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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 10, 480 Seiten

Reihe: Mamma Carlotta

Pauly Gegenwind

Ein Sylt-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 10, 480 Seiten

Reihe: Mamma Carlotta

ISBN: 978-3-492-97354-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Mamma Carlotta engagiert sich als freiwillige Helferin beim alljährlichen Syltlauf, als ein junger Sportler plötzlich tot zusammenbricht. Dio mio! Schon vor dem Start soll der Siebzehnjährige angeschlagen gewirkt haben – war Doping im Spiel? Tatsächlich wird in seinem Blut ein Medikament nachgewiesen, doch das deutet auf Mord hin! Als Carlottas Schwiegersohn, Kriminalhauptkommissar Erik Wolf, im Umfeld des unscheinbaren Schülers ermittelt, kommt er einer tragischen Geschichte auf die Spur, die bald ein weiteres Opfer fordert …
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Der Krankenwagen stand zwischen dem Eingang des Hotels Miramar und dem Strandübergang, der Notarzt war die Treppe zur Uferpromenade hinabgelaufen, gefolgt von zwei Sanitätern, die eine Trage mit sich führten. Jene Läufer, die in diesem Augenblick unterhalb vom Miramar auftauchten, mit erwartungsvollen Mienen und die Arme schon erhoben, um sich für den Jubel zu bedanken, fielen aus ihrem Rhythmus, wurden langsamer, blickten umher und stellten fest, dass sie kaum Beachtung fanden. Man sah ihren Gesichtern die Enttäuschung an. Dann merkten sie, auf welche Stelle sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer richtete, aber niemand von ihnen konnte erkennen, was geschehen war. Ein schnell errichteter Sichtschutz sperrte alle neugierigen Blicke aus. Der junge Mann lag noch dort, wo Mamma Carlotta ihn hatte zu Boden sinken lassen. Neben ihm kniete der Notarzt, ein dynamischer Endfünfziger, so hager und gut trainiert wie die Spitzenläufer. Die beiden Sanitäter hatten dafür gesorgt, dass die Neugierigen auf ihre Plätze zurückkehrten. Ganz allmählich, da man vergeblich auf Erkenntnisse wartete und Vermutungen auf die Dauer unbefriedigend waren, setzte sich im Publikum der Grundsatz durch, dass die Lebenden wichtiger waren als die Toten. Man wandte sich wieder den Sportlern zu: Der Erste empfing einen Läufer mit euphorischer Freude, der Nächste fiel ein und feuerte den zweiten Läufer an, daraufhin stieg die Stimmung wieder an, wenn sie auch nicht mehr ganz so ausgelassen war wie vorher. Noch immer gab es Zuschauer, die spürten, dass sich in ihrer Nähe ein Schicksal entschied. Alle anderen ahnten es auch, versuchten jedoch, sich nicht vom Flügelschlag des Todes berühren zu lassen. Sören beugte sich zum Notarzt hinab. »Kommissar Kretschmer vom Polizeirevier Westerland. Halten Sie Tod durch Fremdeinwirkung für möglich?« Der Notarzt sah überrascht auf. »Wie kommen Sie denn darauf?« Mamma Carlotta rechnete mit einem vielsagenden Blick von Sören, aber der antwortete nur: »Ist doch merkwürdig, dass ein junger Mann in diesem Alter mit einem Mal tot zusammenbricht.« Der Notarzt schüttelte den Kopf. »So ungewöhnlich ist das gar nicht. Er hat sich vermutlich übernommen, ist untrainiert, hat sich nicht gut vorbereitet ...« Er nahm die Plane entgegen, die einer der Sanitäter ihm reichte, und deckte den Toten zu. »Übergewicht hat er auch. Diese jungen Kerle trinken sich manchmal sogar Mut an, ehe sie starten.« Carlotta drängte sich an Sörens Seite. »Laufen Sie weiter, Sören! Enrico hat mir gesagt, Sie wollen eine gute Zeit schaffen. Madonna! Wie konnte ich Carolina bitten, Sie zurückzuholen! Das war dumm von mir. Molto stupido! Mi dispiace.« Aber Sören winkte ab. »Schon gut, Signora.« Sein rundes Apfelgesicht mit den roten Wangen glänzte vor Schweiß. Er strich sich über die Oberarme, als fröre er. Mamma Carlotta hatte noch immer die Hoffnung, sie könnte ihren Fehler wiedergutmachen. »Schnell, Sören! Avanti, avanti! Laufen Sie weiter! Madonna, es tut mir so leid.« Er stoppte ihre Entschuldigungen. »Ich verstehe das, Signora. Wenn man plötzlich mit einem Toten im Arm dasteht, kann man nicht mehr logisch denken.« Er lächelte sie an, in seinem Gesicht war kein Vorwurf zu erkennen. »Dann braucht man jemanden, der sich mit Toten auskennt.« »Sì, un commissario.« Mamma Carlotta seufzte dankbar, weil sie sich verstanden fühlte. Friz Nikkelsen trat zu Sören und legte ihm eine Wärmefolie um, die im Ziel für alle Läufer zur Verfügung stand. »Sonst erkälten Sie sich noch.« Der Notarzt betrachtete diese Maßnahme wohlwollend. »Ich tippe auf Herzinfarkt. Wir müssen jetzt sehen, dass wir den Toten ohne viel Aufheben wegbringen.« Sörens Augen bahnten sich bereits eine Gasse durch die Zuschauer. »Ich werde dafür sorgen, dass niemand im Weg steht.« Der Notarzt zückte sein Handy. »Aber erst muss ich den Bestatter verständigen. Ein Krankenwagen ist nicht für Tote da.« Die Sanitäter klappten den Sichtschutz zusammen, und Sören drängte die Zuschauer zurück, sodass sich eine Gasse bildete. Mamma Carlotta hastete hinterher, weil sie noch viel Zeit und Gelegenheit haben wollte, Sören wissen zu lassen, wie groß ihr Schuldbewusstsein war und wie sehr sie es bedauerte, ihn um einen Sieg gebracht zu haben. Damit bewies sie Fritz Nikkelsen zugleich, dass sie ebenso gut trainiert war wie er, wenn nicht sogar besser, denn es fiel ihm nicht ganz leicht, mit ihr Schritt zu halten. »Sören! Laufen Sie los! Sie können noch ... come si dice? ... Finisher werden. Das wollen Sie doch, è vero?« Als sie am Krankenwagen angekommen waren, nickte er endlich, wenn auch zögernd. »Meinen Sie wirklich, Signora, dass Sie Ihren Schreck überwunden haben?« Man sah ihm an, dass er beim geringsten Zweifel der Frau, die ihn täglich mit Antipasti, Primo Piatto, Secondo und Dolce verwöhnte, weiterhin zur Seite stehen und seinen Erfolg beim Syltlauf in den Wind schreiben würde. »Naturalmente! Da sind mir schon ganz andere Schrecken in die Glieder gefahren. Wenn ich da an den Porsche denke, der plötzlich in meinem Küchengarten stand! Durch den Gartenzaun! Direkt in meinem Gemüsebeet! Alle Zucchini waren hin, und die meisten Tomaten auch.« Der Notarzt unterbrach sie, als ahnte er, dass diese Geschichte sich noch eine Weile hinziehen könnte. »Gehen Sie ruhig wieder zur Trinkstation«, sagte er zu Mamma Carlotta und wandte sich an Sören. »Wenn Sie weiterlaufen wollen, dann jetzt. Noch sind Ihre Muskeln warm und geschmeidig.« Aus der Dünenstraße, die hinter dem Miramar entlangführte, bog in diesem Augenblick ein alter Ford in die Friedrichstraße, die eigentlich den Fußgängern vorbehalten war. So etwas durften nur die Gäste des Miramar – oder aber ein Polizeibeamter in der Ausübung seiner Pflicht. Mamma Carlotta griff nach Sörens Arm und drängte ihn zur Treppe. »Il dottore hat recht, Sie müssen weitermachen. Jetzt oder nie. Avanti!« Erleichtert blickte sie Sören nach, der nun entschlossen die Treppe hinablief. »Madonna«, flüsterte sie vor sich hin. »Hoffentlich wird er wenigstens Finisher. Was tue ich, wenn er es nicht schafft, nur weil ich ihn zurückgeholt habe?« Durch ihren Kopf purzelten bereits die Namen aller Gerichte, die Sören besonders schätzte und die sie alle für ihn zubereiten wollte, bis sie sich sein Verzeihen erkocht hatte. Der Notarzt wiederholte sehr laut und nachdrücklich: »Sie können sich getrost wieder um die Getränke und die Bananen für die Läufer kümmern, gute Frau.« Er gab Fritz Nikkelsen ein Zeichen, damit dieser dafür sorgte, dass er nicht mehr in der Ausübung seiner ärztlichen Pflicht gestört wurde. Mamma Carlotta sah nervös zu, wie Erik aus dem Auto kletterte. Verärgert schüttelte sie Fritz Nikkelsen ab, der die Rolle des Trösters übernehmen wollte. Sie brauchte seinen Zuspruch nicht. Eigentlich hätte sie dem Notarzt gern in aller Ausführlichkeit auseinandergesetzt, wie grauenvoll es für sie gewesen war, in das Gesicht eines Toten zu blicken, seinen schlaffen Körper im Arm zu halten, sich auszumalen, mit welchen Hoffnungen er an den Start gegangen war, und sich vorzustellen, dass seine Mutter in List hinter der Ziellinie vergeblich auf ihn wartete. Bei dieser Gelegenheit hätte sie ihn auch gern darauf hingewiesen, dass einer Frau, deren Seele derart aufgerüttelt worden war, das Angebot eines medizinischen oder zumindest seelsorgerischen Beistands gemacht werden müsse. Zwar hätte sie beides natürlich abgelehnt, aber dass der Notarzt es nicht einmal für nötig hielt, sich mit ihrem Gemütszustand zu befassen, ärgerte sie. Doch nun musste sie sich um Erik kümmern, der vielleicht noch immer zornig auf sie war. »Enrico! Gut, dass du kommst!« »Hauptkommissar Wolf?« Der Notarzt begrüßte Erik kopfschüttelnd. »Was ist eigentlich los heute? Herrscht auf der Polizeistation Langeweile?« Erik ließ ihn auf eine Antwort warten und wandte sich an seine Schwiegermutter. »Sören ist schon wieder auf der Strecke?« »Sì, sì, schon lange!« Sie dehnte das A auf mindestens eine Viertelstunde und sorgte mit einer deftigen Handbewegung dafür, dass Fritz Nikkelsen nicht auf die Idee kam, ihre Behauptung zu korrigieren. Währenddessen warf sie einen Blick zur Uferpromenade und sah, wie Sören gerade die Wärmefolie abwarf und Carolin zuwinkte. Sie war froh, dass Erik der Laufstrecke den Rücken zukehrte und stattdessen zur Trage hinübersah, die noch neben dem Krankenwagen stand. Der Notarzt vergewisserte sich, dass der Tote gut verhüllt war. »Hat der Bestatter zurückgerufen?«, fragte er den Sanitäter, der gerade sein Handy wegsteckte. »Er kommt sofort. Ich habe ihm erklärt, dass der Tote direkt vorm Miramar liegt. Und dass es nicht lange dauern kann, bis der Portier erscheint und sich beschwert oder ein Hotelgast in Ohnmacht fällt, nachdem er über die Leiche gestolpert ist.« Der Notarzt zuckte die Achseln. »Was sollen wir machen? Es ist verboten, einen Toten im Krankenwagen zu transportieren. Oder könnte man ihn vielleicht um die nächste Straßenecke ...?« Er unterbrach sich und starrte Erik fragend an. Der nickte vorsichtig, sah sich um, blickte in viele neugierige Gesichter und nickte kräftiger. »Ja, bringen Sie ihn hier weg. Wer weiß, wann der Bestatter kommt. Wir können unmöglich einen Toten hier am Strandübergang liegen lassen.« Der Notarzt schien erleichtert zu sein. »Ein Leichenwagen macht sich hier auch nicht besonders gut. Ganz zu schweigen von dem Wechsel des armen Kerls in den...


Pauly, Gisa
Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch »Mir langt’s – eine Lehrerin steigt aus«. Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre turbulenten Sylt-Krimis um die temperamentvolle Mamma Carlotta erobern regelmäßig die SPIEGEL-Bestsellerliste, genauso wie ihre erfolgreichen Italien-Romane. Gisa Pauly wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Satirepreis der Stadt Boppard und der Goldenen Kamera des SWR für das Drehbuch »Déjàvu«.

Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch "Mir langt's – eine Lehrerin steigt aus". Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre turbulenten Sylt-Krimis um die temperamentvolle Mamma Carlotta erobern regelmäßig die SPIEGEL-Bestsellerliste, genauso wie ihre erfolgreichen Italien-Romane. Gisa Pauly wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Satirepreis der Stadt Boppard und der Goldenen Kamera des SWR für das Drehbuch "Déjàvu".


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