieß den Besucher in die Flammen schauen, und als dieser seinen Kopf neugierig zum Feuer wandte, berührte ihn der Alte wie zufällig leicht an der Schulter und sprach zu ihm mit leiser, beschwörender Stimme einige Worte auf Latein. Dann hob er langsam seine Rechte und führte sie vor dem Gesicht des Mannes in ruhiger Bewegung auf und ab und wieder auf und ab. Pierre ahnte schon, was das zu bedeuten hatte, und einen Augenblick später trat das ein, was er erwartet hatte. Der Fremde erstarrte mit einem Mal. In seinem Holzstuhl verharrte er regungslos, immer noch das Gesicht dem Feuer zugewandt, während ihn der Alte mit kurzem Blick prüfend musterte und sacht anstieß. Wie oft hatte Pierre ähnliche Szenen erlebt! Der Meister zögerte nicht, manche seiner Besucher in tiefen Schlaf zu versetzen, bevor er am Herd zu hantieren begann, damit diese nichts davon mitbekamen, was er da trieb. So trat der Alte auch jetzt wieder an den Herd, setzte einen Tiegel auf ein dreibeiniges eisernes Gestell, gab einige Zutaten hinein, schloss den Schrank seiner gehüteten Kostbarkeiten auf und entnahm ihm ein kleines braunes Glasfläschchen, aus dem er einige Tropfen in den Tiegel träufelte. Bald begann es zu dampfen und zu zischen. Eine gelbliche Wolke stieg auf und verteilte sich im Raum. Während der Fremde immer noch reglos dasaß, rührte der Meister die Mischung sorgsam um, nahm sie vom Feuer, murmelte einige lateinische Sprüche und füllte die Flüssigkeit aus dem Tiegel vorsichtig durch den Trichter mit dem feinen Sieb in ein weiteres Glasfläschchen, das er gleich verkorkte und mit Wachs versiegelte. Zum Schluss drückte er in das noch weiche Wachs über Kork und Flaschenhals seinen Siegelring. Kaum hatte er das Fläschchen auf den Tisch gestellt, wandte er sich wieder seinem Besucher zu, sah ihm eindringlich ins Gesicht und sprach nur ein Wort: »Sursum!« Gespannt...


Ulrich Maier, Jahrgang 1951, ist in Karlsruhe geboren und in Heilbronn aufgewachsen. Er studierte in Stuttgart Geschichte, Sprach- und Literaturwissenschaft, arbeitet als Gymnasiallehrer, Landeskundebeauftragter des Kultusministeriums von Baden-Württemberg und in der Lehrerbildung. Er schreibt Fach- und Jugendbücher zur Geschichte, malt Landschaftsbilder und lebt abwechselnd in den Löwensteiner Bergen und am Bodensee.


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