Mazzucato / Collington | Die große Consulting-Show | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 328 Seiten

Mazzucato / Collington Die große Consulting-Show

Wie die Beratungsbranche unsere Unternehmen schwächt, den Staat unterwandert und die Wirtschaft vereinnahmt

E-Book, Deutsch, 328 Seiten

ISBN: 978-3-593-45363-7
Verlag: Campus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Es gab Zeiten, da haben Berater einfach Firmen beraten, heute steuern sie in vielen Ländern die Regierungsgeschäfte und beeinflussen die Gesetzgebung. Das Outsourcing von staatlichen Aufgaben hat exorbitant zugenommen, Unsummen an Steuergeldern fließen in die Consulting-Industrie. Ein undurchschaubares System von Verträgen ist entstanden und macht die Frage nach Verantwortlichkeiten kompliziert. Dies ist eine sehr gefährliche Entwicklung, sagt Starökonomin Mariana Mazzucato: Je mehr der Staat an Ressourcen und Wissen verliert, umso mehr verlernt er, seine eigenen Aufgaben zu erfüllen. Gemeinsam mit Rosie Collington enthüllt sie das ganze Ausmaß der Machtverschiebung, legt die Abhängigkeiten offen und zeigt, wie der öffentliche Sektor und damit unsere Demokratie wieder gestärkt werden können.

Mariana Mazzucato ist Professorin für Innovationsökonomie und Public Value am University College London, wo sie das Institute for Innovation and Public Purpose leitet. Zu ihren preisgekrönten Veröffentlichungen gehören die Bücher »Das Kapital des Staates« (2014/2023), »Wie kommt der Wert in die Welt?« (2019) und »Mission. Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft« (2021). Ihre Arbeit wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem John von Neumann Award 2020 und dem Leontief Prize for Advancing the Frontiers of Economic Thought 2018. Sie ist Vorsitzende des Economic Council on Health for All der Weltgesundheitsorganisation, Co-Vorsitzende der Global Commission on the Economics of Water und Mitglied des High-level Advisory Board on Economic and Social Affairs der Vereinten Nationen.
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Kapitel 1
Einführung: Die große Consulting-Show – eine Bauernfängerei
Die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit – von Pandemien bis zur Klimakrise – erfordert Entschlossenheit und Mut. Alle Arten von Organisationen in unseren Volkswirtschaften müssen mit Erfahrung und technischem Wissen geleitet werden und brauchen Menschen mit Managementfähigkeiten. Unternehmen, Regierungen und Organisationen aus der Zivilgesellschaft, die solche Kompetenzen besitzen, können dann zusammenarbeiten, um unsere kollektiven sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedürfnisse zu erfüllen. Doch das beschreibt nicht die Welt, in der wir leben. Viele Staaten investieren kaum noch in ihre eigenen Kapazitäten und Fähigkeiten, und weil sie Misserfolge fürchten, gehen sie keine Risiken ein. Viele Unternehmen scheuen die Verantwortung, die mit Veränderungen einhergeht, und konzentrieren sich ganz darauf, mithilfe simpler, unproduktiver Strategien kurzfristige Profite zu erzielen – etwa, indem sie ihre eigenen Aktien zurückkaufen, um deren Kurs in die Höhe zu treiben, oder indem sie ihren Beschäftigten keine fairen Löhne bezahlen. Schlechte Führung in Unternehmen und im Staatswesen hatte im letzten halben Jahrhundert zur Folge, dass die Orientierung an kurzfristigen Zielen die für den Fortschritt notwendigen Investitionen in den Hintergrund gedrängt hat. Infolge dieser Trends mangelt es heute in vielen Organisationen an Wissen, Fähigkeiten und Visionen. Eine Gruppe von Akteuren jedoch hat diese Spielart des Kapitalismus mit dem damit einhergehenden Verlust an Kompetenzen weidlich ausgenutzt und dabei hohe Summen eingestrichen: die Consultingbranche. Consultingunternehmen wie McKinsey, die Boston Consulting Group (BCG) und Bain & Company (oft bezeichnet als die »Big Three« der Strategieberatungen) sowie PwC, Deloitte, KPMG und EY (die »Big Four« der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) werden von Regierungen, Unternehmen und anderen Organisationen beauftragt, verschiedene Arten von Aufgaben in ihrem Namen zu übernehmen. Wenn Unternehmen Beratungsfirmen engagieren, haben ihre Aufträge manchmal mit Unternehmensstrategie zu tun, manchmal mit Management und mit der Durchführung eines bestimmten Projekts und manchmal mit einer bestimmten Leistung wie IT oder Finanzplanung. Regierungen schalten oft Beratungsfirmen ein, damit diese ihnen bei der Erfüllung kritischer Aufgaben helfen. Das reicht von der Entwicklung von Strategien zur Anpassung an den Klimawandel über das Ausrollen einer Impfkampagne bis zur Abwicklung von Sozialleistungen. Heute hat die Consultingbranche eine enorme Größe erreicht, und die Aufträge haben ein horrendes Volumen. Es sieht nicht danach aus, als würde sich das Wachstum der Branche verlangsamen. Die Schätzungen hinsichtlich des globalen Markts für Consultingdienstleistungen reichten 2021 von knapp 700 Milliarden US-Dollar bis zu mehr als 900 Milliarden US-Dollar1 (525 Milliarden Pfund bis 674 Milliarden Pfund) – dennoch vermitteln diese Zahlen kein vollständiges Bild von den Aktivitäten der Consultingbranche. Allgegenwärtige Berater
Die Omnipräsenz von Beratern in der Wirtschaft ist auffallend. In den ersten beiden Jahren der COVID-19-Pandemie (2020–2021) gaben staatliche Stellen bis dahin ungekannte Summen für Aufträge an große Beratungsunternehmen aus. Bis Juli 2020 hatte sich McKinsey bereits Aufträge im Wert von über 100 Millionen US-Dollar von der US-Bundesregierung für Aufgaben im Zusammenhang mit der Pandemie gesichert.2 In Großbritannien bekam Deloitte 2021 mindestens 279,5 Millionen Pfund von der Zentralregierung.3 Einer Schätzung zufolge wurden im Jahr 2021 in Großbritannien Beratungsaufträge im Wert von mehr als 2,5 Milliarden Pfund von staatlichen Stellen an Beratungsunternehmen vergeben.4 In Italien erhielt McKinsey den Auftrag, das Land dabei zu unterstützen, seinen Anteil am EU-Wiederaufbaufonds nach der Pandemie in Höhe von 191,5 Milliarden Euro zu verwalten.5 Bei vielen globalen wirtschaftlichen Turbulenzen im letzten Jahrzehnt waren Beratungsunternehmen auf den höchsten Ebenen der Entscheidungsfindung mit dabei, von der Schuldenkrise in der Eurozone bis zur Bewältigung der Folgen des Hurrikans Maria in Puerto Rico. In dieser Zeit wurden die Big Three und die Big Four auch engagiert, um beim Entwurf intelligenter Städte zu helfen, nationale Strategien zum Erreichen von Klimaneutralität mitzuentwickeln, Reformen des Bildungswesens zu konzipieren, das Militär zu beraten, den Bau von Krankenhäusern zu leiten, ethische Grundsätze für die Medizin zu formulieren, Steuergesetze zu schreiben, die Privatisierung staatseigener Unternehmen zu überwachen, Fusionen von Pharmafirmen zu managen und die digitale Infrastruktur zahlreicher Organisationen zu betreuen. Verträge mit Beratungsunternehmen decken ganze Wertschöpfungsketten und Sektoren ab, über Länder und Kontinente hinweg, und betreffen alle Ebenen der Gesellschaft. Ist das alles von Bedeutung? Sollten wir uns deswegen Sorgen machen? Helfen die Consultingfirmen nicht einfach ihren Kunden, effizienter zu werden, Dinge zu tun, die die Kunden allein nicht tun könnten? In diesem Buch zeigen wir, warum die Zunahme von Verträgen mit Consultingunternehmen, das Geschäftsmodell der großen Consultingfirmen, die grundlegenden Interessenkonflikte und die mangelnde Transparenz von sehr großer Bedeutung sind. Die Consultingbranche ist heute nicht nur eine helfende Hand, ihr Rat und ihre Handlungen sind nicht einfach rein technisch und neutral in dem Sinne, dass sie für ein effizienteres Funktionieren der Gesellschaft sorgen und die sogenannten Transaktionskosten der Kunden reduzieren. Vielmehr ermöglicht sie die Umsetzung einer bestimmten Sicht der Wirtschaft, die Dysfunktionen in Staat und Unternehmen weltweit erzeugt hat. Die Betrügereien Ende des 19. Jahrhunderts im Goldenen Zeitalter Amerikas, die das Vertrauen der Menschen missbrauchten – im Englischen hat sich dafür die Abkürzung »Cons« (von »confidence«) durchgesetzt –, nutzten das Versprechen exklusiver Informationen, Ehrfurcht einflößende Technologie und sprachliche Tricks für Diebstähle und illegale Formen der Abschöpfung von Reichtum. Bei der großen Consulting-Show geht es nicht um kriminelle Handlungen, sondern um Bauernfängerei. Mit dem Begriff bezeichnen wir den Vertrauenstrick, den die Beratungsbranche bei Aufträgen von ausgehöhlten und ängstlichen staatlichen Institutionen und von Unternehmen, die nur die Maximierung des Shareholder-Value im Auge haben, einsetzt. Solchen Aufträgen verdankt die Branche Einnahmen, die weit über dem tatsächlichen Wert ihrer Leistungen liegen – eine Form von »wirtschaftlichen Renten« oder »Einkommen, das höher als das Entgelt ist, das dem Beitrag eines Produktionsfaktors zur Wertschöpfung entspricht«.6 Diese Renten gründen weniger in dem Eigentum an knappen Ressourcen wertvollen Wissens als vielmehr in der Fähigkeit, einen Eindruck von Mehrwert zu erzeugen. Consultingpraktiken und die immensen Ressourcen und Netzwerke der großen Consultingfirmen tragen dazu bei, den Kunden Vertrauen in den Wert eines Beratungsunternehmens und den Beraterberuf einzuflößen. Beratung ist ein alter Beruf, aber die große Consulting-Show hat sich in den achtziger und neunziger Jahren im Gefolge von Reformen auf beiden Seiten des politischen Spektrums entwickelt – der »neoliberalen« Rechten wie auch der progressiven Anhänger eines »Dritten Wegs«. Unternehmen wurden immer öfter im kurzfristigen Interesse ihrer Shareholder geführt. Öffentliche Sektoren wurden nach dem Credo des New Public Management, des Neuen Steuerungsmodells (NSM) der Verwaltung, umgestaltet – eine politische Agenda, der zufolge Staaten stärker nach Art von Unternehmen funktionieren sollten und die das Vertrauen in die Fähigkeiten von Staatsbediensteten aushöhlte. Diese Trends führten auch zu Unsicherheit bei den Mitarbeitern von Unternehmen und staatlichen Organisationen, weil sie ihre Entscheidungen ständig vor anderen rechtfertigen mussten – leitende Angestellte vor ihren Aktionären und Staatsbedienstete vor einer stets skeptischen Bevölkerung und kritischen Medien,...


Mazzucato, Mariana
Mariana Mazzucato ist Professorin für Innovationsökonomie und Public Value am University College London, wo sie das Institute for Innovation and Public Purpose leitet. Zu ihren preisgekrönten Veröffentlichungen gehören die Bücher »Das Kapital des Staates« (2014/2023), »Wie kommt der Wert in die Welt?« (2019) und »Mission. Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft« (2021). Ihre Arbeit wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem John von Neumann Award 2020 und dem Leontief Prize for Advancing the Frontiers of Economic Thought 2018. Sie ist Vorsitzende des Economic Council on Health for All der Weltgesundheitsorganisation, Co-Vorsitzende der Global Commission on the Economics of Water und Mitglied des High-level Advisory Board on Economic and Social Affairs der Vereinten Nationen.

Collington, Rosie H.
Rosie Collington ist Doktorandin am Institute for Innovation and Public Purpose des University College London, wo sie über politische Ökonomie und Regierungshandeln sowie über die Klimakrise forscht. Ihre Forschungsergebnisse und Artikel wurden in »The Guardian« (London), openDemocracy, New Political Economy und dem Institute for New Economic Thinking veröffentlicht.

Mariana Mazzucato ist Professorin für Innovationsökonomie und Public Value am University College London, wo sie das Institute for Innovation and Public Purpose leitet. Zu ihren preisgekrönten Veröffentlichungen gehören die Bücher »Das Kapital des Staates« (2014/2023), »Wie kommt der Wert in die Welt?« (2019) und »Mission. Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft« (2021). Ihre Arbeit wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem John von Neumann Award 2020 und dem Leontief Prize for Advancing the Frontiers of Economic Thought 2018. Sie ist Vorsitzende des Economic Council on Health for All der Weltgesundheitsorganisation, Co-Vorsitzende der Global Commission on the Economics of Water und Mitglied des High-level Advisory Board on Economic and Social Affairs der Vereinten Nationen.
Rosie Collington ist Doktorandin am Institute for Innovation and Public Purpose des University College London, wo sie über politische Ökonomie und Regierungshandeln sowie über die Klimakrise forscht. Ihre Forschungsergebnisse und Artikel wurden in »The Guardian« (London), openDemocracy, New Political Economy und dem Institute for New Economic Thinking veröffentlicht.


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