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E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Marx Freiheit

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-641-25844-3
Verlag: Kösel
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Freiheit bedeutet Mut zur Veränderung
Der Begriff »Freiheit« ist für viele Menschen nicht mit Religion vereinbar. Doch für Kardinal Marx gehört »Freiheit« zu den Kernbotschaften des Christentums. Wer frei ist, kann sich einbringen, wer frei ist, kann handeln, wer frei ist, kann sich binden und lieben, wer frei ist, kann sich frei entscheiden. Mit seinem sehr persönlichen Buch möchte Kardinal Marx Mut machen, sich frei, ohne Angst und im Vertrauen auf die christlichen Werte einzumischen und die Veränderungen in unserer Gesellschaft mitzugestalten.
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Ich bin so frei! Können wir eigentlich mit dem Begriff »Freiheit« wirklich etwas anfangen? Allzu oft verbinden wir dieses Wort mit Träumen von einem freien Leben, wie es uns etwa in der Werbung vorgegaukelt wird. Freiheit wird oft mit Freizeit identifiziert. Viele wünschen sich verständlicherweise, dem Zwang des Alltags entfliehen zu können in ein (arbeits-)freies Wochenende, das aber allzu oft auch in Stress und in selbstgesetzten Grenzen abläuft. Der Begriff »Freiheit« fasziniert und lädt ein, Grenzen zu überschreiten, all das zu tun, was ich mir immer schon gewünscht habe. Und da wird diese Suche nach der Freiheit zuweilen »ersetzt« durch Unterhaltung und Zeitvertreib. Ein Beispiel dafür ist das Internet, das World Wide Web mit seinen unendlichen Weiten; also im Grunde ein Freiheitsraum ohne Grenzen, der aber dennoch nicht unbedingt und von alleine zu einem selbstbestimmten freien Leben führt, sondern auch wiederum Zwänge und Engführungen mit sich bringt. Man kann – ohne allzu pessimistisch sein zu wollen – sogar Zeit und sich selbst darin verlieren. Mit diesen und anderen Assoziationen wird das große Wort »Freiheit«, eines der zentralen Worte des menschlichen Lebens, leicht unter Wert gehandelt. Das birgt die Gefahr, Freiheit klein zu denken und vielleicht sogar Freiheit zu verlieren. Doch Freiheit ist viel mehr! Darum lohnt es sich, nachzudenken und den Horizont zu weiten, um der Freiheit näher zu kommen. Grenzen sind nicht das Ende der Freiheit Ja, Freiheit gehört zum zentralen Vokabular der Neuzeit und der modernen Welt. Und es gehört auch zur biblischen Tradition und zum Selbstverständnis des christlichen Glaubens. »Zur Freiheit hat uns Christus befreit«, sagt der Apostel Paulus (Gal 5,1). Wenn man einem Christen begegnet, sollte man den Eindruck haben: Sieh an, ein freier Mensch! Als Heranwachsender habe ich mich wie viele andere in diesem Alter an Grenzen gestoßen. Vor allem daran, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten – etwa bestimmte Ziele in der Schule oder in der Jugendarbeit – nicht überschreiten zu können. Ich war auch unzufrieden damit, meine sportlichen oder auch musikalischen Fähigkeiten doch als sehr begrenzt zu erleben. Daneben trat mir immer stärker die Sprache der Freiheit vor Augen, die ich in den Texten der Bibel fand. Aber auch in den Debatten des Alltags. Irgendwie ließ mich diese Spannung nicht los, innerlich einen Raum großer Möglichkeiten entfalten zu wollen und zugleich die äußeren Grenzen zu erfahren, die das unmöglich machten. Was in Gesellschaften geschieht, ist in analoger Weise ja auch ein Prozess der eigenen Selbstfindung. Und es braucht eben Entwicklung und Nachdenken und Reifung, um zu begreifen, dass Grenzen nicht das Ende der Freiheit sind und dass Freiheit tiefer zu verstehen ist. Aber erst zu Anfang meiner Schulzeit und dann besonders während des Studiums der Philosophie und der Theologie ist mir immer stärker bewusst geworden, dass das neuzeitliche Freiheitspathos und der christliche Freiheitsbegriff auch in Spannung zu sehen sind. Und doch schien mir ebenso eine Korrelation zu bestehen, eine Bezogenheit aufeinander. Beides hat eng miteinander zu tun und hat sich dennoch auseinanderentwickelt. Im Lauf der Jahre stellte sich mir immer mehr die Frage, ob nicht dieses Spannungsverhältnis, ja dieses Auseinanderfallen der christlichen Idee von Freiheit und der modernen Vorstellung von Befreiung zu manchen negativen Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche geführt haben und weiterführen können. Die Frage hat mich nicht losgelassen, und deshalb bin ich in meiner Dissertation ganz grundsätzlich dem Wechselverhältnis von Kirche und Gesellschaft nachgegangen und habe deutlich gesehen, dass die Veränderungen der Gesellschaft auch Fortschritte mit sich bringen, die von der Kirche rezipiert werden können und müssen. Diese Auseinandersetzungen und gegenseitigen Beeinflussungen finden natürlich auf verschiedenen Ebenen statt in Entwicklungsprozessen, die Zeit brauchen. Dabei ist das Konzept der Freiheit ein wichtiger Kristallisationspunkt für die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, aber auch für das Leben, den Glauben und die Gestalt der Kirche. Am Wendepunkt der Freiheitsgeschichte Die Geschichte der Kirche zeigt allerdings, dass sie keineswegs immer auf der Seite der Freiheit gestanden hat; ebenso wie sich auch die Freiheitsbewegung erst im Laufe der Jahrhunderte herauskristallisieren musste. Aber immer wieder gab es – gerade auch in der europäischen Geschichte – Freiheitsimpulse mit christlichen Wurzeln, die sich je durch verschiedene Bewegungen, Gruppen, politische Ideen auf das Evangelium, auf die Heilige Schrift, auf die Gestalt Jesu berufen haben. Aber war für die Christen das Wort und der Begriff »Freiheit« grundsätzlich ein positiver, ermutigender Horizont, auf den man sich einlassen sollte? Bis in meine Kindheit und Jugendzeit hinein (und zeitweilig auch noch bis heute) erscheint in Predigten und Hirtenworten von kirchlichen Amtsträgern die Freiheit als etwas Gefährliches und Suspektes. In der Kirche selbst und in kirchennahen Milieus kam leicht der Gedanke ins Wort und ins Bewusstsein, es handle sich bloß um Beliebigkeit, Ungebundenheit, Autonomiestreben des Menschen, der sich gegen Gott stellt. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil kam eine neue Diskussionsbereitschaft auf. Aber die letzten Jahrzehnte und auch aktuelle Auseinandersetzungen zeigen an, dass bei vielen in der Kirche eine Skepsis gegenüber der Freiheit geblieben ist, ja sogar eine Furcht vor der Freiheit, weil sie ja den Menschen einlädt, seine von Gott gegebenen Grenzen zu überschreiten, so wie ich – und andere auch – es als Heranwachsende gesehen haben. Manche spitzen die Diskussionen sogar auf die Frage zu, ob die Freiheit über der Wahrheit oder die Wahrheit über der Freiheit steht. Meines Erachtens führt eine solche Zuspitzung jedoch nicht wirklich weiter und klärt auch nicht auf. Eine solche Debatte geht zu stark von einem eher negativen, skeptischen, ja pessimistischen Menschenbild aus, und damit von einem negativ geprägten Freiheitsbegriff. Als ich 1996 Weihbischof in Paderborn wurde, habe ich mir einen Wahlspruch gesucht, der mich durch meinen Dienst als Bischof begleiten soll und mich auch persönlich charakterisiert. Mir kam sofort ein Wort aus dem Zweiten Korintherbrief in den Sinn: »Wo aber der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit« (2 Kor 3,17). War das Thema schon vorher wichtig für mich, so ist es seitdem einfach ein Teil meines Denkens und Wirkens geworden: Ich bin so frei! Und ich möchte ein freier Mensch sein. Seitdem habe ich den Wunsch, der Frage nach der Freiheit in der Auseinandersetzung zwischen theologischen und gesellschaftlichen, politischen und philosophischen Fragestellungen intensiver nachzugehen. Kann der »Bruch« zwischen christlichem Freiheitsverständnis und moderner Freiheitsidee geheilt werden? Oder wenigstens zu einem produktiven Spannungsverhältnis weiterentwickelt werden und so vielleicht sogar zu einem »Auf-Bruch« werden? Wir stehen in unseren Tagen vielleicht an einem Wendepunkt der Freiheitsgeschichte. Es scheint mir nicht entschieden zu sein, ob wir eine Kultur der Freiheit bewahren und weiter entwickeln im Blick auf alle Menschen oder ob wir einen Weg einschlagen, der in autoritäre, vielleicht sogar totalitäre Modelle zurückführt, die die Freiheit ideologisch unterhöhlen. Es gibt eine Furcht vor der Freiheit, die auch die Versuchung birgt, sich der notwendigen Mühe, die das Projekt der Freiheit und einer freien Gesellschaft erfordert, zu entziehen. Manche sprechen von einer weltweiten Krise der Idee des Liberalismus, wie etwa Jan-Werner Müller in seinem Essay »Furcht und Freiheit«.1 Ich bin überzeugt: Für Kirche und Gesellschaft entscheidet sich an dieser Frage vieles. Es geht dabei nicht um die Zukunftsfähigkeit der Kirche im Sinne einer Anpassung des Glaubens an den Zeitgeist. Davon halte ich selbst nichts, doch das sind ja auch nur schemenhafte Schattenkämpfe. Gleichwohl geht es nicht an, die Freiheitsgeschichte der modernen Welt als Irrweg zu verdammen oder gar als Bedrohung des Glaubens und der Kirche zu sehen. Es geht darum, die Sprache des Glaubens und die Worte der Theologie im Kontext der Freiheit neu auszusagen, ohne dass die Substanz und was an Bedeutungsgeschichte seit 2000 Jahren in diesen Worten und im Glauben niedergelegt wurde, eingebüßt werden. Gerade im Blick auf die Freiheit geht es mir um eine Vertiefung des Glaubens, um eine Intensivierung unseres Denkens darüber, was christliche Existenz ausmacht und um ein neues Staunen über Gott, das absolute Geheimnis. Eines sage ich gleich vorweg: Die Kirche selbst muss Inspiration sein für eine verantwortliche Freiheit – für eine Freiheit, die den Menschen öffnet, sogar über das Irdische hinaus. Das kann aber nur gelingen, wenn die Freiheitsbewegungen in der Menschheitsgeschichte selbst auch zur Inspiration für die Kirche und den Glauben werden, wenn wir also – theologisch gesprochen – das Wirken des Geistes auch außerhalb des sichtbaren Gefüges der Kirche wahrnehmen und anerkennen. Das erfordert Mut! Es erfordert Glaubenszuversicht und intellektuelle Anstrengung, vor allem jedoch die grundlegende Bereitschaft zum echten Dialog und zum Lernen. Warum erfordert es Mut? Warum fordert es die Kirche heraus? Weil Dialog und Lernen und eine Offenheit für den Geist, den wir nicht beherrschen und dirigieren können, bedeuten, sich verändern zu wollen, nicht bei dem zu bleiben, was immer war, sondern sich für die Möglichkeiten...


Marx, Reinhard
Kardinal Reinhard Marx, geboren 1953, ist seit 2008 Erzbischof von München und Freising. Seit 2014 ist er Koordinator im Vatikanischen Wirtschaftsrat, den Papst Franziskus ins Leben gerufen hat. Kardinal Marx war von 2014 bis 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und bis 2018 Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft.


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