N. / Bognanni | Unter den Augen des Staates | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

N. / Bognanni Unter den Augen des Staates

Der größte Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-423-43956-5
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wie der Staat dem größten Steuerdiebstahl zusah
Banker, Topanwälte, Wissenschaftler – ein perfides Netzwerk von Experten hat sich formiert, um deutsche Steuerzahler zu bestehlen. Die Beute: rund zwölf Milliarden Euro.

Der Cum-Ex-Skandal beschäftigt die Justiz seit Langem, nun überzieht eine Prozesswelle das Land. Dabei wird offenbar: Der Staat war keinesfalls ahnungslos. Zahlreiche Finanzbeamte, Steuerfahnder, Amtsträger wussten von diesem Diebeszug, doch niemand setzte den kriminellen Umtrieben ein Ende.

Auf Basis exklusiven Recherchematerials leuchtet dieser Pageturner die skrupellosen Machenschaften der Betrüger und das Staatsversagen erstmals vollumfänglich aus – ein fesselnd erzählter Wirtschaftskrimi, der unhaltbare Missstände in unseren Behörden und der Politik aufdeckt.
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Anfänge
  Anne Brorhilker ist endlich angekommen. Lange Zeit wusste sie nicht genau, in welchem Beruf sie einmal arbeiten wollte. Und als sie es wusste, stand sie erst einmal im Abseits. Jetzt, im Herbst 2013, stapeln sich in Brorhilkers »Karnickelstall« die Unterlagen. Die Strafverfolgerin hat ihr knapp zehn Quadratmeter großes Büro im vierten Stock der Staatsanwaltschaft. Unter den Bergen von Leitz-Ordnern und Aktenkladden ist ihr Schreibtisch nur noch schemenhaft zu erkennen. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt, der Steuerfahndung und dem Zoll hat sich Brorhilker dieser Tage an die Fersen einiger Mitglieder der Gerüstbau-Mafia geheftet. Monatelang hatten sie mutmaßliche Schlüsselfiguren abgehört – und wurden so Zeugen eines ausgeklügelten Systems von Service- und Scheinfirmen. Hunderte Gerüstbauer arbeiteten auf den Baustellen schwarz zu Dumpinglöhnen, während ihre Vorsteher 6000 Euro im Monat nach Hause brachten. Der Chef des Systems hat womöglich Millionen gemacht. Alles auf Kosten des Staates, dem die Millionen an Sozialabgaben in der Kasse fehlen. Eine Razzia steht nun an. Läuft alles nach Plan, werden danach einige Gerüstbauer im Gefängnis sitzen. Dann dürfte es noch hektischer werden. Anwälte werden Sturm laufen gegen die Untersuchungshaft der Mandanten. Und die Anklagen mit all den Beweisen gegen alle Inhaftierte müssen schnell geschrieben werden. Haftsachen haben Vorrang. Auf Brorhilker warten turbulente Tage. Und dann gibt es noch Samir A., Brorhilkers derzeit wichtigsten Fall. Seit Monaten ermittelt sie gegen den 25-jährigen Afghanen. A. soll, so der Verdacht, mithilfe eines Umsatzsteuerkarussells Millionensummen für die Terrororganisation al-Qaida eingesammelt haben. Brorhilker hatte die Geschäfte von rund einem Dutzend Firmen A.s unter die Lupe genommen. Unternehmen mit Namen wie Hamster Mobile GmbH, My iCell GmbH oder Wega Mobile GmbH. Mit den Firmen soll A. zum Schein Handys über die Grenzen gekarrt und sich dann Umsatzsteuern vom jeweiligen Finanzamt erstattet haben lassen. In Wahrheit aber gab es wohl gar keinen echten Handel. Die Handys landeten am Ende wieder dort, wo sie am Anfang losgeschickt worden waren. Ein Karussell, getarnt durch Scheinrechnungen. Die ergaunerten Steuergelder sollen dann an Terroristen geflossen sein. Ausgerechnet jetzt hat sich auch noch eine kleine Delegation aus dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) angekündigt, Deutschlands oberster Steuerbehörde, die direkt dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist. Eine Kollegin und zwei Herren sind an diesem 10. September 2013 aus Bonn angereist, um einen Fall vorzustellen. Nun sitzen sie einen Stock höher, im Büro von Brorhilkers Chef und beugen sich über Schaubilder mit Kästchen und Pfeilen. Die Staatsanwältin hört den Ausführungen der Steuerbeamten aufmerksam zu. Es geht um die Kapitalertragssteuer. Wer in Deutschland Geld verdient, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, muss seine Einnahmen mit 25 Prozent versteuern. Finanzminister Peer Steinbrück hatte die Steuer einst eingeführt. Auf die Kritik, dass normale Arbeiter auf ihre Einkommen viel mehr Steuern zahlen müssen als Menschen, die ihr Geld am Finanzmarkt mehren, reagierte der Sozialdemokrat trotzig: »Lieber 25 Prozent auf X, als nix!« Und so zahlen beispielsweise Aktienbesitzer 25 Prozent Steuern, wenn sie einmal im Jahr eine Gewinnausschüttung ihres Unternehmens erhalten: die Dividende. Schüttet ein Unternehmen eine Dividende von 100 Euro an jeden Aktionär aus, kommen bei ihm nur 75 Euro an. Die anderen 25 Euro gehen automatisch an das Finanzamt. Doch nicht jeder muss die Steuer abführen. Es gibt Ausnahmen. Manche Investoren können sich die Steuern vom Finanzamt erstatten lassen. Auf genau solche Erstattungen, so erklären es nun die Besucher vom Bundeszentralamt, hätten es womöglich Betrüger abgesehen, indem sie sich vom Fiskus Steuern zurückholen, die zuvor niemand bezahlt habe. Schnell schwirrt Brorhilker der Kopf. Stichworte wie »Zentralverwahrer«, »Leerverkäufer«, »Kompensationszahlungen« fallen, von Folie zu Folie kommen mehr Kästen und Pfeile hinzu. Die Staatsanwältin kann den Finanzbeamten nur mit Mühe folgen. Abends, am Küchentisch in ihrer Kölner Wohnung, will sie nochmals das Gesamtbild des Falls ausbreiten. Sie holt einen Block, malt eigene Kästen, vollzieht den Weg der Gelder nach. Schritt für Schritt erscheint vor ihr: ein Kreislauf. Allmählich erkennt sie Parallelen zu ihren anderen Fällen. Etwa zu Samir A.s Umsatzsteuerkarussell. Auch hier gibt es ein Kreisgeschäft, an dessen Ende der Staat Steuern erstattet, die nie gezahlt wurden. Nur, dass es in diesem Fall keine Handys sind, die zum Schein bewegt werden. Sondern Aktien. Und das Geld landet nicht bei Terroristen, sondern bei Bankern. Nun ist Brorhilker ganz in ihrem Element. Dabei hatte sie nie davon geträumt, einmal bei der Staatsanwaltschaft zu arbeiten, und noch weniger, sich eines Tages mit Steuermodellen und Wirtschaftsbetrügern herumzuschlagen. Anne Brorhilker wuchs in einer Kleinstadt bei Dortmund auf. Ihre Mutter, Lehrerin für Politik, Sozialwissenschaften und Geschichte, war Schulleiterin an einer Realschule. Ihr Vater, ein Mann der Zahlen, seines Zeichens Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, der für den Prüfkonzern Ernst & Young arbeitete. Unter den beiden Kindern waren die Interessen klar verteilt: Während ihr kleiner Bruder als Sportler glänzte, galt Annes Leidenschaft der Musik. Lange Zeit träumte sie davon, eines Tages mit der Musik ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. In der Grundschule war sie mit Begeisterung bei der Sache. Das Gymnasium jedoch war für die hochbegabte Schülerin eher Last denn Lust. Das änderte sich höchstens, wenn sie als Klassensprecherin Unrecht walten sah. Etwa, als der Lateinpauker die Klasse immer wieder mit Tests überzog und so Angst und Schrecken verbreitete. Mit der Allgemeinen Schulverordnung unter dem Arm suchte die Siebtklässlerin den gefürchteten Lehrer auf, wies ihn darauf hin, dass es klare Regeln dafür gebe, wie viele Tests geschrieben werden dürften. Dann war Ruhe. An der Uni fühlte sich Anne Brorhilker regelrecht befreit. Bei der Jobwahl war für sie ein Kriterium besonders wichtig: finanzielle Unabhängigkeit. Als den Lehramtsstudenten in Dortmund gleich zu Beginn des Studiums eingebläut wurde, es gebe keine Stellen für Lehrer, beerdigte sie nach einem Semester den Plan, Musiklehrerin zu werden. Brorhilker war gewillt, auf ein in ihren Augen noch sichereres Pferd zu setzen. Sie schrieb sich in Bochum für Jura ein. Zu ihren ersten Vorlesungen zählte die Einführung ins Straf- und Prozessrecht von Professor Gerd Geilen. Der kleine rundliche Herr entfachte bei der Studentin die Begeisterung für das Strafrecht. Als Schwerpunkt im Studium wählte sie Kriminologie. Nach dem ersten Staatsexamen jobbte sie bei großen Kanzleien – und wusste danach, was sie nicht werden wollte: Rechtsanwältin. Auch das zweite Staatsexamen schloss sie mit Prädikat ab. Im darauffolgenden Referendariat platzten jedoch gleich mehrere Illusionen. Ihre Station bei einer Gerichtskammer für Baurecht empfand sie als so frustrierend, dass sie ihren Wunsch, einmal Richterin werden zu wollen, ad acta legte. Als sie sich als einzige Juristin in der Stadtverwaltung eines kleinen Kaffs mit der Kampfhundeverordnung herumschlug, fiel auch die Option weg, in der Kommunalverwaltung zu arbeiten. Und selbst die lang ersehnte Station bei Amnesty International in Berlin war eine Enttäuschung, ließen hier doch alle Festangestellten um 16 Uhr den Griffel fallen, während sich die Ehrenamtler bis tief in die Nacht engagierten. Per Ausschlussverfahren kam Brorhilker schließlich zu ihrem Beruf: Staatsanwältin. Die Bewerbung in Köln glückte 2002. Das Ziel der frischgebackenen Strafverfolgerin stand fest. Sie wollte es mit der organisierten Kriminalität aufnehmen. Doch die junge Karriere stockte. Ihre ersten Berufsjahre verbrachte sie in der sogenannten Gnadenstelle. Einem Ort, der sonst Staatsanwälten am Ende des Berufslebens vorbehalten war, und zwar nicht gerade den besonders beliebten. Hier hatte sie es mit Drogenabhängigen und Kleinkriminellen zu tun. Wiederholungstätern. Schlimme Schicksale oftmals. Menschen am Rand der Gesellschaft. Brorhilker prüfte in der Gnadenstelle, ob der Staat bei einigen dieser traurigen Gestalten Gnade vor Recht walten lassen und ihnen eine weitere Haftstrafe ersparen könne. Mit gezielten Auflagen vielleicht sogar eine neue Perspektive bieten. Ihr Alltag ähnelte mehr dem einer Sozialarbeiterin als dem einer Juristin. Nach zwei Jahren in der Gnadenstelle kannten auch die Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft Gnade – und versetzten sie in die Steuerabteilung. Zunächst klang auch das wie eine Strafe, hatte sich Brorhilker bis dato doch stets in den Fußstapfen ihrer politisch engagierten Mutter gewähnt. Umweltschutz, Flüchtlinge, das waren Themen, die sie umtrieben. Und nun saß sie plötzlich in ihrem Büro und wälzte – ganz der Vater – Steuerthemen. Zu ihrer großen Überraschung jedoch war sie damit in ihrem Traumberuf angekommen. Denn viele der millionenschweren Steuerbetrügereien entpuppten sich als jene organisierte Kriminalität, die sie schon immer bekämpfen wollte. Ob Gerüstbauer oder Terror-Finanzierer. Sollten jetzt auch Banker und namhafte Berater hinzukommen? Die Akte des Bundeszentralamtes liegt vor ihr, sie ist noch...


Bognanni, Massimo
Massimo Bognanni, geboren 1984, beschäftigt sich als Zeitungs- und TV-Journalist mit brisanten wirtschafts- und finanzpolitischen Themen. Er ist stellvertretender Leiter des Investigativen Ressorts beim WDR und Mitglied der Recherchekooperation aus WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung. Zusammen mit Petra Nagel und Michael Wech veröffentlichte er 2021 für WDR und NDR die Dokumentation zum Cum-Ex-Skandal: ›Der Milliardenraub. Eine Staatsanwältin jagt die Steuer-Mafia‹. Für seine Arbeit wurde Bognanni vielfach mit Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Fernsehpreis für den besten Dokumentarfilm.

N., N.
N.N. ist ein erfahrener preisgekrönter Journalist, der für namhafte Medien investigativ arbeitet. Sein Schwerpunkt liegt auf brisanten wirtschafts- und finanzpolitischen Themen, seit Jahren recherchiert er zum Cum-Ex-Skandal.

Massimo Bognanni, geboren 1984, beschäftigt sich als Zeitungs- und TV-Journalist mit brisanten wirtschafts- und finanzpolitischen Themen. Er ist stellvertretender Leiter des Investigativen Ressorts beim WDR und Mitglied der Recherchekooperation aus WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung. Zusammen mit Petra Nagel und Michael Wech veröffentlichte er 2021 für WDR und NDR die Dokumentation zum Cum-Ex-Skandal: ›Der Milliardenraub. Eine Staatsanwältin jagt die Steuer-Mafia‹. Für seine Arbeit wurde Bognanni vielfach mit Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Fernsehpreis für den besten Dokumentarfilm.


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