Mattke / Streeck / König | Praxis stationärer und teilstationärer Gruppenarbeit (Leben Lernen, Bd. 279) | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 279, 231 Seiten

Reihe: Leben lernen

Mattke / Streeck / König Praxis stationärer und teilstationärer Gruppenarbeit (Leben Lernen, Bd. 279)

Rahmenbedingungen - Gruppendynamik - Praxiseinblick

E-Book, Deutsch, Band 279, 231 Seiten

Reihe: Leben lernen

ISBN: 978-3-608-10826-2
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Was geschieht in stationärer Gruppentherapie und wie ist diese Behandlungsform effektiver zu nutzen? Was müssen Patienten vorher wissen und über welche Kenntnisse und Techniken sollte der

Gruppenpsychotherapie ist ein höchst wirksames und effektives therapeutisches Mittel, das zum Behandlungsstandard aller stationären psychotherapeutischen Einrichtungen gehört. Nicht selten jedoch wird die Gruppenleitung unerfahrenen ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen überlassen, die gar keine Chance haben, der anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Drei Gruppentherapie-Experten formulieren in diesem Buch deshalb grundsätzliche Überlegungen zu Theorie und Praxis einer stationären Gruppentherapie:
• Der interaktionelle Raum in stationären Gruppen und die Besonderheiten der stationären Therapie
• Vorbereitung der PatientInnen sowie Rolle und Haltung des Gruppenleiters
• Grundregeln und therapeutische Techniken in zahlreichen Praxisbeispielen 

- Das erste Buch, das auf die aktuelle Situation im stationären Gesundheitswesen in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeht
- Drei führende Experten zur Gruppenpsychotherapie
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II Gruppe als Chance – Interpersonelle Beziehungen im Brennpunkt
Ulrich Streeck »Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst beschäft’gen, wenn es nur so nützlich wäre. Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur das Leben lehret jedem was er sey.« (J. W. Goethe: ›Torquato Tasso‹) 1 Gruppentherapie – eine ungeliebte Pflichtveranstaltung in der stationären Psychotherapie?
In vielen psychotherapeutischen und psychosomatischen Kliniken und Abteilungen ist Gruppenpsychotherapie ein fester Bestandteil der Behandlung. Dennoch fristet Gruppenpsychotherapie dort nicht selten ein schwieriges Dasein. In der einen Einrichtung wird Therapie in der Gruppe nur als Beiwerk zur ›eigentlichen‹ Therapie gesehen; in einer anderen werden Gruppen von Mitarbeitern geleitet, die für Gruppenpsychotherapie weder ausgebildet sind noch gründlich dazu angeleitet wurden; häufiger fehlt eine stringente Konzeptualisierung der gezielten Einbindung von Gruppenpsychotherapie in die stationäre Gesamtbehandlung; in wieder anderen Einrichtungen sollen die Patienten angesichts zunehmend kürzerer Verweildauern ›in möglichst kurzer Zeit an möglichst vielen Therapien teilnehmen‹; und manchmal wird Gruppenpsychotherapie wie eine ›quantité négligeable‹ behandelt aus der irrigen Auffassung heraus, dass therapeutische Arbeit in und mit Gruppe nur dann effektiv sei, wenn die Therapie in irgendeine angenommene ›Tiefe unbewussten Erlebens‹ vorzudringen in der Lage sei. So kann es leicht dazu kommen, dass ein potentiell höchst effektives therapeutisches Mittel (z. B. Mattke, Tschuschke, 1997; Tschuschke, Mattke, 1997; Strauß, 2009; Tschuschke, 2010) wie eine ungeliebte, wie nebenher durchgeführte Pflichtveranstaltung gehandhabt wird. Das führt dann im Weiteren dazu, dass sich die reservierte oder gar ablehnende Haltung gegenüber Gruppenpsychotherapie auch den Patienten mitteilt und das therapeutische Potential von Gruppenpsychotherapie leichtfertig und unnötig verschenkt wird. Dabei kann Gruppenpsychotherapie in der stationären Psychotherapie ein nachhaltig wirksames therapeutisches Mittel sein. Damit das so ist, müssen allerdings entsprechende Voraussetzungen gewährleistet sein. Dazu gehört vor allem, dass die Konzepte, auf die sich die gruppentherapeutische Arbeit stützt, den besonderen Bedingungen in psychotherapeutischen, psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken und Abteilungen Rechnung tragen: stationäre Behandlungen sind in der Regel auf wenige Wochen begrenzt; weiter ist Gruppenpsychotherapie meist nur eines von mehreren therapeutischen Mitteln verschiedener methodischer Ausrichtung; die Patienten, die in der therapeutischen Gruppe zusammenkommen, begegnen sich in der Klinik auch außerhalb der Gruppentherapie bei unterschiedlichen Gelegenheiten; die Störungsbilder der Patienten sind oftmals äußerst heterogen; bei vielen Patienten überwiegen entwicklungsbedingte Beeinträchtigungen, in deren Folge basale psychische Funktionen unter Umständen erheblich beeinträchtigt sind; eine Ausrichtung der gruppentherapeutischen Arbeit, die selbstreflexive Fähigkeiten verlangt, ist angesichts der Störungsbilder der Patienten häufig nicht aussichtsreich; und die Teilnahme oder Nicht-Teilnahme von Patienten an einer therapeutischen Gruppe wird bei Weitem nicht immer auf der Grundlage ausreichend gründlicher Erwägungen zur Differentialindikation entschieden. Angesichts derartiger Umstände ist es wenig sinnvoll, wenn mit der Behandlung in der Gruppe unbewusst gewordene Beziehungserfahrungen der Vergangenheit in gegenwärtigen Beziehungen wieder aufgespürt und die Sinnhaftigkeit unverstandener, unbewusst gewordener Erfahrungen deutend rekonstruiert werden sollen, wie das in der analytischen Gruppentherapie in der Regel angestrebt wird. Das würde weder den Patienten noch den genannten situativen und institutionellen Bedingungen in der Klinik noch den zur Verfügung stehenden Mitteln für die gruppentherapeutische Arbeit angemessen Rechnung tragen. Ist es also begründet, angesichts der besonderen Umstände in der stationären Psychotherapie – in Rehabilitationskliniken gehören dazu auch die zunehmend gekürzten Verweildauern – Gruppenpsychotherapie für therapeutisch nicht effektiv zu halten oder Gruppen nur für Zwecke der Information von Patienten, für paratherapeutischen Erfahrungsaustausch oder als Beratungsveranstaltung zu nutzen statt als wirkungsvolles psychotherapeutisches Instrument? Das ist entschieden zu verneinen. Therapeutische Arbeit in und mit der Gruppe kann selbst dann, wenn sich die stationäre Behandlung lediglich auf wenige Wochen erstreckt, die psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen der Patienten ausgesprochen günstig beeinflussen. Nicht ganz selten machen engagierte Gruppenpsychotherapeuten die Erfahrung, dass sich Patienten noch nach längerer Zeit an Situationen in der Gruppe erinnern, die für sie wichtig waren: »Wissen Sie«, so ein Patient, als er drei Jahre nach seiner stationären Behandlung dem Gruppentherapeuten zufällig wieder begegnet, »als Sie mir damals in der Gruppe gesagt haben, dass Sie gar keine Lust hätten, mich noch einmal anzusprechen, weil ich mich immer so abweisend verhalten würde, das hat mich so wütend gemacht, aber dann … das hat mir richtig weitergeholfen«. Und nicht nur kann auch eine nur wenige Wochen andauernde therapeutische Gruppe für die Patienten hilfreich und nützlich sein, sie kann auch für einen Gruppenpsychotherapeuten, der sich dafür interessiert, wie und mit welchen vielfältigen und subtilen Mitteln die in der Gruppe Anwesenden ihr Zusammensein regulieren und ihre Beziehungen gestalten, ausgesprochen befriedigend sein. Beides setzt allerdings voraus, dass der Schwerpunkt der Gruppentherapie nicht auf die psychische Binnenwelt, auf unbewusstes Erleben oder ein gemeinsames Gruppenunbewusstes gelegt wird, sondern auf das ›Zwischen‹, auf das ›Wie‹ der Regulierung und Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen, die Mittel und Verfahren, mit denen die Anwesenden in der Gruppe einschließlich des Gruppentherapeuten ihr Zusammensein in jedem Moment hervorbringen und aufrechterhalten (Streeck, Leichsenring, 2015). 2 Der therapeutische Schwerpunkt ›Interpersonalität‹
Indem der Schwerpunkt von Gruppenpsychotherapie im stationären Rahmen nicht auf die seelische Binnen-, sondern auf die soziale Lebenswelt und damit auf die interpersonellen Beziehungen und die Art und Weise gelegt wird, wie und mit welchen Mitteln die Patienten das Zusammensein mit anderen gestalten, ist das Ziel nicht die Aufdeckung und Verarbeitung unbewusster Beziehungserfahrungen des einzelnen Patienten, sondern die Untersuchung und Bearbeitung der Mittel und Methoden, auf die sich die Patienten stützen, wenn sie interpersonelle Beziehungen in der Gruppe und im Weiteren das Zusammensein mit anderen in ihrem sozialen Alltag gestalten und regulieren. Diese Mittel und Methoden, die das Zusammensein mit anderen prägen, gehören zu unserem nicht bewussten Wissen. Stern et al. sprechen von implizitem Beziehungswissen (Boston Change Process Study Group, 2010). Wie und mit welchen Mitteln genau wir Begegnungen mit anderen abwickeln, entzieht sich gewöhnlich unserem bewussten Erleben, ist aber dem Bewusstsein potentiell zugänglich. In implizitem Beziehungswissen, das in sozialer Interaktion zur Geltung kommt, treten wesentliche Aspekte dessen zutage, wie es zu den Schwierigkeiten kommt, die den sozialen Alltag der Patienten, ihr Miteinander mit anderen oftmals so erheblich belasten (Streeck, 2013). Die Behandlung in der Gruppe wird somit auf das ›Wie‹ der manifesten gegenwärtigen interpersonellen Beziehungen und auf die Beeinträchtigungen ausgerichtet, die sich in der Gruppe im interaktiven Vollzug, im ›Zwischen‹, im interpersonellen Geschehen zwischen den Patienten zeigen. Tatsächlich bietet sich kaum irgendwo sonst die Möglichkeit, ›Störungen des Sozialen‹ (Möller et al., 1996) so nachhaltig der therapeutischen Arbeit zugänglich zu machen wie in der Gruppenpsychotherapie. Wie das geschieht, wie in der therapeutischen Gruppe im Rahmen stationärer Behandlungen das ›Zwischen‹ zum Schwerpunkt der therapeutischen Arbeit gemacht werden kann und welche therapeutischen Mittel und therapeutischen Techniken sich dafür anbieten, um die Gestaltung und Regulierung manifester interpersoneller Beziehungen in der therapeutischen Gruppe zu untersuchen und zu bearbeiten, soll im Folgenden dargestellt werden. 3 Zum therapeutischen Nutzen des Schwerpunktes ›interpersonelle Beziehungen‹
Warum ist es sinnvoll und nützlich, im Rahmen stationärer Behandlungen von psychisch und psychosomatisch Kranken einen Schwerpunkt der Therapie nachdrücklich auf die interpersonellen Beziehungen der Patienten zu legen? Sind nicht die Probleme, die das alltägliche soziale Leben der Patienten belasten, lediglich Folge ihrer seelischen Beeinträchtigungen? Weil nur eine individuelle Person krank sein kann und somit auch eine seelische oder psychosomatische Krankheit nur eine einzelne Person haben kann, wird in der Psychotherapie und Psychiatrie meist wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass diese interpersonellen Beeinträchtigungen eine Folge der seelischen Krankheit – tatsächlich ist der Ausdruck ›seelische Krankheit‹ zunächst einmal nicht mehr als eine Metapher – sind, die ihren Sitz in der einzelnen Person hat, in ihren Körpersäften, in ihren Neurotransmittern, in gelernten abweichenden Überzeugungen oder in traumatischen Erfahrungen....


Mattke, Dankwart
Dr. med. Dankwart Mattke, Psychiater und Psychoanalytiker, war als Leitender Arzt in der Rhein-Klinik Bad Honnef tätig; derzeit führt er eine fachärztliche Praxis für psychosomatische Medizin und Psychotherapie in München; Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung speziell für Gruppenpsychotherapie in Kliniken und Praxen.

Streeck, Ulrich
Ulrich Streeck, Prof. Dr. med. habil., M. A., Arzt fu¨r Psychiatrie und Psychotherapie, Arzt fu¨r psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist Psychoanalytiker, Soziologe und Sozialpsychologe; ehem. A¨rztlicher Direktor der Klinik Tiefenbrunn in Rosdorf bei Go¨ttingen.

König, Oliver
Oliver König (1951), Dr. phil. habil.; Studium der Pädagogik, Soziologie und Psychologie an den Universitäten Köln und Ann Arbor, Michigan (USA); Promotion in Soziologie (Frankfurt a. M.) und Habilitation in angewandter Sozialwissenschaft (Kassel). Trainer für Gruppendynamik in der Deutschen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsdynamik (DGGO), Supervisor (Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching), Heilpraktiker (Psychotherapie). Tätigkeit in eigener Praxis in Supervision, Beratung, Training, und in der Lehre. Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift Familiendynamik. Diverse Veröffentlichungen.

>> Kontakt: okoenig@netcologne.de, www.oliverkoenig-homepage.de

Dr. med. Dankwart Mattke, Psychiater und Psychoanalytiker, war als Leitender Arzt in der Rhein-Klinik Bad Honnef tätig; derzeit führt er eine fachärztliche Praxis für psychosomatische Medizin und Psychotherapie in München; Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung speziell für Gruppenpsychotherapie in Kliniken und Praxen.
Ulrich Streeck, Prof. Dr. med. habil., M. A., Arzt fu¨r Psychiatrie und Psychotherapie, Arzt fu¨r psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist Psychoanalytiker, Soziologe und Sozialpsychologe; ehem. A¨rztlicher Direktor der Klinik Tiefenbrunn in Rosdorf bei Go¨ttingen.

Oliver König (1951), Dr. phil. habil.; Studium der Pädagogik, Soziologie und Psychologie an den Universitäten Köln und Ann Arbor, Michigan (USA); Promotion in Soziologie (Frankfurt a. M.) und Habilitation in angewandter Sozialwissenschaft (Kassel). Trainer für Gruppendynamik in der Deutschen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsdynamik (DGGO), Supervisor (Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching), Heilpraktiker (Psychotherapie). Tätigkeit in eigener Praxis in Supervision, Beratung, Training, und in der Lehre. Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift Familiendynamik. Diverse Veröffentlichungen.

>> Kontakt: okoenig@netcologne.de, www.oliverkoenig-homepage.de


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