Mayer | Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 4, 179 Seiten

Reihe: Praxis der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik

Mayer Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen

E-Book, Deutsch, Band 4, 179 Seiten

Reihe: Praxis der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik

ISBN: 978-3-497-61605-3
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Lese- und Rechtschreibstörungen gehören zu den häufigsten Entwicklungsstörungen im Kindesalter. LehrerInnen und TherapeutInnen müssen über Ursachen und spezifische Defizite informiert sein, damit sie die Kinder individuell und zielgerichtet fördern können. Der Autor beschreibt anschaulich und verständlich die Zusammenhänge zwischen der phonologischen Informationsverarbeitung, sprachlichen Fähigkeiten und unterschiedlichen Teilkompetenzen des Lesens und Schreibens. Die zahlreichen Praxisvorschläge berücksichtigen alle Ebenen, die in einem umfassenden Erstleseunterricht an Grund- und Förderschulen sowie in der Legasthenietherapie wichtig sind: Förderung der phonologischen Bewusstheit, Automatisierung der Graphem-Phonem-Korrespondenzen, Erlernen des phonologischen Rekodierens, Automatisierung der Worterkennung, Leseverständnis, schriftsprachlicher Ausdruck und Rechtschreibung. Die Reihe "Praxis der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik" wird herausgegeben von Prof. Dr. Manfred Grohnfeldt.
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Zielgruppe


SprachheilpädagogInnen, LehrerInnen an Grundschulen, LegasthenietherapeutInnen


Autoren/Hrsg.


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2Der ungestörte Schriftspracherwerb 2.1Allgemeines Schriftspracherwerb als Entwicklungsprozess Die frühe Erforschung des Schriftspracherwerbs ging davon aus, dass es sich beim Lesen- und Schreibenlernen um einen zeitlich begrenzten, in sich geschlossenen Lernprozess handelt, bei dem anfänglich erworbene Fähigkeiten sukzessive perfektioniert werden. Heute weiß man, dass es sich um einen Entwicklungsprozess handelt, der sich in unterschiedliche Phasen gliedern lässt, in denen sich die Kinder von unterschiedlichen Strategien leiten lassen. Frith (1986) betonte bereits in den 1980er Jahren, dass der Schriftspracherwerb kein linearer Vorgang ist, bei dem das Kind von Anfang an dasselbe Verständnis von Schriftsprache hat wie Erwachsene und diese Tätigkeit perfektioniert (wie z. B. beim Fahrradfahren), sondern dass das (meta)sprachlich-kognitive System im Laufe der Entwicklung qualitativen Umstrukturierungen unterworfen ist, die sich als unterschiedliche Phasen mit jeweils dominanten Strategien kennzeichnen lassen. Entwicklungs-modelle Auf der Grundlage dieser Annahme und der Analyse kindlicher Schreib- und Leseversuche während des Schriftspracherwerbs wurden auch für den deutschsprachigen Raum zahlreiche Entwicklungsmodelle entworfen. Diese stimmen in ihren Grundzügen überein und lassen sich vor allem in der Terminologie und Differenziertheit einzelner Phasen unterscheiden. Tab. 2 gibt einen Überblick über einige Entwicklungsmodelle. Vor der Skizzierung der einzelnen Phasen sei auf einige wesentliche Aspekte hingewiesen. Fokussierung der Verarbeitung isolierter Wörter Die Entwicklungsmodelle beschreiben schriftsprachliche Kompetenzen nicht umfassend, sondern fokussieren die kontextfreie rezeptive und produktive Verarbeitung von Wörtern und damit die Fähigkeit, einzelne Wörter lesen und schreiben zu können. Das Leseverständnis und der schriftsprachliche Ausdruck werden in den Modellen nicht berücksichtigt. Dadurch wird bereits deutlich, dass der kontextfreien Worterkennung beim Erwerb der Schriftsprache eine zentrale Bedeutung zukommt. Auch Lese-Rechtschreibstörungen werden nicht aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Leseverständnis oder einem mangelnden schriftsprachlichen Ausdruck, sondern aufgrund von Beeinträchtigungen im Bereich der Worterkennung und der Rechtschreibung diagnostiziert. Auch in der Literatur lassen sich zahlreiche Hinweise darauf finden, dass sich leseschwache Kinder am besten durch ihre beeinträchtigte Worterkennung charakterisieren lassen (Ehri?/?Wilce 1983; Torgesen et al. 1997). Im deutschsprachigen Raum haben Kinder mit Lese-Rechtschreibstörungen in der rezeptiven Modalität des Lesens v. a. Schwierigkeiten mit der Automatisierung der Worterkennung. In der produktiven Modalität bereitet ihnen die Anwendung des silbischen und morphematischen Prinzips Probleme. Das Erlernen des alphabetischen Prinzips der Schriftsprache ist aufgrund der Transparenz der deutschen Orthographie dagegen weniger betroffen. Tab. 2: Entwicklungsmodelle zum Schriftspracherwerb Frith 1986 Günther 1986 Scheerer-Neumann 1987 (zit. nach Valtin 2000) Ehri 1992 Klicpera et al. 2020 Kirschhock 2004 präliteral-symbolische Phase Nachahmung äußerer Verhaltensweisen präliteral-symbolische Strategie logographisch logographemische Phase Kenntnis einzelner Buchstaben anhand figurativer Merkmale visual-cue-reading (pre-alphabetic phase) präalphabetische Phase (rudimentäre logographische Phase) logographemische Strategie alphabetisch alphabetische Phase –  beginnende Einsicht in den Buchstaben-Laut-Bezug –  Einsicht in den Buchstaben-Laut-Bezug phonetic-cue-reading (rudimentary alphabetic phase, partial alphabetic phase) alphabetische Phase mit geringer Integration alphabetische Strategie –  beginnende –  teilweise entfaltete –  weitgehend entfaltete –  voll entfaltete orthographisch orthographische Phase Verwendung orthographischer bzw. sprachstruktureller Elemente full alphabetic phase partiell lexikalisches Lesen orthographische Strategie –  beginnende –  teilweise entfaltete –  weitgehend entfaltete –  voll entfaltete integrativ-automatisierte Phase Automatisierung von Teilprozessen consolidated-alphabetic-reading (cipher-sight-word-reading) alphabetische Phase mit voller Integration keine streng trennbaren Phasen Die für die einzelnen Stufen typischen Strategien dürfen nicht als streng voneinander zu trennende Phasen interpretiert werden. Sie entwickeln sich zum Teil parallel und überlappen sich. Klicpera et al. (2020, 31) betonen, dass ihr „Kompetenzentwicklungsmodell“ „weniger eine eindeutige Abfolge bestimmter Entwicklungsphasen […] [vorsieht], sondern […]sich an den wesentlichen Lesekompetenzen [orientiert], die im Lauf der Entwicklung zu erwerben sind“. Auch Günther (1986) betont, dass es Überlappungen und fließende Übergänge gibt. So wäre es ein Trugschluss anzunehmen, dass Kinder Wörter zunächst ausschließlich mit Hilfe der alphabetischen Strategie aufschreiben, bevor sie sukzessive orthographische Konventionen anzuwenden lernen. Die Ergebnisse der Wiener Längsschnittstudie (zit. nach Klicpera et al. 2020, 39) zeigen vielmehr „dass die beträchtliche Verbesserung der Rechtschreibfertigkeit vom Ende der ersten bis zum Ende der vierten Klasse mit einer steten und gleichmäßigen Reduktion beider Fehlerarten [i. e. phonologische und orthographische Fehler; A. M.] einhergeht.“ Auch Costard (2007) geht davon aus, dass sich die unterschiedlichen Strategien von Beginn an gleichzeitig entwickeln und sich wechselseitig positiv beeinflussen. Während häufig vorkommende Wörter bereits sehr früh auf automatisiertem Weg verarbeitet werden und orthographisch richtig geschrieben werden, werden unvertraute Wörter auch später noch mittels alphabetischer Strategie gelesen und geschrieben. keine Berücksichtigung der phonologischen Informationsverarbeitung Obwohl die Bedeutung der phonologischen Informationsverarbeitung für einen erfolgreichen Schriftspracherwerb stets betont wird, wird in keinem der Entwicklungsmodelle explizit darauf Bezug genommen. So beschreiben Klicpera et al. (2020) die metalinguistische Bewusstheit zwar als Vorläuferfertigkeit des Schriftspracherwerbs, ohne dass die Zusammenhänge jedoch spezifiziert oder in ihr Modell integriert würden. Auch die Bedeutung der beiden anderen Funktionen der phonologischen Informationsverarbeitung für den Schriftspracherwerb (Benennungsgeschwindigkeit und phonologisches Arbeitsgedächtnis) wird in keinem der Modelle erwähnt. Im Folgenden wird versucht, die Entwicklung der Lese-Rechtschreib-Fähigkeiten unter Berücksichtigung der wichtigsten Modelle zu skizzieren, sowie die Einflüsse der phonologischen Informationsverarbeitung und der lautsprachlichen Fähigkeiten zu integrieren. 2.2Präliterale Vorläuferfähigkeiten Bedeutung der Bilderbuchbetrachtung Ergänzend zum Modell von Frith (1986) werden von Günther (1986) präliteral-symbolische Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schriftsprach-erwerb betont. Scheerer-Neumann (1987, zit. nach Valtin 2000) und Kirschhock (2004) bezeichnen eine entsprechende Phase allgemein als „Nachahmen äußerer Verhaltensweisen“, in Bezug auf das Lesen als „Als-ob“-lesen und auf das Schreiben als „Kritzeln“. Auf der Ebene der Rezeption stellt die Fähigkeit, Bilder(-bücher) zu betrachten und daraus Informationen zu entnehmen, eine zentrale Komponente der präliteral-symbolischen Phase dar. Im Vergleich zur Betrachtung eines realen Gegenstandes wird dieser im Buch nur abgebildet so dass eine Reduktion auf zweidimensionale Flächen stattfindet und deshalb ein höheres Maß an Abstraktionsfähigkeit gefordert ist. Da aber der Gegenstand selbst dargestellt wird und keine Symbolisierung stattfindet, bleiben diese Erfahrungen präliteral. Der bildlichen Wahrnehmung kommt eine vermittelnde Funktion zwischen präliteraler und literaler Tätigkeit zu (Günther 1986). Anregungen, wie die Bilderbuchbetrachtung im Kindergarten und Unterricht gewinnbringend eingesetzt werden kann, finden...


Prof. Dr. Andreas Mayer ist Inhaber des Lehrstuhls für Sprachheilpädagogik (Sprachtherapie und Förderschwerpunkt Sprache) an der Ludwig-Maximilians-Universität München


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