Marryat / Stumpff | Der Pirat | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 214 Seiten

Marryat / Stumpff Der Pirat

Captain Cain und das Seeräuberschiff Avenger

E-Book, Deutsch, 214 Seiten

ISBN: 978-3-7565-4756-2
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Der Seeräuber-Schoner Avenger unter seinem Captain Cain versetzte die Handelsschifffahrt weltweit in Angst und Schrecken. Den Schiffsbesatzungen war bekannt, was sie erwartete, sollte je ihr Schiff vom Avenger gekapert werden. Dieser Schoner war einst für den Transport afrikanischer Sklaven nach Südamerika bestimmt. Nach Beendigung des Sklavenhandels wandte sich Captain Cain einem anderen Betätigungsfeld zu, nämlich dem Raub wertvoller Güter von Handelsschiffen, wobei deren Crews und Passagiere brutal niedergemetzelt wurden. Auf Befehl der englischen Admiralität nahm die Dreimast-Fregatte Entreprise die Verfolgung des Avenger auf, um dessen verbrecherisches Treiben zu beenden.
Menschliche Schicksale sowohl auf dem Seeräuberschiff Avenger als auch auf der Fregatte Entreprise, sowie eine mit Kanonen und Musketen ausgetragene Seeschlacht sorgen für ein Höchstmaß an Spannung.
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Kapitel 1   Die Bucht von Biskaya   Es war gegen Ende Juni im Jahr 1795, als sich in der Bucht von Biskaya nach einem für diese Jahreszeit ungewöhnlich heftigen Sturm das aufgewühlte Meer allmählich beruhigte. Es gab nun den Blick frei auf das Wrack eines Schiffes, von dem nur noch der Aufbau aus dem Wasser herausragte. Hin und wieder wurde der geborstene Schiffsrumpf von den über ihn hinwegstürzenden Wellen hinuntergedrückt, und wenn das Wasser zu den Steuerbordluken an den Seiten hinausfloss, stieg er wieder nach oben. Wie viele tausend Schiffe, wie viele Millionen an Wert mögen schon – aus Unwissenheit oder Furcht preisgegeben – in der alles verschlingenden Tiefe des Ozeans ihren letzten Bestimmungsort gefunden haben? Welche Mengen an Gütern sind in seinem Sande begraben, welche Reichtümer unter seinen Felsen versteckt? Doch, so ungeheuer die Masse des Verlorenen sein mag, das nun im Meere liegt, in den meisten Fällen wurde der Verlust nur verursacht durch Unkenntnis eines der ersten Naturgesetze, nämlich des Gesetzes der spezifischen Schwere. Das Schiff, dessen Wrack wir erwähnten, befand sich allem Anschein nach in einer höchst gefährlichen Lage, ähnlich der Lage eines Ertrinkenden, welcher sich noch an einen Strohhalm hängt; aber in Wirklichkeit war es sicherer vor dem Hinabsinken in die Tiefe des Meeres, als manches stattliche und rasch segelnde Fahrzeug, wenn seine furchtlosen Bewohner nur an schnelle Ankunft im Hafen dachten. Es war der von Neworleans aus gesegelte Circassier, ein stattliches, gut ausgerüstetes Handelsschiff mit einer größtenteils aus Baumwolle bestehenden Ladung. Der Captain war ein guter Schiffsführer; die Schiffsmannschaft bestand aus kühnen und geschickten Seeleuten. Als sie das atlantische Meer durchkreuzten, waren sie in den erwähnten Sturm geraten und in die Bucht von Biskaya hineingetrieben worden, wo, wie wir später ausführlich erzählen werden, das Schiff entmastet wurde und ein Leck bekam, der alle ihre Anstrengungen, das Wasser abzuhalten, vereitelte. Es waren nun fünf Tage, seit die von Schrecken ergriffene Mannschaft das Schiff in zwei Booten verlassen hatte. Von diesen war das eine versunken, und alle, die sich darauf befanden, hatten den Tod in den Wellen gefunden; das Schicksal der andern war ungewiss. Wir sagten, die Mannschaft habe das Schiff verlassen, ohne damit zu behaupten, dass jedes lebende Wesen sich davon entfernt habe. Wäre dies der Fall gewesen, so würden wir unsern Lesern durch Beschreibung eines leblosen Dinges die Zeit geraubt haben. Szenen des Lebens sind es, was wir zeichnen wollen, und so war auch hier noch Leben in dem zerrissenen, nun dem Spiele der Meereswellen preisgegebenen Schiffsrumpf. In dem auf dem Deck angebrachten Küchenverschlag des Circassiers, der hier glücklicherweise gut genug befestigt war, um der Gewalt der sich brechenden Wellen zu widerstehen, waren drei menschliche Wesen zurückgeblieben: Ein Mann, ein Weib und ein Kind. Die beiden ersten zählten zu den als primitiv geltenden Schwarzafrikanern, die lange das Schicksal erlitten, von der Küste Afrikas fortgeschleppt zu werden, um fern von ihrem Vaterland schwerste Arbeiten zu verrichten. Allein das Kind, welches an der Brust des dunkelhäutigen Weibes lag, war von europäischem Blute. Nun aber sah es in der Tat tödlich blass aus, als es vergeblich Nahrung aus der erschöpften Brust seiner Amme zu ziehen suchte, während Tränen über deren schwarze Wangen herab rannen, wenn sie von Zeit zu Zeit das Kind an ihre Brust drückte, oder es leewärts umwandte, um es so vor dem schäumenden Wasser zu schützen, das sie überschüttete, so oft eine Welle zurückfloss. Unbekümmert um alles übrige außer ihrer leichten Bürde sprach sie nichts, obgleich sie vor Kälte schauderte, und das Wasser ihre Knie benetzte, so oft der Schiffsrumpf unter die Wellen getaucht wurde. Kälte und Schrecken hatten einen Wechsel in ihrer Gesichtsfarbe hervorgebracht, die nur etwas Gelbliches oder Kupferfarbiges zeigte. Der Mann, welcher ihr Gefährte war, saß ihr gegenüber auf der eisernen Bank an der inneren Seite des Schiffs, einem sonnigen und warmen Plätzchen, das aber nun nur ein ermüdender Sitz für einen Verunglückten, Durchnässten und Erschöpften sein konnte. Er hatte viele Stunden lang nichts gesprochen; seine erschlafften Gesichtsmuskeln, seine dicken, weit über die eingefallenen Wangen hervorstehenden Lippen, die hohen Backenknochen, die Augen, welche wenig außer dem Weißen sehen ließen – kurz, die ganze Gestalt bot einen weit bedauernswürdigeren Anblick dar, als das Weib, dessen Gedanken nur auf das Kind, nicht auf ihre eigene Person gerichtet waren. Doch seine Sinne waren noch immer wach, obgleich seine Kräfte durch ein Übermaß des Leidens ertötet zu sein schienen. »O weh!«, rief die Schwarze nach einigem Schweigen mit matter Stimme und neigte erschöpft ihren Kopf nach hinten. Ihr Gefährte erwiderte nichts, beugte sich aber vor, öffnete die Tür einen kleinen Spalt und sah hinaus in die Richtung, aus der der Wind kam. Die Gischt spritzte ihm in die Augen und über sein Gesicht und er seufzte. »Was denkst du, Coco?« fragte die Afrikanerin, indem sie fürsorglich  das Kind aufdeckte und ihren Kopf zu ihm herabbeugte. Nur ein Blick der Verzweiflung war Cocos Antwort.   Es war nun ungefähr acht Uhr morgens, und die Brandung des Ozeans hatte sich schnell gelegt. Um Mittag teilte sich ihnen die Wärme der Sonne durch die Planken des Verschlags mit, indem ihre Strahlen einen schmalen, aber hell leuchtenden Streif durch die Spalten der verschlossenen Fensterluken herabsenken. Der Schwarze schien allmählich wieder aufzuleben; zuletzt stand er auf, und versuchte unter manchen Schwierigkeiten aufs Neue die Türe aufgleiten zu lassen. Der gewaltige Andrang der See hatte allmählich nachgelassen, und nur von Zeit zu Zeit brach noch eine Welle über das Schiff herein. Sorgfältig an den Türpfosten sich haltend suchte Coco die Außenseite zu gewinnen, um den Horizont überschauen zu können. »Siehst du da was, Coco?« fragte das Weib, von dem Verschlag aus bemerkend, dass seine Augen fest nach einer bestimmten Seite hin gerichtet waren. »So wahr mir Gott helfe, ich meine, etwas zu sehn; aber ich habe so viel Salzwasser im Auge, dass ich es nicht deutlich erkenne«, erwiderte Coco, das Salz von sich abreibend, das sich während des Morgens auf seinem Gesichte kristallisiert hatte. »Und was glaubst du zu sehen, Coco? « »Nur ein kleine Wolke«, erwiderte er, indem er wieder in den Verschlag trat, und mit schwerem Seufzen seinen Sitz auf der eisernen Bank einnahm. »Weh' mir!«, rief die Schwarze, die das Kind aufgedeckt hatte, um nach ihm zu sehen, während ihre Kräfte schwanden. »Armer kleiner Massa Eddard, er sieht ganz schlecht aus, er wird wohl bald sterben, fürchte ich. Sieh, Coco, er hat keinen Atem mehr.« Der Kopf des Kindes fiel von der Brust der Amme zurück und sein Leben schien erloschen. »Hast du für den Kleinen keine Milch mehr? Wenn nicht, wie kann er leben? Aber halt, Judith, ich stecke ihm meinen kleinen Finger in den Mund; gewiss ist Massa Eddard noch nicht tot, wenn er daran saugt.« Coco steckte seinen Finger in den Mund des Kindes, und fühlte einen kleinen Druck des Saugens. »Judith«, rief Coco, »Massa Eddard ist noch nicht tot; nun probier mal, ob du noch einen Tropfen Milch in der Brust hast«! Die arme Judith schüttelte traurig den Kopf, und eine Träne rollte über ihre Wangen herab; sie wusste, dass ihre Natur erschöpft war. »Coco«, sagte sie, wobei sie ihre Wange mit der Rückseite ihrer Hand abwischte, »ich habe keine Milch mehr, alle Milch ist weg.« Dieser Ausspruch, womit Judith ihre Liebe zu dem Kinde dargelegt hatte, brachte Coco auf einen Gedanken. Er zog sein Messer aus der Tasche und schnitt damit kaltblütig bis auf den Knochen seines Zeigefingers hinein. Das Blut floss und tröpfelte ans Ende des Fingers herab, den er nun in den Mund des Kindes steckte. »Sieh', Judith, Massa Eddard saugt daran, also ist er nicht tot!«, rief Coco, bei dem Erfolg seines Versuches auflachend und ihre fast hoffnungslose Lage vergessend. Das Kind, durch diese sonderbare Nahrung wieder belebt, gewann allmählich seine Kräfte zurück und saugte eifrig an dem Finger. »Schau, Judith, wie es Massa Eddard schmeckt«, fuhr Coco fort, »nur zu, Massa Eddard, nur schön saugen! Coco hat zehn Finger und Massa Eddard kann lange daran saugen, bis er genug bekommen hat.« Doch das Kind war schon satt und fiel auf Judiths Arm in tiefen Schlaf. »Coco, sei so gut und schau wieder hinaus«, bat Judith, worauf Coco wieder hinaus kroch und abermals den Horizont beobachtete. »So wahr mir Gott helfe, Judith – ich sehe ein Schiff!«, rief Coco freudig. »O wunderbar!«, rief Judith mit matter aber freudiger Stimme, »dann wird Massa Eddard nicht mehr sterben.« »Ja, so wahr mir Gott helfe, dass das Schiff zu uns kommt«, sagte Coco. Als hätte er auf einmal seine frühere Kraft wieder erlangt, kletterte er nun auf das Deck des Verschlags, setzte sich mit verschränkten Beinen darauf, schwang dann sein gelbes Tuch in der Hoffnung, dadurch die Aufmerksamkeit der...


* 10. Juli 1792 in London
† 2. August 1848
in Langham, Norfolk

Sir Frederick Marryat, Kapitän der Royal Navy, war nicht nur Abenteurer und Erfinder, Salon-löwe und Gutsbesitzer, sondern glänzte auch als populärer Schriftsteller seiner Zeit. Er gilt als Erfinder eines literarischen Genres, des marinehistorischen Romans.
Frederick stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus. Sein Vater Joseph Marryat war Mitglied des englischen Unterhauses und hatte eine einflußreiche Stellung als Kolonialbeauftragter für die Insel Grenada.


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