Rothgangel / Burrichter / Grümme | Religionspädagogik im Dialog I | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Rothgangel / Burrichter / Grümme Religionspädagogik im Dialog I

Disziplinäre und interdisziplinäre Grenzgänge

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-17-026830-2
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Religionspädagogik zeichnet sich durch Interdisziplinarität aus. Dennoch existieren noch kaum Publikationen, in denen der Dialog der Religionspädagogik sowohl innerhalb der Theologie als auch mit anderen Wissenschaften adäquat reflektiert wird. Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung erfolgt dies anhand von je drei Fallstudien zu folgenden fünf Themenbereichen: Wissenschaftstheorie, Theologie und Religionswissenschaft, Psychologie und Pädagogik, Soziologie sowie Fachdidaktik. Anhand dieser Dialoge kommen anschaulich verschiedene Varianten der religionspädagogischen Anschlussfähigkeit sowie der innovative Ertrag ihrer interdisziplinären Vorgehensweise in den Blick und werden grundsätzlich Möglichkeiten und Grenzen des interdisziplinären Dialogs bedacht.
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Einleitung
1.         Religionspädagogik im Dialog. Konvergenztheoretische Ausgangspunkte
  Der Kommunikationswissenschaftler Vilém Flusser unterscheidet zwischen Dialog und Diskurs als zwei Formen von Kommunikation (Flusser 2000). Beide sind wechselseitig aufeinander bezogen: In Dialogen werden Informationen einander mitgeteilt, „in der Hoffnung, aus diesem Tausch eine neue Information zu synthetisieren“ (ebd., 16), welche wiederum durch Diskurse bewahrt und verteilt werden kann.1 „Religionspädagogik im Dialog“: Unter diesem Titel finden sich im Kernbestand überarbeitete Einzelstudien des Verfassers, in denen die Religionspädagogik in den Dialog mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen tritt – in der Hoffnung, dass dadurch neue für die Religionspädagogik relevante Informationen generiert werden. Dabei legt bereits der Begriff „Religions-Pädagogik“ ihre dialogische Verfasstheit nahe und impliziert zumindest einen wie auch immer gearteten Dialog mit Theologie bzw. Religionswissenschaft einerseits und Pädagogik bzw. generell Bildungswissenschaften andererseits. Anhand der nachstehenden Ausführungen wird deutlich werden, dass dieser für die Religionspädagogik konstitutive interdisziplinäre Dialog erstens noch weiter ausdifferenziert wird und zweitens noch andere wissenschaftliche Disziplinen wie z. B. die Psychologie, Soziologie, Fachdidaktik oder auch Spieltheorie in den Dialog einbezogen werden. Grundsätzlich ließe sich fragen, ob der Dialog der Religionspädagogik mit der Theologie überhaupt als interdisziplinär zu bezeichnen ist, wenn diese – wie vom Verfasser favorisiert – als theologische Teildisziplin aufgefasst wird. Dafür spricht jedoch (ganz abgesehen von den durch wissenschaftliche Spezialisierung bedingten Entfremdungsprozessen zwischen theologischen Teildisziplinen), dass die Religionspädagogik gleichermaßen in der Pädagogik verankert ist und zum anderen auch alternative Positionen nicht übergangen werden sollen, welche die Religionspädagogik nicht der Theologie, sondern der Religionswissenschaft oder der Pädagogik zuordnen (vgl. dazu Schröder 2012, 265–269). Von daher ist mit den Worten von Friedrich Schweitzer doch eher der grundsätzliche interdisziplinäre Charakter der Religionspädagogik festzuhalten: „Für die wissenschaftliche Religionspädagogik ist eine interdisziplinäre Ausrichtung kennzeichnend. Die Religionspädagogik ist sowohl auf die anderen theologischen Disziplinen bezogen als auch auf nicht-theologische Wissenschaften.“ (Schweitzer 2006, 271) Gegenwärtig besteht eine Tendenz, u. a. im Anschluss an Jürgen Mittelstraß (1989, 2003), den Begriff der Transdisziplinarität als Idealform von Interdisziplinarität hervorzuheben oder davon abzugrenzen, wobei wiederum durchaus verschiedene Verständnisweisen von Transdisziplinarität bestehen (Defila / Di Giulio 1998, 114f; Klein 2010). Auch Luhmann unterscheidet zwischen drei Formen von Interdisziplinarität, die sich als Reaktion auf die Ausdifferenzierung und Abgrenzung wissenschaftlicher Disziplinen feststellen lassen: 1) „okkasioneller Interdisziplinarität“ (Luhmann 1992, 457), welche z. B. bei interdisziplinären Konferenzen zustande kommen kann, 2) „temporärer Interdisziplinarität“ (ebd., 458), welche sich auf zeitlich begrenzte Projekte bezieht, und 3) „Transdisziplinarität“ (ebd., 459), die von einem für längere Zeit bestehenden Paradigma ausgeht, das eine Relevanz für verschiedene Disziplinen besitzt und zu einem Disziplinengrenzen überschreitenden Dialog führt. Als Paradebeispiel führt Luhmann die Kybernetik an. Von daher kann man auch die Religionspädagogik an sich aufgrund ihrer konstitutiven Verankerung in Theologie und Pädagogik speziell als eine transdisziplinäre Wissenschaft bezeichnen.2 In der vorliegenden Publikation wird generell von Interdisziplinarität gesprochen, da ein weiter Sprachgebrauch bevorzugt wird, der keine Form von Interdisziplinarität von vornherein ausschließt und Transdisziplinarität umfasst.3 Ungeachtet dessen besteht eine Grundentscheidung dieser Publikation darin, dass die Analyse und Reflexion der Interdisziplinarität der Religionspädagogik nicht durch die Auseinandersetzung mit abstrakten „Metatheorien“ zur Inter- bzw. Transdisziplinarität erfolgt, sondern durch die Beobachtung bereits vorhandener inter- bzw. transdisziplinärer Dialoge in der Religionspädagogik. Wie an späterer Stelle in Kapitel 7 noch deutlich werden wird, steht diese methodische Vorgehensweise im Einklang mit Luhmanns wissenschaftstheoretischem Ansatz (Luhmann 1992, 445, 508–511). Die Intention dieser Studie(n) besteht demnach in einer doppelten Hinsicht: Einerseits geht es kommunikationstheoretisch betrachtet um eine „Informationsgewinnung“ durch den religionspädagogischen Dialog mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen (Kapitel 2–6), andererseits besteht das übergreifende Thema dieser Publikation in der wissenschaftstheoretischen Reflexion dieser interdisziplinären Dialoge und daraus resultierenden Überlegungen zur Religionspädagogik als Wissenschaft (Kapitel 1 und 7). 1.1        Konturierung der interdisziplinären Fragestellung: Der konvergenztheoretische Ansatz Nipkows
Obwohl es im obigen Sinne allgemein anerkannt ist, dass sich die Religionspädagogik durch Interdisziplinarität auszeichnet, existieren kaum Publikationen, in denen eingehender reflektiert wird, wie die Religionspädagogik mit anderen Disziplinen in den Dialog tritt. Es ist das Verdienst von Karl Ernst Nipkow, dass er sich auf der Basis von eigenen Vorgängerstudien Mitte der 1970er Jahre in seinem grundlegenden Werk „Grundfragen der Religionspädagogik“ dieser Problematik eingehend stellte und eine in der religionspädagogischen Diskussion viel beachtete und zukunftsweisende Weichenstellung formulierte, die auch in aktuellen Veröffentlichungen als ein in hohem Maße bestehender religionspädagogischer Konsens im deutschsprachigen Raum bezeichnet werden kann (Schröder 2012, 268). Nipkow plädiert mit besonderem Fokus auf Theologie und Pädagogik für „multiple und methodisch gleichrangige Zugänge“ (Nipkow 1975, 177): „Eine gleichzeitig theologisch und erziehungswissenschaftlich verantwortete Religionspädagogik muß verschiedene, methodisch gleichrangige Zugänge verfolgen und die Lösungen in den Schnittpunkten eines vielperspektivischen (mehrdimensionalen) Koordinatengefüges suchen. Die Forderung multipler Zugänge ist in der neueren Erziehungswissenschaft selbstverständlich geworden. Ebenso wichtig ist, daß die Zugänge methodisch als gleichrangig angesehen werden. Von keiner Fragestellung (gesellschaftspolitisch, pädagogisch, psychologisch, soziologisch, theologisch) sollte im Vorhinein eine geringere oder größere Ergiebigkeit der Sachproblematik angenommen werden.“ (ebd., 177f) Mit diesem Zitat tritt eine gewisse Spannung hervor, die auch andere Passagen bei Nipkow kennzeichnen: Auf der einen Seite konzentriert er sich – insbesondere dann, wenn er dialektisch argumentiert – auf die beiden Bezugswissenschaften Theologie und Pädagogik, auf der anderen Seite kommen immer wieder auch weitere Bezugswissenschaften wie Gesellschaftspolitik, Psychologie und Soziologie in den Blick. Vielleicht deutet Nipkow dahingehend eine Lösung an, dass er zwei Wirklichkeitsverständnisse unterscheidet und in Verbindung mit wissenschaftlichen Disziplinen in ein dialektisches Verhältnis zueinander setzt: Auf der einen Seite steht die „ältere Religionspädagogik“, „theologischer Realismus“ sowie Theologie, auf der anderen die „neuere evangelische Religionspädagogik“, ein „erziehungs- und sozialwissenschaftliche(r) Realismus“ und die „Humanwissenschaft (Psychologie, Soziologie usw.)“ (Nipkow 1982, 29). Die Pädagogik sowie alle anderen außertheologischen Wissenschaften wie die Psychologie und Soziologie wären demnach dahingehend verbunden, dass sie sich auf ein von der Theologie unterschiedenes, gemeinsames Wirklichkeitsverständnis beziehen. Der dahinterstehende konvergenztheoretische Ansatz besagt, dass religionspädagogische Kriterien vor „dem Hintergrund von Christentumsgeschichte und neuzeitlicher Freiheitsgeschichte“ (Nipkow 1975, 173) auf doppelte Weise „theologisch und gesellschaftspolitisch-pädagogisch“ (ebd., 173f) zu verantworten sind. Diese doppelte konvergenztheoretische Verantwortung religionspädagogischer Aussagen suggeriert keineswegs eine „vorhandene Identität, prästabilisierte Harmonie oder schlechte Vermittlung im Sinne eines Minimalkonsensus“ (ebd., 176f). Vielmehr betont Nipkow...


Prof. Dr. Martin Rothgangel lehrt evangelische Religionspädagogik an der Universität Wien.


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