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E-Book, Deutsch, 164 Seiten

Rupprecht Wirtschaft am Scheideweg

Corona, Brexit, Handelskriege und mehr

E-Book, Deutsch, 164 Seiten

ISBN: 978-3-17-038868-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Handelskriege, Brexit, die Corona-Krise - diese und ähnliche Themen des Wirtschaftsgeschehens prägen den Alltag auf vielfältige Art und Weise. Dementsprechend sind sie zuverlässiger Bestandteil der regulären Berichterstattung. Ihre mediale Aufbereitung bleibt allerdings häufig oberflächlich, und es gelingt nur bedingt, ein tieferes Verständnis der Materie zu vermitteln. Gleichzeitig sind derlei Kenntnisse wichtiger denn je, um kompetent entscheiden zu können - im privaten, beruflichen oder auch politischen Kontext. Die Beiträge dieses Sammelbands, die auf einer Ringvorlesung an der FH Münster basieren, bereiten ausgewählte Entwicklungen des nationalen und internationalen Wirtschaftsgeschehens für ein breites Publikum auf. Dazu greifen die Autoren aus Wissenschaft und Praxis auf ausgewählte volkswirtschaftliche Zusammenhänge zurück. Anschaulich und nicht-technisch geschrieben, soll so zum Verständnis dieser Themen beigetragen und die skizzierte Lücke geschlossen werden.
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1          Altersarmut, Alterssicherung – Orientierungen in der aktuellen Reformdebatte
Dr. Jochen Pimpertz
Viele Menschen sorgen sich davor, den Lebensstandard, den sie sich während ihres Berufslebens aufgebaut haben, als Rentner/in nicht mehr halten zu können. Einige fürchten sogar, im Alter arm zu sein. Vor diesem Hintergrund diskutiert die deutsche Politik immer wieder Möglichkeiten, solchen Sorgen durch Änderungen in der bestehenden Alterssicherung zu begegnen. In jüngster Zeit ging es dabei vor allem um die sog. Grundrente. Doch was genau ist darunter eigentlich zu verstehen? Der vorliegende Beitrag greift diese Frage auf. Dazu zeigt der Autor Jochen Pimpertz zunächst, dass es gar nicht so leicht ist, Altersarmut zu messen. Je nach dem, welche Einkünfte und Personen berücksichtigt werden, schwanken die Zahlen erheblich. Aus seiner Sicht ist eine belastbare und eindeutige Datenbasis aber eine wichtige Voraussetzung, wenn man über Änderungen am bestehenden System der Alterssicherung nachdenken möchte. Zudem sei es zentral, festzulegen, wann jemand letztlich genau als »arm« gilt. Das wiederum ist aus seiner Sicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Anschluss daran erläutert Pimpertz zunächst den derzeitigen Aufbau der deutschen Alterssicherung (»Drei-Säulen-Modell«). Vor diesem Hintergrund begründet er sodann, warum aus seiner Sicht die Idee der Grundrente in die Irre führt. Dies gilt vor allem dann, wenn sie gezahlt wird, ohne zuvor adäquat die Bedürftigkeit der Empfänger zu überprüfen. Deswegen sind aus seiner Sicht alternative Ansätze gefragt, um den skizzierten Sorgen zu begegnen. Von hoher Bedeutung ist dabei in seinen Augen eine faire Verteilung der Lasten über die Generationen. Das ist nicht leicht, und dennoch sind Lösungen dringend nötig, denn: die demographische Entwicklung in Deutschland wird die Problematik schon in wenigen Jahren erheblich verschärfen. 1.1       Das Samariter-Dilemma – zur Rolle des Ökonomen in der Sozialpolitik
In den sozialpolitischen Debatten wird die ökonomische Perspektive oftmals als »zahlengetrieben« und deshalb als »kaltherzig« wahrgenommen. Denn in den meist auf statistischen Befunden basierenden Analysen geraten die konkreten Lebenssituationen bedürftiger Menschen zwangsläufig aus dem Blick. Dieser Eindruck kontrastiert mit der medialen Berichterstattung, die nicht selten Einzelschicksale betroffener Menschen ins Bild setzt. Das gilt auch für das Thema Altersarmut und den damit zusammenhängenden Fragen der Alterssicherung. Der konkrete Einzelfall führt plastisch vor Augen, was es bedeuten kann, wenn sich betagte Menschen einer Situation ausgesetzt sehen, in der sie nicht mehr aus eigener Kraft ihr materielles Schicksal wenden können. Es vermischen sich aber in der persönlichen Wahrnehmung nicht nur die Sorgen um die eigene Alterssicherung mit dem Mitgefühl für armutsgefährdete Menschen, sondern auch mit Bildern eines gesunden und aktiven, freizeitorientierten Ruhestands. Wer angesichts dieser Ambivalenzen nach Orientierung sucht, kann den ökonomischen Blick auf die Fragen der Alterssicherung nicht ausblenden, wie das Gedankenexperiment des Samariter-Dilemmas verdeutlicht: Einmal angenommen, in unserer Gesellschaft lebten Menschen, die ausschließlich barmherzigen Motiven folgten und ihr Lebensglück allein in der Hilfestellung für notleidende Menschen fänden. Selbst in dieser ideal anmutenden Gesellschaft sähen sich die Bürger vor ein Dilemma gestellt, weil die Notwendigkeiten und Möglichkeiten zur Hilfe nahezu unbegrenzt, die dazu benötigten Ressourcen aber limitiert sind. So verfügt jedermann naturgegeben nur über eine beschränkte physische und psychische Leistungsfähigkeit. Schon das macht eine Auswahl unter den hilfsbedürftigen Personen vonnöten. Darüber hinaus bedarf es zusätzlicher Mittel, um z. B. die materielle Not Bedürftiger zu lindern. Diese gilt es aber zunächst zu erwirtschaften. So sieht sich ein barmherzig motivierter Bürger vor die Notwendigkeit gestellt, zwischen Erwerbsarbeit und Hilfe abzuwägen, um Unterstützung in der gewünschten Art und Weise anbieten zu können. Wägen die Bürger zudem rational über ihre Handlungsoptionen ab, geriete die Gesellschaft in ein weiteres Dilemma, das sog. Gefangenen-Dilemma. Dabei entsteht ein gesellschaftlich unerwünschtes Ergebnis, das sich in sozialpolitischen Fragen wie folgt illustrieren lässt: Erwartet ein mildtätig motivierter, aber rational abwägender Bürger, dass andere Mitbürger mit ihrer Hilfe zuvorkommen, ist es für ihn sinnvoll, sein eigenes Hilfsangebot zurückzuhalten. Denn wenn andere helfen, ist sein barmherziges Motiv befriedigt, ohne dass eigene Mittel dafür aufgewendet werden mussten. Diese nicht beanspruchten Mittel stehen dann alternativen Verwendungen zur Verfügung. Handeln aber alle Bürger und nicht nur ein Individuum nach diesem Kalkül, droht die wünschenswerte Hilfe zu unterbleiben. Das Gedankenexperiment des Ökonomen mag konstruiert, vor allem aber ernüchternd wirken. In jedem Fall setzt die ökonomische Wissenschaft aber kein moralisches Menschenbild voraus und erkennt zudem die Realität begrenzter Ressourcen an. Deshalb ist der Hinweis auf die Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel mehr als nur eine Binsenweisheit, weil eben auch in sozialpolitischen Fragen abzuwägen gilt, in welchem Umfang und für welche Zwecke knappe Mittel eingesetzt werden sollen, die zunächst an anderer Stelle zu erwirtschaften sind. So gilt es zunächst, die unterschiedlichen Befunde zur Armutsgefährdung im Alter einzuordnen, um Handlungsbedarfe treffsicher identifizieren zu können. 1.2       Lebensverhältnisse im Alter – wie misst man Armut?
In den Medien wie in der Politik wird der Armutsgefährdung im Alter eine besonders hohe Aufmerksamkeit gewidmet. Vergleicht man aber die statistisch gemessene Armutsgefährdungsquote unterschiedlicher Personengruppen, dann weisen ältere Bürger eher bevölkerungsdurchschnittliche Werte auf, während Problemlagen häufiger bei Alleinerziehenden, kinderreichen Familien ( Tab. 1) sowie Arbeitslosen auftreten. Tab. 1: Relative Armutsgefährdung nach Alter und Haushaltstyp in Prozent, 2016 (Quelle: Schröder et al., 2016, S. 16) Auf Grundlage des Sozio-ökonomischen Panels; Armutsgefährdung: Personen mit einem bedarfsgewichteten Nettoeinkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median). Doch die Armutsgefährdungsquote älterer Menschen ist nicht eindeutig, schwankt das Ergebnis doch mit der verwendeten Datenbasis. Denn den Statistikern stehen unterschiedliche Datensätze zur Verfügung, in denen Haushalte zu ihren Einkommensverhältnissen befragt werden. Je nach Quelle schwankte die Armutsgefährdungsquote in der Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter im Jahr 2016 zwischen 12,4 und 17 Prozent ( Tab. 2). Der Wert bleibt nur in den von der europäischen Statistikbehörde verwendeten Daten (EU-SILC) über dem jeweiligen Bevölkerungsdurchschnitt. Letzteres erklärt sich aber aus einer methodischen Besonderheit: Während in den deutschen Quellen Einkommensvorteile aus selbstgenutztem Wohneigentum berücksichtigt werden, blendet die europäische Statistikbehörde diesen Sachverhalt aus. Hier werden einkommensschwache Haushalte auch dann als armutsgefährdet identifiziert, wenn sie mietfrei in der eigenen Immobilie wohnen, obwohl sie damit weniger Einkommen benötigen, um einen vergleichbaren Wohlstand wie Mieterhaushalte zu erlangen (vgl. Schröder et al., 2019, S. 16). Doch was misst die Armutsgefährdungsquote überhaupt? Die Statistiker ordnen dazu die Einwohner aufsteigend nach der Höhe ihres individuellen Nettoeinkommens. Hierzu zählen neben Erwerbseinkommen auch Transfers, also auch gesetzliche Tab. 2: Anteil der armutsgefährdeten Personen in Prozent, 2016: Der Einfluss der verwendeten Datengrundlage auf die relative Armutsgefährdung (Quelle: Quelle: Schröder et al., 2019, S. 16) Armutsgefährdung: Personen mit einem bedarfsgewichteten Nettoeinkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median); Mikrozensus: jährlich vom Statistischen Bundesamt, SOEP: Sozio-ökonomisches Panel jährlich durch das DIW Berlin, EU-SILC: jährlich von EUROSTAT, EVS: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes im 5-jährigen Turnus. Renten. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommenswerts zur Verfügung hat,...


Prof. Dr. Manuel Rupprecht lehrt Volkswirtschaftslehre, insb. Internationale Wirtschaftspolitik, an der Fachhochschule Münster.


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