Mohr | Einführung in die systemische Transaktionsanalyse von Individuum und Organisation | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: Carl-Auer Compact

Mohr Einführung in die systemische Transaktionsanalyse von Individuum und Organisation

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: Carl-Auer Compact

ISBN: 978-3-8497-8218-4
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Günther Mohr lenkt in dieser Einführung den Blick auf drei wesentliche systemische Prinzipien – Vernetzung, Kontextbezug und Selbsterhalt – und erweitert damit die Hauptkonzepte der Transaktionsanalyse: Menschenbild, Persönlichkeit und Unterschiede, Beziehung und Kommunikation, Systemkontext und Wirklichkeit, Entwicklung und Veränderung sowie Professionsmethoden.

Der dritte Teil des Buches zeigt die Anwendung der systemischen Transaktionsanalyse in Organisationen. Dort haben es Berater mit komplexen Mehrpersonenkonstellationen zu tun, in denen neben verschiedenen Rollen auch dynamische Muster des ganzen Systems zum Tragen kommen. Auch hier spielt die systemische Transaktionsanalyse ihre Praxistauglichkeit aus.

Das Buch bietet Beratern, Coachs, Organisationsentwicklern und Therapeuten einen Überblick über eine zeitgemäße Transaktionsanalyse, seien sie erfahrene Praktiker oder Berufseinsteiger.

Der Transaktionsanalyse als Methode wirft man gelegentlich vor, in erster Linie eine Sammlung von Tools zu sein. Spätestens mit der Erweiterung um systemische Konzepte sind diese Vorhaltungen hinfällig.
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2Individuelle systemische Transaktionsanalyse
2.1Das Menschenbild der systemischen Transaktionsanalyse
Professionelle Beratung und Therapie erfordern ein Menschenbild, das tragfähig für diesen Kontext ist, der die Realität von Entwicklungen abbildet. Dies meint nicht nur Kenntnis, sondern verinnerlichtes Wissen, das man in Erleben und Verhalten umsetzen kann. Gleichzeitig wird eine systemische Distanz erwartet, die es erlaubt, dass dieses Menschenbild auch kritisch hinterfragt werden kann. In der klassischen Transaktionsanalyse ist das Menschenbild durch einige Kernsätze geprägt (Stewart a. Joines 1987, p. 6; dt. 1990, S. 28): »Die Menschen sind in Ordnung«, »Jeder hat die Fähigkeit zu denken«, »Wir entscheiden über unser Leben«, »Jede Arbeit stützt sich auf einen Vertrag«, »Die Kommunikation ist offen und frei«. Bezüglich des bewussten Entscheidens sind spätestens seit dem Libet-Experiment erhebliche Zweifel angebracht. Benjamin Libet konnte nachweisen, dass ein bestimmtes Verhalten im Gehirn bereits nachweisbar ist, bevor es bewusst wird. Auch bezüglich der Entscheidungsprozesse und der Umsetzung von Entscheidungen ist man durch die Erfahrung therapeutischer und beraterischer Entwicklungsprozesse heute nicht mehr so euphorisch. Man muss vielmehr annehmen, dass die möglichen Optionen beim Einzelnen durchaus nicht unbegrenzt sind und Transferprozesse länger dauern als früher angenommen. Dies hat die Entwicklung der TA von einer betont entscheidungsorientierten Kurzzeitmethode hin zum längeren Erfahren eines neuen Beziehungskontextes verändert. Insofern kann man vom systemischen Standpunkt her das folgende Menschenbild formulieren (Mohr 2008): Die Sicht auf den Menschen in der Transaktionsanalyse ist entwicklungsoptimistisch, realistisch und systemisch. Entwicklungsoptimistisch bedeutet, die grundsätzliche Orientierung der Transaktionsanalyse ist darauf ausgerichtet, dass ein Mensch sich entwickeln, Neues erfahren und psychisch wachsen kann. Berne selbst hatte schon die Idee von einer Kraft im Menschen, die ihn grundsätzlich auf persönliches Wachsen ausrichtet, er nannte sie »Physis«. Sie kann allerdings durch vielerlei Beeinträchtigungen, zu denen wir noch kommen werden, gehemmt sein. »Realistisch meint in dem Zusammenhang, dass das Leben in seiner ganzen Breite angenommen wird. Es gibt keinen pauschal positivierenden Blick. Betrachtet werden auch der Schatten und negativ wirkendes Verhalten, sei es beispielsweise kriminelles oder auch schädigendes Verhalten, wie es in der Gesellschaft und auch in Beruf und Organisationen immer wieder vorkommt« (Mohr 2010). Ausdrücklich benannt wird der systemische Aspekt, dass Menschen vernetzt miteinander und kontextbezogen reagieren und gleichzeitig aufgrund ihrer jeweiligen Konstruktion von Wirklichkeit antreten. Die systemische Transaktionsanalyse erweitert also das Menschenbild. Sie birgt im Kern tatsächlich einen anderen Schwerpunkt als die klassische Vorstellung vom Menschen. Im Systemischen wird die Kontextabhängigkeit jedes Verhaltens in den Vordergrund gestellt. Darin ist auch der eigenbezogene (autopoetische) Teil, dass der Mensch sein eigenes System zu stabilisieren versucht, enthalten. Menschen tun dies allerdings, indem sie sich dem Kontext anpassen. Gerade herausfordernde Situationen zeigen die Flexibilität des menschlichen Verhaltens. Das Gefängnisexperiment von Milgram (vgl. 1974, 1997) und Zimbardo (vgl. 1982, 2005) zeigte, wie Menschen eine Rechtfertigung dafür finden, Gewalt einzusetzen. Ebenso sind historische Erfahrungen zum Beispiel aus der Nazi-Zeit erklärbar. Der liebevolle Familienvater, der abends mit seinen Kindern spielte, quälte am nächsten Tag als KZ-Aufseher Menschen. Das System lieferte ihm eine Rechtfertigung. Hier zeigt sich deutlich, dass ein Menschenbild nicht generell das O.k.-Sein von Menschen unterstellen kann. Der Mensch ist an der Aufrechterhaltung seines innerlich geschaffenen Systems interessiert, dies kann für ihn selbst und andere absolut schädigende Aspekte bringen. Der Berne-Schüler Claude Steiner hat den »Positionshunger« postuliert (Steiner 1984, S. 53). Damit ist die Tendenz gemeint, die früher erworbene Grundposition zu halten (o. k. – o. k./o. k. – nicht o. k./nicht o. k. – o. k./nicht o. k. – nicht o. k.), die Bewertung von sich selbst und des Gegenübers. Die Kontextbezogenheit des Menschen erklärt die Breite des menschlichen Verhaltens weit besser als eine pauschale Annahme des Positiven. »Positiv« hängt vom Kriterium ab. Dieses Kriterium ist in erster Linie am äußeren Verhalten gegenüber anderen Menschen anzusetzen. Transaktionsanalyse steht in der Tradition Jean-Jacques Rousseaus, der davon ausging, dass die Umwelt den Menschen prägt. Für das pragmatische Vorgehen ist die Annahme des subjektiv Positiven bei einem Klienten sinnvoll. Es ist aber nicht immer so, dass der Kontakt mit einem Menschen besser wird, wenn man ihn »positiv anspricht«. Meine Erfahrung mit Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen oder auch mit Suchtmittelabhängigkeit ist eher so, dass sie realistisch wahrgenommen und nicht mit »therapeutischem Slang« angesprochen werden wollen. Es gibt nicht das adäquate Menschenbild mit bestimmten positiven Eigenschaften, auf die man sich beziehen kann. Menschen scheinen zu einigem fähig. Bei den Bombenanschlägen 2005 auf die Londoner U-Bahn sagten viele Briten: »Wir können nicht verstehen, dass Leute aus unserem Land so etwas tun können.« Dies implizierte letztlich, dass es woanders möglich sein könnte, nur nicht hier. Es war die unterschwellige Theorie, dass es gute und böse Ausprägungen von Menschen gibt, die sich auch nach Ländern unterscheiden. Ich als Deutscher dachte bei mir, wir wissen, was aus dem eigenen Volk alles möglich ist. Grundbedürfnisse und Physis: Zum Menschenbild der Transaktionsanalyse gehört die Annahme bestimmter Grundbedürfnisse und Triebkräfte. Berne selbst sah drei Grundbedürfnisse, das nach Anerkennung, das nach Stimulation und das nach Struktur. Das Bedürfnis nach Anerkennung wurde oft etwas vereinfacht dargestellt, als ob es um ein Lob ginge. Der ursprüngliche Begriff »Recognition« bedeutet mehr ein »Wirklich-gesehen-Werden«. Mountain und Davidson (2015) sehen hinter dem Bedürfnis nach Anerkennung das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Das Bedürfnis nach Stimulation leitete Berne aus der Erfahrung ab, dass Menschen ohne visuelle, auditive oder kinästhetische Reize nicht leben können. In neuerer Forschung würde man von Resonanzerleben sprechen, das Menschen erstreben (Rosa 2016). Das Strukturbedürfnis wurde schon in Richtung des Strebens nach Konsistenz der eigenen Erfahrung beschrieben. Einfache Interpretationen sollte man hinterfragen, vor allem da Berne auch noch ein Bedürfnis nach Geführtwerden daraus ableitete (Berne 2005, p. 204). Dies ist sicher auch seiner Zeit, den 1960er-Jahren, geschuldet, in der »Leadership« anders als heute gesehen wurde. Interessant sind weitere Triebkräfte, die seine Schülerin Fanita English im Menschen fand, den Willen zum Überleben, den Gestaltungswillen und das Ruhebedürfnis (English 1977). Während Bernes Bedürfnisse eher rezeptiv formuliert sind, haben Englishs Triebkräfte eine deutlich aktivere Form. Eine interessante Vertiefung nehmen Moursund und Erskine (2004, p. 41) im Hinblick auf Beziehungen vor und ergänzen vor allem auch die Bedürfnisse, »von anderen initiiert zu werden« und auch Zuneigung und Liebe geben zu wollen. Das erinnert an die von Hellinger betrachtete Form der unterbrochenen Hinbewegung von Menschen zu anderen Menschen. Kritisch ist bei den Grundbedürfnissen anzumerken, dass natürlich jede Menge anderer Formulierungen für sie möglich sind, wie es etwa Rosenberg in seiner Bedürfnisliste zeigt (2003, S. 68 f.). Mit »Physis« hat Berne einen interessanten Begriff gewählt für eine im Menschen angenommene positive Wachstumskraft. Physis lässt sich nicht einfach belegen. Es scheint sich dabei eher um eine Glaubensfrage zu handeln, und es stellt sich auch die Frage »Wachstum wohin?«. Die systemische Antwort auf das »Wohin?« dient zunächst dem Selbsterhalt und in zweiter Linie der Anpassung an sich verändernde Kontextbedingungen. Das heißt, die Wachstumskraft ist nicht hin zu einem moralisch Guten, dies wäre mehr eine spirituelle oder religiöse Orientierung, sondern hin zum Überleben des Systems. Evolution und Revolution (Mohr 2008): Eric Berne stand mit seinen Ideen in den 1950er- und 1960er-Jahren unter dem Einfluss der aufsteigenden humanistischen Psychologie. Modelle wie Abraham Maslows Bedürfnispyramide (vgl. 1970), aber auch die neue Kybernetik Norbert Wieners waren ihm nicht fremd. Berne initiierte zwei revolutionäre Ideen in der Beratungslandschaft. Kurzzeitberatung: Die Maxime »Erziele einen signifikanten Fortschritt in der ersten Sitzung, und wenn das nicht gelingt, in der zweiten,...


Günther Mohr, Diplom-Volkswirt, Diplom-Psychologe; Coach und systemischer Berater; Gründer und Leiter des Instituts für Coaching, Training und Consulting in Hofheim am Taunus; Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC); Delegierter im Council der Europäischen Transaktionsanalyse-Gesellschaft (EATA).
Arbeitsgebiete: Ausbildung von Coachs, Coaching; Organisationsentwicklung; Autor mehrerer Sachbücher.


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