Reichenbach / Greving | Handbuch heilpädagogischer Konzepte und Methoden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 306 Seiten

Reichenbach / Greving Handbuch heilpädagogischer Konzepte und Methoden

Ein Leitfaden für die Praxis

E-Book, Deutsch, 306 Seiten

ISBN: 978-3-17-042373-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In diesem Handbuch werden ca. 50 neue und altbewährte Konzepte und Methoden (heil-)pädagogischer Arbeit vorgestellt. Die Leser erhalten einen strukturierten Einblick in die Praxiskonzepte für verschiedene Klientel, in dem jeweils die Entstehung, die Ziele, die Grundgedanken und theoretischen Bezüge vorgestellt und reflektiert werden.
Das Handbuch stellt ein Nachschlagewerk für interessierte (Heil-)Pädagogen dar, um gebündelt Informationen zu ausgewählten Konzepten und Methoden für die Praxis zu erhalten.
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Aktives Lernen (ALA = Active Learning Approach) nach Nielsen
Janina Philippson
Autorin
Lilli Nielsen (* 1926, Rønne, Bornholm; † 2013, Kolding, Dänemark). Biografie
Psychologin, Lehrerin für Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderung oder Blindheit und weiteren komplexen Beeinträchtigungen. Entstehung
Das Konzept entstand Ende der 1970er Jahre aus der Arbeit mit Kindern mit Sehbehinderung oder Blindheit und weiteren komplexen Beeinträchtigungen und wurde über Jahre hinweg fortlaufend aktualisiert (vgl. Nielsen 1996a, 141). Hintergrund war, dass zu dem damaligen Zeitpunkt so gut wie keine Literatur bezüglich der Förderansätze für diese Zielgruppe existierte und diese Schüler nur nach allgemeinen, unspezifischen Trainings- und Lehrmethoden unterrichtet wurden. Dies führte zu keinem spezifischen Entwicklungserfolg. Zu der Zeit war die Meinung verbreitet, dass Kinder mit komplexen Beeinträchtigungen nicht in der Lage seien zu lernen. Lilli Nielsen begann, diese Kinder zu beobachten, und entwickelte einen neuen methodischen Ansatz: den des Aktiven Lernens (Active Learning Approach = ALA) (vgl. Nielsen 2001, 235 ff). Nielsen betont, dass der Ansatz des Aktiven Lernens von jedem weiterentwickelt werden könne durch Erfahrungen, die damit in der eigenen praktischen Arbeit und über eigene Untersuchungen gewonnen wurden (vgl. Nielsen 2001, 237). Klientel/Zielgruppen
Ursprünglich Kinder, Jugendliche und ggf. Erwachsene mit einer Sehbehinderung oder Blindheit sowie zusätzlicher komplexer Beeinträchtigung. Aktuell auch für Kinder mit einer einfachen Beeinträchtigung (vgl. Nielsen 1996a, 141/2012, 10) sowie für ältere Menschen. Altersstufen
Entwicklungsalter von 0 bis 48 Monaten für spezifische Fähigkeiten (unabhängig vom tatsächlichen Lebensalter oder Beeinträchtigung/Behinderung) (vgl. Nielsen 2012, 10). Setting
Zu Beginn in Einzelsituation, grundsätzlich allerdings versteht sich der Ansatz des Aktiven Lernens als ein ganzheitliches Konzept. Es kann sowohl im Rahmen des Unterrichts als auch im Alltagsumfeld und zuhause umgesetzt werden (vgl. Nielsen 1996b). Häufigkeit/Dauer
Als »Unterrichtsprinzip« fortlaufend, alltäglich. Anwender/Berufsgruppen
Lehrer, Erzieher, Eltern, Psychologen sowie alle Personen, die mit Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen und/oder Blindheit bzw. Sehbehinderung arbeiten (vgl. Sandrock/Lux 2016, 5). Theoretische Bezüge
Lilli Nielsen war das zweite von sieben Kindern, davon waren vier blind. Sie entwickelte den Ansatz des Aktiven Lernens aus der langjährigen Arbeit mit Kindern mit Sehbehinderung oder Blindheit und weiteren komplexen Beeinträchtigungen. In ihrer Arbeit als Vorschullehrerin (seit 1967) für Kinder mit Sehbehinderung oder Blindheit und komplexen Beeinträchtigungen stellte sie fest, dass bis dahin weder ein Diagnostikverfahren noch ein Förderkonzept für Kinder mit komplexen Beeinträchtigungen existierten. Zudem verhielten sich die meisten Kinder sehr passiv und ihnen wurde eine Lernfähigkeit abgesprochen. Ihre Förderung orientierte sich damals an allgemeinen Lernzielen und Methoden von Kindern ohne Beeinträchtigungen (vgl. Nielsen 2001, 235). Nielsen beobachtete unter anderem bei den Kindern lediglich einen wahllosen Einsatz von Materialien, die »gerade so im Schrank lagen«. Aufgrund der Erfahrung aus jahrzehntelanger Arbeit mit Kindern mit Blindheit oder Sehbehinderung und komplexen Beeinträchtigungen entwickelte sie das Konzept des Aktiven Lernens. Dabei wird betont, dass es sich hierbei um ein offenes, sich stetig weiterentwickelndes Konzept handelt. Durch den Vergleich zwischen der Entwicklung dieser Kinder mit der Entwicklung von Kindern ohne Beeinträchtigung (Nielsen 1996b, 20) kam Nielsen zu der Grundannahme: Entwicklung verläuft in festgelegten, aufeinander aufbauenden Schritten (vgl. Lang/Hofer/Beyer 2017, 149). So entwickelte sie im Jahr 2000 den »Beobachtungsbogen für mehrfachbehinderte Kinder« und 1997 den »FIELA-Förderplan« (= Flexible, Individual, Enriched, Level, Appropriate). Als theoretische Grundlage der Beobachtungsbögen, also der vorangehenden Diagnostik, führt sie u. a. 30-jährige Erfahrung in Beobachtungen und verschiedene standardisierte Testverfahren an (vgl. Niesen 2001, 239). Es wurde von der These ausgegangen, dass vornehmlich die sozial-emotionalen Entwicklung pädagogisch gefördert werden solle, damit diese dem intellektuellen Entwicklungsniveau angenähert wird, um eine »Übereinstimmung zwischen seinem Geist und seinen Gefühlen herzustellen« (vgl. Nielsen 1992, 19). Als Leitgedanke gilt, dass nur durch eigenaktive Umweltauseinandersetzung Lernprozesse geschehen. Ziele
Durch das Aktive Lernen und Handeln erhalten die Kinder und Jugendlichen Lernmöglichkeiten und somit sukzessiv die Voraussetzung für ein Lernen auf »höherem Niveau« (vgl. Nielsen 1996a, 141). Dies umfasst zunächst folgende Bereiche: das Erlernen von Kopfkontrolle, selbstständiges Sitzen, Stehen und Laufen, Essen sowie Objektkonzepte, Selbstidentität und Raumbeziehungen zu entwickeln, Sprechen und konstruktives Spiel zu erlernen und Kontaktaufnahme zu anderen (vgl. Nielsen 1996b, S. 16 f). Für ältere Menschen mit Sehbehinderung besteht das Ziel darin, die Partizipation am gesellschaftlichen Leben zu fördern (vgl. www.erwachsenenbildung.at). Übergeordnete Ziele beim aktiven Lernen sind das •  »Herausführen aus der Passivität •  Die Entwicklung einer Ich-Identität •  Das Sich-Erleben als aktive Person« (Sandrock/Lux 2016, 4). Grundgedanken
Dem Menschen wird die Möglichkeit eröffnet, Materialien und Umgebung zu erkunden, damit zu experimentieren, Aktivitäten zu initiieren (vgl. Nielsen 2001, 238). Die fünf Grundgedanken des Konzepts des Aktiven Lernens umfassen: 1)  »Unterstützen des eigenaktiven Lernens durch Förderangebote 2)  Erkennen des richtigen Zeitpunkts beim Anbieten der Förderangebote 3)  Auswahl der den Bedürfnissen entsprechenden Förderangebote und Materialien 4)  Realistische Einschätzung des Entwicklungsniveaus des Kindes 5)  Nutzen dieser Einschätzung als Grundlage für die Gestaltung der Lernbedingungen, damit dem Kind die optimalen Möglichkeiten für eigenaktives Lernen durch Explorieren, Experimentieren und Wiederholung geboten werden« (Held und Lux 2014, 78). Durch eine aktive Auseinandersetzung mit Objekten und der Umwelt lernen und profitieren sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Die stetige und fortlaufende Weiterentwicklung dieses Ansatzes durch Untersuchungen und Erfahrungen aus der praktischen Arbeit wird ausdrücklich gewünscht und als wichtig angesehen (vgl. Nielsen 2001, 237). Nielsen stellt drei Voraussetzungen bei Einführung des Aktiven Lernens als grundlegend bedeutend heraus: 1)  umfassendes Wissen über den aktuellen Entwicklungsstand des Menschen und dessen Fähigkeiten, seine aktuelle Lernbereitschaft sowie die Lernentwicklung, 2)  die Qualität der Lernumgebung, also das Bereitstellen von Materialien und Gestalten einer Lernumgebung, die Aktivitäten ermöglicht, die den Menschen weder unter- noch überfordern, sodass die Umgebung anregungsreich und derart gestaltet ist, dass aktuelle Fähigkeiten eingesetzt und die nächsten Entwicklungsschritte angeregt werden können – dies möglichst in allen Entwicklungsbereichen, 3)  die Haltung und Mitarbeit des Leiters, dies bedeutet, dass der Leiter sich in seiner Aktivität zurücknehmen und dem Menschen genug Zeit geben soll; dabei betont Nielsen, dass es vermieden werden solle, das Kind/den Jugendlichen/den Erwachsenen zu halten, da dies Eigenaktivität verhindere; ebenfalls wird von einer Fokussierung der Defizite abgeraten und eine kompetenzorientierte Sichtweise bevorzugt (vgl. Nielsen 2001, 242 und Nielsen 1996b, 19 f). Die Rolle und Aufgabe des Pädagogen in der Zusammenarbeit mit Kindern sind gekennzeichnet durch: •  »Akzeptanz des Kindes in seiner Persönlichkeit und Individualität •  Auflösung der engen Kind-Betreuer-Symbiose/Ich-Du-Situation •  Keine Intervention während des Lernvorgangs« (Sandrock/Lux 2016, 5). Pädagogische Methoden sind hierbei aufeinander aufbauend in fünf Phasen gegliedert: 1.  Phase: die Methode des Anbietens;...


Prof. Dr. Christina Reichenbach ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Psychomotorik). Sie hat eine Professur für Heilpädagogik mit dem Schwerpunkt Förderung, Bildung und Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung an der Ev. Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum.

Mit Beiträgen von Gabriele Achilles, Philipp Bryant, Mareike Dißmeier, Waltraut E. Doering, Marie-Luise Hünerbein, Adriana Palmieri, Janina Philippson, Mone Welsche.


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