Renz-Polster / Hüther | Wie Kinder heute wachsen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 258 Seiten

Renz-Polster / Hüther Wie Kinder heute wachsen

Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Überarbeitete, aktualisierte Neuausgabe

E-Book, Deutsch, 258 Seiten

ISBN: 978-3-407-86739-1
Verlag: Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther - der eine Kinderarzt, der andere Hirnforscher - führen uns zu den Quellen, von denen eine gelungene und gesunde Entwicklung unserer Kinder abhängt. Zu finden sind diese Quellen - in der Natur. Natur ist dort, wo Kinder Freiheit erleben, Widerstände überwinden, einander auf Augenhöhe begegnen und dabei zu sich selbst finden. Aber ist Natur nur das »große Draußen« : Wiesen, Wälder und Parks, Spielstraßen und Hinterhöfe? Oder lässt sie sich auch drinnen finden - zum Beispiel in der großen weiten Welt hinter den Bildschirmen? Anschaulich und eindrucksvoll entwickeln die beiden Bestsellerautoren eine neue Balance zwischen Drinnen und Draußen, zwischen realer und virtueller Welt. »Wer über kindliche Entwicklung redet, muss auch über Natur reden: Wie die Kleinen groß werden. Wie sie widerstandsfähig werden. Wie sie ihre Kompetenzen für ein erfolgreiches Leben ausbilden.« Herbert Renz-Polster & Gerald Hüther

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt und Wissenschaftler am Mannheimer Institut für Public Health der Universität Heidelberg. Mit seinen erfolgreichen Elternratgebern, Vorträgen und Kommentaren in den Medien gilt er als eine der wichtigsten Stimmen im Bereich kindliche Entwicklung und Erziehung.
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Eins Entwicklung, von oben betrachtet
Von den Engeln aus gesehen, sind die Wipfel der Bäume Wurzeln vielleicht, die den Himmel trinken. Rainer Maria Rilke Was wäre passender, als unsere Kinder einmal aus der rilkeschen Perspektive zu betrachten. Aus einer Art Vogelperspektive, die gleichzeitig der Blick von ganz unten ist, von den Wurzeln her. Kindheit im Zeitraffer
Menschenkinder gehen einen seltsamen Weg. Sie werden unreif und schwach geboren – echte Pflegefälle, könnte man sagen! Nehmen wir nur ein Fohlen zum Vergleich. Schon kurz nach der Geburt läuft es seiner Mutter hinterher, staksig zwar, aber auf eigenen Beinen. Ein Menschenbaby dagegen kann noch nicht einmal den Kopf halten (und den Mund auch nicht). Ein ganzes Jahr lang muss es getragen, geschoben und gebettet werden – mindestens! Eine Enttäuschung, könnte man sagen. Auf jeden Fall aber eine echte Aufgabe für die Eltern. Und was für eine Aufgabe! Denn bis ein Kind einmal für sich selbst sorgen kann, verbraucht es 13 Milliarden Kalorien1 – die müssen tagtäglich vorgestreckt werden. Und verlässlich. Dann aber, wenn sie erst einmal ausgewachsen sind, heben Menschenkinder regelrecht ab und stemmen ein Pensum, das gewaltig und märchenhaft zugleich ist. Während das groß gewordene Fohlen seine immer gleichen Runden auf der Weide dreht, erfindet das groß gewordene Menschenkind neue, schärfere Faustkeile. Das Rad. Neue Tänze, neue Lieder. Neue Aktienderivate. Züchtet Rosen. Oder schreibt Gedichte über »Rosen und Lieder«. Da ist ein ständiges Gewusel an neuen Ideen. Erfindungen. Guten Kopien und schlechten Kopien. Ambition und Spekulation. Betrug. Da werden in einem fort die Kulissen verschoben, und das, während auf der Bühne das Theaterstück noch läuft. Kurz: Ein Mensch wird nicht einfach Mensch – er wird zu einem kulturellen Wesen mit einer jeweils ganz eigenen Lebenskunst. Zusammen mit den anderen Menschen treibt es ihn weiter, ins Ungewisse. Wir wissen beim Pferd, wohin die Reise geht. Beim Menschen wissen wir nicht einmal, wie er in 50 Jahren leben wird, geschweige denn, wie die Bühne aussieht, die er sich bis dahin gestaltet hat. Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter so viel Lidern.
Rainer Maria Rilke Wie schaffen die Menschenkinder das bloß? So abgeschlagen geboren, in der immer gleichen Notlage – und dann machen sie sich auf und gehen noch nie gegangene Wege. Jedes auf seine Art. Wo nehmen Kinder die Kraft her, woher die Ausrüstung? Und woher, insbesondere, den Kompass? Wie bereiten sich Kinder auf das Leben vor?
Es hat erstaunlich viele Anläufe gebraucht, um diese Frage überhaupt zu stellen. Denn immer lag da ein riesengroßes Hindernis im Weg. Die Annahme nämlich, dass die Entwicklung der Kinder wie am Schnürchen abläuft. Freud etwa, der Erfinder der Psychoanalyse, nahm an, dass Kinder eine Art stadienhafte Reifung durchlaufen, bei der sie vor allem ihren sexuellen Trieben folgen – die bekannten freudschen »psychosexuellen« Entwicklungsphasen. In der Mitte des letzten Jahrhunderts glaubte man dann an die formende Kraft der Dressur. Entwicklung sei das Produkt von Belohnung und Bestrafung. »Gebt mir ein Dutzend gesunder Säuglinge … und ich garantiere, dass ich jeden von ihnen zu jeder Art von Spezialisten ausbilden kann – Arzt, Rechtsanwalt, Künstler … ja, sogar Bettler und Dieb …«2, meinte der wohl prominenteste Vertreter der »behavioristischen« Schule, John B. Watson. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts schlug schließlich die Stunde der pädagogischen Rundumversorgung. Was aus Kindern einmal werde, entscheide sich am guten Beispiel und am Einsatz der Erwachsenen. Eltern setzten jetzt ihre ganze Energie daran, eine möglichst gute Leitfigur abzugeben. Ja, sie bauten sich zu LehrerInnen, TrainerInnen und AnspornerInnen auf – und bekamen es postwendend mit der Angst zu tun: Was, wenn ich nicht genug Einsatz bringe? Was, wenn ich einmal selbst einen Durchhänger habe? Was, wenn ich nach der falschen Methode vorgehe? Das Rätsel der Kreativität
So gut gemeint und ausgefeilt diese Theorien auch waren – sie gingen am schlagenden Herzen der kindlichen Entwicklung glatt vorbei. Keine der Theorien nämlich konnte diesen eigenartigen Lebensweg der Kinder erklären – dass sie aus sich heraus, jedes Kind auf seine Art, Neuland betreten. Dass ihre Entwicklung sie dorthin führt, wo noch nie jemand war – keine Eltern, keine Förderer, keine Vorbilder. Nehmen wir nur einmal die letzten 60 Jahre und schalten den Zeitraffer an. Gleich zu Beginn kommt uns da ein Sound ins Ohr, den noch kein Mensch zuvor gehört hat – die schmachtenden und gleichzeitig jubelnden Akkorde der Beatles. Wenige Jahre später treten die Blumenkinder auf die Bühne. Und mit ihnen ganz neue Ideen über das Leben, die Welt und was wir Menschen darin tun und lassen sollten. Neue Werte, neue Lebensmuster. 1967: Flower-Power. 1969: Woodstock. Was als jugendliche, fast kindliche Exzentriker-Revolte begann, wird später allmählich in die breitere Gesellschaft eingeflochten – Alternativbewegung, Ökobewegung, Friedensbewegung. Auch im Bereich der Technik geht es in unserer Zeitraffer-Reise drunter und drüber. 1950: die ersten Satelliten, 1970: die ersten PCs. Wenig später das Internet, schließlich Facebook und das iPhone. All diese Innovationen führen uns nicht etwa zu Menschen mit grauen Haaren, Experten oder irgendwelchen Würdenträgern. Sondern, ja – zu den Kindern. Zumindest im juristischen Sinne waren die meisten dieser Erfinder, Beweger und Erneuerer tatsächlich noch Kinder! Als sich die Beatles zusammentaten, musste sich noch keiner von ihnen wirklich rasieren. Auch bei den Blumenkindern war noch viel Flaum auf der Haut – sie hießen ja nicht umsonst Blumenkinder. Und die technologischen Neuerer? Bill Gates betrieb seine bahnbrechenden Programmierereien schon neben der Schule her – in Kinderarbeit sozusagen. Und Mark Zuckerberg, der Erfinder und Gründer von Facebook, hatte zwar schon seine eigene Firma, durfte aber nach Feierabend noch nicht einmal ein Bier trinken! Und da ist es wieder, dieses Rätsel: Wo kommen sie bloß her, die neuen Ideen? Vorbild, neu betrachtet
Da fällt einem prompt das Naheliegende ein – zumal wenn wir Eltern sind: Das Vorbild der Großen! Die gute Erziehung! Die pädagogischen Maßstäbe, die wir an Kinder anlegen! Aber kann das denn stimmen? Von den Eltern der Beatles etwa ist bekannt, dass die meisten von ihnen ganz gut Radio spielen konnten. Aber das war es dann auch. Und die »Erfinder« der neuen Lebensstile? Auch die haben ihre Ideen gewiss nicht von ihren Eltern abgekupfert, im Gegenteil – diese standen ja fassungslos kopfschüttelnd daneben. Und auch die technologischen Neuerer mussten ihren Weg letzten Endes alleine gehen. Ja, sie hatten Vorbilder und bestimmt auch Rückenwind von den Eltern. Aber die waren nun einmal Rechtsanwälte, LehrerInnen oder Mediziner. Die Endstrecke dieser digitalen Alchimie blieb Kindersache. Auch die Pädagogik ist beim Thema Vorbild heute vorsichtig geworden. Denn zahllose Beobachtungen3 und auch Experimente mit neuartigen Verfahren, wie etwa der automatischen Auswertung von Blickkontakten, zeigen, dass beim Vorbild immer auch die Kinder selbst mitwirken. Sie akzeptieren ein Vorbild nämlich nur dann, wenn es unter ganz spezifischen Bedingungen angeboten wird. Dann nämlich, wenn dahinter a) eine funktionierende Beziehung steht, und b) wenn das Beispiel »emotional positiv konnotiert« ist. Will heißen – wenn die Vorbildgeber von dem, was sie da machen, auch wirklich überzeugt und begeistert sind. Nur dann bleibt das Verhalten bei Kindern haften. Nur dann wird aus dem Bild ein Vor-Bild. Überhaupt: Warum sollten Kinder auch mürrischen Großen folgen, die ganz offensichtlich unter dem Lebensweg, den sie eingeschlagen haben, leiden? Aus Experimenten mit leckerem Gemüse auf dem Tisch ist beispielsweise bekannt, dass die Kleinen nicht einfach zugreifen, wenn die Mama das Grünzeug anpreist, dabei aber selbst sorgenvoll die Stirn runzelt. »Wenn die so dreinschauen muss«, sagen sich die Kleinen da vermutlich, »ist an dem Zeug auf dem Teller bestimmt was nicht in Ordnung …« Da folgen sie eher schon einem älteren Geschwisterkind – wenn das mit...


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