Maywald | Kinderrechte und Kinderschutz im Ganztag | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Maywald Kinderrechte und Kinderschutz im Ganztag

Kinder beteiligen, fördern, schützen

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-451-83174-4
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor Gefahren für sein Wohl. Körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt im Bereich der Familie gehören ebenso dazu wie Fehlverhalten durch Fachkräfte sowie Übergriffe unter Kindern. Im Buch wird dargestellt, was unter einem kinderrechtsbasierten Kinderschutz zu verstehen ist. Anhand zahlreicher Beispiele wird erörtert, wie der Ganztag zu einem sicheren Ort für Kinder werden kann.
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2 Kinderrechte – ein Blick zurück nach vorn
IN DIESEM KAPITEL ERFAHREN SIE, • wie sich das Bild vom Kind allmählich gewandelt hat • auf welche Weise die Rechte der Kinder weltweit Anerkennung gefunden haben • welche Kinderrechte sich in Deutschland durchgesetzt haben 2.1 Der gesellschaftliche Wandel im Bild vom Kind
Kinder als eigenständige Persönlichkeiten und Träger eigener Rechte anzusehen ist historisch betrachtet relativ neu. Das hängt mit dem Wandel im Bild vom Kind zusammen. Über Jahrtausende hinweg galten Kinder als noch nicht vollwertige Menschen, den Erwachsenen in jeder Hinsicht unterlegen und ihnen rechtlich nicht gleichgestellt. Kindheit wurde als Phase menschlicher Unvollkommenheit angesehen, die es so schnell wie möglich zu überwinden galt. Im Verhältnis der Generationen waren die jüngsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft zugleich diejenigen mit den geringsten Rechten. Im patriarchalischen römischen Recht lag es in der Hand des Vaters, ein neu geborenes Kind anzunehmen oder eben nicht (ius vitae et necis: Recht über Leben und Tod). In vielen Fällen wurden Mädchen, die als weniger wertvoll angesehen wurden, und in den meisten Fällen Kinder mit Behinderungen nicht angenommen und waren damit dem Tode geweiht. Tiefgreifende Veränderungen setzten vor rund zweitausend Jahren ein, nicht zuletzt unter dem Einfluss der großen Weltreligionen. Kinder erhielten das Recht auf Leben, Kindesaussetzungen und Kindestötungen wurden verboten. An vielen Orten entstanden Findel- und Waisenhäuser. Im Zuge der Aufklärung wandelte sich das Bild vom Kind erneut. Die Kindheit als Erfindung der Moderne – als Lebensabschnitt mit eigenen Bedürfnissen – wurde geboren. Zu der Anerkennung des eigenständigen Lebensrechts des Kindes trat die Auffassung hinzu, dass Kinder einer besonderen Förderung bedürfen. Der Kindergarten und die Schule kamen als Orte der Erziehung zur Familie hinzu. Verbote von „grober“ Misshandlung und „unangemessener“ Züchtigung durch Eltern, Lehrer, Lehrherren sowie Heim- und Gefängnisaufseher sollten die schlimmsten Auswüchse von Gewalt gegen Kinder verhindern. Erste Bestrebungen, Kinder nicht mehr nur als Objekte der Erwachsenen anzusehen, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit eigenen Rechten, sind kaum mehr als hundert Jahre alt. Und erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Kinder auf globaler Ebene allmählich als Träger von Rechten anerkannt. 2.2 Kinderrechte international
Unter dem Eindruck massenhaften Kinderelends infolge des Ersten Weltkriegs gründete die englische Grundschullehrerin Eglantyne Jebb 1920 das britische Komitee „Save the Children International Union“ als ersten internationalen Lobbyverband für die Interessen von Kindern. Ein von ihr entworfenes Fünf-Punkte-Programm (Children’s Charter) enthielt grundlegende Schutzverpflichtungen der Erwachsenen gegenüber den Kindern und endete mit der Aufforderung, Kinder im Geiste des internationalen Friedens zu erziehen. Der 1919 gegründete Völkerbund übernahm diese Charta und verkündete sie 1924 als „Genfer Deklaration über die Rechte des Kindes“. Etwa zeitgleich proklamierte Janusz Korczak, polnischer Kinderarzt und Pädagoge jüdischer Abstammung, in den 1920er Jahren ein Recht jedes Kindes auf unbedingte Achtung seiner Persönlichkeit als Grundlage sämtlicher Kinderrechte. Als Leiter eines jüdischen Waisenhauses in Warschau forderte er umfassende Mitwirkungsrechte für Kinder und überwand damit die Vorstellung einer allein von Schutz und Forderung geprägten Sichtweise zugunsten eines Bildes vom Kind, das von Gleichwertigkeit und Respekt geprägt wird. „Das Kind wird nicht erst ein Mensch, es ist schon einer“ lautete die Quintessenz seiner der damaligen Zeit weit vorauseilenden Anschauung. Nach den Rückschlägen durch Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg setzten die Vereinten Nationen als Nachfolger des Völkerbundes die Beratungen über Menschen- und Kinderrechte fort. Bereits 1945 wurde in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen verabschiedet, 1948 folgte in Paris die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Rund zehn Jahre später standen die Kinderrechte erneut auf der Tagesordnung. Ein überarbeiteter und auf zehn Artikel erweiterter Text der „Genfer Deklaration“ wurde 1959 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen als „Deklaration über die Rechte des Kindes“ verabschiedet. In dieser nicht rechtsverbindlichen Deklaration wird das Kind erstmals auf internationaler Ebene als Träger eigener Rechte bezeichnet. Außerdem wurde der Begriff des Kindeswohls (best interests of the child) eingeführt. Vor dem Hintergrund großer Hungerkatastrophen, aber auch aufgrund der Erfahrung von Entkolonialisierung und weltweiter Freiheitsbestrebungen trat in den 1970er Jahren die immense Ungleichheit von Lebenschancen der Kinder immer stärker in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. In der Folge nahmen sich die Vereinten Nationen erneut der Sache der Kinder an. Anlässlich des 20. Jahrestages der Verabschiedung der „Deklaration über die Rechte des Kindes“ beschloss die UN-Vollversammlung, das Jahr 1979 zum „Internationalen Jahr des Kindes“ auszurufen. Außerdem beauftragte sie auf Initiative Polens hin eine Arbeitsgruppe, eine völkerrechtsverbindliche Kinderrechtskonvention zu erarbeiten. Zehn Jahre später wurde dann am 20. November 1989 in der 44. Vollversammlung der Vereinten Nationen die Konvention über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) einstimmig verabschiedet. Die Kinderrechtskonvention ist das weltweit am meisten ratifizierte Menschenrechtsübereinkommen. Insgesamt 196 Staaten haben sie ratifiziert und die Konvention damit innerstaatlich für verbindlich erklärt. Lediglich die USA stimmten zwar der Verabschiedung zu, gehören jedoch nicht zu den Ratifikationsstaaten. Zwölf Jahre nach Inkrafttreten der Konvention fand 2002 in New York eine Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zu Kindern statt, der sogenannte Weltkindergipfel, in dessen Rahmen der Internationale Aktionsplan „A World fit for Children“ verabschiedet wurde. In Ergänzung zur UN-Kinderrechtskonvention traten 2002 die beiden Fakultativprotokolle über „Kinder in bewaffneten Konflikten“ und „Betreffend den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie“ in Kraft. Im Jahr 2014 folgte das Fakultativprotokoll betreffend ein Individualbeschwerdeverfahren, das Kindern, deren Rechte nach der Konvention verletzt wurden, unter bestimmten Umständen eine Beschwerde beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf ermöglicht. Auch die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten bekennt sich zu unveräußerlichen Menschenrechten. Die 2009 in Kraft getretene Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält einen eigenen Artikel „Kinderrechte“. In Artikel 24 (Rechte des Kindes) sind die wichtigsten Rechte der UN-Kinderrechtskonvention niedergelegt. Entwicklung der Kinderrechte weltweit 1924: Völkerbund verabschiedet „Genfer Deklaration über die Rechte des Kindes“; Schutzverpflichtungen der Erwachsenen gegenüber Kindern 1945: Charta der Vereinten Nationen 1948: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1959: Vereinte Nationen verabschieden „Deklaration über die Rechte des Kindes“; Kinder werden erstmals als Träger von Rechten bezeichnet; der Begriff des Kindeswohls (best interests of the child) wird eingeführt 1979: Internationales Jahr des Kindes 1989: Vollversammlung der Vereinten Nationen beschließt einstimmig die Konvention über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) 2002: Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zu Kindern in New York (Weltkindergipfel); Verabschiedung des Internationalen Aktionsplans „A World fit for Children“ 2002: Fakultativprotokolle zur UN-Kinderrechtskonvention über „Kinder in bewaffneten Konflikten“ und „Betreffend den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie“ treten in Kraft 2006: Die Vereinten Nationen verabschieden die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, u. a. mit der Verpflichtung in Artikel 24, ein inklusives Bildungssystem aufzubauen) 2014: Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betreffend ein Individualbeschwerdeverfahren tritt in Kraft 2.3 Die Entwicklung der Kinderrechte in Deutschland
Auch in Deutschland ist es zu einem tiefgreifenden und noch nicht abgeschlossenen Perspektivenwechsel gekommen, was das gesellschaftliche Bild vom Kind und die Rechte von Kindern betrifft. Auch hierzulande werden Kinder rechtlich weitgehend nicht mehr als Objekte der Erwachsenen, sondern als Subjekte und Träger eigener Rechte behandelt. Ein erster Schritt zur Formulierung eigener Kinderrechte...


Maywald, Jörg
Dr. Jörg Maywald ist Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums. Von 1995 bis 2021 war er Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind, von 2002 bis 2022 Sprecher der National Coalition Deutschland, dem Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Seit 2011 ist er Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam.

Dr. Jörg Maywald ist Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums. Von 1995 bis 2021 war er Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind, von 2002 bis 2022 Sprecher der National Coalition Deutschland, dem Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Seit 2011 ist er Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam.


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