Schäfer | Schlafwandlers Wandel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Schäfer Schlafwandlers Wandel

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-7557-0452-2
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wir leben in einer Klimawandelzeit, wir sind längst Zeugen der Erderwärmung und des Artenschwunds. Für vier Jugendliche ist es höchste Zeit zum Handeln. Dort, wo sie sich auskennen, in ihrer Stadt. Dort, wo die Zauderer und Schlafwandler Entscheidungen vertagen.

Wie kann es ihnen gelingen, die Stadtverwaltung unter Druck zu setzen? Sie wissen, ihre Aktion muss ein Weckruf sein.

Die Suche führt sie mitten hinein in das eigene Leben. So kann nicht ausbleiben, dass es zwischen ihnen zu einer heftigen Debatte kommt, sie endet als Zerreißprobe.
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Absicht Die Leuchtzahlen der Apotheke zeigten 33 Grad Celsius. Mit einem Tritt in die Pedale setzte Willy sein Fahrrad in Richtung Schwimmbad in Bewegung. Er hatte sich dort mit seinen Freunden verabredet. Schon beim Näherkommen nahm er ein gleichmäßiges Stimmengewirr wahr, die Geräuschkulisse des Schwimmbads war wie immer! Aber nicht für Willy, etwas hatte sich geändert. Sie mussten etwas tun, nicht irgendwann, sondern jetzt. Vor Kurzem hatte ihn sein Vetter Jan, der in einer Großstadt lebt, in einer betont coolen Art erklärt, so als ob es die unwichtigste Nebensächlichkeit der Welt wäre: »Wir werden das Ding kaputtkriegen.« Mit dem «Ding« meinte er nicht etwa ein altes Sofa, sondern unseren Planeten, die Erde, also unseren Lebensraum. Doch Jan wäre nicht Jan, wenn ihn in Wirklichkeit etwas tief beunruhigte, versteckte er seine Beunruhigung hinter einer gespielten Lässigkeit. Als Willy meinte: »Lass hören, Alter, was gibts?«, sprudelte Jan los wie ein Sturzbach nach einem Gewitterregen: »Der Planet heizt sich auf. Und zwar durch uns! Wir missachten seine Grenzen. Wer glaubt, dies bliebe folgenlos, muss blind sein. Eigentlich braucht die Natur große Schutzräume, Lebensräume für Pflanzen und Tiere, doch sie werden nicht bewahrt, sondern durch Übernutzung, durch Raubbau zerstört.« »Stop it!« Willy unterbrach Jans Redefluss, »du bist im TGV-Tempo, Bummelzug wäre mir ausnahmsweise lieber.« »Sorry, ein alter Fehler von mir. Doch es ist doch logo: Ohne radikalen Wandel, ohne ein Umdenken kann unsere Ökosysteme mit den vielfältigen Lebensformen der Pflanzen- und Tierwelt nicht überleben, und ebenso wenig wir selbst.« »Und was schlägst du vor?« Von Willy war das keineswegs nur so dahingesagt. »Weiß ich es, aber glaube mir, einen Hoffnungsschimmer sehe ich in unserer Generation, sie macht Dampf! Warum sollten wir uns nicht einschalten? Am besten jeder in seinem Mikrokosmos, ganz im Sinne von Fridays For Future als Klimaaktivisten: Handeln! Und das umso mehr, es geht schon längst nicht mehr alleine um die Erderwärmung!« Als Willy über Jans Botschaft nachdachte, war er sich sicher, noch vor einem Jahr hätte ihn der Alarm seines Vetters Jan nicht aufgerüttelt. Doch dann kam eine Meldung nach der anderen und veränderte seine Wahrnehmung. Die Wurzeln seines Sinneswandels lagen ohnehin tiefer. Sie hatten etwas mit ihm zu tun und mit etwas, was er vor seiner Haustür vorfand und was die Menschen gemeinhin als Natur bezeichnen. Und über sie, die ganz selbstverständlich da war, sollte er sich seinen Kopf zerbrechen? Es war sein Zuhause, Bebenhausen, eine Kleinstadt, sie lag in einem grünen Gürtel aus Wald, Wiesen und Äckern, in unmittelbarer Nähe zu einer Industrielandschaft. Der nächste große Naturraum war für Willy der Wald. Dort zu sein, hatte ihn schon früher angetrieben. Und nach und nach hatte er begriffen, dass ein Kippen des Klimas verstärken würde, was bereits im Gange war. Dazu gehörte der zusehends kleiner werdende Lebensraum für die Pflanzen- und Tierwelt: Wo war er geblieben? Was er im Biologieunterricht über das Artensterben hörte, hatte er mit eigenen Augen beobachtet. Mit seinem Fahrrad war er in Nullkommanichts raus aus seiner Stadt in einer Natur, die vor nicht allzu langer Zeit noch als intakt galt. Jedes Jahr im Frühjahr war er immer gespannt gewesen, wann die Frösche und die selteneren Molche, die er bereits als Erstklässler bei seinen Entdeckungstouren aufgespürt hatte, wieder da waren. Hinter der Stadt, am Beginn der Felder und Wiesen, musste er nur einen breiten Feldweg verlassen und einem Fußpfad, zwischen hohem Wiesengras folgen. In einer Senke stieß er auf ein dünnes Rinnsal, das wenig später in zwei still daliegende Tümpel mündete. Am meisten beeindruckten ihn die Feuersalamander. Wenn sie nach Insekten schnappten, wurden aus gemächlich sich bewegenden, schwarz-glänzenden, gelbfleckigen Tieren die flinksten Jäger. Ihnen hatte er stundenlang zugesehen. Doch plötzlich, vor Jahren, war ihr Schicksal besiegelt, die Feuersalamander und Molche waren verschwunden, es gab sie nicht entlang des Rinnsals und auch nicht mehr im und am Weiher. Damals war es eine einschneidende Erfahrung, die sich in sein Gedächtnis einprägte und die auch heute noch beim Zurückblicken lebendig wird. Dabei hatten Molche und Salamander ein viel älteres Anrecht, diesen Planeten zu bewohnen, als wir Menschen, die erdgeschichtliche Neulinge sind. Molche und Salamander gab es schon vor den Säugetieren und Vögeln, ja, sie waren schon vor den Dinosauriern da. Sein Vater hatte ihm, als er aufgebracht nach Hause kam, versprochen, im Stadtrat sein ganzes Gewicht dafür einzusetzen, dass mehr kommunale Ackerflächen ohne Chemie bestellt und die Austrocknung der Feuchtgebiete gestoppt würde. Wir Menschen haben eine biologische Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die auch etwas mit ihm zu tun hat, da machte er sich nichts vor. Die meisten Wege legte er zwar inzwischen mit dem Fahrrad zurück, und seine Mutter fragte ihn nicht mehr, wo sie ihn mit dem Auto hinbringen oder abholen könnte. Darauf hatte er beharrt. »Irgendwo muss ich selbst anfangen«, war seine Begründung. Aber er schätzte, seine jährliche Klimabelastung lag weit über dem Wert von zwei Tonnen CO2-Ausstoß, die der Weltklimarat der Vereinten Nationen für das Klima als verträglich erachtet. Über die Ursachen für das Verschwinden der Wildtiere hatten sie in der Schule debattiert. Was seine Biologielehrerin, Frau Griffrat, zum Thema Artensterben glasklar gesagt hatte, ließ ihn aufhorchen: »Für das vermehrte Aussterben der Wildtiere gibt es viele Gründe, aber wir Menschen sind fast immer beteiligt.« Wichtig sei, dass die Nahrungsketten nicht immer mehr Lücken bekämen. Ab welchem Moment bei ihm aus diesem faszinierenden und mehr und mehr beunruhigenden Thema Klimawandel und seinem Begleiter, dem Artensterben, mehr wurde als eine reine Kopfsache, wusste er nicht mehr. Vielleicht geschah es, als Frau Griffrat leise, wohl mehr zu sich selbst, hinzugefügt hatte: »Das Wissen allein reicht nicht aus, um diese Katastrophe zu stoppen.« Wollte sie zum Ausdruck bringen, wir müssen etwas dagegen unternehmen? Doch verriet nicht bereits ihre zur Faust geballte Hand, mit der sie ihre Worte unterstrich, am deutlichsten die Antwort? Dass er gerade in diesem Zusammenhang an Jule dachte, war neu. Ihre leuchtenden Augen passten zu ihrer ansteckenden Energie. Jule mit ihren drahtigen, lockigen Haaren, sie war nicht nur hübsch, ihre Einfälle waren einfach genial. Nicht nur, wenn sie über den Klimawandel sprach, sie hatte mehr Durchblick als viele Erwachsene. Deren ewiges Abwarten und ihre Nichtstun-Haltung hatte ihre Entschlossenheit richtig angeheizt. Wie Jan hatte gerade Jule ihn in letzter Zeit öfter angesprochen, und sich über sein Nichtstun gegen den Klimawandel gewundert. Dabei erschien ihm die Aussicht, wie sie zusammen nach einem Weg oder einer zündenden Idee suchen würden, verlockend. Ein Plan, wie sie vorgehen wollten, musste her. Und als Ideengeber traute er sich einiges zu. Schließlich, da war er sich sicher, dachten die Erwachsenen in ganz eigenen Bahnen. Kam ihre Generation als Betroffene in ihrem Kalkül vor? Wir dürfen nicht wählen und haben, wenn die Ökokatastrophe da ist, keine Wahl mehr. Natürlich wird der Klimawandel ihre Zukunft stärker prägen, es gibt einen Unterschied an Zukunft, aber das hatten die Erwachsenen nicht auf dem Schirm. Jedenfalls bisher nicht. Etwas musste geschehen. In ihrem ureigensten Interesse, sie durften nicht bloße Zuschauer sein. Ein Anfang Willy war jetzt vierzehn Jahre, also in seinem fünfzehnten Lebensjahr. Mit seinen braunen, freundlich blickenden Augen und seinem gutmütigen Jungengesicht wurde er bisweilen unterschätzt, was er mit einem gesunden Selbstbewusstsein problemlos wegsteckte. Generation Greta, doch etwas jünger als Greta, die er, damals als er von ihrem persönlichen »Schulstreik fürs Klima« erfuhr, für ihre Entschlossenheit und ihren Mut bewunderte. Ihre Haltung imponierte ihm! Was sie auf ihren Flugblättern schrieb: »Wir Kinder tun oft nicht das, was ihr Erwachsenen von uns verlangt. Aber wir ahmen euch nach. Und weil ihr Erwachsenen euch nicht für meine Zukunft interessiert, werde ich eure Regeln nicht beachten«, fand er ultrakrass. Vielleicht mussten sie auch krass werden, wenn ihre Idee nicht ins Leere laufen sollte. Jule, die ein Jahr älter war als er, erinnerte ihn an Greta. War sie nicht auch eine «Klimaradikale«, wie sich Greta bezeichnete? Erst kürzlich war er geplättet, wie schonungslos Jule auf Frau Griffrat reagiert hatte. Das Ganze fing mit einer harmlosen Frage an: »Frau Griffrat, was tun Sie selbst gegen die Klimakrise?«, wollte Jule wissen. Als diese unumwunden erklärte, ihr fehle die Zeit, um bei einer Umweltorganisation mitzumachen, da hatte Jule Frau Griffrat hammerhart...


Schäfer, Klaus
Klaus Schäfer, lebt in Berlin. Chemiker, arbeitete in der Grundlagenforschung auf dem Gebiet strahlenchemischer Reaktionsmechanismen, wie auch in der Angewandten Forschung im Bereich Biowissenschaften.


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