Ridker | Die Altruisten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Ridker Die Altruisten

Roman - Das Sensationsdebüt aus den USA

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-641-22910-8
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



»Ein unglaublich kluger Roman, der auf beeindruckende Weise eine Balance zwischen Humor und Herz findet.« Times Magazin
Das erste Familientreffen nach zwei Jahren Funkstille. Maggie und Ethan haben nach dem Krebstod der Mutter den Kontakt zum Vater abgebrochen. Doch jetzt steht Arthur Alter vor dem finanziellen Aus, und ihm wird schlagartig klar: Er ist auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen. Unter dem Vorwand, sich mit ihnen versöhnen zu wollen, lädt er sie ein. Der eigentliche Grund: die Geschwister zu überreden, ihm das Erbe zu überlassen, damit er das Haus, das voller Erinnerungen an das glückliche Familienleben steckt, vor der Bank retten kann. Jeder in seiner eigenen Welt voller Sorgen und Hoffnungen gefangen, treffen sich die drei an einem Wochenende. Schnell stürzt die erzwungen freundliche Fassade in sich zusammen ... Kühn, klug, komisch - Andrew Ridker ist mit seinem genial konstruierten Erstling ein großer Wurf gelungen. »Die Altruisten« ist eine mit feiner Ironie erzählte Familiengeschichte über den Konflikt zwischen Babyboomern und Millennials, über die Kraft von familiären Banden, über Glaube und Vernunft, Privilegien und Politik - und über die Frage, was es kostet, ein guter Mensch zu sein.

Andrew Ridker, 1991 geboren, zählt zu den jungen Stars der US-amerikanischen Literatur. Gerade einmal 25 Jahre alt, begeisterte er mit seinem Debütroman »Die Altruisten« Lektorinnen und Lektoren in aller Welt, sodass sich die Rechte lange vor Erscheinen in rund 20 Länder verkauften. Andrew Ridker lebt in New York und arbeitet an seinem zweiten Roman.
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Die Familie Alter wurde von Feuer geplagt. Den ganzen Herbst hindurch kam es zu Zwischenfällen, zu voneinander unabhängigen Vorzeichen, die erst im Rückblick etwas Unheilvolles erhalten. Im September versengte sich Ethan beim Anzünden einer Zigarette den Daumen. Drei Tage später funktionierte der Küchenherd wegen einer defekten Kochplatte nicht richtig; die Zündvorrichtung machte ein bedenkliches Geräusch, eine Reihe verzweifelter Faucher, bis sie eine Flamme entfachte, die Fran­cines Ärmelaufschlag erfasste. Und bei Arthurs fünfzigstem Geburtstag, einer bescheidenen Zusammenkunft auf dem Rasen hinterm Haus, fiel eine Trickkerze vom Karottenkuchen und setzte ein paar vertrocknete Blätter in Brand, den Maggie mit dem Fuß austrat. Das größte Inferno jenes Herbstes ereignete sich an einem Donnerstagabend im November. Francine saß mit Marcus und Margot Washington in ihrem Arbeitszimmer, einem Ehepaar, das eine kleine Anwaltskanzlei betrieb, die sich dem Schutz geistigen Eigentums widmete. Es war ihr erstes Gespräch – eine gemeinsame Freundin hatte sie an Francine verwiesen –, doch den beiden eilte ihr Ruf voraus. Im Vorjahr hatten sie im April eine ­Peer-to-Peer-Tauschbörse erfolgreich gegen eine Hip-Hop-Crew verteidigt, die hinter einem bekannten Song mit nicht ­druckreifem Titel stand. Doch die Washingtons sahen nicht aus wie zwei Leute, die auf dem Gipfel ihres beruflichen Erfolgs waren. Margots Fuß wippte unruhig auf und ab. Marcus starrte auf seinen Schoß. Sie hatten Francine aufgesucht, damit sie zwischen ihnen vermittelte. »Sie verstehen, dass unsere Situation ziemlich heikel ist«, sagte Margot, die den Griff ihrer Handtasche umklammerte. »Von der Sache darf niemand erfahren.« Francine verstand das sehr gut. Margots Wurzeln in St. Louis reichten tief, ihre Familiengeschichte war ein veritables Gespinst aus Erbe und Geburtsrecht. Es hieß, sie stamme von dem französischen Granden Pierre Leclercq ab. Der Legende nach hatte Le­clercq, ein Pelzhändler, der im kolonialzeitlichen St. Louis eine Million Morgen besaß, Bathsheba, eine seiner Konkubinen, freigelassen und ihr Land überschrieben, um sich vor Gläubigern zu schützen. Doch Bathsheba hatte den Grund und Boden verkauft und Leclercq verklagt, was über Generationen hinweg Prozesse um seinen Besitz nach sich gezogen hatte. Jahrelang waren Le­clercqs Nachfahren die kampfbereiten, extravaganten Figuren an der Spitze der städtischen Aristokratie gewesen. Die Washingtons waren in den Überresten der hohen Gesellschaft von St. Louis bekannte Persönlichkeiten, umso mehr, als sie eins von zwei schwarzen Paaren waren, die am Lenox Place wohnten, einer Privatstraße unweit des Central West End. »Natürlich«, sagte Francine nickend. Margot nahm das Zimmer in Augenschein. »Arbeiten Sie immer von zu Hause aus?« »Seit wir hergezogen sind«, sagte Francine. »Vor vier Jahren.« »Vier Jahre«, sagte Margot. Wiederholte dann noch mal: »Vier Jahre«, und wog das Maß jenes Zeitraums ab. Bevor Arthur mit der Familie von Boston westwärts zog, war der Raum, der jetzt Francines Büro war, ein Wintergarten gewesen, ein Anbau auf der westlichen Seite des Hauses. Eine Wand bestand größtenteils aus Glas, durch das Francine beobachtete, wie die verdorrten Blätter des Rotahorns den ganzen Herbst hindurch eins nach dem anderen herunterfielen. An der Außenseite der Zimmertür verwies ein graviertes Messingschild auf die derzeitige Funktion des Zimmers. Arthur hatte sich über die Kosten für das Schild und die Schallschutzplatten an den Wänden beklagt, aber Francine hatte ihn ignoriert. Sie erkannte den Wert von Diskretion und der Errichtung einer soliden Fassade. Das häusliche Büro war eine Art Trost, die Grundbedingung für ihre Zustimmung zum Umzug. Nachdem sie einen gut bezahlten Posten in einer Privatklinik in Newton aufgegeben hatte, brauchte sie einen Ort, an dem sie ihre Karriere vorantreiben konnte. Auch wenn sie gezwungen war, aus einem kleinen Zimmer in ihrem Haus zu arbeiten, wurde ihr Name in den Vororten University City, Clayton und Ladue allmählich bekannt. »Es gab noch keine Klagen«, fügte sie hinzu. Margot nickte entschieden und stellte ihre Tasche neben sich. »In Ordnung«, sagte sie, »ich fange an.« Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück und straffte die Schultern. »Falls Sie es wissen müssen, und das müssen Sie wohl, mein Mann gibt sich in letzter Zeit einer Gewohnheit, einer Neigung hin, die ich ablehne und die unsere Ehe zu zerstören droht.« »Ich würde es gern in Marcus’ Worten hören«, sagte Francine. »Marcus? Können Sie sich vorstellen, es mir zu erzählen?« Marcus blinzelte in das rötliche Licht der Dämmerung, das durch die Scheiben fiel. »Er wird es Ihnen nicht sagen.« »Marcus?«, versuchte Francine es noch mal. »Er weigert sich, darüber zu sprechen«, sagte Margot. »Aber es muss etwas unternommen werden.« Sie hielt inne. »Es geht um Folgendes: Mein Mann verkleidet sich gern. Er findet das erotisch.« Francine sah Marcus wieder an, doch er schwieg. Sie biss sich auf die Innenseite der Wange. »Okay«, sagte sie. »Marcus, es wäre wirklich hilfreich, wenn Sie sich äußern könnten.« »Er sagt, ihm gefällt das Gefühl. Das Eingeengtsein. Er sagt, das Gummi ist wie eine zweite Haut.« »Das Gummi?« »Eigentlich Latex. Ja. Er zieht sich gern einen Body an und tut so, als wäre er ein Haustier.« »Okaaay.« Francine rutschte auf ihrem Stuhl umher. »Marcus verkleidet sich gern als Hund.« »Nicht als Hund. Als Haustier. Manchmal ist er ein Hund, manchmal eine Katze. Und manchmal ist er ein Hamster, was lächerlich ist, denn Hamster leben in Käfigen und laufen in Rädern, während Marcus, Marcus, ein angesehener Strafverteidiger und Leiter einer Kanzlei ist.« Margot steckte den Kopf in ihre Tasche und kramte darin, bis eine schwarze Gesichtsmaske zum Vorschein kam, an der zwei lange Ohren baumelten. »Zieh sie über«, forderte sie ihren Mann auf. »Das ist nicht nötig«, sagte Francine. »Er steht auf das Ding und kann Ihnen zeigen, wie’s aussieht. Zieh sie über, Marcus.« Bevor Francine etwas einwenden konnte, hielt Marcus die Maske schon in den Händen. Sie schaute sich an, wie er sie ungeduldig über den Kopf streifte und zurechtzerrte, bis seine Augen sich hinter den Löchern befanden. »Sehen Sie? Sehen Sie, womit ich’s hier zu tun habe?« Francine nickte. Sie begann zu begreifen. Im Großen und Ganzen hatte sie es in den wohlhabenden Vororten, in denen sie ihr Geld verdiente, mit zwei Arten von Klienten zu tun: Menschen, die echte Probleme zu bearbeiten hatten, und Leuten, deren neurotisches Temperament ihnen weismachte, dass schon der kleinste Stimmungswechsel ein Grund zur Beunruhigung war. Dass ein bisschen Traurigkeit mit Sicherheit eine Depression, eine leichte Panik nichts Geringeres als eine Angststörung war, die ihren zuckenden Kopf erhob. Die Washingtons, dachte sie, gehörten wahrscheinlich zur zweiten Gruppe. Ihnen ging es wohl nur um die Zusicherung, dass sie nicht anormal waren. Francine hatte in letzter Zeit viele Zusicherungen gegeben, und das langweilte sie. Sie sehnte sich nach etwas, in das sie ihre Fähigkeiten einbringen konnte. So nervös, wie sie stets bei neuen Klienten war, war sie den ganzen Tag gedankenverloren gewesen, darauf erpicht, einen guten Eindruck zu machen – und wofür? Wegen einer kleinen Midlife-Schrulle? Das Leben mit seinen ständigen Scharmützeln war doch schon schwer genug. Zum Beispiel Maggie. Sie hatte wegen ihrer Rolle in der Thanksgiving-Aufführung einen Wutanfall. Sie hatte eine Indianerin spielen wollen – diese Bezeichnung, egal, wie unzulässig, wurde an der Captain-Grundschule auch noch im Jahr 2000 verwendet –, war stattdessen aber als Füllhorn besetzt worden. Ethan hatte sich währenddessen in seinem Schlafzimmer eingeschlossen. Er hatte sich aus der Familie zurückgezogen und sie durch einen Computer ersetzt, den er vorsichtigerweise erst kaufte, nachdem sich das Jahr-2000-Problem als überflüssige Sorge erwiesen hatte. Er hatte ihn von seinem eigenen Geld bezahlt, seinen Ersparnissen nach der allsommerlichen Rackerei am Jewish Community Center in Creve Coeur, und diese Rechtfertigung – »Es ist mein eigenes Geld, damit kann ich tun, was ich will« – hatte Francine erfolgreich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Obendrein hatte die Universität Arthurs Antrag auf Festanstellung gerade erst abgelehnt. Er war schon seit vier Jahren Gastprofessor an der Fakultät für Ingenieurwesen, obwohl er sich dort nicht wie ein Gast fühlte. Er gab mehr Kurse als all seine Kollegen, saß in unzähligen Gremien und hatte vor allem, vielleicht zu voreilig, eine saftige Hypothek auf das Haus aufgenommen. Dennoch hatte ihm Sahil Gupta, der Dekan der Fakultät, mitgeteilt, man könne nichts unternehmen, bevor sich das Budget ausgeglichen habe. Mittlerweile stapfte Arthur seit Tagen im Haus umher, fluchte vor sich hin und wiederholte ständig wie ein Mantra: »Budgets gleichen sich nicht aus.« Marcus sprach hinter der Maske. »Riechen Sie das?« »Bleib beim Thema«, fauchte Margot. »Moment mal …« Marcus schnupperte durch die Schnauzenlöcher der Maske. »Da brennt was.« »Dr. Alter, er weicht dem Problem aus, oder?« Francine neigte den Kopf zurück. »Er hat recht. Ich rieche es auch.« Die Luft im Büro färbte sich grau. »Okay«, sagte sie. »Alle raus.« Francine und die Washingtons traten in den Flur hinaus, wo sie Arthur, Ethan und Maggie vorfanden, und schon bald standen beide Familien im Halbkreis unter einem sich rasch verdunkelnden Himmel draußen vor dem Gebäude. Irgendwo...


Ridker, Andrew
Andrew Ridker, 1991 geboren, zählt zu den jungen Stars der US-amerikanischen Literatur. Gerade einmal 25 Jahre alt, begeisterte er mit seinem Debütroman »Die Altruisten« Lektorinnen und Lektoren in aller Welt, sodass sich die Rechte lange vor Erscheinen in rund 20 Länder verkauften. Andrew Ridker lebt in New York und arbeitet an seinem zweiten Roman.

Gunkel, Thomas
Thomas Gunkel übersetzt Literatur aus dem Englischen u. a. John Cheever, Stewart O'Nan, William Trevor und Richard Yates.


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