Renz | Der Staat Israel gegen Adolf Eichmann. Das Urteil | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 418 Seiten

Renz Der Staat Israel gegen Adolf Eichmann. Das Urteil

Mit einer Einführung von Werner Renz und einem Nachwort von Leora Bilsky

E-Book, Deutsch, 418 Seiten

ISBN: 978-3-86393-587-0
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Vor 60 Jahren, im April 1961, begann der spektakuläre Prozess, den der Staat Israel gegen den SS- Obersturmbannführer und Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, führte, und der am 15. 12 1961 mit dem Urteilsspruch "Tod durch den Strang" endete.
Für die deutsche Nachkriegsgesellschaft jedoch war der Prozess erst der Anfang: Nach 15 Jahren erfolgreicher Verdrängung kamen auch die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr an der braunen Vergangenheit vorbei. Zum ersten Mal waren der millionenfache Mord und die unmenschlichen Verbrechen Thema in der breiten Öffentlichkeit. Die Verhöre von Eichmann machten sichtbar, dass es ganz "normale" Menschen waren, die mit der gleichen Sorgfalt, mit der sie zuvor Urlauber-Sonderzüge in die Fahrpläne eingebaut hatten, dafür sorgten, dass Viehwaggons nach Auschwitz, Treblinka, Majdanek und andere Vernichtungslager durch ganz Europa rollen konnten. Die Kollektivschulddebatte begann erneut und verursachte bei den heranwachsenden Kriegs- und Nachkriegskindern einen Genrationskonflikt von bis dahin nicht gekanntem Ausmaß. Das Urteil wird hier in vollem Wortlaut vorgelegt.
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Werner Renz Eichmann vor Gericht.
Recht und Gerechtigkeit in Jerusalem
Zum Glück stand Adolf Eichmann nicht vor einem bundesdeutschen Strafgericht. Hierzulande wohl als Gehilfe qualifiziert, wäre er mit einer zeitigen Freiheitsstrafe glimpflich davongekommen. Das empörende und beschämende Kapitel der justiziellen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik wäre um ein weiteres unsägliches Beispiel bereichert worden.1 Zum Glück also stand der »Spediteur des Todes«2 in Israel vor Gericht. Nach Recht und Gerechtigkeit wurde Eichmann von Richtern des Volkes, das er auf Befehl seines »Führers« hatte ausrotten wollen, wegen Verbrechen gegen das jüdische Volk, wegen Verbrechen gegen die Menschheit, wegen Kriegsverbrechen und wegen seiner Mitgliedschaft in feindlichen Organisationen schuldig gesprochen. Das retroaktive und extraterritoriale Gesetz von 1950 (Nazis and Nazi Collaborators (Punishment) Law)3 sah für Verbrechen, wie sie von Eichmann verübt worden waren, die Todesstrafe vor. Der Tod durch Erhängen ereilte ihn im Sommer 1962. Sein beim Staatspräsidenten Israels eingereichtes Gnadengesuch war abgelehnt worden.4 Das Gesetz, auf dessen Grundlage Eichmann belangt wurde, hat eine besondere Vorgeschichte. Holocaust-Überlebende hatten in Israel Anzeigen gegen ehemalige Funktionshäftlinge und Ghettopolizisten erstattet. Ihr Vorwurf war, die Betreffenden hätten als Handlanger, als Kollaborateure der SS an Juden Verbrechen begangen. Das geltende Strafrecht Israels bot keine Handhabe, diese vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs im deutsch besetzten Europa verübten Taten zu ahnden. Um inneren Frieden im gerade gegründeten Staat herzustellen, erließ die israelische Legislative im August 1950 das »Gesetz zur Bestrafung von Nazis und Nazikollaborateuren«. Die Besonderheit des Gesetzes war, dass die Strafnormen auf Handlungen Anwendung fanden, die während der Naziherrschaft im feindlichen Ausland (»enemy country«) an einem Verfolgten (»persecuted person«) in einem Lager oder Ghetto (»place of confinement«) begangen worden waren. Mit dem Gesetz ließen sich also rückwirkend die Taten ahnden, die nunmehrige israelische Bürger im »Dritten Reich« und in den besetzten Ländern in der Zeit von 1933 bis 1945 verübt hatten.5 Das Gesetz stellte mithin »eher eine innerisraelische Angelegenheit dar denn eine zwischen den überlebenden Opfern des Holocaust und dem Staat, der sie repräsentierte, auf der einen Seite und denjenigen, die den Holocaust zu verantworten hatten, den Nationalsozialisten und dem Dritten Reich, auf der anderen Seite«.6 Vor dem Eichmann-Prozess gab es in Israel sogenannte Kapo-Prozesse. Vormalige Funktionshäftlinge, der Kollaboration mit der SS beschuldigt, mussten sich verantworten.7 Meist fielen die Strafen milde aus. Einige Angeklagte wurden freigesprochen. In einem Fall erkannte das Gericht auf die Höchststrafe.8 Der Oberste Gerichtshof gab jedoch der Berufung statt, sah den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschheit nicht erfüllt, kassierte die Todesstrafe und milderte sie auf zwei Jahre Gefängnis.9 Ermittlungen gegen Adolf Eichmann
Nach Eichmann fahndete die westdeutsche Justiz seit 1956. Ein in Österreich lange Zeit anhängiges Verfahren war wegen fehlender Zuständigkeit nach Bonn abgegeben worden. Das Bundesjustizministerium erwies sich freilich als der falsche Adressat. Die Verfolgung und Ahndung der NS-Verbrechen war Sache der Landesjustizverwaltungen.10 Fritz Bauer, der frisch ins Amt gekommene hessische Generalstaatsanwalt, ergriff die Gelegenheit und erwirkte einen Zuständigkeitsbeschluss des Bundesgerichtshofs.11 Karlsruhe übertrug die Untersuchung und Entscheidung in der Sache gegen Eichmann und andere dem Landgericht Frankfurt am Main.12 Die Bauer nachgeordnete Frankfurter Staatsanwaltschaft konnte sodann ermitteln. Es ging hauptsächlich um den »Ungarn-Komplex«, die Deportation von 438.000 Juden im Sommer 1944 von Ungarn nach Auschwitz und das Lager Theresienstadt.13 Die Strafverfolgungsbehörde fand Eichmann nicht. Ein Hinweis auf seinen Aufenthaltsort ging jedoch bei ihr ein. Auf Umwegen landete er bei Bauer, dem ein weiterer Informant einige Zeit später zu Hilfe kam.14 Statt die Staatsanwaltschaft und den in der Sache seit April 1957 ermittelnden Untersuchungsrichter des Landgerichts Frankfurt am Main zu informieren, beschritt Bauer politisch klug einen fraglos ungewöhnlichen, doch vielversprechenden Weg.15 Er wandte sich mit Wissen seines Vorgesetzten, des hessischen Ministerpräsidenten und Justizministers Georg August Zinn, an den in Köln residierenden Vertreter Israels (Israel Mission).16 Der Diplomat setzte umgehend Jerusalem in Kenntnis.17 Der Eichmann-Prozess
Großes Interesse an der Verfolgung von NS-Verbrechern hatte die Regierung Ben Gurion nicht. Der junge Staat musste mit anderen Problemen kämpfen. Doch Bauer blieb hartnäckig und der israelische Geheimdienst Mossad wurde nach einigen unzulänglichen Versuchen, Eichmann zu finden und zu identifizieren, des Massenmörders habhaft.18 Nach Israel entführt wurde er im April 1961 vor Gericht gestellt.19 Unmittelbar nach der Entführung Eichmanns im Mai 1960 bildete die israelische Polizei eine Sonderabteilung (»Büro 06«) mit rund 50 Mitarbeitern.20 Ihre Aufgabe war, Dokumente (Urkunden) zusammenzustellen und Zeugen zu finden. Die Beamten arbeiteten der Generalstaatsanwaltschaft zu, die gemäß dem Gesetz von 1950 (§ 14) die Anklage zu erheben und zu führen hatte. Von Ende Mai 1960 bis Mitte Januar 1961 ließ sich Eichmann bereitwillig von dem Mitarbeiter des Büro 06, Avner Werner Less, verhören. Sitzung für Sitzung legte ihm der Polizeioffizier die von seinen Kollegen zusammengestellten Dokumente vor. Oftmals verhielt es sich so, dass Eichmann allererst erläutern musste, wie die in bürokratischer Amtssprache abgefassten Dokumente zu lesen waren. Das Protokoll des Verhörs (Less nennt es verschiedentlich eine »Unterredung«21, in seinem Nachwort zu einer Auswahl des Verhörprotokolls spricht er gar davon, das Verhör sei »im Plauderton«22 geführt worden), von Eichmann eigenhändig korrigiert, umfasst 3564 Blatt und lag dem Gericht als Beweismittel vor.23 Der Prozess sollte vor dem Jerusalemer Bezirksgericht stattfinden. Seinem Präsidenten kam das Recht zu, den Vorsitzenden Richter und die beiden Beisitzer zu bestimmen. Präsident des Distriktgerichts war Benjamin Halevi. Er hatte bereits im Jahr 1954 sich mit Eichmann befassen müssen. Im Verfahren Attorney General vs. Malkiel Gruenwald ging es um die Frage, ob der Angeklagte Gruenwald in einem 1952 verbreiteten Pamphlet den Regierungsbeamten Israel Kasztner verleumdet hatte. Der als Retter und Helfer von Juden24 geltende Kasztner, führendes Mitglied des Hilfs- und Rettungskomitees (Vaada) in Budapest, war von Gruenwald bezichtigt worden, 1944 mit der SS kollaboriert und wenige Juden (darunter seine Familienmitglieder) auf Kosten Hunderttausender gerettet zu haben.25 Der vom Generalstaatsanwalt26 gegen den Willen Kasztners angestrengte Prozess hatte fatale Folgen. Richter Halevi sprach in dem turbulenten Verfahren den Angeklagten Gruenwald von den Anklagepunkten der Verleumdung und der üblen Nachrede frei. Hinsichtlich der Anwürfe des Angeklagten meinte Halevi, Kasztner habe bei seinen Verhandlungen mit der SS »seine Seele dem Teufel verkauft«.27 Mit der Bezeichnung »Teufel« meinte er Kasztners Hauptverhandlungspartner Adolf Eichmann.28 Überdies nannte er den Gegenspieler Kasztners in Budapest einen »Bloodhound«.29 Nahe lag deshalb, Halevi im zu führenden Verfahren gegen Eichmann als voreingenommen und befangen zu betrachten. Zumindest musste befürchtet werden, dass der Angeklagte Eichmann und sein Verteidiger gegenüber einem Vorsitzenden Halevi diese Besorgnis vorbringen und ihn deshalb ablehnen würden. Alle Versuche, Halevi von seinem Vorhaben abzubringen, den Vorsitz übernehmen zu wollen, scheiterten jedoch. Die Verantwortlichen der Regierung Ben Gurion entschieden sich in ihrer misslichen Lage für einen rechtsstaatlich bedenklichen Schritt.30 Sie änderten kurzerhand das Gerichtsgesetz, um Halevi zu verhindern. Nach dem neuen Gesetz bestimmte der Präsident des Obersten Gerichtshofs in Fällen wie dem Eichmann-Verfahren den Vorsitzenden Richter. Er musste dem Obersten Gerichtshof angehören. Hinsichtlich der Ernennung der beiden Beisitzer blieb es bei der alten Regelung. Auch die Frage der Verteidigung Eichmanns bereitete Probleme und erforderte gesetzgeberische Schritte. Nach Auffassung der Regierung Ben Gurion sollte kein israelischer Anwalt den Angeklagten vertreten. Eine...


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