Mörchen / Hölderle / Dörr | Verfluchte Mahnmale und Gedenkstätten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 364 Seiten

Mörchen / Hölderle / Dörr Verfluchte Mahnmale und Gedenkstätten

E-Book, Deutsch, 364 Seiten

ISBN: 978-3-946381-54-9
Verlag: Shadodex - Verlag der Schatten
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Verlassen stehen sie da. Niemand hat sie seit Jahren beachtet. Kein Mensch kümmert sich mehr darum.

Die Steine sind verwittert, die Inschriften oft kaum mehr lesbar. Gras, Moos, wild aufgegangene Bäumchen oder Sträucher verdecken sie beinahe …

Doch nicht nur von der Welt fast vergessene Mahnmale und Gedenkstätten bergen die verschiedensten Geheimnisse. Auch hinter Grabsteinen stecken oft mysteriöse bis gruselige Geschichten. Und manchmal ist sogar ein uralter Turm, eine Schlucht oder eine Zeichnung im Stein etwas anderes, als es zu sein scheint.

Neugierig geworden? Dann folgt uns einfach und betrachtet die einzelnen Mahnmale oder Gedenkstätten. Lasst euch überraschen, welche Mysterien die Geschichten jeweils aufdecken werden.
Mörchen / Hölderle / Dörr Verfluchte Mahnmale und Gedenkstätten jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Roland Mörchen: Gefangener des Turms
Nicola Hölderle: Wand'rer flieh!
Andreas Dörr: Zeitgrab
Mark Christjani: Bannwald
Nele Sickel: Schattenspiel
Eugene Hatwas: Die dunklen Künstler
Oliver Henzler: Am Ende des Kreuzwegs
Dennis Kohl: Hollstein
Michael Rapp: Keltenlabyrinth
Tanja Mandelt: Die Insel
Oliver Borchers: Annas Kreuz
Gabriel Maier: Das Grab von Big John McKenzie
Nora Olsen: Der Baum der Gräber
Bernhard Finger: Die Rückkehr
Bettina Ickelsheimer-Förster: Die Totensammler


Nicola Hölderle: Wand’rer flieh!
  26. Juli 1979   Der Tag war ein derart perfekter Sommertag, dass er schon einem Klischee glich. Ein vergissmeinnichtblauer Himmel, über den ein paar kleine Federwölkchen strichen. Zirpende Grillen in blühenden Wiesen. Schwalben auf der Jagd. Petra allerdings sehnte sich nach dem Geruch von Sonnencreme und Chlor, nach einem Erdbeereis und, ja, auch nach Alex’ braun gebrannten Schultern. Leider saß sie gerade nicht auf ihrem türkisfarbenen Lieblingsbadetuch im Freibad, sondern in der Familienkutsche. Auch wenn sie schon seit einer Viertelstunde ihren Kopf aus dem geöffneten Fenster streckte wie ein hechelnder Hund, schwitzte sie wie verrückt. Sie spürte, wie sich der klebrige Oberarm ihres kleinen Bruders von ihrem eigenen löste – ein echt ekliges Gefühl. Die beiden teilten sich die Rückbank mit Oma Else. Die roch immer ein wenig nach ungelüfteter Kleidung, und man hielt besser Abstand von ihr, weil sie dazu neigte, einem in die Wange zu kneifen, bis es wehtat. Deshalb war Jan Petra auch so nah auf die Pelle gerückt, wie er konnte. Petra seufzte. Wie langweilig und ätzend konnte der Tag eigentlich werden? Erst wollte ihr Vater unbedingt eine örtliche Sehenswürdigkeit besuchen. Anschließend ging es jedoch nicht wenigstens weiter mit einem Eisbecher. Nein, nach der Kultur kam der Besuch bei Oma Elses Schwester Frieda, die in einem muffigen alten Haus wohnte und bei der es nur bitteren Bohnenkaffee zu trinken gab oder heiße Milch mit extra dicker Haut darauf. Petra schüttelte sich. »Machst du bitte das Fenster zu, Petra?«, bat Oma Else. »Ich vertrage die Zugluft nicht.« Petra rollte mit den Augen, aber in Richtung des Fensters, damit niemand es sehen konnte, dann kurbelte sie die Fensterscheibe hoch. »In etwa fünf Minuten sind wir da«, kündigte ihr Vater an. »Es wird euch gefallen!« Petra hegte ernsthaft Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Bemerkung. Unzählige Tagestouren zu vermeintlich kulturellen Höhepunkten der baden-württembergischen Landschaft hatten sie eines Besseren belehrt. Römische Gutshöfe, die sich dann als unspektakuläre Steinmäuerchen entpuppten. Standbilder von bärtigen alten Herren, die irgendwann irgendeine Schlacht gewonnen hatten. Knöchelchen unter Glasstürzen von anderen alten Herren, die irgendwann irgendetwas Heiliges getan hatten … Jan drehte sich auf dem Sitz herum, um dem Auto zuzuwinken, das hinter ihnen herfuhr, wegen der kurvigen Landstraße aber nicht überholen konnte, und boxte sie dabei unabsichtlich mit dem Ellbogen in die Rippen. »Pass doch auf, Hirni!«, schimpfte Petra. »PETRA!«, kam es unisono tadelnd vom Fahrer- und Beifahrersitz. Auch Oma Else hatte schon missbilligend die Lippen zusammengepresst, also schluckte Petra das »Aber …« herunter, das ihr über die Lippen wollte, und sah stattdessen wieder aus dem Fenster. Der Tag könnte so schön sein, sinnierte sie. Sie könnte jetzt mit Heike und Barbara auf der Wiese im Freibad sitzen, und vielleicht würde Alex ihr sogar den Rücken eincremen und … Was war das? Das Auto beschrieb einen größeren Bogen und fuhr auf einen Wanderparkplatz. Ringsherum waren blühende Wiesen und ein angrenzendes Waldstück, in der Ferne lagen waldbewachsene Berge. Ein paar Meter vom Parkplatz entfernt standen vier hölzerne Kreuze, eines davon größer als die anderen und mit einem zweiten Querbalken versehen, sowie ein alter Bildstock. »Alle Mann aussteigen, wir sind da!«, verkündete ihr Vater. Oma Else, Jan, Petra und ihre Mutter plumpsten mehr oder weniger aus dem stickigen Auto, und während die Erwachsenen sich noch reckten, auf den Zehen auf und ab wippten und ihre zerdrückte Kleidung glatt strichen, rannte Jan schon auf die Kreuze zu. »Was steht da?«, fragte er und deutete auf eine kleine Hinweistafel. »Blöd, wenn man noch nicht lesen kann, stimmt’s?«, antwortete Petra und genoss für einen kurzen Moment die Genugtuung, dann stieg ihr Vater aus, trat kopfschüttelnd näher und erklärte: »Vor dir siehst du die Pestkreuze zu Emmingen ab Egg, Jan. Sie wurden vor einigen hundert Jahren aufgestellt, als im Dreißigjährigen Krieg hier in der Gegend die Pest wütete.« Jan hob die Brauen. »Warum? Und was ist das, die Pest?« »Eine schlimme Krankheit, an der damals ganz viele Menschen gestorben sind«, erklärte die Mutter. »Wie die Masern?«, fragte Jan. Petra trat näher an die Kreuze heran. Auf einem stand in verwitterter altmodischer Schrift: »Wand’rer flieh! Hier haust die Pest!«. Trotz der sommerlichen Hitze spürte Petra, wie eine leichte Gänsehaut ihren Arm überzog. Die Mutter lachte. »Nein, Schätzchen, nicht wie die Masern, viel schlimmer. Und glücklicherweise gibt es die Pest heute nicht mehr.« Jan hüpfte von einem Bein auf das andere. »Wie die Dinosaurier?« »Ja, genau wie die Dinosaurier.« Petra las das Hinweisschild. »Wusstet ihr, dass diese Kreuze damals aufgestellt wurden, um Besucher der Gemeinde zu warnen?«, fragte sie. Ihr Vater nickte. »Emmingen hatte ursprünglich fünfhundert Einwohner, aber nur ein knappes Viertel davon hat die Pest überlebt. Und das in bitterster Armut. Es finden heute noch jedes Jahr kirchliche Prozessionen statt, um an die schlimme Zeit zu erinnern.« Die Mutter hakte sich bei ihm unter. »Was du nicht alles weißt …«, sagte sie. Der Vater lächelte. Petra trat einen Schritt zurück und sah sich die Kreuze genauer an. Sie erschienen ihr düster und bedrohlich, trotz des fröhlichen Sommertages. Dunkel und schweigsam erhoben sie sich gegen den blauen Himmel. Petra fröstelte. »Können wir bitte gehen?«, fragte sie. Auch Oma Else sah auf die Uhr. »Wenn wir rechtzeitig bei Frieda zum Kaffee sein wollen, sollten wir jetzt aufbrechen«, bemerkte sie. Der Vater schaute lächelnd die Mutter an und raunte: »Ja, wer würde Tante Friedas ausgezeichneten Kaffee verpassen wollen?« Dann straffte er sich und rief: »Lasst uns gehen!« Petra warf noch einen letzten Blick hinter sich, bevor sie ins Auto einstieg. Ein Tagesausflug zu den Pestkreuzen und Großtante Friedas »Kaffee des Todes«. Konnte es denn noch schlimmer kommen? Ja, Alex könnte gerade Barbara den Rücken eincremen … Petras Gedanken verloren sich, während sie in der Hitze des Autos langsam wegdämmerte.   31. Oktober 1986   Jonathan strich sich die zerzausten Haare aus der Stirn. »Irgendwie hatte ich im ›Hades‹ auch schon mehr Spaß«, klagte er. »Die Leute da werden immer öder.« Petra lachte. »Das sagst du doch bloß, weil Ullerich heute nicht da war«, neckte sie ihn, während sie in den dritten Gang schaltete. »Nenn ihn nicht so, du weißt, ich mag das nicht«, beschwerte sich Jonathan. Petra grinste. »Solange wir nicht wissen, ob er Erich oder Ulrich heißt, nenne ich ihn weiter Ullerich«, beharrte sie. Jonathan seufzte. »Er ist so süß, ganz egal, wie er heißt.« »Da muss ich dir recht geben«, stimmte Petra zu, während sie den VW Golf durch die Dunkelheit steuerte. Jonathan warf ihr einen Seitenblick zu und nestelte an seinem langen roten Mantel. »Und was ist mit diesem Christoph?«, fragte er. Petra rollte mit den Augen. »Ach der! Treibt sich seit Neuestem mit einer aus der Fachschaft herum. Groß, blond, dicke Möpse …« Jonathan kicherte, dann wurde er wieder ernst. »Ich bleibe dabei: heute nur Langweiler im ›Hades‹.« »Irgendwie schon«, fand Petra. »Zu viele Psychs und Rockabillys für meinen Geschmack. Was ist aus dem guten alten Wave geworden? Überall nur noch merkwürdige Tollen und Petticoats, bah!« Sie schüttelte sich. »Ja, die Jugend von heute …«, sinnierte Jonathan. »Kein Style mehr. Hören wahrscheinlich alle Shakin’ Stevens und den toten Mann aus Memphis.« Petra prustete los. Kurze Zeit später fuhren sie durch einen kleinen Ort, der gespenstisch verlassen wirkte. Nur aus wenigen Fenstern sah man einen Lichtschein auf die Straße fallen, was vielleicht auch daran lag, dass es bereits nach Mitternacht war. Petra spähte durch die Windschutzscheibe. »Na, hier steppt auch nicht gerade der Bär«, bemerkte sie. »Da ist selbst in unserem Kuhdorf mehr los.« Sie betätigte den Scheibenwischer, weil es zu nieseln anfing, dann sah sie Jonathan an. »Hättest du Lust auf ein kleines Abenteuer?«, fragte sie. Ihr Freund nickte. »Klar, warum nicht? Wenn du mich jetzt nach Hause fährst, lege ich sowieso bloß die Sisters of Mercy auf und werde deprimiert. Stelle mir vor, wie ein anderer dem Süßen die blonden Haare durchwühlt …« Petra grinste und setzte den Blinker. »Prima, das wird dir gefallen. Ich war vor Jahren schon mal da. War echt gruselig.« Jonathan zuckte mit den Schultern. »Solange es kein Friedhof ist …« Petra schüttelte den Kopf. »Viel besser als das«, versprach sie. »Viel besser.« Einige Minuten später fuhren sie auf einen verlassenen Wanderparkplatz. »Gestatten: Die Pestkreuze!«, verkündete Petra. Jonathan hob die Augenbrauen. »Ernsthaft?«, fragte er. Sie nickte und deutete aus dem Fenster. »Um das hier zu genießen, müssen wir aber aussteigen«, sagte sie und öffnete die Autotür. Jonathan zögerte einen Moment, dann folgte er ihr. »Du weißt schon, dass wir gerade jedes einzelne Horrorfilmklischee erfüllen?«, gab er zu bedenken. Petra zog sich lachend die Kapuze ihres schwarzen Mantels über den Kopf und...


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