Ott | Tausendundeine Nacht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 429 Seiten

Reihe: Neue Orientalische Bibliothek

Ott Tausendundeine Nacht

Das glückliche Ende

E-Book, Deutsch, 429 Seiten

Reihe: Neue Orientalische Bibliothek

ISBN: 978-3-406-68827-0
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In einer kleinen Bibliothek in Zentralanatolien, die vor 250 Jahren ein Sammler alter Handschriften erbaute, liegt – versteckt in einem falsch beschrifteten Schuber – ein uraltes Manuskript des Endes von „Tausendundeine Nacht“.

Diese sensationelle Entdeckung macht Claudia Ott mit ihrer Übersetzung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Über das Ende der Rahmenerzählung von der klugen Schahrasad, die durch ihre Geschichten König Schahriyar davon abhält, sie zu töten, war bisher so gut wie nichts bekannt. Die vollständigen arabischen Manuskripte, die erst im 19. Jahrhundert unter europäischem Einfluss entstanden sind, blenden die Rahmenerzählung fast völlig aus. Erstmals werden nun die letzten 125 Nächte des Zyklus sowie der ausführliche Schluss in einer arabischen Fassung zugänglich, die viele Jahrhunderte älter ist. Claudia Ott versteht es meisterhaft, die Unmittelbarkeit und Frische des arabischen Originals zu vermitteln. Frei von allen europäischen Übermalungen und Ausschmückungen entführt sie den Leser in eine zauberhafte Welt der Paläste und Basare, der weisen Wesire und verschlagenen Händler, eine Welt voller erotischer Abenteuer und böser Streiche. „Ach, Schwester“, seufzte Dunyasad, „wie köstlich ist deine Geschichte und wie schön und süß und angenehm!“
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Der Spatz als Wesir
Seinerzeit gab es einen Spatzen, der beim König der Vögel ein und aus ging. Er war jeden Morgen der Erste, der zu ihm hereinkam, und abends war er der Letzte, der ihn verließ. Und das kam so:  In den Bergen hatte sich auf einem Gipfel eine Vogelschar versammelt. «Wir sind viele geworden», hatten sie zueinander gesagt, «und auch unsere Streitigkeiten haben zugenommen. Wir brauchen für unsere Vogelschar einen König, der unsere Angelegenheiten regelt. Dann werden wir alle mit einer Stimme sprechen, und der Streit wird aufhören.» Sie hatten daraufhin den Pfau gewählt und zu ihrem König gemacht, und dieser führte die Herrschaft aufs beste und ernannte jenen Spatzen zu seinem Sekretär und Wesir. Das war der Grund dafür, weshalb der Spatz immer so lang in des Königs Dienst verweilte und nach dem Rechten sah.  Eines Tages, so erzählen die Leute weiter, blieb der Spatz seinem Dienst fern. Der Pfau machte sich deswegen große Sorgen. Doch während er gerade so bekümmert dasaß, kam der Spatz herein. «Warum warst du denn draußen?», erkundigte sich der König und fügte hinzu: «Du bist uns doch der engste und vertrauteste Berater!»  «Ich habe heute Morgen etwas Verdächtiges bemerkt, das mich beunruhigt hat», berichtete der Spatz. «Ich habe nämlich gesehen, wie ein Mann, der ein Jagdnetz bei sich hatte, dieses Netz ganz in der Nähe meines Nestes ausgelegt und die Pflöcke in die Erde gesteckt hat. Er hat Körner in die Mitte gestreut und sich in einiger Entfernung auf die Lauer gelegt. Auch ich habe mich hingesetzt, um zu beobachten, was er wohl tun würde. Plötzlich ist ein Pärchen Kraniche aufgetaucht, welche das Schicksal und die Vorsehung dazu verleitet hatten, sich mitten auf dem Netz niederzulassen. Die beiden Kraniche haben sich im Netz verfangen und ein Geschrei erhoben. Der Vogelfänger ist aufgesprungen und hat sie sich geschnappt. Das hat mir Angst gemacht, und deshalb, o König der Vögel, konnte ich nicht zu dir kommen. Ich werde auch mein Nest nicht länger bewohnen, weil ich auf der Hut vor diesem Netz sein muss.» – «Deinen Nistplatz darfst du nicht aufgeben», widersprach ihm der König, «denn Vorsicht schützt nicht vor der Vorsehung.»  Und der Spatz gehorchte dem Befehl des Pfaus. «Ich will tun, was der König sagt», willigte er ein. «Ich werde mich also in Geduld üben und nicht wegziehen.» [Da überraschte] das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», seufzte Dunyasad zu ihrer Schwester Schahrasad gewandt, «wie gut ist deine Geschichte und wie schön und bezaubernd!» – «Was ist das schon», erwiderte sie, «gegen das, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich der König verschont? Das wird, so Gott will, noch aufregender, spannender, köstlicher und vergnüglicher sein. Doch Gott – Er sei gepriesen! – kennt die Verhältnisse der Menschen am besten.» [Die neunhundertundvierte Nacht]
Und als die nächste Nacht gekommen war, sagte Dunyasad zu ihrer Schwester Schahrasad: «Ach, Schwester, ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns deine Geschichte zu Ende!» – «Einverstanden, mit Vergnügen!», antwortete sie. [Es ist mir zu Ohren gekommen,] o glücklicher König, dass der Spatz dem Befehl des Pfaus Folge leistete und sagte: «Ich will tun, was der König sagt. Ich werde mich also in Geduld üben und nicht wegziehen.» Von nun an gab der Spatz besonders auf sich Acht. Seine Mahlzeiten nahm er stets am Tisch von König Pfau ein, aß, bis er gesättigt war, trank nach dem Essen noch sein Wasser, erst danach flog er nach Hause.  Als er eines Abends heimkam, sah er am Boden zwei Spatzen miteinander kämpfen. «Wie kann es angehen», sprach er zu sich selbst, «dass ich der Wesir des Königs bin und hier direkt in meiner Nachbarschaft die Vögel miteinander kämpfen, ohne dass ich ihren Streit schlichte?»  Die beiden Spatzen aber saßen auf dem Netz des Vogelfängers. Der Wesir flatterte zu ihnen hinunter und wollte ihren Streit schlichten, doch da stülpte der Vogelfänger schnell das Netz über sie alle, und er saß mittendrin. Der Vogelfänger trat herzu, ergriff ihn und händigte ihn seinem Herrn mit den Worten aus: «Schau ihn dir gut an, es ist ein fettes Stück! Ich habe noch keinen schöneren gesehen.» Der Spatz aber dachte bei sich: «Jetzt bin ich genau dort hineingeraten, wovor ich mich gefürchtet hatte und auf der Hut war. Nichts anderes hat mich ins Unglück gestürzt als der Befehl des Pfaus.» So nützte ihm die Vorsicht nichts, als ihn die Vorsehung ereilte. «Das ist das Ende seiner Geschichte, o König der Zeit.» – «Erzähl weiter, Schahrasad!», verlangte der König. Und sie erzählte: Vom Marder, der das Goldhähnchen zum Freund wollte
Es ist mir zu Ohren gekommen, dass auf einem Berg eine Eule ihren Nistplatz hatte. Sie lebte dort zusammen mit ihrem Männchen in vollkommener Ruhe und Geborgenheit, fürchtete weder Unglück noch Feind. Das ging so eine lange Zeit.  In ihrer Nachbarschaft wohnte ein kleines, feuerköpfiges Goldhähnchen. Es war ein Einsiedler und Asket, betete viel, und Gott erhörte seine Gebete. Wie die Eule lebte auch das Goldhähnchen schon eine geraume Zeit lang dort.  Eines Tages flog das Goldhähnchen aus, um Futter zu suchen, und begegnete unterwegs einem Marder, der auf der Suche nach einem neuen Unterschlupf für sich und seine Familie war. Das Goldhähnchen erschrak vor ihm und flatterte furchtsam zurück. Als der Marder seine Angst und Furchtsamkeit bemerkte, sprach er es an: «Was sehe ich dich mit ausgebreiteten Flügeln dasitzen, liebes Goldhähnchen, so als wolltest du gleich wieder hochfliegen? Gefällt dir etwa unser Anblick nicht? Oder magst du nicht unser Nachbar werden? Komm her zu mir, damit ich dir zur Begrüßung die Pfote reichen kann!» – «Hinweg von mir!», kreischte das Goldhähnchen. [Da überraschte] das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», seufzte Dunyasad zu ihrer Schwester Schahrasad gewandt, «wie gut ist deine Geschichte und wie schön und bezaubernd!» – «Was ist das schon», erwiderte sie, «gegen das, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich der König verschont? Das wird, so Gott will, noch spannender sein als das und noch viel köstlicher, vergnüglicher und aufregender. Doch Gott – gepriesen sei Er, der Erhabene! – weiß es am besten.» [Die neunhundertundfünfte Nacht]
Und als die nächste Nacht gekommen war, sagte Dunyasad zu ihrer Schwester Schahrasad: «Ach, Schwester, ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns deine Geschichte zu Ende!» – «Einverstanden, mit Vergnügen!», antwortete sie. [Es ist mir zu Ohren gekommen,] o glücklicher König, dass das Goldhähnchen kreischte: «Hinweg von mir, Marder! Nein, deine Nachbarschaft passt mir nicht, denn du bist nicht von meiner Art, und ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum du in meine Nähe kommen müsstest. Im Gegenteil: Es deutet alles darauf hin, dass du mich heimtückisch und boshaft hinters Licht führen willst. Die Gelehrten und Weisen haben ja den Ausspruch geprägt: ‹Nimm dir keinen Nachbarn, der nicht von derselben Gattung ist wie du, sonst werden deine Tage nutzlos verstreichen.› Du, Marder, bist ohne Zweifel mein natürlicher Feind. Verschlagenheit und Beutefang sind deine Natur, und die Natur ist am Ende immer die Stärkere. Dies hat ein Dichter mit folgenden Worten bestätigt: Tawil Ich hab’s gegen lieb gewordne Lieb’ mit Geduld versucht, Doch hat die Geduld, die ich versuchte, nicht süß geschmeckt. Und weil die Natur am Ende immer die Stärk’re ist, Hab ich das Gewand des Kummers über die Lieb’ gedeckt. Ich trage es traurig, mit vor Sorgen ergrautem Haar, Und weine die Träne, die das Kleid wieder sauber leckt. So leide ich zwar, doch steht das Leiden mir besser an Als widernatürliche Geduld, die nicht in mir steckt. Ich befürchte», fuhr das Goldhähnchen fort, «dass du mich betrügen wirst, weil das deine Natur ist. Mit dir verhält es sich nämlich kein bisschen anders, als es in der Fabel vom König und dem Wesir beschrieben wird.» – «Was hatten die beiden denn für eine Geschichte?», fragte der Marder nach. Und das Goldhähnchen begann, während der Marder ihm aufmerksam lauschte, zu erzählen: Dressur wider die Natur
[Die Leute behaupten, dass es einmal einen König gab,] der einen klugen, tatkräftigen, gutmütigen und erfahrenen Wesir hatte, den...


Claudia Ott, Arabistin, Übersetzerin und Musikerin, gehört international zu den führenden Kennern von Tausendundeine Nacht. Sie hat in Berlin und Erlangen gelehrt und geforscht und unterrichtet jetzt an der Universität Göttingen. Ihre deutsche Erstübersetzung der bisher ältesten Handschrift von Tausendundeine Nacht, die den Anfang und die ersten 282 Nächte enthält, wurde von der Kritik gefeiert und schnell zum Bestseller (Gesamtauflage über 100.000 Exemplare). Für diese Übersetzung erhielt Ott u. a. den Johann-Friedrich-von-Cotta-Preis.


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