Mariak | Die Spirale der Gewaltkriminalität | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 500 Seiten

Mariak Die Spirale der Gewaltkriminalität

· Kriminologische Beiträge zur Prüfung der Verrohungsthese · Tierquälerei und Tiertötung als Vorstufe der Gewalt gegen Menschen · Covid-19-Pandemie und die Problematik häuslicher Gewalt - 3., überarbeitete und erweiterte Auflage

E-Book, Deutsch, 500 Seiten

ISBN: 978-3-347-34070-1
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Alles fließt" konstatierte der alte Grieche Heraklit und meinte damit, dass sich im Zeitablauf alles fortbewegt und ohne längeren Bestand bleibt. Dies gilt ebenfalls für das Auf und Ab kriminologisch relevanter Geschehnisse. Nun hat es gerade im Jahre 2020 gesellschaftliche Zäsuren gegeben, die in der Bundesrepublik wohl seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren ohne Beispiel sein dürften: Im Fokus stehen hier die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie. Diese Folgen, die längst nicht überwunden sind, wirken ein auf das Zusammenleben in den Familien und sonstigen Partnerschaften.

Im Band der 2. Auflage wurde u. a. der Brennpunkt "häusliche Gewalt" erörtert: Studien zeigen auf, dass hier ein gravierendes ethisches und strafrechtliches Problem besteht, welches über Jahrzehnte hinweg unterschätzt wurde. Mit der 3. Auflage verbunden ist die inhaltliche Ergänzung der Texte um das Thema Covid-19-Pandemie. Wie kaum anders erwartet, haben die Kontaktbeschränkungen in der Pandemie bereits im ersten Corona-Jahr katastrophale soziale Folgen ausgelöst. So sind durch wiederholte Verhängungen mehr oder weniger "harter" Lockdowns fast alle öffentlichen Aktivitäten zum Erliegen gekommen. Weitgehend auf den Wohnraum des engsten Familienkreises beschränkt und in der Krise sozial isoliert, steigt die Zahl häuslicher Konflikte und mit ihnen die Verübung häuslicher Gewalt gegen Mensch und Tier: In der Entstehung befindet sich ein brisant verschärfendes Negativ-Phänomen, das bei Nichtbeachtung auf seine Weise für unsere Gesellschaft ebenso gefährlich werden könnte, wie die Ausbreitung der Pandemie selbst. Dass zudem "häusliche Gewalt" mit der Gewalt gegen (Haus-)Tiere erwiesenermaßen eng verknüpft ist, bietet für private und staatliche Schutzeinrichtungen beider Couleur die Chance effektiverer Eingriffe. Damit wird erneut deutlich: Tierschutz ist ebenfalls Menschenschutz.
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2. Vorwort – zugleich ein kurzer Ausflug in die Philosophie Die vorliegende Schrift ist nicht allein gedacht für den wissenschaftlichen Diskurs. Sie wendet sich ebenfalls an das breite Spektrum der Tierschutz-Engagierten und an Kreise interessierter Leser*innen, die zunächst einen kurzen, informativen Überblick über die Gewaltthematik gewinnen möchten. In diesem Sinne beinhaltet die Arbeit das Anliegen, die ethische, soziokulturelle und rechtliche Problematik der Tierquälerei aus einem Blickwinkel darzustellen, der über das verursachte Leid am Tier hinaus die Gefahr zunehmender Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung auch für das mitmenschliche, soziale Umfeld der Täter*innen verdeutlicht. Viel zu lang wurde Tierquälerei sowohl im psychosozialen als auch im rechtlichen Bereich als wenig relevantes, das gesellschaftliche Zusammenleben nur geringfügig störendes Verhalten bewertet. Diese Tendenz, Tierquälerei mehr oder weniger als Ordnungswidrigkeit, als „Kavaliersdelikt“, einzustufen, findet sich auch heute noch in der bundesdeutschen Rechtsprechung - trotz der ab dem ersten August 2002 erfolgten Erhebung des Tierschutzes zum Staatsziel. Im Gegensatz dazu haben in den USA kriminologische und psychologische Studien bereits sehr früh gezeigt, wie gefährlich ein Unterschätzen der gewaltausübenden Haushaltsmitglieder ebenfalls für ihre Mitmenschen sein kann. Dort hat die Exekutive aus den Forschungsresultaten praktische Konsequenzen gezogen und bundespolizeiliche Ermittlungsmethoden wie das Profiling auf diese Gefahr abgestimmt, während in der Legislative nun ernsthafte Bestrebungen der Strafverschärfung zu beobachten sind. Mittlerweile belegen auch deutsche Studien, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen Tierquälerei und der Gewalt gegen Menschen besteht. Auf diese wissenschaftlich fundierten Aussagen wird in späteren Textabschnitten näher einzugehen sein. Zitiert wurden im Vorspann zu dieser Schrift die Aphorismen dreier herausragender Persönlichkeiten zum Thema Tierquälerei. Alle drei verweisen auf deutliche Parallelen zwischen dem Sachverhalt Tierquälerei und der Gewalt gegen Menschen. Die Liste entsprechender Einschätzungen ließe sich mühelos und fast beliebig erweitern. Frühe Philosophen und heutige Fachwissenschaftler*innen – sie alle vereinigt der logische Schluss, dass Gewalt gegen Tiere auch das Fundament für Gewalt gegen Menschen legt. Und nicht ohne Grund steht der berühmte Ausspruch von Immanuel Kant über diesen Zusammenhang von Tierquälerei und Gewalt gegen Menschen an erster Stelle der genannten Zitate. Mit seiner klaren Aussage, dass Tierquälerei ebenfalls zu Unbarmherzigkeit und Brutalität gegenüber Mitmenschen führe und damit indirekt zu einer Gefährdung des menschlichen Zusammenlebens, verdeutlichte Kant die so genannte Verrohungsthese, die dann auch die erste Tierschutzgesetzgebung wesentlich beeinflusste. Präzise heißt es bei Kant in seinen Ausführungen zu den „metaphysischen Anfangsgründen der Tugendlehre“: „In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die Pflicht der Enthaltung von gewaltsamer und zugleich grausamer Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität, im Verhältnisse zu anderen Menschen, sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird; […]“ (Kant, 2016, S.224 f.) Die gängige Interpretation der Kantischen Tierethik verweist darauf, dass Kant mit dieser Aussage nicht etwa das Unrecht anprangerte, welches betroffenen Tieren widerfährt: Eine Person, die Tiere quäle, handle in seinen Augen eben nur verwerflich, weil sie ihre Pflicht gegen sich selbst und ihre Mitmenschen verletze. Indem sie Tiere quäle, mindere sie ebenfalls ihre sozial wertvolle Fähigkeit zur Empathie gegenüber den Mitmenschen. Diese besondere menschliche Fähigkeit sei zum Erhalt des Sozialgefüges Gesellschaft aber „sehr diensam“ und somit unbedingt zu bewahren. Den Tieren werde mit dieser philosophischen Überlegung ein eigener moralischer Status abgesprochen. (Kant, 2016, S. 224 f.; siehe dazu: URL Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften [drze]) Die vorgenannten moralpädagogischen Argumente des Immanuel Kant lassen somit folgende Deutung zu: Nicht um der Tiere willen, sondern einzig um der Menschen willen soll Tierquälerei unterbleiben. Natürlich ist diese spezielle „Tierethik" im Zeitablauf nicht ohne vehemente philosophische Kritik geblieben. Eines der wichtigsten Gegenargumente kam bereits von Arthur Schopenhauer, der sich als Vollender der Kantischen Philosophie sah und das mit der Verrohungsthese scheinbar verbundene anthropozentrische Weltbild (der Mensch als Maß aller Dinge) entschieden verneinte. Schopenhauer, der die Bildung von Tierschutzvereinen sehr befürwortete, selbst Mitglied im Frankfurter Tierschutzverein (Frankfurt am Main) war, und ebenfalls den damals neugegründeten Münchener Tierschutz unterstützte, schrieb zu dieser Zeit: „Die Tierschutzgesellschaften, in ihren Ermahnungen, brauchen immer noch das schlechte Argument, dass Grausamkeit gegen Tiere zu Grausamkeit gegen Menschen führe; – als ob bloß der Mensch ein unmittelbarer Gegenstand der moralischen Pflicht wäre, das Tier bloß ein mittelbarer, an sich eine bloße Sache! Pfui!” (URL Schopenhauer) In einer anderen Stellungnahme wendet sich Schopenhauer entschieden gegen den – aus seiner Sicht - von Kant propagierten Sonderstatus des Menschen und die folgliche Herabsetzung des Eigenwertes der Tiere: „Also bloß zur Übung soll man mit Tieren Mitleid haben, und sie sind gleichsam das pathologische Phantom zur Übung des Mitleids mit Menschen. Ich finde, … solche Sätze empörend und abscheulich.” (URL Schopenhauer) Aus der Sicht Schopenhauers beleidigt Kant die „echte Moral“, wenn er unterstellt, dass Tiere bloße Sachen sind, die man als Mittel zum moralischen Zweck benützen müsse. Für Schopenhauer waren Menschen und Tiere weitgehend wesensgleich. Und in der Tat klingt die philosophische Forderung, lediglich Menschen als Geschöpfe mit einem sittlich verbindlichen Eigenwert zu begreifen, arrogant, ethisch schlicht falsch und wäre – bei Umsetzung dieses Gedankens in reales Handeln – katastrophal für unsere Umwelt. Der Kantische Satz, dass der Mensch keine Pflicht gegen irgendein anderes Wesen habe als allein gegen seine Mitmenschen, könnte - falsch verstanden und angewandt - nicht nur zu einem ethisch-philosophischen Desaster hinleiten. Zwei Hauptpunkte lassen die Kantische These jedoch in einem neuen Lichte erscheinen und sollten zu tieferem Nachdenken führen: a) Es liegen Forschungsarbeiten vor, die aktuell zeigen, dass die Tierethik Immanuel Kants einer Neubewertung bedarf. Insbesondere die Arbeit der Moraltheologin Dr. Heike Baranzke legt nahe, dass die nicht nur wissenschaftlich eingefahrene Interpretation der Kantischen These als tierfeindlich auf einem Falschverständnis beruht. Folgt man dieser Autorin, so zeigt sich bei Kant das Verbot der Tierquälerei als absolut und ohne jedweden anderen Handlungsspielraum: Dieses Tabu zähle Kant zu den kategorisch verbindlichen, vollkommenen Pflichten des Menschen gegen sich selbst und nicht etwa nur gegenüber den Mitmenschen. Es befinde sich ebenfalls nicht unter den mehr oder weniger beachtenswerten Pflichten zur Selbstkultivierung. Mit dieser speziellen Einordnung des Tierquälerei-Verbots in die Pflichtenlehre gewinnt aber auch die Verrohungsthese ein anderes argumentatives Gewicht: Sie taugt nur noch bedingt als Begründung des Tierquälerei-Verbots, da der zwischenmenschliche Aspekt nun weniger bedeutsam ist. (Baranzke, 2002; siehe dazu auch: URL Baranzke) Aus der vorstehenden Neuinterpretation Kantischer Tierethik resultiert nicht nur eine philosophische Ehrenrettung, sondern ebenfalls die Abwertung der Verrohungsthese. Und genau hieraus ergibt sich der zweite Problempunkt: b) Philosophisch korrekt lässt sich das Verbot der Tierquälerei bei Kant nun von der Verrohungsargumentation abkoppeln. Es handelt sich primär nicht mehr um eine Fremdverpflichtung gegenüber den Mitmenschen. Menschen sind - der neuen Auslegung entsprechend - streng verpflichtet, Tierquälerei zu unterlassen, weil bei Zuwiderhandlungen ihre eigene moralische Integrität auf dem Spiel steht. Damit erhält die Unterlassung von Tierquälerei eine neue Qualität: Sie gerät nicht mehr zu einem bloßen „Charakterbonus“, den man sich je nach Lust und Laune verdienen mag oder nicht. (URL Baranzke, vgl. auch: URL Franzinelli) Nicht nur für den Tierschutz ergeben sich aus dieser Position Kardinalfragen: Ist die Verrohungsthese damit wissenschaftlich obsolet und vom Tisch? Sollte man nicht lieber Schopenhauer folgen, wenn er meint, dass die Tierschutzorganisationen mit ihren Ermahnungen und dem Aufzeigen der Parallelen...


Volker Mariak wurde 1950 in Hamburg geboren. Nach grafischer Lehre und zweijährigem Militärdienst, Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Abschluss: Diplom-Sozialwirt. In den Jahren 1976 bis 1981 Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg mit dem Abschluss Diplom-Soziologe. Promotion zum Dr. rer. pol. im Jahre 1986. Danach Studium der Kriminologie mit dem Abschluss Diplom-Kriminologe.

Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg und später Lehr- und Forschungstätigkeit an einem Sonderforschungsbereich der Universität Bremen. Nachfolgend Leiter der Forschungsdokumentation und Senior-Projektleiter in einem privatwirtschaftlichen Regional- und Stadtforschungsinstitut. Der Verfasser engagiert sich seit langem für das Staatsziel Tierschutz.


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