Rätsch / Müller-Ebeling / Storl | Hexenmedizin - eBook | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Rätsch / Müller-Ebeling / Storl Hexenmedizin - eBook

Die Wiederentdeckung einer verbotenen Heilkunst - schamanische Tradition in Europa

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-03800-141-6
Verlag: AT Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Hexenmedizin ist die lange Zeit verbotene, geächtete und unterdrückte 'alternative' Heilkunst unserer Ahnen, einer Heilkunst, die nicht nur gesund macht, sondern Lust und Erkenntnis, Rausch und mystische Einsicht bringt. Die Autoren nehmen uns mit auf eine Erkundungsreise, die zum Ursprung der Heilkunst, durch die antike Mythologie, zur Hexe als Verkörperung der Sinnlichkeit und schließlich zur Giftmischerin und Heilerin führt. Das Buch öffnet die Tür zum verdrängten Wissen der Hexenmedizin und zeigt Wege, wie die heiligen Pflanzen unserer Ahnen heute wieder genutzt werden können.
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Die Alte am Feuer – sie war mit ihrem Schatz an lebenslanger Erfahrung und überliefertem Wissen eine wichtige Ratgeberin der Gemeinschaft. Die Frauen der archaischen Jäger- und Sammlerhorden, die mit ihren Kindern und weiblichen Verwandten die Wälder durchstreiften, um nützliche und eßbare Wurzeln, Beeren, Nüsse und Heilkräuter zu sammeln, erwarben über die Jahrtausende intime Pflanzenkenntnisse. Wie die Männer Kenntnisse über die Tiere, die sie jagten, erwarben, entwickelten die Frauen Sicherheit, was Standort, Wachstumsrhythmen, pharmakologische Eigenschaften und die transsinnlichen Aspekte der Vegetation betrifft. Selbstverständlich waren es die Frauen, die sich in den ersten neolithischen Dörfern um die domestizierten Gewächse, um das Bestellen der Beete und Äcker, um das Pflanzen, Säen und Ernten kümmern würden. Alles deutet darauf hin, daß – wie bei den Irokesen und anderen Pflanzervölkern in historischen Zeiten – die Felder den matrilinearen Clans gehörten und gemeinsam von blutsverwandten Frauen bearbeitet wurden. In solchen Gesellschaften oblag den Männern zwar die schwere Arbeit des Rodens und Pflügens, ansonsten jagten, faulenzten, zauberten und kommunizierten sie mit diversen Geistern und kümmerten sich um das Vieh – falls solches vorhanden war. Abgesehen von psychoaktiven Botanika, wie der Tabak bei den Indianern, die im Männerhaus und in der Visionssuche eine Rolle spielten, war das Wissen um Pflanzengeheimnisse und Pflanzengeistern vor allem Frauensache. Verehrung genossen die Großmütter, denn sie waren aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und als Trägerinnen von überliefertem Wissen wertvolle Ratgeber. So ist es noch immer bei den Naturvölkern: Ihre Kinder sind nun erwachsen, sie können sich aus der unmittelbaren täglichen Arbeit zurückziehen und haben Zeit und Muße zum Nachsinnen. Ihnen liegt die Gesundheit und das Wohlergehen der Hausbewohner wie auch der Stalltiere am Herzen. Wenn sich jemand verletzt, kennen sie das beste blutstillende Kraut. Sie wissen, wo die Wurzel wächst, die bei den Kälbern den Dünnschiss stoppt; sie sammeln den beruhigenden Tee für den zahnenden Säugling. Geburtskräuter, Liebeskräuter, Verjüngungskräuter kennen sie, und dazu den richtigen Spruch, damit die Pflanzen auch ihre volle Wirkung entfalten. Jede Siedlung, jeder Clan hatte eine weißhaarige Alte, der die Ahnen- und Waldgeister oder auch die Göttin manch Geheimnis zugeraunt hatten. Salben kochte sie – sorgfältig rührend, Zauberworte murmelnd – im Schmalz des Bären, des Dachses, der Wildgans oder des Schweines aus den Kräutern, die sie, wenn der Mond richtig stand, gesammelt hatte. Heilende und berauschende Kräuterbiere wußte sie zu brauen, Kräuterwecken zu backen, Zauberpflanzenamulette zu binden und was sonst noch den Kranken Linderung und Gesundheit bringen würde. Manchmal genügte auch schon die Berührung ihrer runzeligen Hand und ein gutes Wort. Auch um das Feuer, diese Gottheit, die da im Herzen des Hauses wohnt, kümmerte sich die Alte. Vor Sonnenaufgang noch fachte sie die Glut an, und – bei den Indianern ist es noch immer so – bat den Feuergott um Freundschaft und Schutz, erzählte ihm die Träume, die die Nacht schenkte. Im Winter saß die Alte meist beim Herd, lauschte dem Knistern, Zischen, Knacken und Prasseln und hörte gelegentlich die Stimmen der Ahnen und der Geister darin. Und während sie allmählich in Trance geriet – das Wort kommt aus dem Lateinischen transire, »Hinübergehen« –, zog ihre Seele mit dem kringelnden Rauch den Rauchfang empor, um durch die Öffnung hindurch in andere Dimensionen hinein zu schlüpfen. Der Rauchfang
Das Lagerfeuer war von Anfang an die Mitte des gesellschaftlichen Lebens. Schon vor einer knappen Million Jahre wärmten Urmenschen (Homo erectus) ihre Glieder am Lagerfeuer. Das Feuer spendete nicht nur Wärme und Licht, trocknete nicht nur nasse Bekleidung oder garte das Fleisch, es war auch heilig und heilkräftig. Es war der Sonnengeist oder das Himmelsfeuer selber, das unter den Menschen Wohnung genommen hatte. Der Ring von Wackersteinen, die man um die Feuerstelle legte, war das ursprüngliche Medizinrad. Der Steinkreis wurde zum Fokus (lateinisch focus = Herd, Feuerstätte) des Sakralen. (Später im Hoch-Neolithikum, nahmen Steinkreise -etwa Stonehenge – gigantische Proportionen an.) In den Winternächten saß man am Feuer im Zelt, in der Jurte oder im Tipi, und lauschte den Erzählungen des Schamanen oder der Schamanin. Im flackernden Licht, in den tanzenden Schatten an der Zeltwand, im Erglühen und Erlöschen der Kohlen, im aufsteigenden Rauch konnten sich die Geister, die Bewohner anderer Dimensionen, vorübergehend inkarnieren: mal war es ein verstorbener Ahne, mal ein Tiergeist aus dem Wald. Hier, ins Feuer, konnte man den Ahnengeistern einige Happen vom Essen geben, damit sie einem gut gesinnt bleiben. Noch immer verbrennen die Chinesen bunte Prunkkleidchen aus Seidenpapier, Geld und Tücher, um die Ahnen auf der anderen Seite zu erfreuen. Noch lange opferten die skandinavischen Hausfrauen dem Lokke, dem Feuergeist, etwas Teig, etwas Butter und dergleichen. Noch im Mittelalter wurden am Herd den »armen Seelen« und den »Unterirdischen« eine Schüssel mit Milch und Brei hingestellt, besonders zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und anderen heiligen Tagen. Heilig ist der Herd. Wenn eine neue Braut (im indoeuropäischen Siedlungsbereich, in Ostasien, in Mexiko) das Haus betritt, soll sie zuallererst die Herdstelle umwandeln und das Feuer begrüßen. Auch das neugeborene Kind wird rechtsläufig um die Feuerstelle getragen, um es den Ahnen zu weihen. Viele Völker, auch prähistorische Europäer, begruben die Knochen der Toten unter der Feuerstelle oder beim Herd. Keltische Kopfjäger räucherten ihre Trophäen, die Köpfe getöteter Feinde, im Rauchfang. Vielerorts, etwa in China, werden die Hausgeisterfiguren am Herd aufgestellt. Die Rauchöffnung, das »Windauge« (window), wie es die Germanen nannten, ist das Tor, durch das die Geister ein- und ausgehen. Damit keine unholden Geister durch das Windauge schlüpfen, schützte man es mit magischen Zeichen: Die Germanen hängten die Köpfe geopferter Pferde daran – Pferde, die, wie Falada im Märchen von der Gänsemagd, weissagten und deren Worte die weise Alte verstand. Die Skandinavier schnitzten Drachen- und Schlangenmotive – typische Hüter der Schwelle – in die Firstbalken, die sich über dieser Öffnung kreuzen. Schon in paläolithischen Zeiten muß das Rauchloch an der Spitze des Zeltes Geistertor und Pforte zu transsinnlichen Welten gewesen sein: Sibirische Schamanen stellen gekerbte Birkenstämme auf, die bis zum Rauchloch reichen. Auf diesem »Schamanenbaum« klettern sie während der Seance in die Geisterwelt hinein. (Ebenso wie das Zelt oben ein Windauge hat, durch das die Geister ein- und ausgehen, so hat das Himmelszelt, das diese Erde bedeckt, ein solches Loch – das ist der Nordstern an der Spitze des Weltenbaumes. Von dort gehen die Himmelsgötter ein und aus.) Das Rauchloch ist somit auch die »Hecke«, die Schwelle zum Jenseits. Das Bild der Hexe, die durch den Rauchfang ausfliegt, wird noch lange erhalten bleiben. Im Winter saß die Alte am Herd, im Sommer aber ging sie zum Hag, zur dornigen Hecke am Rande der Siedlung. Fast überall ist es die Aufgabe der alten Weißhaarigen, trockenes Reisig und Kleinholz zu sammeln. Sie kannte sich aus in den »neunerlei« Arten Holz: Sie wußte, welches Holzfeuer heilende Wärme gibt, welches kränkelnde Kinder gesund macht, mit welchem unholde Geister sich ausräuchern lassen.8 Die Anwendung hatte sie von ihrer Großmutter gelernt, diese wiederum von ihrer und so weiter, bis sich die Kette der Überlieferung an den Lagerfeuern der alten Steinzeit, der Traumzeit, verliert, als die Götter noch sichtbar über die Erde wandelten. Auch »neunerlei« Kräuter fand sie hier, mit denen sich würzen, zaubern und heilen läßt. Und wenn sie sich auf ihrem Lieblingsplatz in der Hecke, unter dem Holunder, dem Weissdorn oder der Hasel, ausruht, kommt die Traumzeit wieder greifbar nahe. Als sprechender Vogel, als Käfer, in der Gestalt eines Fuchses oder eines grauen Männleins tritt ein Geistwesen an sie heran und raunt ihr Geheimnisse zu. Manchmal ist es sogar die Frau Holle selbst, die da als schöne Zauberfrau vor ihr steht oder als runzeliges Trollweib mit erschreckend großen Zähnen und Augen, die wie rote Kohlen glühen. Die Großmutter bedankt sich mit einer kleinen Gabe, etwas Brei oder einem Schüsselchen Milch, die sie am nächsten Morgen zur Hecke bringt. Vielleicht betupft sie auch den Stein oder den Baum, wo sie die Vision empfangen hatte, mit etwas Blut oder mit rotem Zinnober, oder sie räuchert mit würzigem Beifuß oder Wacholder. Hexenrituale! Der Hexenflug durch den Kamin. (AUS THOMAS ERASTUS, Dialogues touchant le pouvoir des sorcières et de la punition qu’elles méritent, Genf 1579) Da die Großmutter lange und oft in der Hecke weilte, ist es nur folgerichtig, daß die anderen Dorfbewohner sie als »Heckensitzerin« bezeichneten. Hagadise, Hagezusse, »das Weib (Zussa) oder der Geist (Dise) im Hag«, so und ähnlich nannten sie die verschiedenen germanischen Völker. Als Disen bezeichneten sie vor allem die Clanmütter, die weiblichen Ahnen, die noch immer am Schicksal des Stammes weben, ihm mit Rat und Schutz beistehen. Dem Krieger geben die Disen Mut, den Dichtern Inspirationen. Bei der Geburt, bei der Abnabelung eines Kindes, sind sie als »Schicksalsmütter« anwesend, dem Sterbenden durchschneiden sie den Lebensfaden und helfen ihm auf seiner Jenseitsreise. Frau...


Müller-Ebeling, Claudia
Kunsthistorikerin und Ethnologin, spezialisiert auf visionäre Kunst, erforscht seit über zwanzig Jahren den Schamanismus in Korea, im Amazonasgebiet und in Nepal und beschäftigt sich mit den elementaren Prinzipien schamanischer Kunst. Internationale Referentin und Ko-Autorin diverser Bücher, unter anderen des Standardwerks 'Schamanismus und Tantra in Nepal'.

Rätsch, Christian
Ethnologe und Ethnopharmakologe, Referent und Autor, studierte Altamerikanistik, Ethnologie und Volkskunde. Seit vielen Jahren erforscht er weltweit schamanische Kulturen und deren Gebrauch psychoaktiver Pflanzen. Von ihm stammen zahlreiche Bücher, u.a. das Standardwerk 'Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen'.

Storl, Wolf-Dieter
geboren 1942, Kulturanthropologe und Ethnobotaniker. Lehrte als Dozent an verschiedenen Universitäten und hat zahlreiche Bücher publiziert, die zu Longsellern wurden. Er lebt mit seiner Familie auf einem Einödhof im Allgäu.

Claudia Müller-Ebeling Kunsthistorikerin, Ethnologin, Referentin und Autorin, erforscht seit über zwanzig Jahren den Schamanismus und schamanische Kunst in verschiedenen Kulturen.
Christian Rätsch Ethnologe und Ethnopharmakologe, Referent und Autor, erforscht seit über zwanzig Jahren weltweit schamanische Kulturen und deren Gebrauch psychoaktiver Pflanzen. Autor zahlreicher Bücher.
Wolf-Dieter Storl geboren 1942, Kulturanthropologe und Ethnobotaniker, lehrte als Dozent an verschiedenen Universitäten, ethnografische und ethnobotanische Feldforschung, Autor zahlreicher Bücher, vor allem über Pflanzenwissen.


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