Prünster / Gramm / Höller | Wer das liest, ist... | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Prünster / Gramm / Höller Wer das liest, ist...

Krasse Geschichten

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-88-7283-552-4
Verlag: Edition Raetia
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die jungen Autorinnen und Autoren der Mittelschule Mariengarten lassen ihrer Fantasie freien Lauf: Sie besiedeln den Weltraum, verlegen ihren Wohnsitz nach New York, schließen Freundschaft mit Wildpferden, sind gewiefte Biografen von Napoleon und Edward Snowden und müssen vor dem Krieg und lebensbedrohlicher Verfolgung fliehen.
Ihre Geschichten sind kurzweilig und überraschen mit ihrem Witz und Charme.
Ein Buch für coole Jugendliche, mutige Eltern und moderne Omas.
Prünster / Gramm / Höller Wer das liest, ist... jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Maria Luigia Benvenuti
Die lustige Geschichte des Monsieur Bureau
und des Monsieur Blanchard

Amelie Burger
Ein schrecklicher Tag

Niklas Foradori
Fragen im Kopf

Jürgen Göller
Willkommen auf der Spitze!

Benedikt Gramm
Planet Echser

Leander Gruber
Der rote Baron

Julian Höller
Der geheime Bunker

Barbara Kaufmann
Bereit für Wunder

Lisa Kiem
Das neue Jahr

Maria Malfertheiner
Der Berliner Bär

Vanessa Martini
Thunder

Sidonie Prokopp
Wetterpech

Anja Prünster
Ausdauer und Disziplin

Manuel Toni Streiter
Der neue Boss

Lisa Taferner
Der Dreamer

Lucia Villotti
Die Milchstraße

Anna Zendron
Herz oder Laub

Alexandra Zublasing
Der Schiffsflüchtling

Autorinnen und Autoren


Willkommen auf der Spitze!
Jeder hat einmal einen Gletscher gesehen, zumindest auf einem Foto. Ich war aber mit Jonas schon auf der Spitze eines Gletschers. Die Aussicht war herrlich. Allerdings war es nicht diese Erfahrung, die mein Leben schlagartig veränderte … Es war wieder einmal einer dieser Tage, an denen man zu nichts Lust hat. Das wusste ich schon, als ich am Morgen aufstand. Es war Samstag und zudem endlich wieder der erste Tag von einer Woche Ferien. Ich sollte mich freuen, aber es war nicht so. Irgendwas war seltsam, nicht richtig. Da war irgendwas, das meine Laune schlagartig verschlechterte. Ich ging in die Küche, um mir Frühstück zu machen, und blickte auf den Kalender. Da fiel es mir wieder ein: Jonas, ein Kollege meiner Mutter, kam zu Besuch. Ich mochte ihn nicht besonders. Er war 23 und arbeitslos. Zumindest bezeichnete ich ihn immer so, da ich nicht wusste, ob er mit seinem eigentlichen „Beruf“ überhaupt Geld verdienen konnte. Er nannte sich selbst Kletterprofi, da er schon so manchen Achttausender bestiegen hatte, wie er behauptete. Ich glaubte ihm das nicht, ich war nämlich mal in einer Kletterhalle und hatte ihn dort gesehen. Wenn ein Fan zu ihm kam und wollte, dass er die Wand hochkletterte, wurde er nervös und versuchte mit seinen Limited-Edition-Autogrammkarten abzulenken, obwohl die nichts Besseres waren als die der Standardausgabe, von denen er stets einige bei sich trug. Ich hasste es, wenn meine Mutter ihn einlud. Ich wusste nicht einmal, wieso die zwei überhaupt befreundet waren. Er gab immer mit seinen Auszeichnungen an, die in seiner Villa in den Schweizer Alpen in einer Vitrine stünden. Meinem Vater gefiel das auch nicht, da er es nicht leiden konnte, wenn jemand meiner Mutter zu nahe kam. Besonders wenn dieser Jemand reich und sportlich war. Aber meine Mutter musste darüber nur lachen und sagte: „So einer wie der passt eh nicht zu mir“ und „Ich hab doch schon dich!“ Schließlich klingelte es und Jonas stand vor der Tür. Meine Mutter öffnete und bat ihn herein. „Ich muss leider noch kurz etwas erledigen, Jonas, aber du kannst gerne hier bleiben und dich in der Zwischenzeit mit meinem Sohn unterhalten.“ Jonas sah zwar nicht besonders erfreut darüber aus, willigte aber ein. Meine Mutter verabschiedete sich und ließ uns allein. Die ersten zehn Minuten saßen wir nur da und sagten nichts. Dann fing er natürlich damit an: „Willst du mal ein paar meiner Auszeichnungen sehen? Ich hab zwar nur Fotos, da die eigentlichen Auszeichnungen …“ „… in deiner Villa in den Schweizer Alpen sind, ich weiß“, unterbrach ich ihn gelangweilt. „Stimmt was nicht?“, fragte er verwundert. „Ich glaub dir kein Wort! Die Villa, das Geld, die Berge, einfach alles“, antwortete ich verärgert. „Wenn das so ist, solltest du mal mit in die Schweiz kommen und ich lege dir die Beweise vor! Darin ist genau dokumentiert, wie außerordentlich gut ich klettern kann“, schlug er vor. „Eisklettern auch?“, fragte ich ungläubig. Stolz antwortete er: „Ja, sogar Eisklettern. Komm doch mit, das wird toll!“ Obwohl ich ihm das nach wie vor nicht glaubte, stimmte ich zu. Ich wollte beweisen, dass er nur ein Schwindler war, und ich wusste auch, dass ich die Sache mit meiner Mutter besprechen musste, da mein Vater das wohl nicht unterstützen würde. Aber auch sie war skeptisch: „Mit Jonas in die Schweiz? Na, ich weiß nicht. Was willst du denn da? Zudem kannst du doch nicht Eisklettern, wie willst du denn da irgendwas beweisen?“ „Er wird es mir schon beibringen, wenn er es wirklich kann“, entgegnete ich optimistisch. Zugegeben, die Vorstellung von einem Erwachsenen, der mit einem unerfahrenen Jugendlichen Eisklettern geht, war schon etwas extrem, aber ich wollte beweisen, dass Jonas ein Schwindler war, und da ich mir dessen ziemlich sicher war, würde es wahrscheinlich sowieso zu keiner Kletteraktion kommen. Meine Eltern hatten wohl dieselbe Rechnung aufgestellt. Gleich am nächsten Morgen gingen wir alle zum Flughafen. Meine Mutter und mein Vater hatten miteinander geredet und entschieden, mich mitfliegen zu lassen. Ich verabschiedete mich und betrat zusammen mit Jonas das Flugzeug. Gleich nach der Landung des Linienflugzeuges stiegen wir in einen privaten Helikopter. Zugegeben, ich war beeindruckt. Der Hubschrauber landete auf einem Helikopterlandeplatz, der neben einem gigantischen Anwesen stand. Ich konnte es nicht glauben: Jonas hatte wirklich eine Villa, und was für eine! Das war aber noch lange kein Beweis für seine Kletterkünste. Vielleicht hatte er ja das Erbe einer reichen Tante angetreten. Ich erkundete das Grundstück, fand aber neben zahlreichen Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen, nichts, was auf einen Kletterprofi hindeutete. „Dein Zimmer ist im zweiten Stock, Raum 007“, teilte mir James der Butler mit, der Jonas gerade einen Martini machte. Ich ging die Treppen hoch und öffnete die Tür. Das Zimmer war fast so groß wie unsere Wohnung zu Hause. Ich ruhte mich aus, da ich müde vom Flug war. Später ging ich in den Keller und spielte mit dem Diener Darts. Das wurde allerdings bald langweilig, da mich James alle Runden gewinnen ließ. Entweder das – oder er hatte noch nie zuvor in seinem Leben Darts gespielt. Danach ging ich noch im großen Hallenbad schwimmen, bis mich James zum Abendessen rief. Es gab Hummer mit Mayonnaise, oder Kaviar, wenn man wollte. Das alles war zur Schau gestellter Luxus, der mir schon beinahe auf die Nerven ging. Noch bis spät in die Nacht schaute ich mir Filme an. Ich schlief aus, dann bereitete ich mich aufs Klettern vor. Jonas zeigte mir die wichtigsten Kniffe und Regeln und meinte, ich hätte nichts zu befürchten, da ich später sowieso gesichert wäre. Wir starteten vom Wanderweg hinter dem Haus, das übrigens direkt am Fuße des Gletschers lag, und stapften schon bald durch den Schnee. Vor dem Aufstieg nahm Jonas ein Seil, um uns zwei miteinander zu verbinden, und erklärte selbstbewusst: „Ich geh immer voraus!“ Als wir zur ersten Eiswand kamen, zögerte Jonas, was mich skeptisch machte, mir aber auch Angst bereitete, da ich um meine Sicherheit besorgt war. Schließlich fing er an und kletterte auch nicht schlecht. Ich war für einen Anfänger aber auch ziemlich gut. Okay, vielleicht brauchte ich etwas länger, aber dafür stürzte ich auch nie ab. Ein Naturtalent eben. Auf halbem Weg machten wir eine kleine Pause. Der Gletscher war zwar nicht sonderlich hoch, die Besteigung nahm aber trotzdem Kraft in Anspruch. Wir redeten über verschiedene Dinge und so langsam konnte ich verstehen, was meine Mutter an diesem Typen so interessant fand: Er war witzig und sympathisch, man konnte aber auch ernste Sachen mit ihm bereden. Wir redeten und redeten, bis ich ihm schließlich die entscheidende Frage stellte: „Jonas, ich will, dass du ehrlich bist. Bist du Profikletterer oder nicht?“ Er überlegte lange, bis er schließlich sagte: „Nein, bin ich nicht.“ „Wo hast du dann das Geld und das Haus her?“, fragte ich interessiert. „Hab ich alles mit Aktien und Glücksspielen verdient“, nuschelte er beschämt. Ich war verwirrt: „Warum dann diese Lügen?“ „Ich wollte, dass du mich magst“, sagte er. Jetzt war ich total durcheinander und fragte: „Ich? Warum ist es dir so wichtig, dass ich dich mag?“ Er stand auf und sagte: „Junge, ich bin dein Onkel.“ Es machte klick in meinem Kopf: Er war mein Onkel Thomas? Der Onkel Thomas, den ich nur von alten Fotos her kannte? Der Onkel Thomas, der schon vor meiner Geburt als verschollen galt? „Ich dachte, du wärst entführt worden oder irgendwo in der Welt tödlich verunglückt oder so was.“ Ich legte eine Gedankenpause ein. „Wieso tauchst du jetzt in meinem Leben auf?“, fragte ich ihn. „Ich wollte ein neues Leben anfangen und habe alles hinter mir gelassen. Bereits als sie von dir schwanger war, hat deine Mutter mir versprochen, dass du nie etwas von mir erfahren würdest. Auch dein Vater und alle anderen haben sich an dieses Diktat gehalten. Mit den Jahren habe ich an meinem Entschluss zu zweifeln begonnen und habe euch als Jonas besucht, um nicht völlig den Kontakt abzubrechen“, erklärte er mir. Das alles war ein ziemlicher Schock für mich. Plötzlich hatte ich einen reichen Onkel, der sein Geld an der Börse und in Casinos verdiente. Wir kletterten weiter. Dieses Geständnis hatte uns beide belastet und wir waren nicht ganz bei der Sache. Das merkten wir aber erst, als es zu spät war: Thomas machte einen falschen Schritt und wir fielen ein paar Meter in die Tiefe, bis uns das Seil auffing. „Alles okay?“, rief er mir zu. „Ja“, rief ich zurück. Schnell waren wir wieder bereit weiterzuklettern. Erschöpft kamen wir zum Gipfel. Thomas war Erster. Als ich nachkam, lachte er: „Willkommen auf der Spitze!“ Ja, ich war auf der Spitze. Aber es war nicht die sportliche Leistung, die mein Herz erwärmte. Nein, der eigentliche Höhepunkt dieses Tages war das warme Gefühl, an nur einem Tag einen Freund und Verwandten zugleich...


Martin Pichler, Geboren 1970 in Bozen. Studium der Germanistik, Romanistik und Religionspädagogik an der Universität Innsbruck. Lehrer für literarische Fächer an der Mittelschule "Mariengarten" in St. Pauls/Eppan. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Bei Edition Raetia: Beitrag in "Filadressa 01" (2001), "Grenzräume" (2005), "Wortkörper" (2007) und "All Souls Clinic" (2009).


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