Neubronner / Schmidt / Winter | Der Himmel bleibt offen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Neubronner / Schmidt / Winter Der Himmel bleibt offen

Heilung und Integration extremer Missbrauchserfahrungen

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-934719-59-0
Verlag: Genius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Zwei Frauen und ein Mann erzählen, was ihnen geschehen ist, als sie Kinder waren, und wie sie damit umgehen. Angela war, beginnend zehn Tage nach ihrer Geburt, ihre Kindheit und Jugend hindurch ständigem brutalem Missbrauch durch ihren leiblichen Vater ausgesetzt. Anna wurde von ihrer Mutter vertraglich an ihren Stiefvater überschrieben und durchlief ein sadistisches Programm von Misshandlung, Gehirnwäsche, Folter, Vergewaltigung und der Beteiligung an blutigen Geheimritualen. Dominico war Teil eines militärischen Programms zur Bewusstseinskontrolle; die Rahmenbedingungen für sein Leben, sein Umfeld und die mit seinem neunten Lebensjahr beginnende extreme sexuelle Misshandlung und Abrichtung zur konditionierten Kampfmaschine waren schon vor seiner Geburt festgelegt worden.
Alle drei konnten sich äußerlich und innerlich befreien, führen heute ein erfülltes, erfolgreiches Leben und sind auch therapeutisch tätig. Die körperlichen und seelischen Spuren ihrer Erfahrungen bleiben präsent. In diesem Buch schildern Angela, Dominico und Anna, welche Folgen das Erlittene hatte und wie jeder von ihnen die eigenverantwortlichen Prozesse von Verarbeitung und Heilung bewerkstelligt.
Namen und Orte wurden verändert.
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Meine Herkunft ist mir nicht bekannt. Die mir zugänglichen Akten und meine Erinnerungen lassen verschiedene Vermutungen zu. Den Akten zufolge wurden zwei andere männliche Säuglinge und ich am 26. November 1981 in einem Alter von ca. drei Monaten als Schiffbrüchige eines osteuropäischen Frachters in einem südamerikanischen Kinderheim abgegeben, wahrscheinlich von einem Besatzungsmitglied. Von dem einen der beiden anderen Säuglinge ist erwiesen, dass es sich um meinen eineiigen Mehrlingsbruder handelt. Mit diesem Bruder bin ich aufgewachsen. Über das Schicksal des dritten Säuglings gibt es nur Vermutungen. Eventuell wuchs dieser in ähnlichen Umständen auf wie wir, besuchte dieselbe Schule und verstarb 1999 bei einem Verkehrsunfall. Den Akten zufolge wurden mein Bruder Luca und ich im Alter von sieben Monaten an ein adoptionswilliges Ehepaar vermittelt. Die Eltern waren beide US-Soldaten und arbeiteten offiziell für die US Airforce, in Wirklichkeit jedoch waren sie Angestellte der CIA. Das allererste, woran mein Bruder und ich mich übereinstimmend erinnern, ist allerdings, dass Soldaten in ein brennendes Haus kamen und uns aus unseren Kinderbetten holten. Sie durchnässten uns in unserer Kleidung in einem Swimmingpool, und trugen uns fort von dem brennenden Anwesen. Wir waren damals etwa drei bis vier Jahre alt. Draußen sahen wir einen südländisch wirkenden Olivenhain und auch das Meer. Dies passt nicht zur Aktenlage, und uns wurde immer erzählt, das sei nur ein Traum gewesen. Uns wurde aber auch nie gesagt, dass wir adoptiert worden waren. Unser Adoptivvater John erzählte immer wieder, dass seine erste Frau, unsere leibliche Mutter, mir als dem Letztgeborenen noch meinen Namen zugeflüstert habe und dann voller Liebe zu uns lächelnd gestorben sei. Bis zu unserem dritten Lebensjahr lebten wir den Akten zufolge mit unserem Vater auf verschiedenen US-Stützpunkten in Deutschland. Wir besuchten keinen Kindergarten, sondern wurden zu Hause von Bediensteten betreut. Mit dem fünften Lebensjahr, als unser „Vater“ unsere „Stiefmutter“ Brigid heiratete, änderte sich unser Leben schlagartig. Brigid behandelte uns tatsächlich ziemlich stiefmütterlich: Es gab kein Kuscheln, wir wurden weiterhin fast ausschließlich durch Bedienstete erzogen, die ausgewechselt wurden, sowie wir Vertrauen zu ihnen gefasst hatten. Während ihrer seltenen Anwesenheitsphasen sprach Brigid in kaltem Befehlston mit uns. Unser Adoptivvater, der uns freundlich und liebevoll behandelte, war noch seltener daheim als sie. Seit Brigid unsere Stiefmutter war, wurden wir streng nach dem jüdischen Ritus erzogen. Ich erinnere mich an einen Satz von ihr: „Dann müssen wir aus diesen Schweinen zumindest halbwegs vernünftige Menschen machen.“ Gespräche führten meine Eltern selten und nur hinter verschlossener Küchentür, zärtliche Gesten gab es nur in der (und vermutlich für die) Öffentlichkeit. Wir hatten seit unserem 5. Lebensjahr ein ausgefülltes privates Bildungsprogramm, das unter anderem dreimal wöchentlich zwei Stunden Klavierunterricht von einer strengen polnischen Virtuosin umfasste, die uns bei falschen Tönen mit einem kleinen Bambusstöckchen auf die Finger schlug. Auch erhielten wir dreimal wöchentlich zwei Stunden anspruchsvollen Gesangsunterricht. Der Sabbat war frei von weltlichen Pflichten, wir lernten dann in der Thora zu lesen. Unser Leben in den ersten Lebensjahren war zwar ungewöhnlich, aber im Vergleich zu dem, was folgen sollte, geradezu idyllisch. Die Ereignisse, an die ich mich erinnere, enthielten noch keine extrem traumatisierenden Faktoren. Heute habe ich den Eindruck, dass wir zunächst genügend Stabilität und Kraft aufbauen sollten, um das Spätere überleben zu können. Mit sechs Jahren wurden wir in die Junior Boy Scout Elementary eingeschult, eine Halbtagsschule des US-Militärs. Unsere Schwierigkeiten begannen für meinen Bruder Luca und mich mit dem Schulsport, zunächst Völkerball und ähnliche Spiele und später Baseball. Wir liebten Sport und vernachlässigten unsere musikalische Ausbildung. Unsere Stiefmutter zerstörte daraufhin unsere Laufschuhe vor unseren Augen mit Hilfe einer Brotmaschine. Wir trainierten barfuß weiter und erzielten gute Leistungen. Als unsere Stiefmutter davon erfuhr, holte sie uns eines Nachts um halb drei aus den Betten und warf uns, barfuß im Pyjama, im Februar oder März aus dem Haus. Sie verlangte in solchen Situationen von uns Entschuldigungen und Flehen, aber wir schlichen uns in einen großen Mannschafts-Transporter, wo es Decken gab, und schliefen dort weiter. Am nächsten Tag gingen wir im Pyjama und barfuß in die Schule, was für unsere Stiefmutter natürlich unangenehme Folgen hatte. Kurz danach wurde unser erster Auftritt am Klavier bei einem deutsch-amerikanischen Volksfest arrangiert. Mein Bruder und ich spielten vierhändig und wurden sehr gelobt. Meine Stiefmutter antwortete auf dieses Lob: „Die Anzüge der beiden sind 70 DM wert – die Jungs, die drinstecken, sind nichts wert, die können Sie beide zusammen für einen Dollar haben.“ Dies war der Augenblick, wo Luca und ich endgültig beschlossen: „Wir haben keine Mutter.“ Wenig später gab unsere Mutter uns in das Military Program. Wir trugen ständig Uniform und wurden als Junior Privates wie Soldaten gedemütigt und getriezt. Das umfasste beispielsweise mit sieben Jahren Schießübungen auf 25 m und 50 m, nackt im Schnee liegend. Dazu kam das komplette Sport- und Drillprogramm. Beispiele für den soldatischen Drill sind, dass wir uns flach auf den Boden legen mussten und der Drill Sergeant über unsere Körper lief, wobei wir keinen Muskel bewegen durften. Oder wir mussten mit über den Kopf erhobener Waffe bis zur Brust im eiskalten Flusswasser stehen und auf den Befehl warten, wieder an Land gehen und in der nassen Uniform mehrere Kilometer mit Marschgepäck zum Stützpunkt zurücklaufen zu dürfen. Wir erhielten keinen privaten Musikunterricht mehr, sondern wurden im Rahmen des Junior Boy Choir der Schule ausgebildet. Musik, die wir vorher aufgrund des hohen Leistungsdruckes eher als Last empfunden hatten, wurde in dieser Zeit zu unserer einzigen Zuflucht: Der Chor hatte Sonderrechte, wurde etwas weniger gedrillt, die Anerkennung tat uns gut, und die Musik schenkte uns Freude. Wir fielen zur Befriedigung unserer Stiefmutter als hochbegabte Gesangstalente auf (Sopran) und waren jetzt wesentlich motivierter als zuvor, was den Plänen für uns entgegenkam. Bis zu unserem achten Lebensjahr war unser Alltag von Schule, Florettfechten, Schieß- und Laufübungen und unseren Privilegien Baseball und Gesang geprägt. Dann erst begannen sexuelle Übergriffe, die uns vollkommen überraschten und wie zufällig erschienen. *** Wir hielten uns aufgrund des damals üblichen sommerlichen Schüleraustausches zwischen US-Kasernen in Deutschland in einer Kaserne im bayerischen Raum auf. Dort lernten wir bei einem Sportwettkampf Christian kennen – ich vermute heute, dass Christian der dritte Säugling sein könnte. Wir waren zum Staffellauf eingeteilt, und Luca und ich hatten keine passenden Schuhe. Über die fehlende Unterstützung meiner Stiefmutter für unsere Sportaktivitäten habe ich bereits berichtet. Mehrere Kasernen traten gegeneinander an, und immer die Gewinner kämpften dann weiter. So kam es, dass Christians Mannschaft gegen unsere antreten sollte. Plötzlich stand Christian neben mir und stellte mir nagelneue Laufschuhe hin – bis dahin waren Luca und ich barfuß gelaufen. Er sagte „Ich will einen ehrlichen Wettkampf gegen euch.“ Ich nahm die Schuhe dankend an und stellte fest, dass sie mir wie angegossen passten. Mein Bruder Luca trat vier Läufer nach mir an, so dass ich ihm die Schuhe weiterreichen konnten. In der Folge gewann unsere Staffelgruppe sogar gegen die von Christian. Aus dieser Begegnung entstand eine intensive Kinderfreundschaft, in deren Verlauf sich sogar unsere „Väter“ miteinander anfreundeten. John erlaubte uns daraufhin, die dreiwöchigen Sommerferien bei Christian und seinen Eltern (niemand von uns wusste damals, dass zumindest Luca und ich Adoptivkinder waren) in deren Villa an einem bayerischen See zu verbringen. Zu unserer Begeisterung besaß Christian ein eigenes Kajütsegelboot und durfte auf dem Militärgelände Junior-Motocross fahren. Hier muss ich eine kleine Begebenheit einflechten, die später große Bedeutung gewinnen sollte: Eines Mittags waren wir mit unseren Fahrrädern am See gewesen. Um zu Christians kleinen Boot zu gelangen, mussten wir den halben See umrunden. Als Achtjährige benutzten wir dafür einen kleinen Fuß- und Radweg, anstatt uns die Bundesstraße anzutun. Auf unserem Weg lag nach einem unbeschrankten Bahnübergang ein kurzer steiler Abhang mit einer Kurve am Ende. Ich blickte mich zu meinem Bruder Luca um und fuhr ungebremst einem etwa dreizehnjährigen fremden Jungen ins Rad, der bergauf keuchte. Er flog in hohem Bogen in die Brennesseln, und sein Rad knallte in den kleinen Bach neben dem Radweg. Da Fritz, denn um ihn handelte es sich, gegen Brennesseln allergisch war, schwoll sein Gesicht sofort an. Luca, Christian und ich beschlossen, Fritz mit seinem verbogenen Rennrad nach Hause zu begleiten. Wir stellten fest, dass Fritz ganz in unserer Nähe lebte. Fritz’ Mutter war eine warmherzige, freundliche Frau, die liebevoll ihren Sohn versorgte, aber auch zu uns sehr freundlich war. Ich beichtete gleich, dass ich an dem Unfall schuld war, aber sie ging gar nicht darauf ein, sondern drückte jedem von uns einen Schokoriegel in die Hand und setzte uns an den Tisch. Später kam Fritz gebadet und wieder abgeschwollen zu...


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