McKinley | Die Farm am Eukalyptushain | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 573 Seiten

McKinley Die Farm am Eukalyptushain

Roman

E-Book, Deutsch, 573 Seiten

ISBN: 978-3-8387-1178-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die kleine Kitty wächst in einem Wandertheater auf, mit dem ihre Eltern durch Australien ziehen. Inmitten der bunten Truppe von Sängern, Tänzerinnen und Akrobaten erfährt sie Glück und Geborgenheit - bis ein geheimnisvoller Fremder die Bühne betritt und ihr Leben zum Drama wird ...

Vor der eindrucksvollen Kulisse Australiens inszeniert Tamara McKinley erneut ein Leseerlebnis, das dem grandiosen Schauspiel des Lebens gleicht und doch zum Träumen verführt.
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EINS
1921 Es war Hochsommer. Sechs bunt bemalte Wagen rumpelten langsam über die gewundene, schmale Piste durch das Herz des australischen Outback. »Summers’ Music Hall« stand in leuchtend roten Lettern auf jedem der Wagen, die von schweren Karrenpferden gezogen wurden. Das kastanienbraune Fell und die anmutig gefiederten Fesseln der Tiere glänzten in der Sonne. Die Theatertruppe reiste seit über einem Jahr zusammen. Nun wollte sie nach Charleville, ehe sie sich nach Norden wandte, um den Winter an der Küste von Queensland zu verbringen. Velda Summers saß neben ihrem Mann auf dem Bock und bemühte sich, die bohrenden Kreuzschmerzen zu ertragen. Das Holpern und Schaukeln des Wagens bereitete ihr Übelkeit, und sie konnte das Ende der Reise kaum erwarten. »Wie weit ist es noch?«, fragte sie ihren Mann. Declan sah sie besorgt an. »Das fragst du mich jetzt zum fünften Mal an diesem Vormittag«, sagte er mit seinem anheimelnden irischen Akzent, den das weibliche Publikum so sehr bewunderte. »Geht’s dir nicht gut, Liebste?« Velda legte die Hände auf ihren schwellenden Bauch. »Ich glaube, dem Baby gefällt es nicht, so durchgeschüttelt zu werden«, schmollte sie. »Und ehrlich gesagt, Declan, mir auch nicht.« Sie hob die Lider mit den langen Wimpern, um ihn anzusehen, und milderte ihren nörgelnden Ton mit einem matten Lächeln. Nachsichtig lächelte Declan zurück. Das dunkle Haar fiel ihm in die Stirn, und die Sonne funkelte in seinen braunen Augen. »Wir sind bald da, Darlin’«, sagte er leise. »Dann kannst du dich ausruhen, während wir uns auf die Parade vorbereiten.« Mit einem tiefen Seufzer gab Velda ihm zu verstehen, dass sie darüber nicht glücklich war, und suchte eine bequemere Haltung auf dem harten Bock. Ihr blieb nichts anderes übrig, als dazusitzen und zu leiden, aber auch das Kissen, das sie sich ins Kreuz gestopft hatte, machte die Schmerzen im Rücken nicht erträglicher. Sie schmeckte den Schweiß auf ihrer Oberlippe und zerrte an ihrem Kleid. Der dünne Baumwollstoff klebte ihr am Leib, und trotz des breitkrempigen Hutes, den sie immer trug, um sich vor der Sonne zu schützen, bekam sie allmählich Kopfschmerzen. Die Hitze des Outback hüllte alles ein. Vor ihr gab es kein Entkommen, nicht einmal im Schatten der Bäume. Wolken von Fliegen und Moskitos umwehten sie, und das endlose Zirpen und Schnarren von Insekten summte in ihren Ohren. Veldas Kräfte waren verbraucht; sie welkte wie die fahlgrünen Eukalyptusblätter, die schlaff über ihnen hingen. Wie sehr vermisste sie die kühlen, nebligen Morgen ihrer irischen Heimat, den Duft des Regens auf dem Gras, das Tosen der Brandung an den schwarzen Klippen und den beißenden Geruch des Torffeuers im Herd! »Du bereust es doch nicht, oder?« Declan ließ die Zügel auf den breiten Rücken des Karrenpferdes klatschen, um es zu einer schnelleren Gangart anzutreiben. Velda schob die gefährlichen Gedanken an Irland beiseite, denn sie kamen nur in Augenblicken der Schwäche. Sie wusste, sie würde ihrem Mann bis ans Ende der Welt folgen – selbst wenn es dort so heiß wie in der Hölle und doppelt so ungemütlich wäre. »Niemals«, flüsterte sie. »Wie hätte ich dich auf diesem weiten Weg allein lassen können?« Ihre Antwort schien ihn zufrieden zu stellen. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Panorama vor ihnen zu. Auch Velda betrachtete die meilenweite Leere des sonnengebleichten Grases und der blutroten Erde, und trotz ihrer tapferen Worte spürte sie, wie die tiefverwurzelte Angst zurückkehrte, die immer in ihrem Hinterkopf lauerte. Sie waren so weit weg von jeder Zivilisation, so mutterseelenallein – was, wenn wieder etwas schief ginge? Dieses Australien war ein wildes Land, das selbst dem entschlossensten Herzen Angst einflößen konnte. Und obwohl Declan sie beschützte und umhegte, gab es Augenblicke, in denen sie sich aus ganzem Herzen wünschte, sie wären nicht hergekommen. Die Tränen ließen alles vor ihren Augen verschwimmen, und sie biss sich auf die Unterlippe, als sie an das einsame kleine Grab dachte, das sie vor einem Jahr hinter sich gelassen hatten. Ihr erstes Kind war eine Frühgeburt gewesen und hatte nicht lange genug gelebt, um Atem zu holen. Wahrscheinlich würden sie nie wieder dort vorbeikommen, und die letzte Ruhestätte ihres winzigen Sohnes würde von den Elementen und dem alles überwuchernden Busch verschlungen werden, bis nicht mehr zu erkennen war, dass es ihn je gegeben hatte. Sie kämpfte die Tränen nieder und bemühte sich um Gleichmut angesichts des anstürmenden Gefühls von Einsamkeit und der schmerzlichen Sehnsucht nach ihrer Mutter. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und Declan geheiratet, und sie hatte gewusst, dass sie Irland niemals wiedersehen würde. Dies war ihr gemeinsames Abenteuer: ein neues Leben und vielleicht sogar Ruhm und Reichtum. Für Reue war es jetzt zu spät. Die Sonne stand hoch am Himmel, als die Wagenkolonne auf eine Lichtung im Busch gelangte und die Truppe sich daranmachte, das Lager aufzuschlagen. Charleville war weniger als zwei Meilen weit entfernt, und sie mussten sich für die große Parade bereitmachen, denn das war die Gelegenheit für sie, ein Publikum zusammenzutrommeln, Flugblätter zu verteilen und den Leuten einen Vorgeschmack auf das zu geben, was sie erwartete, wenn sie ihre zwei Penny Eintrittsgeld bezahlten. Declan hob Velda vom hohen Wagen herunter und stellte sie behutsam auf die Füße. »Ich habe Kissen und Decken dort unter den Baum gelegt«, sagte er. »Geh und ruh dich aus, während ich diese eigensinnige Bande zur Ordnung rufe.« Velda streichelte seine Wange. Sie las die Angst um sie und ihr ungeborenes Kind in seinen Augen. »Hab ich dir je gesagt, wie sehr ich dich liebe?«, flüsterte sie, und ihre missmutige Laune war vergessen. »Schon oft, mein Liebling«, antwortete er und küsste sie. »Aber ich kann es gar nicht oft genug hören.« Er hielt sie sanft in den Armen und spürte, wie das Baby sich bewegte. Dann verschwand er im Kreis der Wagen und erteilte seine Befehle. Seine volltönende, dunkle Stimme hallte durch die Stille der Buschlandschaft. »Meine Güte, macht der einen Wirbel!«, knurrte Poppy und nahm Velda beim Arm. Velda lächelte und dehnte ihren Rücken. Poppy war genau wie sie selbst zweiundzwanzig, und die kleine Cockney-Tänzerin war ihr in den zwölf Monaten, die sie zusammen verbracht hatten, eine gute Freundin geworden. »Er will nur, dass alles bereit ist«, sagte sie. »Dann wollen wir dich mal unterbringen. Du siehst ziemlich erledigt aus.« Velda gestand wortlos ein, dass sie erschöpft war. »Ich wünschte, ich hätte wenigstens halb so viel Energie wie du, Poppy. Macht dir die Hitze nie zu schaffen?« Poppys wasserstoffblondes Haar leuchtete in der Sonne, und die Sommersprossen auf ihrer Nase tanzten, als sie lachte. »Wenn du zwanzig Winter in London hinter dir hast, bist du froh über jedes bisschen Wärme. Ich krieg nicht genug davon.« Über abgebrochene Äste und durch hohes, trockenes Gras suchten sie sich ihren Weg zu einem Bach, der sich mühselig durch das Buschwerk schlängelte und über glänzende Kieselsteine gurgelte. Mit Poppy an ihrer Seite, Declans melodischer Stimme im Ohr und dem Wissen, dass Charleville nicht mehr weit war, verflogen Veldas Sorgen, und sie konnte sich endlich entspannen. Dieses Kind würde in einem richtigen Bett geboren werden, unter Aufsicht eines Arztes; das Geld dazu hatten sie, denn diese Outback-Städtchen lechzten nach Unterhaltung, und die Einheimischen besuchten ihre Aufführungen in Scharen. Sie nahm den breitkrempigen Strohhut ab, den sie mit Seidenrosen und scharlachroten Bändern verziert hatte, und schüttelte ihr langes schwarzes Haar, das ihr fast bis zur Taille reichte. Hier am Wasser war es kühler, und das Sonnenlicht flirrte in den Kaskaden der herabhängenden Eukalyptuszweige. Sie würde nicht mehr auftreten, bevor das Baby geboren wäre, und es war herrlich, einfach am Rande zu sitzen und die ganze Arbeit den anderen zu überlassen. Trotzdem konnte sie das Verlangen, dabei zu sein, nicht ganz unterdrücken, denn sie war eine Künstlerin, eine Sopransängerin, und hätte heute Abend gern auf der Bühne gestanden. Sie würde das Lampenfieber angesichts eines neuen Publikums, das Rampenlicht und den Applaus vermissen. »Ich weiß, was du denkst«, sagte Poppy und half Velda, es sich auf den Decken bequem zu machen. »Aber es wird noch ein Weilchen dauern, bis du wieder auftreten kannst. Also mach einfach ein Nickerchen und genieß zur Abwechslung das Nichtstun.« Velda drückte ihr die Hand. »Danke, Pops.« Poppy grinste. Ohne die übliche dicke Schminke sah sie aus wie eine Sechzehnjährige. »Ich muss jetzt los, sonst meckert dein Mann.« Velda blickte ihr lächelnd nach, als sie zu den Wagen hinüberlief. Poppy war immer in Bewegung und hatte trotz ihrer schmächtigen Gestalt die Kraft und das Durchhaltevermögen eines Karrenpferds. Declan hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass Poppy eigenen Gesetzen gehorchte, und er versuchte nicht mehr, sie in geregelte Bahnen zu lenken. Velda ließ sich auf die Kissen zurücksinken, streifte die Schuhe ab und tauchte die Füße in das eiskalte Wasser. Dabei beobachtete sie die vertraute Geschäftigkeit im Camp, während die Truppe sich auf die Parade vorbereitete. Poppy kommandierte wie immer die Mädchen herum, ihre durchdringende Cockney-Stimme und ihr ausgelassenes Lachen hallten durch...


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