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E-Book

E-Book, Deutsch, 202 Seiten

Rupprecht Wirtschaft für morgen

Inflation, Bitcoin, Bürgergeld

E-Book, Deutsch, 202 Seiten

ISBN: 978-3-17-042325-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Inflation, Bitcoin, Bürgergeld - im Fokus dieses Bandes liegen zentrale zukunftsgerichtete Fragen, die unmittelbaren Einfluss auf das nationale und internationale Wirtschaftsgeschehen haben werden: Welche Rolle spielt die Digitalisierung des Geldwesens? Wie kann die Wirtschaft klimaneutral werden? Sollte die Marktmacht von Google, Apple oder Facebook reguliert werden? Ist das Gesundheitssystem reformbedürftig? Wie kommt die Welternährung aus der Krise? Diese Themen werden von Professoren und Vertretern der wirtschaftspolitischen Praxis vermittelt, die in zugänglicher Sprache Einblicke in die aktuelle Forschung geben.
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[11]1Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland: Empirische Kennziffern und subjektive Wahrnehmungen
Judith Niehues Zusammenfassung Diskussionen zur Verteilung von Einkommen und Vermögen sind in Deutschland ausgesprochen populär. Immer wieder wird das Thema aufgegriffen, öffentlich in Talkshows, bei Tarifverhandlungen oder im Parlament, privat im Freundes- und Kollegenkreis oder am Stammtisch. Das ist auch nachvollziehbar, schließlich ist jeder ein Teil davon. Viele haben eine Meinung dazu, wie die Verteilung in Deutschland aussieht, einige sogar ganz konkrete Vorstellungen, wie sie aussehen sollte und womit sich dies erreichen ließe. Diese Meinungen und Vorstellungen basieren allerdings häufig auf unvollständigen, manchmal sogar falschen Informationen. Infolgedessen stehen auch die Maßnahmen, die zur Herstellung einer »fairen« und »gerechten« Verteilung unterstützt oder gar gefordert werden, bisweilen auf tönernen Füßen. Doch woran liegt das eigentlich? Warum weicht die Wahrnehmung der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland von der Wirklichkeit ab? Wie sieht letztere tatsächlich aus, und wie sind diese Fakten einzuordnen? Diese und weitere Fragen greift Judith Niehues im vorliegenden Beitrag auf. Dabei zeigt sich u.?a., dass so manche Wahrnehmung des Status quo nicht in die (öffentliche) Diskussion, sondern in die Mottenkiste gehört. Gleichzeitig wird deutlich, dass es zwischen der Verteilung der Einkommen einerseits und jener der Vermögen andererseits deutliche Unterschiede gibt – die allerdings ebenfalls nicht unbedingt den Erwartungen entsprechen. 1.1Einleitung
Nachdem bereits die Corona-Krise die Gesellschaft vor besondere Herausforderungen gestellt hat, ist die Bevölkerung nun durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine mit einer weiteren Krise konfrontiert. Bereits bei den Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde schnell über die möglichen Konsequenzen auf das soziale Gefüge und die Verteilung der Krisenlasten debattiert. Da durch die seit Anfang 2022 stark steigenden Lebensmittel- und Energiepreise Haushalte mit geringem Einkommen relativ stärker belastet werden als Haushalte mit höherem Einkommen, stehen erneut die Verteilungswirkungen der mit dem Ukraine-Krieg einhergehenden Energiekrise im Fokus der öffentlichen und politischen Debatte. Wie sich [12]die Energiekrise und die beschlossenen Entlastungsmaßnahmen im Detail auf die Verteilungsverhältnisse auswirken, lässt sich mangels hinreichender Daten jedoch nur mit deutlicher Zeitverzögerung beziffern. Auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf konventionelle Verteilungskennziffern können erst einige Jahre nach der Pandemie final bestimmt werden, da erst dann die erforderlichen Daten verfügbar sind. Zudem sind Verteilungsanalysen seit der Pandemie mit der Herausforderung konfrontiert, dass sich in vielen Befragungen im Zuge der Kontaktbeschränkungen die Erhebungsmethoden substanziell verändert haben, wodurch sich die Ergebnisse nicht mit den Jahren vor der Pandemie vergleichen lassen. Wenn der folgende Beitrag somit einen Überblick über die Verteilungssituation in Deutschland zeichnet, wird der Schwerpunkt zwangsläufig auf der Entwicklung in den Jahren vor der Corona-Pandemie liegen und nur einige Schlaglichter auf die seitdem eingetroffenen Entwicklungen werfen können. Während sich die Informationen zur tatsächlichen Verteilung von Einkommen und Vermögen somit nur mit größerem zeitlichem Verzug auswerten lassen, können gleichwohl aktuelle Befunde zur subjektiven Einschätzung der jeweiligen Situation nachgezeichnet werden. Im Sommer 2021 wurde bspw. die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) des Jahres 2020 nachgeholt. In der Umfrage gaben knapp 71 Prozent der Befragten an, dass sie die sozialen Unterschiede in Deutschland »eher nicht« oder »überhaupt nicht« gerecht empfinden. Da aufgrund der Corona-Pandemie die Erhebungsweise von einer persönlichen zu einer digitalen und postalischen Erhebungsweise umgestellt wurde, ist zwar auch hier ein Vergleich mit vorherigen Erhebungswellen nur eingeschränkt möglich. Jedoch reiht sich der Befund praktisch nahtlos in die Ergebnisse der vorherigen Erhebungen ein: Seit der Wiedervereinigung geben nahezu zu allen Erhebungszeitpunkten des ALLBUS mehr als zwei Drittel der Befragten an, dass sie die sozialen Unterschiede im Land als eher ungerecht ansehen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Anfang 2020 eine Civey-Erhebung im Auftrag des SPIEGEL. Demnach hielten sogar knapp 75 Prozent der Befragten die Verteilung der Einkommen respektive die Verteilung der Vermögen für »eher« oder »auf jeden Fall« ungerecht (vgl. SPIEGEL 2020). Die Erhebungsergebnisse des regelmäßig durchgeführten Politbarometers deuten darauf hin, dass sich der subjektive Blick auf das soziale Gefüge während der anhaltenden Energiekrise keineswegs verbessert haben dürfte. Während im Februar 2021 rund 53 Prozent der befragten Wahlberechtigten die soziale Gerechtigkeit im Großen und Ganzen als eher ungerecht oder sehr ungerecht einschätzten, stieg dieser Anteil im Juli 2022 auf 62 Prozent an.1 Der Blick auf das gesellschaftliche Gefüge fällt in Deutschland somit sehr negativ aus. [13]Im Folgenden werden den subjektiven Einschätzungen entsprechende Daten zur tatsächlichen Verteilungssituation in Deutschland gegenübergestellt. In einem ersten Schritt werden dazu Kennziffern zur Entwicklung der Einkommensverteilung in Deutschland herangezogen. Zudem wird auch die Lage und Entwicklung der Mittelschicht eingeordnet, deren Zustand regelmäßig im Fokus medialer Verteilungsdebatten steht. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Vermögensdaten wird auch die Ungleichheit der Vermögensverteilung kontrovers diskutiert. Daher werden im dritten Kapitel Indikatoren der Vermögensverteilung dargestellt und eingeordnet. Im anschließenden Kapitel rücken wieder die subjektiven Einschätzungen in den Vordergrund. Hierin wird beleuchtet, welche Vorstellungen die Menschen hierzulande von der Verteilungssituation haben und welche Maßnahmen aus ihrer Sicht herangezogen werden sollten, um die soziale Gerechtigkeit zu erhöhen. Im abschließenden Fazit werden die Ergebnisse eingeordnet und mögliche Ableitungen diskutiert. 1.2Einkommensverteilung: Stabile Verhältnisse
Wird zunächst nach der subjektiven Einschätzung bezüglich der Entwicklung der Einkommensungleichheit gefragt, fällt das Urteil der Bundesbürger eindeutig aus. Gemäß der zitierten Civey-Befragung im Frühjahr 2020 waren bspw. 43,9 Prozent der Befragten der Meinung, die Ungleichheit der Einkommen habe in den letzten fünf Jahren »eindeutig zugenommen«, weitere 28,6 Prozent teilten die Auffassung, sie habe »eher zugenommen«. Bevor dem kritischen subjektiven Blick auf die Einkommensverteilung Daten zur tatsächlichen Entwicklung gegenübergestellt werden können, müssen zunächst einige konzeptionelle Entscheidungen bezüglich der Messung der Einkommen getroffen werden. Da die Konsum- und Sparmöglichkeiten und somit der Lebensstandard der Haushalte zuvorderst durch das verfügbare Einkommen bestimmt werden, steht zumeist das Bruttoeinkommen abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie zuzüglich staatlicher Renten- und Transferzahlungen (z.?B. Arbeitslosen-, Eltern-, Kinder- oder Wohngeld) im Mittelpunkt von Verteilungsanalysen. Ohne Berücksichtigung der Haushaltszusammensetzung lassen sich die finanziellen Spielräume unterschiedlicher Haushalte jedoch kaum vergleichen; ein verfügbares Einkommen von bspw. 3.000 Euro im Monat ermöglicht einem Alleinstehenden schließlich einen deutlich höheren Lebensstandard als einer vierköpfigen Familie. Daher werden sog. Äquivalenzgewichte herangezogen, mittels derer die Bedarfe unterschiedlicher Haushaltskonstellationen berücksichtigt werden. Nach der sog. modifizierten OECD-Äquivalenzskala, einem international etablierten Vorgehen, wird dem ersten Erwachsenen im Haushalt ein Gewicht von 1 zugeordnet, jedem weiteren Haushaltsmitglied ab 14 Jahren ein Gewicht von 0,5 und Kindern unter 14 Jahren ein Gewicht von 0,3. Daraus leitet sich bspw. ab, dass ein Paar ohne Kinder nicht über das doppelte Einkommen, sondern nur über das 1,5fache gemeinsame Haushaltseinkommen eines Alleinstehenden verfügen muss, um einen vergleichbaren Lebensstandard [14]zu erreichen. Schließlich gibt es Räume und Güter, die in einem Haushalt nur einmal vorkommen, die aber von mehreren Personen genutzt werden (bspw. die Küche und das Wohnzimmer oder die Waschmaschine und der Internetzugang), so dass sich die Bewohner die Kosten teilen können. Ökonomen sprechen hier von positiven Skalenerträgen im Konsum. Im Zentrum der folgenden Kennziffern zur Einkommensverteilung steht somit das bedarfsgewichtete Nettoeinkommen pro Kopf. 1.2.1Langfristige Entwicklung der Einkommensungleichheit
Ein naheliegender Startpunkt für die Analyse der Entwicklung der Einkommensungleichheit ist die Wiedervereinigung, da diese einen signifikanten zeitlichen Strukturbruch auch für Gesamtdeutschland darstellt. Darstellung 1-1 illustriert die Entwicklung der Einkommensungleichheit gemäß des sog. Gini-Koeffizienten. Der Gini-Koeffizient zählt zu den am häufigsten verwendeten Kennzahlen zur Messung von Ungleichheit. Im Fall einer völligen Gleichverteilung (wenn also jeder Mensch in einer Bevölkerung gleich viel verdient bzw. besitzt) nimmt der Koeffizient den Wert null an, bei der größtmöglichen Ungleichheit (ein Mensch verdient/ besitzt alles, alle anderen nichts) den Wert eins – je größer der Koeffizient, desto größer das...


Prof. Dr. Manuel Rupprecht lehrt Volkswirtschaftslehre, insb. Internationale Wirtschaftspolitik, an der Fachhochschule Münster.


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