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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten

Reihe: Ein Toni-Stieglitz-Krimi

Obermeier Tiefe Schuld

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten

Reihe: Ein Toni-Stieglitz-Krimi

ISBN: 978-3-8437-1513-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Im Wald wird eine halb entkleidete Frauenleiche gefunden, deren Verletzungen auf jahrelange Misshandlungen hindeuten. Kommissarin Toni Stieglitz nimmt sich des Falles an – mit bitterem Beigeschmack: Ihr eigener Exfreund war gewalttätig, böse Erinnerungen werden wach. Der Ehemann der Toten wird sofort ins Visier genommen. Doch verdächtigt Toni den Partner des Opfers bloß aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit, und ist der Fall in Wahrheit viel komplizierter? Rechtsmediziner Dr. Mulder könnte Klarheit für Toni schaffen, sowohl beruflich als auch privat …
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Eins
Der Schrei war kurz und endete so abrupt, als hätte jemand ihn abgeschnitten. Cem sah von seinem Handy auf. »Fabian?«, sagte er, doch er bekam keine Antwort. »Fabian?«, wiederholte er, diesmal etwas lauter. Suchend sah er sich zwischen den Bäumen um, hielt die Luft an, lauschte, aber der Wald blieb stumm. »Hör auf mit dem Scheiß.« Cem versuchte, verärgert zu klingen, doch es gelang ihm nicht so recht, und das ärgerte ihn nun wirklich. Sein Freund hatte keine Lust mehr, das hatte er nicht nur einmal gesagt, und weil Cem nicht darauf angesprungen war, versuchte Fabian es nun auf diese Tour. Eine ziemlich dämliche Tour, wie Cem fand. Aber den Schrei hatte er schon gut hingekriegt, das musste man ihm lassen. Als hätte ihm jemand die Kehle zugedrückt. Bei dem Gedanken lief Cem eine Gänsehaut über den Rücken. Und wenn doch etwas passiert war? Fabian war bescheuert genug, um auf einen Baum zu klettern, sich dort oben zu verstecken und sich über Cem lustig zu machen, weil der ihn unten suchte. Was, wenn ein Ast gebrochen und er hinuntergefallen war? »Fabian?«, rief er noch einmal. Seine Stimme verhallte zwischen den grauen Baumstämmen ohne Antwort. Und wenn Fabian gar nicht gestürzt war? Wenn ihm wirklich jemand die Kehle … Cem wurde schlecht. Nein, versuchte er sich zu beruhigen, das war Blödsinn. Sie waren hier nicht bei Blair Witch Project, und die Typen mit den Süßigkeiten hatten es auf kleine Mädchen abgesehen, nicht auf Jungs wie sie. Sie waren zu alt und konnten sich außerdem wehren. Trotzdem ging er schneller, machte sich in die Richtung auf, wo er seinen Freund zuletzt gesehen hatte. Die Richtung, in die er ihn selbst geschickt hatte. Cem klickte die Karte weg, auf die er die ganze Zeit gestarrt hatte, und wählte Fabians Handynummer. Wenn es irgendwo über ihm in einem Baum klingelte, konnte Fabian sich auf etwas gefasst machen. »Hallo! Hier ist die Mobilbox von …« »Scheiß Funklöcher!«, fluchte er, unterbrach die Verbindung und wählte erneut, während er über den unebenen Waldboden vorwärtsstolperte. »Hallo! Hier ist …« Zwischen den Bäumen war niemand zu sehen, aber Cems Freund hatte deutliche Spuren hinterlassen: Alle paar Schritte zeugten umgedrehte Moospolster davon, wo Fabian in seiner Langeweile mit seinem Ast auf dem Boden herumgewühlt hatte. Cem erreichte einen Waldweg und blieb stehen. Das war eigentlich die Grenze ihres Suchgebietes, doch so wie er Fabian kannte, hatte der sich garantiert nicht daran gehalten. Aber wo war er hingegangen? »Fabian! Jetzt sag schon was. Du gehst mir auf den Sack mit dieser Scheiße, Alter, weißt du das?« Keine Reaktion. Cem schwankte zwischen Verärgerung und Nervosität. Wenn Fabian hinter irgendeinem Baum hockte und sich vor Lachen in die Hose pisste, dann musste er sich echt was einfallen lassen, dass Cem wieder mit ihm redete. Ratlos blickte er den Weg entlang. Und wohin jetzt? Rechts oder links? Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte Cem einen schmalen Pfad, der in den Wald führte. Den hatte Fabian genommen. Ganz sicher. Einen Moment lang dachte Cem daran, einfach umzudrehen und seinen Freund in seinem Versteck versauern zu lassen, doch der Schrei hatte so echt geklungen. Als wäre wirklich irgendetwas Schreckliches passiert. Cem steckte sein Handy ein und rannte los. Fünfzehn Minuten zuvor »Können wir jetzt endlich gehen? Wir finden das Scheißding doch sowieso nicht.« Fabian stocherte mit dem morschen Ast, den er irgendwo aufgelesen hatte, in den Moospolstern herum. Überall hatte die Sonne auch die allerletzten weißen Flecken weggetaut und in den Grünstreifen neben den Straßen die widerlichen Hundehaufen wieder ans Tageslicht geholt. Nicht einmal hier im Wald lag noch Schnee. »Scheiße«, brummte Fabian und schlug mit seinem Ast nach den langen Ruten der Himbeersträucher. »Jetzt hör schon auf«, sagte er und wandte sich zu seinem Freund um. »Das ist doch alles Kacke.« »Aber der Cache muss hier irgendwo sein. Wir sind ganz nah dran, das weiß ich.« Cem drehte sich einmal um die eigene Achse und sah hinauf in die Baumwipfel, als würde der Cache, also der Schatz, dem sie hinterherjagten, dort oben in den Ästen hängen. Fabian schnaubte. »Das sagst du schon seit zwanzig Minuten. Aber was ist? Wir laufen hin und her wie die Vollspasten, und gefunden haben wir gar nichts.« »Was kann ich dafür, dass die App nicht richtig funktioniert«, motzte Cem zurück und starrte auf das Display seines Smartphones. »Daran sind bestimmt die beknackten Funklöcher schuld. Dauernd wechseln die Entfernungen. Mal sind es noch fünf Meter, dann zehn, dann sind wir angeblich schon wieder daran vorbei.« Er deutete mit dem Arm vage in eine Richtung. »Da vorn muss das Versteck sein. Such du links von dem großen Baum, ich suche rechts.« Fabian rührte sich nicht vom Fleck, sondern schlug nur weiter nach den Himbeertrieben. »Mann, ich hab echt keinen Bock mehr. Wer weiß, ob das Teil überhaupt noch da ist. Vielleicht hat es ja irgendein Schwachmat weggenommen und sitzt jetzt zu Hause und lacht sich den Arsch ab.« Über ihren Köpfen krächzten ein paar Krähen. In Fabians Ohren klang es wie hämisches Gelächter. Warum hatte er sich auf diesen Scheiß überhaupt eingelassen? Geocaching. Was für ein Mist. Okay, als Cem gestern davon erzählt hatte, hatte es tatsächlich nicht so schlecht geklungen, und er hatte sich von der Begeisterung seines Freundes anstecken lassen. Anfangs hatten sie beide gespannt auf das Handydisplay geschaut und verfolgt, wie sie dem Versteck immer näher kamen, und da hatte es ihm ja auch noch Spaß gemacht. Allerdings war Fabians Begeisterung ab dem Zeitpunkt verflogen, als die Nässe durch seine Schuhe gekrochen war, seine Zehen sich langsam in Eisklumpen verwandelt hatten und sie zum gefühlt hundertsten Mal an derselben Stelle vorbeigetappt waren, ohne auch nur die winzigste Spur von dem Cache zu finden. Inzwischen kam er sich nur noch bescheuert vor. Von wegen Schatzsuche für Erwachsene. Das war nicht besser als Topfschlagen auf dem Kindergeburtstag seiner kleinen Schwester. Nur mit GPS. Der Rest war gleich. Warm. Wärmer. Kalt. Verarscht. Aber er war eindeutig zu alt, um durch die Gegend zu laufen und irgendwelchen blöden Kleinkram zu suchen, den ein anderer Idiot versteckt hatte. Außerdem musste er mal. Der Füllstand seiner Blase war schon bei mindestens neunzig Prozent. »Ich geh pinkeln«, sagte er und schlug mit dem Ast gegen ein Grasbüschel. Blasse Halme flogen durch die Luft. »Aber pass auf, wo du hinschiffst«, antwortete Cem. »Der Cache ist irgendwo auf dem Boden.« »Jaja«, murmelte Fabian und ging in die Richtung, in die sein Freund zuvor gedeutet hatte. Das Unterholz war dort wesentlich dichter als in dem Bereich, den Cem sich ausgesucht hatte. Das war mal wieder typisch für ihn. Er machte es sich immer so einfach wie möglich. Lustlos kickte Fabian die Buchenblätter in die Luft, die den Boden in einer dicken, feuchten Schicht bedeckten, und wirbelte mit jedem raschelnden Schritt einen Schwall Modergeruch auf. Er duckte sich unter vertrockneten Fichtenzweigen hindurch, umrundete ein paar kahle Büsche und traf schließlich auf einen Waldweg. Den hatten sie bisher als eine Art Grenzmarkierung betrachtet, weil Cem steif und fest behauptete, der Cache müsse auf dieser Seite des Weges sein. Fabian überlegte. Was, wenn Cem sich irrte? Oder wenn die App einfach nur Bullshit anzeigte und der Schatz doch auf der anderen Seite versteckt war? Ein winziger Funke Abenteuerlust und eine große Portion Trotz flammten in ihm auf. Was, wenn er dort drüben den Cache fand? Dann hätte er neben nassen Füßen wenigstens die Genugtuung, dass Cem unrecht gehabt hatte. Fabian überquerte den Weg und erspähte einen schmalen Trampelpfad, der zwischen fast hüfthohen Gräsern und jungen Buchen und Fichten hindurchführte. Im aufgeweichten Boden war ein halber Schuhabdruck zu sehen. Ob der von einem anderen Geocacher stammte? Vielleicht von einem, der mehr draufhatte als Cem – oder zumindest eine bessere App benutzte und beim richtigen Mobilfunkanbieter war. Fabian musste grinsen, als er sich den dämlichen Gesichtsausdruck seines Freundes vorstellte, wenn er ihm den Cache unter die Nase hielt. Seine Blase drückte immer noch, aber die Neugier war jetzt größer, und er folgte dem Pfad, der sich zwischen Bäumen und Sträuchern hindurchschlängelte, bis er vor einer von Gräsern und Büschen überwucherten Senke an einem Hochsitz endete. »Na toll.« Von wegen Schatz. Der Schuhabdruck gehörte offensichtlich keinem anderen Cacher, sondern einem Jäger, der von da oben ahnungslose Tiere abballerte. Enttäuscht schlug Fabian mit dem Ast gegen den Hochsitz. Dann kam ihm ein Gedanke. Er legte den Kopf in den Nacken und blickte zu der hölzernen Kanzel hinauf. Das Ding sah ein bisschen aus wie das Plumpsklo, auf das er mal beim Bergwandern gegangen war. Ob der Jäger dort oben auch einen Eimer und Klopapier hatte? Er grinste bei der Vorstellung, dann kam ihm ein Gedanke. Und wenn der Schatz dort oben versteckt war? Er warf den Ast weg und stellte sich auf die unterste Sprosse der Hochsitzleiter. Cem hatte zwar gesagt, dass das Versteck auf dem Boden war, aber vielleicht hatte Cem das ja auch nur einfach so behauptet, um so zu tun, als hätte er Ahnung von diesem Scheiß. Fabian erklomm drei weitere Sprossen. Ganz schön wackelig, das Ding. Vertrauenerweckend ging jedenfalls anders. Er...


Obermeier, Manuela
Manuela Obermeier kam 1970 in München zur Welt. Sie begann bereits in der fünften Klasse mit ihrem ersten Roman, schlug nach dem Abitur aber eine ganz andere Richtung ein und ging zur Polizei. Das Schreiben hat die Polizeihauptkommissarin jedoch nie losgelassen.

Manuela Obermeier wurde 1970 in München geboren. Sie begann bereits in der fünften Klasse mit ihrem ersten Roman, schlug nach dem Abitur aber eine ganz andere Richtung ein und ging zur Polizei. Das Schreiben hat die Polizeihauptkommissarin nie losgelassen. "Tiefe Schuld" ist der zweite Teil in der Reihe um Kriminalhauptkommissarin Toni Stieglitz.


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