Müller / Bräutigam | Aufsuchende Soziale Arbeit | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 196 Seiten

Müller / Bräutigam Aufsuchende Soziale Arbeit

Grundlagen, Praxisfelder und Fallbeispiele

E-Book, Deutsch, 196 Seiten

ISBN: 978-3-17-040470-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Buch widmet sich den Strukturmerkmalen und professionellen Erfordernissen Aufsuchender Sozialer Arbeit. Dafür wird zunächst ein eigenes Reflexionsmodell für Aufsuchende Hilfen vorgestellt, das systematisch das Dreieck aus Setting-, Adressierten- und Fachkräfteperspektive für die Aufsuchende Soziale Arbeit in den Blick nimmt. Anschließend werden die verschiedenen aufsuchenden Arbeitsweisen in den Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit beschrieben und die Anwendung des Reflexionsmodells anhand konkreter Praxisbeispiele erläutert. Auf diese Weise entsteht ein differenziertes und praxisnahes Bild von der Aufsuchenden Sozialen Arbeit, das die Spezifika der aufsuchenden Arbeitssituation und die speziellen Anforderungen an die Fachkräfte umfasst.
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3 Forschungsstand zur aufsuchenden Sozialen Arbeit
Isabel Creutzburg, Matthias Müller & Barbara Bräutigam ? 3.1Einleitung 3.2Aufsuchende Soziale Arbeit mit von Wohn- und Obdachlosigkeit betroffenen Menschen 3.3Aufsuchende Arbeit mit Straßenkindern und Jugendlichen 3.4Aufsuchende familienbezogene Arbeit 3.5Aufsuchende Arbeit mit pflegenden Angehörigen 3.6Aufsuchende Arbeit mit Sexarbeitenden 3.7Aufsuchende Arbeit mit Landarbeitenden 3.8Aufsuchende Arbeit im Rahmen von Katastrophenhilfe 3.9Aufsuchende Soziale Arbeit in der Ausbildung 3.10Fazit 3.1 Einleitung
Aufsuchende Soziale Arbeit setzt nach Arbogast (2021) dort an, wo Hilfsbedürftige die bestehende Hilfs- und Beratungsangebote in Komm-Strukturen nicht für sich beanspruchen können. Da, wo die Art der Aufnahme von Kontakt und Gestaltung der Beziehung in hochschwelligeren Hilfsangeboten eine Bevölkerungsgruppe nicht erreicht oder anspricht, bekommt die sogenannte Geh-Struktur Bedeutung. Die Schwierigkeit zu eindeutigeren Definitionen zu gelangen, verdeutlicht das folgende Zitat zur aufsuchenden Arbeit: »Meist synonym zum Terminus Streetwork verwendet und möglicherweise vom englischen ›outreach work‹ abgeleitet« (Diebäcker & Wild 2020, S. V). Zunehmend scheint sich der Begriff der aufsuchenden Arbeit als »handlungsfeld-übergreifender Fachbegriff zu etablieren, unter dem sich mobile und herausreichende Angebote, Streetwork- und Outreach-Projekte sowie auch stadtteil- und gebietsbezogene Praxen versammeln« (ebd., S. VI). Zum Teil wird unter aufsuchender Arbeit auch verstanden mit Hard-to-reach-Klientel zu arbeiten: »it is about ›reaching out‹ to ›hard to reach people‹« (Brackertz 2007, zit. nach Andersson & Minas 2020, S. 256). Somit bezieht man sich dann im sozialen Dienstleistungskontext auf versteckte und unterversorgte Bevölkerungsgruppen, die das Sozialsystem nicht erreicht. Ziel ist es, dass marginalisierte oder von sozialem Ausschluss bedrohte Menschen »auf sozialstaatliche Unterstützung und Ressourcen zugreifen können« (Diebäcker & Wild 2020, S. 1). Um in Erfahrung zu bringen, auf welchen Arbeits- und Handlungsfeldern aufsuchende Soziale Arbeit im nationalen und internationalen Raum erforscht wird und welche empirischen Ergebnisse dazu vorliegen, wurde ein systematisches Review erstellt. Dieses verfolgte das Ziel, Erkenntnisse des aktuellen nationalen und internationalen Forschungsstands von aufsuchenden Beratungs- und Hilfeformen im Zeitraum von 2015 bis 2022 abzubilden (Creutzburg 2022). Dazu wurde die Methode des systematischen Reviews angewandt: Nach einer Datenbankrecherche in den Datenbanken Springer Link, PSYNDEX und Web of Science Core Collection wurden mögliche relevante Dokumente anhand von Selektionskriterien auf ihre Eignung für die Forschungsfrage hin geprüft und auf eine finale Auswahl von 37 Treffern reduziert1, von denen in diesem Rahmen 32 kurz vorgestellt werden. Interessant ist, dass von den 37 Studien nur drei aus Deutschland stammen und sie sich ansonsten über den gesamten Erdball mit Ausnahme von Südamerika verteilen. In der Bearbeitung konnten die so identifizierten Studien und Reviews zu aufsuchenden Beratungs- und Hilfeformen in grob zielgruppenbezogene Cluster eingeteilt werden. Insgesamt zeigte sich, dass aufsuchende Soziale Arbeit diverse Aufgaben wie z.?B. Vermittlung und Empowerment, Bildung eines Sicherheitsnetzes, Vernetzung und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfüllen muss. Die gefundenen Studien machen außerdem auf vernachlässigte Bevölkerungsgruppen aufmerksam und auf Missstände, die in der Ausbildung von Professionellen bestehen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Handlungsfelder eingegangen und der Forschungsstand für diese zusammengefasst. 3.2 Aufsuchende Soziale Arbeit mit von Wohn- und Obdachlosigkeit betroffenen Menschen
In diesem Bereich konnten fünf Studien identifiziert werden. Diese stammen aus Belgien, Australien, Frankreich sowie den USA, außerdem fokussiert eine Studie ganz Europa. In den Studien wird von »homeless people« gesprochen – eine Differenzierung zwischen Wohn- und Obdachlosigkeit kann somit nicht getroffen werden. In diesen Studien wird betont, dass aufsuchende Arbeit nicht nur individuelle Hilfe leistet, sondern mit strukturellen Grenzen und Herausforderungen konfrontiert ist, wenn die entsprechende Zielgruppe von massiver gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht ist (Grymonprez et al. 2021). Das bedeutet für die Profession, sich immer wieder zu hinterfragen bzw. die eigene Professionalität weiterzuentwickeln, gerade auch in Bezug auf moralische, ethische oder politische Fragen (Cefaï 2015). Sie muss sich mit systembezogenen, organisationalen und individuellen Faktoren, die die Arbeit beeinflussen (Gaboardi et al. 2022), auseinandersetzen. Zu den systembezogenen Faktoren zählt die Verfügung über ausreichende wirtschaftliche Ressourcen, die Möglichkeiten der gesellschaftlichen oder politischen Einflussnahme sowie eine Vernetzung und Zusammenarbeit mit lokalen Verbänden, psychiatrischen oder arbeitsbezogenen Diensten sowie Sozial- oder Gesundheitsdiensten. Diese lassen sich als wesentliche Voraussetzung zur Unterstützung dieser Zielgruppe identifizieren und scheinen gleichzeitig bei der Burnoutprävention der Fachkräfte nützlich. Parsell et al. (2020) beschreiben als organisationale Faktoren, dass aufsuchende Soziale Arbeit besonders wirksam als Teil eines multidisziplinären Teams wohn- und obdachlosen Menschen helfen kann, Lebensbedingungen nachweislich zu verändern. Zu den individuellen Faktoren zählen hier u.?a. die Balancierung zwischen professioneller Nähe und Selbstschutz sowie Hilfe und Selbsthilfe (Lee & Plitt Donaldson 2018). 3.3 Aufsuchende Arbeit mit Straßenkindern und Jugendlichen
Das zweite Cluster beinhaltet Studien über die aufsuchende Arbeit mit Straßenkindern und -Jugendlichen und mit jungen Menschen, die in irgendeiner Form gefährdet sind (z.?B. durch Jugendarbeitslosigkeit, Drogenmissbrauch, Straffälligkeit oder Situationen im Kontext der Pflegekinderhilfe). Die hier abgebildeten Studien berücksichtigen Daten (manchmal in Kombination) aus den Ländern Tschechische Republik, Lettland, Indien, Südafrika, Norwegen (2), Schweden, USA (2), Australien, Kanada, Mexiko, Südkorea, Niederlande, Guatemala und China. Eine Studie ist europaweit aufgestellt. In der aufsuchenden Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen auf der Straße leben, weisen die relevanten Studien inhaltlich sehr unterschiedliche Schwerpunkte auf. Lotko et al. (2016) beschreiben deskriptiv und vergleichend die aufsuchenden Programme und Maßnahmen, die Lettland, die Tschechische Republik und Indien mit Straßenkindern durchführen. Morton et al. (2020) untersuchen unterschiedliche Interventionen zu Wirkungen auf die Jugendobdachlosigkeit, eine Intervention davon ist die aufsuchende Arbeit. Sie bemerken, dass die Datenlage zu Wirkungsweisen von aufsuchender Arbeit so gering ist, dass gründlichere Forschung notwendig ist, um wichtige Aussagen als Basis für politische und praktische Entscheidungen generieren zu können. Die Studie von Oldfield et al. (2020) zeigt auf, inwiefern aufsuchende Arbeit durch Empowerment und Schaffung eines Zugehörigkeitsgefühls die betroffenen Jugendlichen stärken kann. Ziel dieser Studie war es, eine Untersuchung der Schutzfaktoren vorzunehmen, die die Resilienz von mit der Straße verbundenen Jugendlichen in Guatemala-Stadt fördern. Van Raemdonck und Seedat-Khan (2018) untersuchen das Potenzial der Methodik des Capability Approach im Hinblick darauf, Straßenkinder in ihrer Entscheidungsfähigkeit zu unterstützen. Diese Fähigkeiten sind bei der Zielgruppe eingeschränkt, da sie in den meisten Fällen ihr Zuhause nicht aus freien Stücken verlassen, sondern aufgrund eines verarmten, instabilen oder feindseligen Umfeldes und mit dem Vorsatz, ein selbstbestimmteres Leben zu führen. Einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt bietet Bergheim (2021) an, indem sie in ihrer Studie das nonverbale Verhalten von Fachkräften, die mit jungen Menschen auf der Straße arbeiten, mittels einer Beobachtungsstudie untersucht. Die Studie macht deutlich, dass aufsuchend Sozialarbeitende vermutlich kaum formale Schulung dazu erhalten, wie sie ihre Wahrnehmungen (z.?B. Körpersprache, Gesichtsausdruck, Stimme, Atmung) nutzen können und dass Grundlagen der Gestalttheorie und therapeutische Erfahrungen zum Verständnis der Praxis aufsuchender Arbeit beitragen können. Weitere vier Studien beleuchten die aufsuchende Arbeit mit von vielfältigen Gefährdungen betroffenen oder straffälligen Jugendlichen. Wong et al. (2022) kristallisieren in ihrer Studie die Empfehlung heraus, aufsuchende Soziale Arbeit (beinhaltend musikalische und sportliche...


Dr. Matthias Müller ist Professor für Pädagogik, Sozialpädagogik und Hilfen zur Erziehung an der Hochschule Neubrandenburg.
Dr. Barbara Bräutigam ist dort Professorin für Psychologie, Beratung und Psychotherapie.


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